venezianische familiengeschichten a gogo

du läufst und läufst und läufst den geschichten über die familie zeno aus venedig nur so hinten nach. am schluss erweist sich alles als gute unterhaltung, ohne dass allzuviel stimmt. und das wiederum passt zu venezia

P1010466P1010426heruntergekommener palazzo der familie zeno, mit dem schild zur pionierhaften nordatlantikfahrt der abkömmlinge nicolo und antonio

giordani und giordano paolo sind nicht zu verwechseln. letzter ist italiens erfolgreichster schriftsteller der gegenwart. und der schreibt schon mal über die einsamkeit der primzahlen. derweil verfasste giordani paolo den speziellsten reiseführer zu venedig. 30 spaziergänge beschreibt er als entdeckungsreise durch venedigs quartiere. jedes fondamenti, je jede gasse, jeder nebenarm und jeder platz bekommt so ein porträit, und hüllt die wanderer in die betriebsamkeit von familiengeschichtsfälschungen ein!

auf den normalen stadtplänen findet man den fondamento zen nicht, sodass man der wegbeschreibung in giordanis stadtführer minutiös folgen muss, um weder im benachbarten (aufgehobenen) gefängnis des quartiers zu landen, noch in der jesuitenkirche, deren bewohner nicht wirklich freier waren.

doch dazwischen ist sie, die ersehnte plattform des zenons-geschlechte. der palazzo stammt aus dem 16. jahrhundert. francesco, ein abkömmling der familie hat ihn erbaut. seit 1538, dem jahr der einweihung, sind aber einige jahre ergangen, und die sieht man dem palast heute auch merklich an.

dafür ist die familiengeschichte der zenons pompös: denn man wähnt sich, nachfahren der oströmischen kaiser leon II. resp. dessen nachfolgers zenons zu sein. äusserlich passt das gut. die stadt der löwen an der adria war stets um vermittlung zwischen römischer und griechischer kultur bemüht. und die namen stimmen überein. doch die belege für die nachfahrenschaft sind nicht wirklich wasserfest: nach padua seien die kaiserkinder gezogen, und von dort auf die insel burano, bevor sie sich im venedig des 9. jahrhunderts niedergelassen hätten. die historiker sehen das trockener, denn zenon hinterliess keine leiblichen söhne, welche hätten auswandern können.

unbestreitbar zenoner sind dagegen die gebrüder nicolo und antonio aus dem späten 15. jahrhundert, zu deren ehren noch heute eine tafel am zen-palazzo zu sehen ist. sie segelten weit hinaus, von der adria ins mittelmeer, und von da in den atlantischen ozean. dabei entdeckten sie nach langer überfahrt labrador.

nur kurz nach dem bau des zeno-palazzos auf der familienplattform veröffentlichte ein nachfahre der segler die sogenannte zeno-karte des nördlichen atlantiks samt briefen aus dem familienarchiv. sie sollten beweisen, dass weder vespucci noch columbus die ehre zugefallen sei, amerika entdeckt zu haben. sondern den venezianer aus dem geschlecht der zenos.

716px-Map_by_nicolo_zeno_1558zeno-karte mit der erfundenen inselgruppe “frisland” aus dem jahre 1558

doch auch hier räuspern die zeitge- nössischen historiker vielsagend. denn die angeblichen reiseberichte erzählen auch vom aufenthalt der zenos auf “frisland”, einer inselgruppe nördlich schottlands, aber südlich grönlands, die etwa gleich gross wie island sei. dabei handelt es sich, wie man heute weiss, um eine fantominselgruppe, die im 16. jahrhundert auf vielen karten verzeichnet ist, so auch auf der zeno-karte. und so gilt diese nicht als autothentisches dokument aus dem 15. jahrhundert, sondern als fake, gebastelt als komilation aus fantasieberichten des 16. jahrhunderts.

bleibend ruhm haben diese familiengeschichten dem zeno-geschlecht in venedig nicht eingebracht. der palazzo ist verfallen, und wird auf den stadtplänen schon mal vergessen. die klingeln klingen auch nicht mehr nach berühmten herrschern und seefahrern. “eberle2 ist auf dem schild zu lesen, was eher nach thurgauischen einwanderern in venedig tönt.

und so mache ich mich auf den heimweg zum hotel ai mori del oriente. das waren berühmte tuchhändler aus vorderasien, welche die geburt jesus christi entdeckt haben und dafür während carnevale stadtherren auf dem campo dei mori sein dürfen …

stadtwanderer

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

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