bilder bilden.

“Schweizer Geschichte im Bild” heisst das neueste werk von thomas maissen, der damit seinem standardwerk zur schweizer geschichte eine reich illustrierten bildband folgen lässt. eine einladung zum verweilen, gerade am heutigen (bundesfeier)tag.


landsgemeinde im bild, umrahmt von zerknitterten fahnen der schweiz und der eu – thomas maissens neuestes buch zum schweizer geschichte, diesmal nicht in worten, sondern in bildern

vor der fotografie reflektieren bilder in der geschichte vorwiegend bildhafte vorstellungen des vergangenen. denn sie entstanden in aller regel mit zeitlicher distanz zum geschehen, das sie darstellen. mit der fotografie wird das bild auch in der geschichte zum aktuellen bericht, zur abbildung, wenn auch zur perspektivischen, die uns nicht zeigt, wie es war, aber uns heranführt, wie es möglich gewesen ist.

thomas maissen, geschichtsprofessor in heidelberg mit schweizerisch-finnischen wurzeln, besinnt sich in seinem neueste buch auf genau diesen doppelten sinn von bildern. mit seiner „Schweizer Geschichte im Bild“ lässt er der eher trocken gehaltenen „Geschichte der Schweiz“, 2010 erstmals erschienen, heute bereits in der vierten auflage erhältlich, im hier+jetzt verlag einen reich illustrierten band folgen, der sich anhand von 350 bildern aus und über die schweizer vergangenheit mit dem unendlichen thema beschäftigt. selbstbilder sind es in der überwiegenden zahl, fremdbilder in der minderheit, aber auch schaubilder wie karten, auf denen die schweiz peu à peu als teil europas entsteht.

den bebilderten stoff teilt maissen mit kräftigen pinselstrichen in 13 kapitel ein. beginnen lässt er das ganze mit den mittelalterlichen räumen, und es endet mit der gewinnträchtigen und verlustreichen anpassung der schweiz nach dem kalten krieg mit ihrer konkordanz. dabei ist dem historiker nicht der alte kristallisationspunkt der geschichtserzählung wichtig. den 1. august 1291 erwähnt er eher beiläufig, tell und das rütli fehlen ganz. vielmehr stellt maissen, einmal mehr, sein 1450 ins zentrum. denn im fiedensschluss zum alten zürichkrieg, am 13. Juli 1450 in einsiedeln gesprochen, sieht er den übergang vom mittelalterlichen geflecht an bündnissen zu einem bündnisverband, der erstmals anspruch auf exklusivität beanspruchte.

eine staatsgründung sieht maissen indessen auch darin nicht. vielmehr betont er, wie die eidgenossenschaft geworden ist. die grundlagen legten die verkehrswege von norden nach süden, die römischen städte mit den nachfolgenden bistümern, die klöster und der adel, bei dem die habsburger und savoyer herausragten. deren krise führte im 13. jahrhundert zu landfriedenschlüssen, mit denen die städte und länder in die geschichte eintraten, aus denen die eidgenossenschaften hervorgingen. an der schwelle vom 15. zum 16. Jahrhundert enstand die alte eidgenossenschaft im geist des humanismus, die mit ihren schlachtensiegen gefürchtet wurde, ihren militärischen höhepunkt aber rasch wieder verschwinden sah. das und die religiöse spaltung zwangen das militärbündnis nach aussen in die staatenwelt der neuzeit einzutreten und sich nach innen wirtschaftlich zu wandeln. politische reformen blieben dagegen unvollständig, bis die französische revolution mit ihrer helvetischen republik alles auf den kopf stellte. wieder auf die füsse gestellt, entwickeln sich als gegenstück zum konservatismus der liberalismus, als widerpart zum föderalismus, der zentralismus, und zur überwindung der bauernwirtschaft die industrialisierung, die 1848 zur neuen eidgenossenschaft, der confoederatio helvetica führten, dei das bürgertum entstehen liess, aber auch die arbeiterschaft hervorbrachte, die über die beiden weltkriege in erweiterte politischen system der konkordanz eingebunden wurden. das ende des kalten krieges zwang zur neuorientierung, der anpassung an die globalisierung, die wirtschaftliche gewinne und gesellschaftlich verluste mit sich bringt, in den sich die schweiz heute neu ausrichten muss.

zu jedem dieser stichworte liefert thomas maissen treffende bilder: karten, die übersichten vermitteln, museale relikte, die an vergangenes erinnern, zeichnungen aus den alten chroniken, die unterhalten, gemälde der herrschenden, die repräsentieren, fotografien der soziologen, die aufklären, und karikaturen, die beissen. alles zusammen vermittelt einen stimmigen eindruck der schweiz, wie er handlicher nicht sein könnte, und wie er bildender seit langem nicht mehr gewagt wurde. einiges davon ist bis ins populäre geschichtsgedächtnis vorgedrungen, anderes wiederum überrascht, weil es bisher nicht zum geschichtsbild der schweiz beigetragen hat.

genau das ist es, was mir sagte, meinen leser- und betrachterInnen des stadtwanderers, genau heute diesen bildband zum verweilen zu empfehlen, um mit zeit und muse statt raketenknall und pulverdampf sich seiner selbst zu besinnen.

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