Der Umsturz von 1798, der zur Helvetischen Republik führte

Heute gibt es keinen neuen Beitrag zur #Beizentour. Denn es ist der Tag der Republik. Vor genau 225 Jahren wurde die Helvetische Republik in Aarau gegründet. Es war der Anfang der modernen Schweiz mit Verfassung, Gewaltenteilung, Menschenrechten und repräsentativer Demokratie. Bin heute in Aarau und mache eine Führung durch historische Orte. Hier die Chronologie der entscheidenden vier Monate 1797/8.

Der Umsturz von 1798 – aus Aarauer Sicht

1797, Dezember

27. a.o. Tagsatzung in Aarau der 13 Orte und verschiedenen zugewandten versucht, angesichts der bedrohlichen Lage im Westen, die gespaltene Eidgenossenschaft zu einen.

1798, Januar

9. Der Geschäftsträger Frankreichs, Joseph Mengaud, trifft in Aarau ein. Er will eine friedliche Revolution statt einer militärischen Eroberung.

20. Oberzunftmeister Peter Ochs legt einen Verfassungsentwurf vor, der sich an die französische Verfassung anlehnt.

25. Förmlicher Bundesschwur der Tagsatzung im Aarauer Schachen vor 25’000 Zuschauern

28. Bern aktiviert die Deputiertenversammlung, die 51 “Ausgeschossene” aus den Untertanengebieten zu neuen Berner Grossräten machen soll. Auch Aarau soll einen “Ausgeschossenen” erhalten.

29. Die Gemeindeversammlung in Aarau soll den «Ausgeschossenen» bestimmen, entzieht jedoch dem amtierenden Schultheiss das Vertrauen. Sie bestimmt Oberst Daniel Seiler als „Ausgeschossener“ und Präsident einer neuen Sicherheitskommission.

30. Aufstand in Aarau. Die Sicherheitskommission weigert sich, Bern Truppen gegen Frankreich zu stellen. Sie stattet Seiler mit uneingeschränkter Gewalt aus. Der koordiniert sich mit den „Ausgeschossenen“ von Brugg, Lenzburg und Zofingen.

1798, Februar

1. Ende der Tagsatzung in Aarau, unmittelbar danach wird der Freiheitsbaum vor dem Aarauer Rathaus aufgestellt, ein Volksfest zur Befreiung von Bern beginnt. Mengaud und Basler nehmen ebenso wie wie viele Aarauer RevolutionärInnen teil.

2. Die „Ausgeschossenen“ treten angeführt vom Brugger Arzt Albrecht Rengger in den Berner Grossen Rat ein. Der Rat beschliesst anderntags Reformen einzuleiten, über die innert Jahresfrist abgestimmt werden soll.

3. Oberst von Büren, Schutzherr über Solothurn, besetzt auf eigene Faust Aarau. Der Freiheitsbaum wird gefällt. Die Aarauer Revolutionäre fliehen nach Liestal, der verärgerte Mengaud nach Basel.

7. Eine Delegation des Berner Grossen Rates unter Rengger spricht bei Mengaud vor.

13. Mengaud fordert schriftlich die Absetzung der Berner Regierung und die Entschädigung der Revolutionäre.

24. Bern beschliesst, die Verhandlungen mit Mengaud abzubrechen. Der Einsatz militärischer Mittel wird unvermeidlich.

1798, März

2. General Schauenburg aus dem Jura rückt ohne nennenswerte Gegenwehr in Solothurn ein.

4. Die Berner Regierung kapituliert, Schultheiss von Steiger bereitet dennoch den Kampf vor.

5. Militärische Niederlage der Berner in Fraubrunnen und auf dem Grauholz gegen General Schauenburg, in Neuenegg widerstehen ihre Truppen General Brune.
Untergang von Stadt und Republik Bern

15. Frankreich besetzt Aarau und beruft eine Nationalversammlung ein.

1798, April

10. Die Nationalversammlung konstituiert sich in Aarau und nimmt die Arbeit auf.

12. Senatspräsident Peter Ochs verkündet die Gründung der unteilbaren Helvetischen Republik.

Quelle: Revolution im Aargau. Umsturz-Aufbruch-Widerstand 1798-1803, AT Verlag 1997

#Beizentour 12. Station: Volkshaus, Arbeiterhotel und der (unbekannte) Redner

Die 1890er Jahre waren aus bürgerlicher Sicht die Belle Epoque. Aus der Perspektive der Arbeiterschaft war es die Zeit des Klassenkampfs. Zwischen beiden gesellschaftlichen Gruppen entwickelte sich in Bern ein Zwist zur Benutzung der Heilig-Geist-Kirche als Versammlungsraum.

1893 hatten die Berner Arbeiter genug. Sie eröffneten an der Zeughausgasse das erste Volkshaus der Schweiz. 1914 baute man das heutige Gebäude an gleicher Stelle. Genannt wird es ein „Palast aus Dreck und Eisen“. Seither wurde es mehrmals renoviert. Doch es ist der Treffpunkt der gewerkschaftlichen Linken geblieben.

Im Ersten Weltkrieg war es ein Zentrum der internationalen SozialistInnen. Lenin war da, auch Leo Trotzky und Carla Zetkin kamen. Man bereitete die Weltrevolution vor, die in Russland beginnen sollte.
Die Berner Sozialdemokraten unter Robert Grimm bevorzugten einen anderen Weg. Sie waren reformorientiert. Sie wollten die bürgerliche Demokratie erweitern. 1918, mitten in der Spanischen Grippe, wurde ihre Volksinitiativen für das Proporzwahlrecht angenommen.
1919, war es soweit. Die FDP verlor ihr absolute Mehrheit im Nationalrat. Die Konservativen, die Sozialdemokratie und die Bauern&Gewerbepartei erstarkten und bereiteten so den Systemwechsel von der freisinnigen Mehrheits- zur Konkordanzdemokratie vor.

Das Volkshaus eröffnete seine Tore nach einer finanziellen Krise am Ende des Zweiten Weltkriegs erneut. Ein Hotel mit Hallenbad und Kino entstand. Alles für das Wohl der Arbeiter, Volkshaus zu Volkspreisen, war das Motto!
Verschiedene SP-BundesrätInnen gingen hier ein uns aus. Micheline Calmy-Rey wohnte im Volkshaus, als sie Aussenministerin war. Otto Stich jasste mit seinen Getreuen aus der SP-Fraktion in der Kurrierstube, egal was politisch gerade anbrannte.

Berühmt ist das Bild des Redners vor dem (Männer)Volk im Innern des Hauses. Ich habe Volkshaus-Verwaltungsrat Corrado Pardini gefragt, wen es darstelle. Er wusste es nicht, meinte aber, die Wetten lauteten auf Lenin, Grimm und Pardini!

Stadtwanderer