12. April: Der Tag der Republik

1798. In verschiedenen Schweizer Städten gärt es. Die alte Eidgenossenschaft soll über Bord geworfen werden. Am 1. Februar tanzen die Revolutionäre in Aarau um nach französischem Vorbild um den Freiheitsbaum.

Nur Revolutionäre? Nein, auch eine Revolutionärin!

Francesca Romana von Hallwil, Adelige aus dem Aargauer Seetal, lebte am Hof des Kaisers in Wien, wurde von ihrem Cousin geschwängert, floh in die Schweiz, verzichtete auf ihre Privilegien als Bernburgerin und bekam die erzwungene Unselbständigkeit einer normalen Frau in der alten Eidgenossenschaft zu spüren. Sie radikalisiert sich und schliesst sich dem Kreis um den Industriellem Johann Jakob Meyer in Aarau an, lernt den Schulreformer Heinrich Pestalozzi kennen, der da eine Schule für die neue Republik gründen will und entscheidet sich, ihn bei seinen Bestrebungen für einen neuen Staat in einer neuen Gesellschaft zu unterstützen.
Am 12. April 2023, 225 Jahre nachdem die Helvetische Republik in Aarau proklamiert wurde, mache ich eine Stadtwanderung am historischen Ort. Wir besuchen den Treffpunkt des Kreises von Meyer, die Stelle, wo der Freiheitsbaum stand und sehen, was aus dem Traum entstand, eine neues Washington zu gründen. Wir besuchen auch die Stätten der Helvetischen Regierung, der ersten Verwaltung und des Parlaments, und würdigen die bleibende Leistung der Revolution in Aarau, die erstmalige Etablierung der heute so selbstverständlichen Gewaltenteilung.

Die Führung “Helvetiopolis” ist für alle Interessierten offen, beginnt um 15 Uhr, dauert 1 3/4 Stunden und wird bei jeder Witterung durchgeführt. Treffpunkt ist der Eingang zur Alten Kanti Aarau, 5 Gehminuten vom Bahnhof entfernt.

Das ist übrigens die Schule, die aus den Ideen von Pestalozzi entstand – und an der ich fast 180 Jahren danach die Maturitätsprüfung bestand.

Claude Longchamp

Das Programm des Tages der Republik: https://weloveaarau.ch/tagderrepublik2023/

Beizentour, 6. Station: Reformation, Hugenotten und Drogen

Station meiner 15teiligen #beizentour

Reformation, Hugenotten und Drogen

Die Reformation 1528 brachte das Ende der spätmittelalterlichen Gastwirtschaft. Sie galt den Reformatoren als Ort des Lasters, wo Männer das Geld verspielen, während Frau und Kind Hunger leiden. Entsprechend setzte in Bern eine lang anhaltende Phase der Regulierung ein.

Bis 1798 führte das reformierte Regime zwei grosse Reorganisationen auf dem Land und fünf in der Stadt durch. Ziel war es, die zahlreichen Gastnebenbetriebe bei Bauern und Gewerblern zu schliessen. In jedem Dorf sollte es ein gut geregeltes Gasthaus geben, und in der Stadt einige Gesellschaftsstuben, Tavernen, Pinten, Weinkeller und Bäder mit Getränkeausschank.

Einen Einschnitt in das wohlgeordnete Gasthauswesen Berns brachten die Hugenotten, Flüchtlinge aus Frankreich seit den 1680er Jahren. Auch sie waren reformiert, aber anders als in Bern. Vor allem waren sie geschäftstüchtiger und weniger autoritätsgläubig.
Ihnen gestand die Obrigkeit ein eigenes Gasthaus zu. Da schenkten sie erstmals in Bern Kaffee aus, was in Bern noch unüblich war. Das fremde Getränk galt wie Tee, Schokolade und Tabak bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts als Droge.
Schlimmer noch, die Flüchtlinge erörterten im Kaffeehaus angeregt die Weltlage. Politisieren war in Bern nur den Familien erlaubt, die regimentsfähig waren und im Grossen Rat waren.

Nach 12 Jahren wurden die Hugenotten ausgeschafft und ihr Kaffeehaus verschwand. Ich weiss bis heute nicht wo es stand. Auf dem Münsterplatz sicher nicht!