Burger. Barock. Bourbonen: 1. Station Heiliggeist-Kirche und der Hochbarock

Wir stehen hier vor der Heiliggeist-Kirche. Es ist der prächtigste sakrale Barock-Bau Berns. Und er steht symbolisch für unsere Stadtwanderung zu “Burger – Barock und Bourbonen”.

Der Berner Barock
Wer von barocken Kirchen in der Schweiz hört, denkt unweigerlich an Einsiedeln, nur wenig später fertiggestellt wie die Heiliggeist-Kirche in Bern. Und der Unterschied ist frappant. Dort die üppige Ueberschwang, da die nüchterne Einfachheit!
Der Berner Barock ist eigen. Wie fast alles, was zwischen dem 14. und 20. Jahrhundert in Bern gebaut wurde, besteht er aus Sandstein. Gut bearbeitbar, aber auch wenig beständig. Und er ist von der Reformation aus dem 16. Jahrhundert geprägt.
Den Zeitgenossen war der Begriff übrigens nicht geläufig. Verwendet wird er erst seit den 1750er Jahren, um den entstehenden Klassizismus der Aufklärung von allem, was vorher war, abzugrenzen. Dafür verwendete man in Frankreich den portugiesischen Begriff «barocco», der für eine unvollendete Perle!

Was an der Heiliggeist-Kirche barock
Die heutige Heiliggeistkirche geht auf eine Bauidee des Berner Architekten Albrecht Stürlers zurück. Realisiert wurde sie aber vom Stadtwerkmeister Niklaus Schiltknecht – wohl ohne Plan, denn keine Skizze entspricht dem finalen Bau. Vielleicht ist er auch deshalb der eigenwilligste unter den Barockbauten.
Dominant ist der Kirchturm, der das Satteldach durchstösst. Er eine Welsche Haube mit Glockentürmchen mit Spitzhelm krönt ihn. Gut sichtbar sind die Zifferblätter auf allen vier Seiten. Am Dach befindet sich eine Balustrade mit Obelisken und Vasen.
Typisch barock am Hauptgebäude sind die schlanken Rundbogen-Hochfenstern. Die Fassade kennt richtige und angedeutete Säulen, Pilaster genannt. Auf dem richtigen Säulenpaar thront ein Segmentgiebel. Barock ist das horizontale Gesimse und die vertikalen Lisenen, welche die Fassade klar gliedern.

Früh-, Hoch- und Spätbarock in Bern
Den Barock teilt man meist in drei Phasen auf: den frühen, den hohen und den späten Barock. Das kann man auch in Bern verwenden, wenn auch zeitversetzt.
Der frühe Barock dauerte von 1640 bis 1700. Der hohe Barock geht von 1700 bis 1730. Der späte Barock beginnt danach und endet um 1780.
Die Heiliggeist-Kirche markiert den Uebergang vom hohen zu späten Barock. Geweiht wurde sie Ende 1729.
Das Burgerspital gegenüber entstanden 15 Jahre danach. Es gehört zum Berner Spätbarock. Die farbigen Fassaden künden unzweifelhaft davon.
Heute steht die Heiliggeistkirche frei. Dafür musste die Stadt ab den 1830er Jahren im Zeichen des Liberalismus entfestigt werden. 1865 fiel auch der prächtige Christoffelturm, der letzte Teil der Stadtmauer aus dem 14. Jahrhundert.

Burger, Patriziat und Rebellion
Der Baldachin für die Euro08 zwischen der Heiliggeist-Kirche und Burgerspital ärgerte die Berner Burgergemeinde erheblich. Er zerschneide den barocken Stil am Platz, argumentierte sie.
Entstanden war die Burgergemeinde 1833. Doch reicht die Geschichte ihrer Vorläuferorgane bis ins 13. Jahrhundert zurück.
Geprägt wurde sie von der Burgerversammlung, der reformierten Zunftverfassung, ihrer Aristokratisierung im Patriziat und von Rebellion, die das alles durch eine Gemeindeversammlung ersetzen wollte. Davon werden wir noch einiges hören, auch wenn man vieles nicht mehr sieht.
Heute weitgehend unsichtbar sind auch die Schanzen, mit deren Bau Bern 1623 angesichts des 30jährigen Kriegen zwischen dem Kaiser und den Königen von Böhmen, Dänemark, Schweden und Frankreich begann. Denn auch sie wurden in den 1830er Jahr im Namen des Fortschritts geschleift.

30jähriger Krieg, Schanzen und Bourbonen
Dabei hätten die Schanzen so gut zur Beziehung Berns und den Bourbonen in Frankreich gepasst.
Henri IV., seit 1589 König in ganz Frankreich, beendete die jahrzehntedauernden Hugenottenkriege. Er war der erste und einige Calvinist auf dem Thron, 1610 wurd er ermordet, doch begründete er die Bourbonendynastie. Seine Nachfahren waren wieder katholisch, und sie herrschten, einzig von Napoleon unterbrochen, bis 1830 über Frankreich.
Die Idee zu den Schanzen hatte Théodore Agrippa d’Aubigné, ein Gefolgsmann von König Henri IV. Er sah sie als reformiertes Verteidigungswerk gegen katholische Aggressionen. Und mit ihnen kamen 1623 auch die ersten Hugenotten nach Bern.
Halb-Brüder im Glauben, müsste man heute sagen: reformiert, aber calvinistisch, nicht evangelisch wie man es in Bern gewohnt war.
Mit Folgen!

Auf geht’s zur nächsten Station!