#Stadtführung: Hoher Besuch aus der Ostschweiz

Morgen steht eine Stadtführung der besonderen Art. Die Ostschweizer Regierungskonferenz ist in Bundesbern zu Gast. Ich habe die Ehre, 18 RegierungsrätInnen und zweimal so viele Personen aus der Bundesverwaltung resp. der Administration der Ostschweizer Kantone durch Bern führen zu dürfen.

Wir haben drei Schwerpunkte gebildet, welche die Beziehungen zwischen Bern und der Ostschweiz beleuchten:
. Zuerst ist da das Bundeshaus.
. Dann sie wir auf dem Areal der UniTobler in derLänggasse.
. Schliesslich besuchen wird das Diesbachhaus in der Altstadt.
Warum? – Alle drei Orte stehen für eine Epoche und die Verbindungen Berns mit der Ostschweiz.

Diesbachhaus
Im Vorläufergebäude des Diesbach-Hauses war Mitte des 15. Jahrhunderts die Diesbach/Watt-Gesellschaft einquartiert. Sie war das führende Handelshaus ihrer Zeit, das mit Leinwand und Artverwandten von Valencia bis Warschau handelte und eine Reihe von Bergwerken besass. Gründer waren Niklaus von Diesbach aus Bern und Hug von Watt aus St. Gallen. Beide Familien wurden damit reich und etablierten sich in der städtischen, eidgenössischen resp. europäischen Elite. Heute residiert die Berner Direktion für Inneres und Justiz im Stadtpalais. Regierungsrätin Evi Allemann wird uns persönlich empfangen.

Uni Tobler
Der Name der Uni Tobler geht auf Jean Tobler und seinen Sohn Theodor Tobler zurück. Jean hiess eigentlich Johann-Jakob und kam aus Lutzenberg, Appenzell-Ausserhoden. Vater und Sohn gründeten im Berner Länggass-Quartier die Firma, die 1908 die legendäre Toblerone erfand. Das Produkt repräsentiert die Belle epoque, gehörte bis 1993 den Tobler und stellte bis 1970 her in der Länggasse Schokolade her. Dann wechselte die Firma mehrfach die Eigentümerin, bis sie heute beim US-Konzern Mondelez landete. Jüngst wurde angekündigt, dass die Produktion teilweise in die Slowakei verlagert wird und der Schweiz-Bezug leider fallen muss.

Bernerhof
Der Bernerhof war im 19. Jahrhundert ein Nobelhotel der europäischen Spitzenklasse. Der Fremdenverkehr brach im Ersten Weltkrieg ein und das Hotel wurde eingestellt. Seit 1924 ist da das Eidg. Finanzdepartement einquartiert. Hausherrin ist gegenwärtig die Ostschweizer Vertreterin im Bundesrat, Karin Keller-Sutter. Weniger als 100 Tage nach ihrem Departementswechsel ins EFD musste sie das Ende der Credit Suisse besiegeln. – Bisher hatte die Ostschweiz 15 Bundesräte und drei Bundesrätinnen. Gemessen an der Bevölkerungszahl ist sie damit im Schnitt vertreten. Bei den Frauen stellt(e) die Region gar 3 von 10 VerteterInnen (Ruth Metzler, Eveline Widmer-Schlumpf und eben KKS). Das sind, doppelt so viele wie der Prozentansatz Einwohnerinnen beträgt, womit die Ostschweiz gar an der Spitze liegt.

Kleine Bilanz
Die Ostschweiz ist keine Sprachregion wie die Suisse romande, in der es ein gemeinsames Minderheitsgefühl gibt. Sie kennt auch keine eindeutigen Grenzen (gehört Graubünden dazu oder nicht) und hat kein unumstrittenes Zentrum. Daran arbeitet die Ostschweizer Regierungskonferenz, die als Testlauf für weitere Netzwerkanlässe morgen erstmals gemeinsam Bundesbern besucht.
Ich freue mich sehr, die Regierungskonferenz durch Geschichte und Gegenwart Berns führen zu können und exemplarisch zu zeigen, was aus der wirtschaftlichen Kooperation und politischen Vertretung wurde.

Stadtwanderer

Start zur Berner PolitBeizentour

Wirtshäuser für Fremde und Einheimische haben mich immer angezogen. Das realisierte ich spätestens während der Pandemie, als ich für rund zwei Jahre kaum mehr in einem Restaurant, geschweige denn in einem Hotel anzutreffen war. Denn Gaststätten, wie der allgemeine Begriff lautet, sind ursprüngliche Orte des Öffentlichen.

Dies ist umso mehr der Fall, als es in mittelalterlichen Städten wie Bern anders als klassischen keine Agora gibt, die als natürlicher Treffpunkt dienen könnte.
An die Hauptgassen des Durchgangsverkehrs schließen sich im Spätmittelalter Herbergen oder Tavernen für Fremde an. Aus den privaten Stuben der Berufsstände werden Zunfthäuser mit Zunftstuben, in Bern Gesellschaftshäuser und Gesellschaftsstuben genannt, wo man sich unter seinesgleichen überfamiliär trifft. Auch Pinten und Schenken, insbesondere Weinkeller gehören zur frühen öffentlichen Ausstattung.
Öffentlich meint zu Beginn noch nicht offen und frei. Vielmehr meint es im Auftrag der Obrigkeit geführt und mit einer Konzession versehen. Da spielte in vielfacher Hinsicht auch die soziale und rechtliche Kontrolle.
Vieles änderte sich mit der Liberalisierung im 19. Jahrhundert. Auch das Gastgewerbe unterlag nun schrittweise der kantonalen und nationalen Gewerbefreiheit. Das Restaurant und das Hotel als moderne Formen des Gastgewerbes erobern die Szenrrie. Die mischen Bars, Salons mit Speisesälen, und die ausgeschenkten Getränke variieren an einem Ort.
Das Bier, in Bern seit der Schließung der Klöster vom Wein verdrängt, setzt sich wieder an die Spitze der konsumierten Alkoholika. Kaffee, Tee, Schokolade und Tabak, die Drogen des frühen 18. Jahrhunderts, werden weitgehend frei konsumierbar.
Gasthäuser avancieren zu politischen Orten ersten Ranges. In Bern wird der Bundesstaat mit Verfassung im Äußeren Stand aus der Taufe gehoben und im Hotel de Musique wird die Parlamentseröffnung feierlich gegangen.
Auch die Arbeiterschaft, die 68er- und die Frauenbewegung schaffen sich ihre eigenen Zentren der Begegnungen und Versammlungen. Parteiveranstaltungen finden immer noch in Gaststätten statt.
So ist eine Stadtwanderung durch eben solche PolitBeizen stets auch eine Tour durch die Geschichte der verschiedenen Formen der Öffentlichkeit,
Heute Abend ist Start mit einer exklusiven Premiere für die Inlandredaktion von Radio DRS.
Weitere Wanderungen werden folgen.

Das definitive Programm der heutigen #PolitBeizenTour

Ich freue mich riesig, heute mit meiner #PolitBeizenTour durch Bern starten zu können. Drei Monate Vorbereitung mit unzähligen Versuchen, aus den Teilen ein Ganzen zu machen, liegen hinter mir. Twitterkollege @KasparKeller berichtet exklusiv für die @bernerzeitung.

Hier das vierstündige Programm:

1. Kreuzgassbrunnen: Hinrichtungen im alten Bern und rituelles Besäufnis der Richter
2. Rathaus: Warum erstmals ein Kaiseranwärter in Bern war und wo er einkehrte
3. Gesellschaftshaus zum Distelzwang: Zünfte und Zunftstuben oder wo die erste Geburt der Gasthäuser war
4. Taverne (dann Hotel, heute Restaurant) Krone: Wo die zweite Geburt des Gasthäuser war
5. Klötzlikeller: beispielhafter Berner Weinkeller, die es ohne die Eroberung der Waadt und Ablösung der katholischen Kirche als Rebbaubesitzer nie gegeben hätte

gemeinsamer Apero im Klötzlikeller

6. Münsterplatz: Warum es hier … zum Teufel … keine einzige Beiz hat oder wie die Reformation das Leben in Pinten und Schenken zurückdrängte
7. Hotel de Musique: Wo das erste Kaffeehaus in Bern entsteht und vor allem Künstler und Kulturbefliessene anzieht
8. Zytgloggenturm: Kramgasse oder der Uebergang zu modernen Gastrowesen mit vorübergehend 200 Weinkellern
9. Restaurant Zimmermania: wo das erste Restaurant nach französischem Vorbild entstand und zum Treffpunkt für die Studenten wurde
10. Hotel zur Glocke: Berner Biergeschichte(n) oder wie aus dem Reichenbachbier das Oberländer Rugenbräu wurde
11. Restaurant (vormals Rathaus) zum Aeusseren Stand: Wo die liberale Berner Verfassung resp. Bundesverfassung entstanden
12. Volkshaus 1914 oder wo sich die gewerkschaftlich Arbeiterschaft versammelte
13. Restaurant Ringgenberg: vom Arbeiterlokal (“Gangihalle”) zum Speiserestaurant mit erlesener Küche

Gemeinsames Nachtessen

14. Café des Pyrénées («Pyri): Wo Polo Hofers Heimat war
15. Kulturzentrum Progr: Wo Helvetia ins Land ruft, um 2023 die Wahlen für die Frauen zu gewinnen

Anschliessend: Lehrerzimmer: Abendbier an der Bar
open end(e)

175 Jahre Bundesverfassung: Die informelle Seite der Verfassungskommission

Das Zunfthaus zu Schmieden an der Berner Marktgasse steht nicht mehr. An seiner Stelle ist hier und heute das Warenhaus Manor. Die jetzige Schmiedstube gibt auf die Zeughausgasse. Doch wurde im verschwundenen Haus vor genau 175 Jahren die entscheidende Frage für die erste Bundesverfassung verhandelt: Wie soll das neue Parlament aussehen?

Alle 23 Kommissionsmitglieder waren freisinnig. Aber sie kamen aus reformierten und katholischen Kantonen. Letztere hatten außer in Appenzell Innerrhoden nach dem Sonderbundskrieg eine freisinnige Regierung bekommen. Nicht überall waren die Wahlen dazu über alle Zweifel erhaben gewesen. Entsprechend wackelig war ihr Mandat und ihr Verhalten.
Die katholischen Freisinnigen versuchten die Radikalen aus Zürich, Bern und der Waadt zu mäßigen. Dafür versammelten sie sich regelmäßig im Sääli des Hotel zu Schmieden. So auch am Vorabend des 23. März 1848. Man erwartete die Entscheidung zur Parlamentsmehrheit.
Der Solothurner Joseph Munzinger, Sprecher der katholischen Freisinnigen, hatte die Schriften von Prof. Ignaz Troxler, Staatsrechtler an der Universität Bern, genau studiert. Die handelten vom amerikanischen Bundesstaat mit seinen zwei unabhängigen Kongress-Kammern. Das gefiel ihm besser als die Radikalen Vorstöße in der Kommission. Nochmals weibelte bei seinen Getreuen in Richtung Zweikammerparlament.
Tatsächlich entschied die Kommission am Nachtag im Salon Empire im ersten Stock des heutigen Restaurants zum Äußeren Stand in der wichtigen Sache, und zwar so, wie es die katholischen Freisinnigen in ihrem informellen Kreis vorgesprochen und abgemacht haben.
Bis heute ist an diesem zentralen Punkt der Schweizer Föderalismus nicht gerüttelt worden. Den die Schweiz hat bis jetzt ein perfekt ausbalanciertes Zweikammerparlament.
Ich freue mich außerordentlich, genau morgen an der Premiere zur Berner PolitBeizenTour im Äußeren Stand Halt zu machen und die Geschichte ausführlich zu erzählen!

Stadtwanderer

Stadtwanderung zum Tag der Republik am 12. April 2023

Der 12. April ist einer der grössten Einschnitte in der Schweizer Geschichte. Die Helvetische Republik wurde ausgerufen. Sie löste das Ancien Regime mit seinen Wurzel im Mittelalter ab.

Bild: Plan mit der (nicht realisierten) Erweiterung für die Hauptstadt der Helvetischen Republik von 1798, für die der Name New Washington ausgegeben wurde.

Die Helvetische Republik fand unter den Gewehren der französischen Revolutionären statt. Doch war die Fremdherrschaft auch ein Neuanfang. Erstmals hatte die Schweiz eine Verfassungen, eine einheitliche dazu. Sie garantierte Menschenrechte und Gewaltenteilung der Behörden. Ein Parlament wurde gewählt, eine Regierung und ein unabhängiges oberstes Gericht wurden eingesetzt.
Das alles fand in der Untertanenstadt Aarau statt, dem Hort der Revolution gegen Bern und seinen Verbündeten. Genau 225 Jahre danach führe ich für das Komitee, das den Tag der Republik aufleben lassen will, eine Stadtwanderung durch. Sie beleuchtet die Vorgeschichte des Umsturzes, die Geburt der Institutionen und verweist auf das, was mit dem Kanton Aargau daraus geworden ist.
Speziell räume ich nachträglich Francesca Romana von Hallwyl ihren Platz in der Revolutionsgeschichte ein. Sie war eine Adlige aus dem Aargauer Seetal, lebte lange in Wien am Kaiserhof, wurde von ihrem Cousin unehelich schwanger, flüchtete in die Schweiz und schloss sich in Aarau der Revolution an. Sie finanzierte unter anderem Heinrich Pestalozzi, den Bürger Frankreichs in der Schweiz, der mit neuartigen Schulprojekte die Veränderungen der Gesellschaft durch Bildung einleiten wollte. Daraus entstand unter anderem die Kantonsschule Aarau, das erste laizistische Gymnasium der Schweiz (das ich später besuchen sollte)!

Die Führung ist für jedermann und -frau offen. Sie findet am 12. April 2023 um 15 Uhr statt. Start ist vor der Alten Kanti, 5 Gehminuten vom Bahnhof entfernt. Sie dauert bis 16 Uhr 45.

Anmeldungen via Messenger sind erwünscht, aber nicht zwingend!

Stadtwanderer aka Claude Longchamp

Das Berner Diesbach Haus



Die Familie soll burgundischen Ursprungs gewesen sein, im Mittelalter Dienstmannen für verschiedenste Herren gestellt haben und die Herrschaft mit gleichem Namen (heute Oberdiessbach bei Thun) besessen haben.
1414 ist der Stammvater der Berner Diesbacher, Goldschmid Niklaus, genannt Clewi, urkundlich bezeugt. 20 Jahre danach erhält er von Kaiser Sigismund einen Adelsbrief, was ihm Kontakte zum europäischen Adel eröffnet.
Mit dem St. Galler Kaufmann Hugo von Watt gründet er die Diesbach-Watt-Gesellschaft, die zwischen 1430 und 1460 erfolgreich im europäischen Tuchhandel zwischen Krakau in Polen und Valenzia in Spanien tätig ist.
Hauptsitz des führenden „multinationalen Handelshauses“ (Historisches Lexikon der Schweiz) ist das Diesbach Haus an der Berner Münstergasse.
Allerdings ist es damals noch der Vorläuferbau des jetzigen Eckhauses, das 1716 neugebaut Sitz des reformierten Familienteils wird, während der katholisch verblieben Teil in Fribourg residiert.
1899 verkauft Friedrich von Diesbach, der in Schlesien lebte, das stattliche Patrizierhaus dem Kanton Bern, der es seither als Direktionssitz für Justiz und Inneres heute mit RR Evi Alllemann als Vorsteherin nutzt.
Diesen Morgen hatte ich das große Glück, eine Besichtigung aller Stockwerke machen zu dürfen. Denn ich rekognosziere für meinen Stadtrundgang mitder Ostschweizer Regierungskonferenz, die sich in Bälde in der Bundesstadt auf Spurensuchen der Ostschweiz in Bern machen wird.

Bilder
1 Frontansicht
2 Regierungsrätlocher Ausblick
3 und 4 Innenhof zum Haus an der Kramgasse 1

Die entscheidenden Tage 1848

Seit dem 18. Februar 1848 tagte die Verfassungskommission mit 23 Mitglieder, welche die erste selber gestaltete Verfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft erlassen sollte. Nach 51 Tage und 312 Sitzung war sie fertig, und in der Vernehmlassung wurde nur noch wenig geändert. Die Arbeiten wurden in vier Arbeitsgruppen vorbereitet. Am 3. März, heute vor 175 Jahren, begannen die Verhandlungen der AG Institutionen. Es sollten die entscheidenden 3 Wochen sein, in denen die Grundstruktur des damaligen politischen Systems festgelegt wurden.

“Am 3. März 1848, in der 12. Sitzung der Verfassungskommission, wurde erstmals die Revision der Bundesbehörden thematisiert. Kern und Druey schrieben zum Grundsatz, an dem sich die Kommission bei der Reform der Institutionen orientierte: «Kein Rückschritt, aber auch keine Sprünge. Wenn es einen Zustand der Dinge gibt, in welchem sich die Schweiz nicht mehr befindet, so gibt es auch einen andern, in welchem sie zur Zeit noch nicht ist.»
Die Schweiz war nicht bereit für einen umfassenden Zentralstaat, doch sollte die neue Verfassung im Gegenzug mehr als nur einen losen Zusammenschluss souveräner Kleinstaaten begründen. Für diese Konstellation mussten die passenden Institutionen gefunden werden.
Am 3. März wurde vom St. Galler Wilhelm Matthias Näff vorgeschlagen, die Tagsatzung beizubehalten, deren Geschäfte aber aufzuteilen. Verhandlungen, die Einfluss auf die Kantonalsouveränität haben konnten, sollten weiterhin an Instruktionen gebunden sein. Bei anderen Gegenständen, «bei welchen die Kantone als solche nicht besonders interessiert wären», sollten die Gesandten der Kantone frei und ohne Instruktion beraten können.
Die Anzahl der Repräsentanten sollte aufgrund der Einwohnerzahl des Kantons ermittelt werden. Der Waadtländer Henri Druey brachte dagegen einen viel weiter gehenden Vorschlag ein: «Die ganze Schweiz, ohne Rücksicht auf die Kantone», sollte in Wahlkreise eingeteilt werden. Die Instruktion der Parlamentarier sollten ganz wegfallen.
Auch die Beibehaltung der Tagsatzung, wie sie im Bundesvertrag von 1815 niedergelegt war, stand durchaus noch zur Debatte.
Furrer brachte in der Sitzung vom 6. März das Zweikammersystem ins Spiel. Er selber war im Grunde dem System Drueys zugeneigt, erkannte aber, dass die Beschränkung auf eine Kammer, welche die bisherige Kantonalrepräsentation vernachlässigte, keine Chance haben würde. Denn über die konservativen Gruppierungen beider Konfessionen hinaus gab es auch zahlreiche Radikal-Liberale, die möglichst starke föderalistische Strukturen forderten. An Escher schrieb Furrer nach den Verhandlungen: «[…] ich halte diese Zweykammersysteme im Allgemeinen für unpraktisch, allein, wenn man ändern will in der Repräsentation, so wird kaum irgend ein andres System durchgehen […].» Er vertrat in der Kommission die Ansicht, dass man nicht zuviel fordern solle, da damit die gesamte Verfassungsreform gefährdet werden könnte: «Wenn man dasjenige über Bord werfe, was viele Kantone als das heiligste zu betrachten gewohnt seien, so lasse sich für das ganze Projekt nur eine ungünstige Stimmung besorgen […].»
Nach einer langen Debatte über Vor- und Nachteile der einzelnen Vorschläge kam es zu einer ersten Abstimmung. Für die Beibehaltung der bisherigen Kantonalrepräsentation – der Tagsatzung – sprach sich eine starke Minderheit von neun Teilnehmern aus. Elf stimmten für die Abänderung «in irgend einer Weise».
Der Gegenstand wurde zur Beratung an die erste Sektion überwiesen, in welcher unter anderem Furrer und Ochsenbein ihre Ideen einbrachten.
In der Sitzung vom 19. März 1848 stellte die erste Sektion ihre Vorschläge zur Revision der Bundesinstitutionen vor. Die Bundesversammlung sollte aus zwei Kammern bestehen, hier noch Repräsentantenrat und Tagsatzung genannt. Kontrovers wurden nun die provisorischen Artikel diskutiert, Veränderungen beantragt, immer wieder Abstimmungen über einzelne Passagen vorgenommen. Am Ende der Sitzung vom 23. März 1848 hatte man sich auf einen Entwurf geeinigt. Das Zweikammersystem, wie es im Grunde bis heute Geltung besitzt, hatte sich durchgesetzt.
Furrer gab zu Protokoll, dass er seine Zustimmung nicht erteilt habe, und schrieb kurz darauf an Escher: «Es sind alle möglichen Systeme und Projekte der Bundes-Organisation unter Eis gegangen; und das Zweykammersystem hat gesiegt, dasjenige, welches mir immer das widerwärtigste war; indess bey der bedeutenden Umgestalt[un]g der Tagsatzung kann ich mich ziemlich dabey beruhigen.»
Der «Neuen Zürcher Zeitung» liess Furrer einen Bericht über den Fortgang der Kommissionstätigkeit zukommen, in dem er erklärte, dass das Zweikammersystem angenommen worden sei, weil «für die Gegenwart kaum etwas anders ausführbar sei, indem jedes andere System sowohl auf der nationalen, als auf der kantonalen Seite sehr bedeutenden Widerstand finden würde».
Weit weniger Anlass zu Kontroversen bot die Diskussion über die Gestaltung der eidgenössischen Exekutive. Die Kommission entschied mit einer klaren Mehrheit von 21 Stimmen, einen Bundesrat einzusetzen, der aus fünf Mitgliedern bestehen sollte. Über Amtsdauer, Wahlmodus und Kompetenzen der Behörde einigte man sich schnell, und die Formulierungen für den Verfassungsentwurf standen bereits nach einer Sitzung fest.
Abgesehen von der Erhöhung der Anzahl der Bundesräte von fünf auf sieben wurde der Text nach der Vernehmlassung auch keinen grösseren Anpassungen mehr unterzogen. Die Abschaffung des Vororts als eidgenössisches Exekutivorgan stiess auf keinen Widerstand.”

Quelle: https://www.briefedition.alfred-escher.ch/kontexte/uberblickskommentare/Bundesrevision