die hölle und das paradies

gemäss den letzten verfügbaren informationen sind dabei 91 menschen ums leben gekommen, 84 alleine im sommerlager der sozialdemokratischen jugend.

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aus dem paradies sei die hölle geworden, sagte heute morgen jens stoltenberg, der norwegische ministerpräsident, im radio, als er zum schrecklichen doppelattentat im regierungsviertel von oslo und auf einer vorgelagerten insel stellung nahm.

nach augenzeugenberichten ist der attentäter kurz nach der bombenexplosion in der norwegischen hauptstadt als polizist verkleidet und mit gesicherter waffe auf die insel mit dem camp gefahren. dort gab er vor, einen sicherheitscheck vornehmen zu müssen. die rund 600 jugendlichen wurden gerade versammelt, um über die tat in der hauptstadt informiert zu werden, als der attentäter unvermittelt in die menschenmenge schoss. es scheint, dass der erste anschlag nur dazu genutzt wurde, die stimmung herzustellen, welche die eigentliche tat erst ermöglichte.

obwohl örtlich so nahe, sind wir hier in holzhausen so fern den schrecklichen ereignisse. das internet verbreitet sie zwar in windeseile; nur eine halbe stunde nach dem ersten anschlag waren wir über das wichtigste informiert. Auch über das radio bekommt man etwas von der erschütterung des nachbarlandes mit, die in der nachkriegszeit ihresgleichen sucht.

doch wirkt dies alles so unrealistisch: „ausgerechnet norwegen!“, denkt man sich. so reich, so zivilisiert. ausgerechnet die sozialdemokratische jugend, die sich für eine besser welt versammelte, könnte man nachschieben. und man muss sich fragen, warum das ganze?

antworten sind schwer zu finden. natürlich, man weiss um die attentate auf olof palme und anna lindh in schweden. doch die galten sozialdemokratischen politikerInnen, deren einfluss auf die welt nicht allen passten. das setzte die bekannte kritik an der linken politik ab, die für die mehrheit politisch bleibt, bei extremisten aber batürliche hemmschwelle gegenüber gewalt senkt.

dennoch, das ganze hat eine bis gestern unbekannte dimension. betroffen ist das friedliche norwegen. getroffen hat es junge menschen, voller ideale, aber ohne macht. wahllos wurden sie erschossen, einfach, weil sie da waren.

zuerst hiess es, es seien islamistisch motivierte anschläge, um den rückzug norwegens aus afghanistan zu erzwingen. ganz unplausibel wirkte diese hypothese nicht, denn nach der liquidierung von osama bin laden durch die usa hatte man immer wieder gehört, die neue al quaida werde sich rächen. doch passt der hergang des geschehen sowenig zu den ereignissen.

passender wirkt da, die multikulturelle politik der linken norwegischen regierung sei der auslöser. in rechtspopulistichen kreisen gilt sie als schandtat, als verrat am eigenen land. zwar gehört, so liesst man, der attentäter nicht zur norwegischen neonazi-szene. doch habe er über facebook konservative, christliche und nationalistische kritik betrieben, bevor er zur eigenen tat schreitet.

anomie nennen das die soziologInnen: orientierungslosigkeit angesichts des auseinanderfallens von zielen und normen, von wünschen und verhältnissen. die kann politisch verschiedene, auf jeden fall unüblich folgen haben. dazu gehört das ausrasten, als einzelner, als kleine gruppe. eine politische gemeinschaft ist defür nicht einmal nötig.

doch wie gesagt, dass geschehene ist real, erleben kann man es hier nicht. so bleibt, dass der bericht vor allem ein virtueller ist, bei dem vorsicht angesagt bleibt. denn im paradies von holzhausen wirkt das an sich sehr, sehr irreal.

stadtwanderer