Schluss der Luzerner Stadtwanderung: das KKL

Teil 8 und Schluss der Luzerner Stadtwanderung

Das KKL

oder

Die schwierige Sache mit der Inklusion

Wir stehen vor dem KKL. Es ist Luzerns Symbol für das bisherige 21. Jahrhundert. Mit vollem Namen heisst es das „Kultur- und Kongresszentrums Luzern.“
Eröffnet wurde das KKL 1998 mit einem Konzert der Berliner Philharmoniker. Das war Programm. Man ist hier am Europaplatz 1, und man will mindestens auf europäischer Ebene ganz vorne mit dabei sein.
Architekt Jean Nouvel aus Frankreich hätte das KKL gerne direkt in den See gebaut. Doch die Stadt war dagegen. So entwickelte er das architektonisches Konzept der Inklusion: Das Dach des KKLs ragt in den See hinaus, der wiederum fließt in die Anlage vor dem Haus hinein. Ein Springbrunnen verbindet beides.

Lange genug Exklusionen
Unsere Wanderung hat gezeigt, wie oft gerade in Luzern die Exklusion vorherrschte. In der Ständegesellschaft mit dem Patriziat war das fast selbstredend. Doch auch die nachfolgende Bürgergesellschaft mit ihrer Politik ging vom einheimischen Mann aus, der lange genug Frauen, Junge, Fremde, Nicht-Christen von der Politik ausnehmen durfte.
Letztlich kann man erst seit der Gleichstellung der Geschlechter und der Nicht-Diskriminierung der Frauen von Inklusion in Gesellschaft und Politik sprechen. Das war in der Schweiz am 7. Februar 1971 der Fall, zwei Tage Tage nach dem Brand des Luzerner Bahnhofs!
66% der stimmenden Männer waren damals dafür. Die Schweiz war damit eines der letzten westeuropäischen Länder, das den Frauen die vollen Rechte als BürgerInnen gewährte.

Späte Inklusion der Frauen
1984 hatte die Schweiz erstmals eine Frau im Bundesrat. 1986 kandidierte die jüngste verstorbene Luzern Nationalrätin Judith Stamm aus Wut darüber, dass ihre Partei, die CVP, wieder keine Frau nominiert hatte, auf eigene Faust für den Bundesrat. Gewählt wurde sie nicht. Aber sie avancierte zur weit herum anerkannten „Frau für die Frauen“.
2009 waren die Frauen im Bundesrat erstmals in der Mehrheit. Nur für zwei Jahre. Doch in diese Zeit fällt der Ausstieg aus der Atomenergie. Vier Frauen sollen dafür, drei Männer dagegen gestimmt haben. Doris Leuthard, eine der vier Frauen im Bundesrat, meinte, Frauen würden mutiger entscheiden,
Luzern ging bei Frauenstimmrecht der Schweiz ein halbes Jahr voraus. Man war der 8. Kanton, der das Frauenstimmrecht einführte. Man hat den Vorsprung verloren. In der Regierung sitzen nur Männer.
Das könnte sich bald bei ändern. Drei Mitglieder treten zurück. Die Mitte, SP, Grünen und Grünliberalen sondieren vorzugsweise oder ausschliesslich bei Frauen. 2023 dürften 2 der 5 RegierungsrätInnen Frauen sein.

Der Wandel der politischen Kultur
Ein Luzerner Mann, der Exklusion selber erlebt hat, war der wohl berühmteste Künstler Luzerns. Hans Erni wurde 103jährig. Viele Jahre davon verbrachte er als Bildhauer und Maler in Luzern.
Immer wieder hat er sich mit Plakaten in die nationale und kantonale Politik eingemischt. So bei der Einführung der Altersrente. So beim Frauenstimmrecht, so beim UNO-Beitritt. Stets war er auf der progressiven Seite.
Noch im Zweiten Weltkrieg warb er für die Anerkennung der Sowjetunion. Deshalb wurde er als Kommunist verschrieben. Die durfte man ohne Scham ausgrenzen und boykottieren. Auch Erni!
Heute ist man auch in Luzern toleranter. Wenn es um sozio-ökonomische Fragen geht, vertritt der im Kanton bürgerliche Positionen, in sozio-kultureller Hinsicht ist man eingemittet. Die Stadt stimmt linker und moderner. Unter den 10 grössten Städten rangiert als bei der Progressivität gar an vierter Stelle, offen und divers wie eine Großstadt.
Bei eidgenössischen Abstimmungen ist der Kanton Luzern am häufigsten in der der Mehrheit. Die Mitte der Mitte quasi. In 93% aller 673 eidg. Abstimmungen war das so. Wohl auch am 25. September!
Aus dem autokratischen Stadtstaat, aus dem Kanton der Ultramontanen und aus dem Herz der konservativen Regierungspartei ist eine Kanton der schweizerischen Mitte geworden. Das Land ist bürgerlich, die Stadt steht links. Das gibt den Durchschnitt!

Kinderparlament für die Demokratie der Zukunft
Wie der Schweiz ist es Luzern gelungen, wichtige gesellschaftliche Gruppen zu integrieren: das städtischen Bürgertum, konservative Landbewohner, die nicht allzu zahlreiche Arbeiterschaft, aber auch neue Szenen, die sich rund um neuen Bildungsinstitutionen gebildet.
Die Stadt hat seit 1993 eines der wenigen Kinderparlamente in der Schweiz. Hillary Clinton hat es besucht, Aktuell fordert günstigere ÖV Preise für SchülerInnen. Und ausser der jungen SVP sammeln alle Jungparteien gemeinsam aktuell Unterschriften, um Stimmrecht 16 einzuführen.
Mit den sozialen Bewegungen ist auch in Luzern eine aktive Zivilgesellschaft entstanden. Dazu gehörte auch eine verwegene Gruppe von Armeeabschaffern am Ende des Kalten Krieges, die in Luzern beheimatet waren. Ihr erstes Ziel, eine Schweiz ohne Armee zu schaffen, haben sie nicht erreicht. Doch bildet ein namhafter Teil der Aktivisten von damals heute die Spitze des Global Forum on Modern Direct Democracy.
Die Vorbilder der Anti-Demokraten, die wir auf der Stadtwanderung kennen gelernt haben, werden wohl staunen, wie man in Luzern dem globale Megatrend trotzt, und wir DemokratInnen hoffentlich noch etwas lernen, wie wir es noch besser machen können!