das wahlbistro der e.generation

der wahlherbst kündigt sich an: zuerst werden in biel/bienne (28.9.), dann in langenthal (26.10.) und schliesslich auch in bern, burgdorf, muri, ostermundigen und worb (alle am 30.11.) die neuen gemeindebehörden gewählt. zu den innovativen projekten bei den diesjährigen berner lokalwahlen gehört die internetplattform www.wahlbistro.ch.

die alte schule
wenn politische parteien auf dem land aufrufen, im “bären” den kandidatInnen für den gemeinderat den puls zu fühlen, ist das noch einigermassen erfolgreich. wenn die gleichen parteien indessen das gleiche in städtischen zentren machen, versagt der mechanismus meistens. die parteien wissen um diese effekte. sie haben ihre wahlkämpfe für grossrats- oder gemeinderatssitzunge in den urbanen gebieten weitgehend auf die lokalen und regionalen massenmedien ausgerichtet.

bei den kandidierenden führt das nicht selten zu zwei kategorien politischer bewerberInnen: die elite, die einen (guten) zugang zu den lokal- und regionalredaktionen hat, und die rest. genau dieser rest beklage sich nicht selten, nicht aufgenommen zu werden, nur verkürzt vorzukommen, oder sich mittels teuren inseraten gehör verschaffen zu müssen. newcomer haben es schwerer als bisherige, jungparteien werden benachteiligt, und kleinere gruppierungen, die lokale schwerpunkte haben, ohne in kantonalen oder nationalen parteien organisiert zu sein, werden so marginalisiert.

die wählenden wiederum wissen, dass es meist eine schicht privilegierter politikerInnen gibt, deren auftritte medial begleitet werden, deren leserbriefe regelmässig abgedruckt werden, und deren chancen, ein politisches amt zu bekommen oder zu behalten erhöht sind. sie wissen auch, dass den grösseren parteien mehr raum gewährt wird, ihre aussagen prominenter auf die wichtigen seiten kommen, und bilder von ihnen mit erhöhter wahrscheinlichkeit abgedruckt werden. von der masse der vielen kandidatInnen, die sich für das amt eines gemeinderats bewerben, wissen sie indessen häufig wenig. und sie bekommen kaum gelegenheiten, diesen umstand zu ändern.

die neue schule
mark balsiger, medienwissenschafter, journalist und seit jahren selbständiger kommunikationsberater in bern, kennt diese ausgangslage bestens. zusammen mit der politologin monika tschumi hat er im vorfeld der berner lokalwahlen ’08, eine innovation in lokalen wahlkämpfen lanciert. das virtuelle wahlbistro wendet sich zuerst an kandidierende aller parteien, die ungefiltert ihre botschaften platzieren wollen. es richtet sich aber auch an politisch interessierte, die sich mit bewerberinnen verschiedenster politischer herkunft auseinander setzen möchten. kandidatInnen können sich registrieren, um dann für sich zu werben. die wählerInnen wiederum können die standpunkte kommentieren; sie sind eingeladen, mitzudiskutieren und so zur meinungsbildung beizutragen.

die laufende debatte dreht sich um das botellon-event in der stadt bern. stadtpräsident tschäppät hat hierzu eine vorgabe gemacht, die von kandidatInnen der sp, der svp, der fdp, der grünliberalen und anderen diskutiert wird.

selber werde ich hin und da ins wahlbistro gehen, ein virtuelles bier bestellen, ein wenig zuhören, was debattiert wird, und vielleicht auch das eine oder andere mal einen übersehenen standpunkt (aus der sicht der stadtwanderer einbringen). drei eigenschaften des wahlbistros haben mich überzeugt:

erstens, die parteipolitische offenheit der plattform
zweitens, die moderation nach ausdrücklichen regeln, die entgleisungen verhindern soll, und
drittens, die kombination mit smartvote, die von jeder kandidatur, die sich profilieren will, einen unabhängiges themenprofil ausgibt.

es würde mich freuen, wenn ich dabei (ausser titus, der schon aktiv ist) auch einigen meiner leserInnen oder kommentatorInnen zuprosten könnte, um sich mit ihnen darüber zu unterhalten, was berns städte in den nächsten 4 jahren brauchen!

stadtwanderer

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

5 Gedanken zu „das wahlbistro der e.generation“

  1. Danke, werter Stadtwanderer, für den Hinweis. Ich kandidiere nicht, bin aber interessiert. Das Ganze ist irgendwie ganz an mir vorbei gegangen.
    In den Zeitungen war kaum was zum Start zu lesen.
    Das Design liesse sich noch verbessern, meine ich, es wirkt etwas hölzern.
    Die erste Debatte ist aber ganz interessant, sogar Tschäppät ist jetzt für entdramatisieren.

  2. Ich bin ja schon da (resp. dort) und es wäre toll, wenn sich noch mehr vor allem Nicht-Kandidaten daran beteiligen würden, damit ich a) nicht der einzige Nicht-Kandidat bleibe und b) nicht nur einfach jeder Kandidat sein Statement abgibt und keine wirkliche Diskussion entsteht (was mir zumindest anfänglich so erschien).

    Es ist endlich eine Möglichkeit, sich kritisch quasi im “Gespräch” mit den Kandidaten auseinanderzusetzen. Wüschenswert wäre es zu wissen, welche sonstigen Kandidaten noch dabei sind, um so auch jemanden ansprechen zu können, der bisher nur mitlas (so im Sinne von “was ist Ihre Ansicht für die Stadt X, Herr Stapi Y”). Die Themen betreffen in der Regel ja alle Gemeinden, aber ich kann ja nicht die Stadtberner Kandidaten wählen.

  3. habe Dein interview gelesen, wie immer kurz, treffend und meine meinung 🙂 ich bin mir immer noch nicht schlüssig im wahlbistro aktiv mitzumachen, werde es noch ein bisschen beobachten. die themen die dort aufgegriffen werden, hast Du in Deinem blog schon länger zur diskussion gestellt. ich wiederhole mich nicht gerne mit meinen meinungen.

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