Teil 4 der Luzerner Stadtwanderung: der Mühleplatz

Teil 4 der Luzerner Stadtwanderung

Der Mühleplatz

oder

die improvisierte Hauptstadt der Helvetischen Republik

Am 31. Januar 1798 dankte das Luzerner Patrizat ab. Freiwillig! Schneller als Luzern war man damit nur in der Waadt und im Baselbiet gewesen. Doch das waren Untertanengebiete, Luzern war ein souveräner Staat.
Die Freude war allerdings kurz. Frankreich setzte eigene Truppen ein, um die Durchgangswege nach Italien zu sichern. Politisch garantiert werden sollte das durch einen straf organisierten Zentralstaat. Eine eigenständige fortschrittliche Luzerner Republik war da hinderlich.

Die Hauptfrage
In Aarau, das die Franzosen militärisch besetzt hatten, wurde am 12. April 1798 die Helvetische Republik ausgerufen. Das Gebiet etwa wie die Schweiz heute bildete ihn. Erstmals überhaupt hatten wir eine Verfassung. Sie garantierte Menschenrechte, Gewaltenteilung und politischen Rechten für alle erwachsenen Männer. Die Republik bekam eine Flagge, eine Fanfare und den Franken.
Aarau war jedoch zu klein. Bereits im Oktober wurde die Hauptstadt nach Luzern verlegt. Nun schwor Luzern auf dem alten Mühleplatz auf die helvetische Verfassung.
Das helvetische Direktorium bezog den Ritterschen Palast. Der Senat kam ins alte Rathaus. Der Große Rat hätte im aufgehobenen Ursulinenkloster tagen sollen, doch musste man das zuerst umbauen. So kam er in den Theatersaal des ebenfalls aufgehobenen Jesuitengymnasiums unter.

Innen- und außenpolitische Fronten

Der Mühleplatz war symbolisch. Er war der alte Treffpunkt der Begegnungsöffentlichkeit. Jetzt kam die moderne Versammlungsfreiheit- und Medienöffentlichkeit dazu.
Es gab zwei politische Richtungen: Demokraten aus den ehemaligen Untertanengebieten und Republikaner mit reichen Städtern wie in Luzern, die im Ancien Regime keine politischen Rechte gehabt hatten. Gegner der Republik waren die entmachteten Patrizier und die Kirchen, die mit dem französischen Laizismus nichts anfangen konnten.
Vor allem hatte das revolutionäre Frankreich Gegner. Die Monarchien Oesterreich, Russland und Grossbritannien führten den 2. Koalitionskrieg gegen Frankreich unter anderem auf helvetischem Boden.
In zwei Schlachten ging es 1799 namentlich um Zürich. Das erste Mal siegte die Koalition, das zweite Mal Frankreich. Doch wurde die Lage Luzerns nach der ersten Schlacht so prekär, dass die Hauptstadt nun nach Bern verlegt wurde. Luzern war am Ende nur während sechs Monaten eine improvisierte Hauptstadt gewesen.

Napoleon baut die Republik um
Von 1800 bis 1802 destabilisierten vier Staatsstreiche die Republik. Zuerst verloren die Demokraten, dann die Republikaner, denn die Föderalisten unter dem Schwyzer Adeligen Alois von Reding bildeten jetzt die Opposition gegen die Franzosenherrschaft.
Napoleon, zwischenzeitlich alleiniger Consul in Paris, wechselte mehrfach die Fronten. Den Republikanern war er gegen die Demokraten 1801 mit dem Zensuswahlrecht statt dem allgemeinen Wahlrecht entgegen gegen gekommen. Zugunsten der Föderalisten versuchte er 1802 den Einheitsstaat in einen Bundesstaat mit kantonalen Kompetenzen umzubauen.
Das war der Abschied vom revolutionären Projekt. Aber auch ein Neuanfang. Denn Napoleon liess darüber abstimmen.

Die erste Volksabstimmung in der Schweiz
Frankreich kannte nur das Veto. Man stimmte da auch ab, zählte aber anders als heute. Denn die Abwesenden galten als heimlich Zustimmende.
So passierte die Verfassung in der Abstimmung von 1802 komfortabel. Ohne diesen Trick wäre sie abgelehnt worden.
Der Zorn der Verlierer entlud sich in einem Aufstand, der zum Bürgerkrieg auswuchs: Es ging nur noch um Pro und Contra Einheitsstaat.
Bonaparte intervenierte nochmals und diktierte 1803 die Mediationsverfassung, welche die Weiterentwicklung der Schweiz erlaubte. Der spätere Kaiser sollte sich fortan „Vermittler der Helv. Republik“ nennen.
Zerstört war die ständische Gesellschaft, entstanden war jedoch keine Bürgergesellschaft. So hielt auch die Mediationsverfassung nur solange, als Frankreich auf den europäischen Schlachtfeldern siegte. 1815 war das definitiv vorbei.

Luzern, Luzernerin und Luzerner
Luzern war stets franzosenfreundlich, zu Beginn republikanisch, pro Einheitsstaat, und man stimmte für die Verfassung. Demokratisch war man nicht, dafür waren die Städter zu elitär.
Eine Niederlage gab es aber für die Städter. Das Land wurde abgetrennt und bildete von nun an den Kanton Luzern. Von da aus sollte die konservative Welle erst noch kommen!
Typisch für das Luzern von damals war das patrizische Ehepaar Rüttimann. Anna wirkte als Beraterin verschiedener Persönlichkeiten, blieb aber in der zweiten Reihe. Sie unterstützte die neue Republik, war aber gegen Demokratie. Denn das Volk sei dafür nicht reif.
Vinzenz war hatte wohl jeden wichtigen Posten seiner Zeit einmal inne gehabt. Und er gehörte von 1803 der ersten Luzerner Kantonsregierung an, die er, 1814, mit Hilfe patrizischer Gesellschaften in einem Staatsstreich stürzte. Selber blieb er bis 1831 Schultheiß von Luzern.
Als junger Mann zählte der wendige Politiker zur Fortschrittspartei, die die Wende brachte, dann zu den Republikanern, schließlich war er der Notable Luzerns, der für seine Empfänge bekannt war und einen Hauch Wiener Kongress und die Restauration in die Leuchtenstadt brachte.