Die erste Demokratie in der Schweiz aus eigener Kraft

Ich war heute mit #Swissinfo in Lugano, um die zweite Folge der Videos zu „Brennpunkte der Schweizer Demokratie“ zu drehen. Etwas Hintergrund.


Bild: Denkmal für die Reform vom 4. Juli 1830 im Rathaus von Lugano

Die liberale Tessiner Reform
Am 4. Juli 1830 nahmen die Kreisversammlungen im Kanton Tessin die neue liberale Verfassung an. Es war eine herbe Niederlage für die alte Oligarchie um den regierenden Landammann Giovanni Battista Quadri. Er hatte im Geiste des Wiener Kongresses den Kanton autokratisch regiert.
Und es war der Aufstieg des radikal gesinnten Lehrers und späteren Bundesrats Stefano Franscini, der sich publizistisch unermüdlich für das Projekt eingesetzt hatte.
Eingeführt wurden zentrale Elemente der Demokratie: Gewaltenteilung, allgemeines (Männer)Wahlrecht und verfassungsmäßig garantierte Pressefreiheit. Die anschließenden Wahlen brachten dem Bürgertum den politischen Sieg.

Die Erneuerungsbewegung

Heute weiß man: Das war der Startschuss für demokratische Reformen in elf weiteren Kantonen. Innert Jahresfrist wandten auch sie sich vom Regime des Wiener Kongresses von 1815 ab. Heute nennt man das Regeneration. Widersprochen haben ihr namentlich die Kantone mit Landsgemeinden.
Selbst Europa ging man im Tessin voraus. Erst am 23./24. Juli 1830 kam es in Frankreich zur zweiten Französischen Revolution. Es folgten Umstürze in Belgien, Polen und Italien. Nur Griechenland war schneller als die Tessiner gewesen. Doch da vereitelten die konservativen Monarchen Europas den Durchbruch zu demokratischen Verhältnissen. In der Schweiz getrauten sie sich das nicht, selbst wenn sie immer wieder insistierten, beim Bundesvertag von 1815 zu bleiben.

Misslungene Reformen
Auch die kantonalen Reformen in der Schweiz liefen 1832 beim Versuch auf, über den Kantonen einen modernen föderalen Bundesstaat zu schaffen. Den Radikalen ging der Plan Rossi, wie man das Projekt damals nannte, zu wenig weit, und die Konservativen wollten bei der kantonalen Souveränität bleiben. Schließlich stimmte die Stadt Luzern, die als Hauptstadt vorgesehen war, gegen die Übernahme der neuen Aufgabe.
Misslungen war in den 1830er Jahren auch die Gründung einer Nationaluniversität. Dafür wurden die Hochschulen in Zürich und Bern gegründet. Sie waren die ersten laizistischen Hochschulen der Welt.
Die erste nationale Hochschule entstand 1855 mit dem Polytechnikum in Zürich, als übrigens der Tessiner Stefano Franscini Bindesrat und Bildungsminister der Schweiz war.