bettag ohne beten

es war 1963. am abend, als wir erfahren hatten, dass john f. kennedy ermordet worden war, betete die ganze familie. für den amerikanischen präsidenten. für den leader der freien welt. für den katholiken. wahrscheinlich waren es nur ein oder zwei vater unser gewesen. eine besonderheit war das nicht. dass vater, mutter, schwester und ich gemeinsam beteten, und dass das gebet einem politiker galt, war jedoch unüblich. soweit ich mich erinnere, lag ein gefühl von krieg in der luft, von weltkrieg. wie ich später erfuhr, wohl eher von verhindertem krieg in der kuba-krise. ich war damals sechs jahre alt, ging in den kindergarten. es gab nur wenige momente in meiner bubenzeit, die mir so direkt geblieben sind. st. nikolaus in fribourg vielleicht, die studenten aus afrika ebenfalls, und die expo mit dem u-boot in ouchy dazu.

447px-Aufruf_bernbettagsmandat von 1832 der tagsatzung

die entstehung des eidgenössischen buss- und bettages ist nicht eindeutig. sicher, 1832 gab es das erste bettagsmandat der tagsatzung, damit das öffentliche leben ruhe. und 1848, ein jahr nach dem bürgerkrieg von 1847, gab es auch einen markanten tag der besinnung. die tradition der bettage ist jedoch älter, stammt aus den 17. jahrhundert und hängt höchstwahrscheinlich mit der bewusstwerdung der eidgenossenschaft als souveräner staat zusammen. noch älter sind gedenktage mit konfessionellem hintergrund, die sich mit der erfahrungen des 30jährigen krieges, von dem die schweiz weitgehend vorschont blieb, zum überkonfessionellen gemeinschaftstag entwickelten. seither ruft sich die eidgenossenschaft nebst der kirche in erinnerung. das kam in der krise von 1797 besonders zum ausdruck. als das ancien régime an der inneren immobilität zusammenzukrachen drohte, war der gedenktag besonders gefragt.

denkt man heute noch an bettag, wie er in meiner jugendzeit kurz und bündig genannt wurde, weil eidgenössischer dank-, buss- und bettag definitiv zu gestelzt war? ich bin mir nicht sicher, denn die bedeutung des gedenktages ist mächtig in den hintergrund gerückt. die schlagzeilen von heute gelten den anstehenden bundesratswahlen, dem amokgelaufenen rentner und der pannen im internet. alles medienaktualitäten von heute. vom versuch, zwischen christen und muslimen, die einander so wenig kennen, dass es schon beängstigend wirkt, ist nirgends die rede. auch nicht, dass die schweiz ohne bankgeheimnis nur so tut, als stecke sie nicht zutiefst in einer identitätskrise. und kaum ein thema, wo die schweiz im ausland vorbildlich wirkt, wird heute diskutiert.

so mache ich mich nach einem kurzem blog auf, hinaus, in den wunderbaren herbsttag. es geht auf den schafmattpass, im grenzgebiet zwischen solothurn und baselland. dort werde ich gebraucht, als grillmeister, nach dem feldgottesdienst am bettag, den die naturfreundInnen für die wandervögel veranstalten. beten werden ich nicht, singen vielleicht, den menschen ein wurst auf den weg geben schon, und sie vielleicht werde ich sie auch ein wenig zum inne halten bewegen.

stadtwanderer

ps:
ein schönes wortspiel gabs heute während der feldpredigt. wanderer seien nicht nur in bewegung, im wanderer steckt auch der andere. und so suchen, folgere ich, stadtwanderer auch andere in der stadt …

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert