Besuch der Ruine Gerenstein (in Berns Nähe)

Am 2. März 1298 gewann die Reichsstadt Bern die Schlacht am Dornbühl gegen das habsburgische Freiburg. In der Folge zerstörte Bern die Burgen des feindlichen niederen Adels in ihrer eigenen Nähe, so auch die des Freiherren von Gerenstein auf dem Gebiet von Bolligen. Ortsbesichtigung und Geschichtsrekonstruktion.

Die Oertlichkeit
Zweigt man von der Hauptstrasse zwischen Bolligen und Krauchtal ab, um die Ruine Geristein, wie sie heute heisst, zu besuchen, steht man zuerst vor einem imposanten Felsen mit einem grossen Loch. Steigt man dann zur Ruine hoch, erkennt man den Sandstein, der den Felssporn bildet. Er ist porös ist und bröckelt, wo er nicht von Erde bedeckt wird. Der letzte Teil ist steil, übe eine nur schlecht gesicherte Treppe erreichbar.
Oben angekommen sieht man noch Teile eines ritterlichen Rundturms, die immer noch seine savoyische Gestalt verrät.


Was geschah nach den Zähringern
Wie kam es dazu, dass die Burg vor 732 Jahren geschleift wurde? Um das zu verstehen, muss man tief ins 13. Jahrhundert eintauchen. In der Geschichtsschreibung spricht man auch von der Zeit der “Anarchie der Adeligen”, weil sie gerade im Mittelland so häufig in wechselnden Koalitionen gegeneinander kämpften.
Alles beginnt mit Bern und Freiburg. Beide Städte waren von den Herzögen von Zähringen gegründet worden. Nach deren Aussterben 1218 entwickelten sie sich aber unterschiedlich. Das sollte man auch in Gerenstein zu spüren bekommen.
Freiburg, 1157 auf Zähringer Gebiet gebaut, gehörte zum herzoglichen Erbe, das an die Grafen von Kyburg (bei Winterthur) ging. 1277 kam die Stadt an die Habsburger, zwischenzeitlich Könige im Reich.
Bern war auf Reichsgebiet gebaut worden, das beim Aussterben der Herzöge an den Kaiser ging. Er machte Bern zur Reichsstadt, die ihm direkt unterstand. Doch verstarb Friedrich II. 1250, sodass Berns Status unsicher wurde,
Die Kyburger hätten Bern gerne eingenommen, doch die Grafen von Savoyen, mächtig aufgestellt in der Waadt, verhinderten dies, indem sie sich schützend über die verwaiste Reichsstadt stellten.

Berns burgundische Eidgenossenschaft
Zur ihrer weiteren Sicherung entwickelte Bern weitere Beziehungen, burgundische Eidgenossenschaft genannt. Dazu gehörten Bündnisse mit der Stadt Biel und dem Reichsland Hasli.
Genau das missfiel König Rudolf von Habsburg. 1288 versuchte er die Stadt Bern einzunehmen, blieb aber erfolglos. Erst ein Jahr später gelang dies seinem Sohn, ebenfalls Rudolf genannt.
Bern kam dennoch nicht zu Habsburg, musste aber dem König eine hohe Kriegssteuer bezahlen.
Das führte zu einer grossen Krise. Schultheiss Ulrich von Bubenberg wurde 1293 abgesetzt. Dafür stützte Bern den Grafen Adolf von Nassau, der 1292 zum Nachfolger von Rudolf von Habsburg neuen König gewählt wurde. Er bestätigte der Stadt den bisherigen Status.
Doch blieben die Habsburger die Rivalen im Reich. Im Lokalen erhöhte das die Spannungen zwischen Bern und Freiburg. Mittels Fehde kämpfte man um die Vormachtstellung im Sense-Saane-Raum, der mit den Reichsburgen Gümmenen, Laupen und Grasburg von hoher Bedeutung war.


Reichsgebiete und Adelsherrschaften um 1291 auf dem Gebiet der heutigen Schweiz (Quelle: Historischer Atlas der Schweiz, 2021)

Die Schlacht am Dornbühl
Daraus entstand die Schlacht am Dornbühl. Den Namen hat sie vom dornenhaltigen Hang, auf dem das Treffen stattfand. Es reichte von den Toren im Westen der Stadt bis ins heutige Oberwangen Richtung Flamatt.
Bern wurde bei der Schlacht von den Städten Solothurn und Biel unterstützt, auch von den Grafen von (Neu)Kyburg resp. von Aarberg. Selbst das Hasli stand auf ihrer Seite.
Ihr gegenüber waren die Stadt Freiburg, die Grafschaften von Neuenburg und Greyerz, die savoyische Waadt und zahlreiche deren Gefolgsleute, die sich teils kurzfristig auf die Bern-feindliche Seite begeben hatten.
Unbekannt ist die Zahl der Beteiligten resp. Toten. Nur Ulrich von Erlach kennt man als Heerführer der siegreichen Berner.

Die weiteren Folgen
Dafür weiss man, dass Bern nach der Schlacht in die Offensive ging. Sie zerstörte sofort drei Burgen von Kleinadeligen in ihrer nahen Umgebung: die
. des Freiherrn von Belp-Montenach und des Freiherrn von Gerenstein, die beide zu Savoyen gehalten hatten, und
. die des Ritters von Wangen, der zu Freiburg gestanden war.
Bern übernahm auch die Kirchenrechte in Muri, Bolligen, Stettlen und Vechigen. Damit sicherte man sich Verbindungswege nach Burgdorf und ins Haslital. Man kann das auch als Beginn der städtischen Territorialpolitik sehen.
Schliesslich verstärkte sich Bern mit einem kleinen Städtebund, das nun nebst Biel auch Solothurn und Murten umfasste.
Beendet waren die Spannungen mit Freiburg allerdings nicht. Denn König Adolf von Nassau noch 1298 mit Albrecht von Habsburg einen Gegenkönig und verstarb kurz danach. Bis weite ins 14. Jahrhundert blieb das ursprünglich freundschaftliche Verhältnis zwischen den beiden Zähringerstädten kriegerisch.

Das Ende der Freiherren von Gerenstein
Ohne Burg fanden die Freiherren von Gerenstein ein rasches Ende. Sie sollen bereits anfangs des 14. Jahrhunderts ausgestorben gewesen sein.
Ihre Ruine wurde von Bolligen übernommen, später an weltliche und kirchliche Adelige verkauft, bis sie 1528 bei der Säkularisation durch die Reformation an Bern kam.
1975 wurde die Ruine restauriert, und seither ist sie ein beliebter Ausflugsort im Nahgebiet von Bern.
So auch für @neverbar und den @stadtwanderer_ am heutigen Bärzelistag 2022, wie man in Bern dem Berchtoldstag sagt. Er soll ja auch an den Stadtgründer Berchtold V. von Zähringen erinnern.