Das doppelte Bondo due

BAFU Direktorin Kathrin Schneeberger in Bondo/Bregaglia

Am 31. August 2017 krachte der Berg. Die Nordflanke des Piz Cengalo fiel in die Tiefe. Doch blieb der Stein nicht wie meist auf dem Gletscher liegen. Vielmehr schmolz ein Teil des Eises unter dem Druck, sodass viel Stein und Wasser ins Tal gleichzeitig donnerten.
Bondo im Bergell war am meisten betroffen. Doch auch andere Ortsteile der Fusionsgemeinde Bregaglia litten. 8 Personen, die wandernd unterwegs waren, wurden ganz begraben.

Die erinnerte Katastrophe
Fast auf den Tag genau vier Jahre nach dem Ereignis, das national bemerkt wurde, fand heute der erste Spatenstich für das Projekt Bondo II statt. Der Schutz vor Naturkatastropen soll damit verbessert werden.
BAFU-Direktorin Kathrin Schneeberger (Bild) und der Bündner Regierungspräsident Mario Cavigelli waren vor Ort, um mit dem amtierenden Gemeindepräsidenten von Bregaglia den Startschuss zu geben. Denn Gemeinde, Kanton und Bund teilen sich in die Kosten von rund 43 Mio CHF – gelebter Föderalismus könnte man sagen!
Einen sicheren Zusammenhang mit dem Klimawandel kennt man nicht. Doch ist klar, dass die erhöhten Sommer-Temperaturen dem Permafrost zugesetzt und Bergstürze erleichtert haben. Ob auch die plötzliche Gletscherschmelze damit zusammenhängt, muss noch geklärt werden.

Die vergessene Katastrophe
Die grösste Katastrophe im Bondo war allerdings 1621, also just vor 400 Jahren. Damals wurde das ganze Dort eingeäschert. 428 Häuser verschwanden.
1618 waren die Bündner Wirren ausgebrochen. Die konfessionelle Spaltung war der Hintergrund. Das Bergell war bereits 1552 von Verona aus reformiert worden und gemeinsam dem neuen Glauben beigetreten.
1618 brauch auch der 30jährige Krieg mit einer europäischer Dimension aus. Auslöser war den berühmte Festersturz in Prag. Böhmen, dann Dänemark, später Schweden und am Ende auch Frankreich stellten sich gegen den Kaiser. Auch da ging es anfänglich um den richtigen Glauben.
Dem benachbarten Herzogtum Mailand, streng katholisch und unter spanischer Herrschaft, das reformierte Leben im benachbarten Bergell gar nicht. Eine spanische Truppe intervenierte 1621 und zerstörte Bondo ganz. Über die Zahl der Opfer weiß man bis heute nichts Genaues.
Nationalrätin Anna Giacometti (FDP), während des Bergsturzes von 2017 Gemeindepräsidentin, erzählte mir, sie wisse, dass es damals eine Katastrophe gegeben habe. Dokumente oder Erinnerungsorte gäbe es aber in Bondo nicht. In der Schule habe man dazu nie etwas erfahren. Auch sonst werde leider nicht darüber geredet.

Zwei Neuanfänge
Bondo II meint also nicht nur das Leben mit den verstärkten Schutzmaßnahmen. Bondo due ist auch das zweite Leben der Gemeinschaft nach der Dorf-Zerstörung von 1621.

Bild: Barbora Neveršil