ein wenig wie die kappeler milchsuppe

1499 gestand könig maximilian den eidgenossen autonomie in seinem reich zu. dabei ging es auch darum, ob die parteiungen weiterhin ein fehderecht haben sollten oder nicht. der eidgenossenschaft haben die zugeständnisse wenig genützt. den schon bald darauf brach die grösste fehde unter allen eidgenossen, der konfessionskrieg, aus, der zum grossen und langen schwanken zwischen blockaden und versöhnungen unter schweizern führen sollte.

levrat_pelli_1_5340048_1269938808antipoden des industriezeitalters: die spitzen von sp und fdp, gemeinsam für eine offene schweiz, unterschiedlich in der einschätzung, wie man das erreicht, haben sich wieder versöhnt, nicht zuletzt auf druck der basen, die andere sorgen haben, als streithähnen zuzusehen.

mit der reformation in zürich 1523 nahmen die spannungen zu konfessionellen fragen in der eidgenossenschaft rasch zu. bern und basel folgten 1528 zürich, sodass sich gewichte in den städten zugunsten der neugläubigen zu verschieben begannen. diese weiteten sich sich zur feindschaft, ja zum bürgerkrieg aus, als der reformierte pfarrer jakob kaiser in schwyz bei lebendigem leib verbrannt wurde. zürich wollte das 1529 rächen, bern folgte dem limmatstädtern, und zug stellte sich ihnen entgegen, um die innerschweiz zu schützen. es brauchte die vermittlung von glarus, halb habsburgisch, halb zürcherisch, um ein sinnloses blutvergiessen zu verhindern.

den friedensschluss erzwang aber auch das fussvolk, das offen fraternisierte, während ihre anführer verhandelten. auf der grenze zwischen zürich und zug stellten sie einen pott auf. die zuger brachten die milch, die zürcher reichten das brot. gemeinsam schlürfte man die milchsuppe, während der kompromiss verkündigt wurde: in den gemeinen herrschaften durften die neugläubigen predigen, nicht aber in den orten, die streng altgläubig bleiben wollten. die untertanen sollten selber wählen dürfen, welcher konfession sie anhängen wollten.

seither gehört die kappeler milchsuppe zu den vorzeigemomenten der schweizer geschichte, der nicht nur nach innen, auch nach aussen ausstrahlte. die schweizer, wie man sie immer mehr nannte, gelten seither als raufbolde, die gründlich vom leder ziehen, sich schliesslich aber auch versöhnen können. und nach innen ist die lehre aus dem kappelerkrieg, dass man nicht immer nur provozieren kann, sondern auch den kompromiss suchen muss, um die eigene autonomie zu wahren.

genau an das musste man unweigerlich denken, als man vom communique las, das fulvio pelli und christian levrat zu ihrem fürchterlichen streit über die departementsverteilung im bundesrat heute veröffentlichten. einen “knallharten lügner” nannte sp-chef seinen kollegen von der fdp vor laufender kamera, sodass dieser einen tag später frei-ins-haus-geliefert mit einer verleumdumsklage drohte. was den medienleute als willkommenes spektakel vorkam, ärgerte schon bald die fraktionsmitglieder hüben und drüben, die sich bekämpfen, aber auch begegnen müssen, wenn sie in der sache bisweilen anderer, gelegentlich aber auch gleicher meinung sind. politisch soll man streiten, ja, auf entgleisungen soll man dabei verzichten, genauso wie aufs fischen im juristenteich, war seither ihr motto hinter den kulissen.

ob man zwischen zwischen bulle und sorengo einen pot aufgestellt hat, um fribourger vacherin mit tessiner wein zu schlürfen, weiss ich nicht wirklich. den beim friedensschluss waren die medien nicht zugelassen, und ich konnte auch nicht von ferne vorbeiwandern. registriert habe ich die symmetrie der entschuldigungen, von unangebrachtem ausdruck bis überreaktion. und ich bekenne: ich finde es gut, dass sich die präsidenten der sp und der fdp wieder vertragen. denn ihre verbindung ist nötig, um die schweiz modernisieren, selbst wenn das nur dialektisch möglich ist und auch in zukunft nicht ohne konflikte zwischen antipoden abgehen wird.

stadtwanderer

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

Ein Gedanke zu „ein wenig wie die kappeler milchsuppe“

  1. Dass Verrückte ist, dass die beiden mit diesem Streit, fast täglich in den Zeitungen erwähnt wurden, als gäbe es keine grösseren Probleme. Markus Notter hat mit seiner Kritik an den Medien in einem kürzlichen Interview in der Zeit halt doch recht.

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