wie die wahlen 2011 ausgehen …

… weiss niemand. mit gutem grund: denn wahlergebnisse sind das produkt aus kurz- und langfristigen einflüssen auf die wahlentscheidungen. erstere werden immer schwieriger vorauszusehen. man kennt nur ihr profil, nicht aber das gewicht der komponenten.

wahlmodell
mein analyseschema, wie ich die wahlentscheidungen analysiere. links sind die lang-, rechts die kurzfristigen determinanten.

das wahlsystem ist in der schweiz seit 90 jahren konstant. die kantone bilden unverändert die wahlkreise. und die generellen konfliktlinien im parteiensystem sind nicht einfach verschwunden, aber aufgeweicht.

bei der cvp wirkt die tradition noch am meisten. eine mehrheit ihrer wählenden hat eltern, die cvp (oder kk) wählten. bei allen anderen parteien ist dieser anteil unter 50 prozent. oder anders gesagt, die meisten parteien müssen heute die wählenden dort finden, wo sie heute sind, nicht, wo ihre familie war.

insbesondere die medien, teilweise auch die schulen und die gleichaltrigen sind an die stelle der familiären sozialisation gerückt. parteibindungen prägt der schuluntericht, seine verarbeitung unter gleichaltrigen, die generationen mit einem spezifischen medienkonsum entstehen lassen.

lange glaubte man, die themen des wahlkampfes seien alleine entscheidend. die ökonomen unter den wahlanalytikern lobten die vernünftige entscheidung. man wähle, wer einem programmatisch am nächsten stehe. das damit verbundene menschenbild wurde heftig kritisiert. wählerInnen seien keine informationsverarbeitungsmaschienen; sie würden sich auch aufgrund ihres tierischen instinkts entscheiden, sagen namentlich psychologInnen.

das gilt namentlich gegenüber personen: im kleinen wahlkreis, wo man sich kennt; im grossen wahlkreis, wo die werbung auf gefühle gegenüber kandidatInnen setzt; und gesamtschweizerisch – oder wenigstens sprachregional – wo nationale medienstars, präsidentInnen und neuerdings wahlkampfleiter die parteiimages formen.

damit wird politisch realität durch medienrealitäten überlagert. diese behandelt parteien wie produkte, deren schwächen neuigkeitswert hat: der zwist im parteivorstand, das geld in kampagnen, die macht über die lokalpresse. die parteien nervt es, immer mehr mit ihrem fremdbild konfronitert zu sein, weshalb sie zur direktkommunikation via youtube greifen, oder werbung schalten, wo sie ein positives umfeld bekommen. das alles kostet geld, und wer es für wahlen ausgibt, gerät in verruf. die negativspirale scheint auswegslos.

angesichts der veränderungen in den parteistärken sind auch schweizer parlamentswahlen zu indirekten bundesratswahlen geworden. die machtfragen werden wieder unverholen gestellt: soll die schweiz ein neues regierungssystem erhalten mit verringerter konkordanz, ist zum beliebten expertenthema geworden. wer zurücktreten soll, ist die hauptfrage der sonntagspresse. und zwischenzeitlich interessiert die bürgerschaft wieder, welche parteien regierungswürdig sind – und welche nicht.

mobilisierungsstrategien sind heute wichtiger als den einen oder die andere wechselwählerIn zu gewinnen. profitiert hat davon die svp, die lange auf polarisierung gegen links setzte, heute eher hegemonial agiert. chancen haben auch neuen parteien, die ohne lange geschichte, dafür mit grosser frische auftreten können. so sind die wichtigsten regierungsstützen gegenwärtig in der defensive. nutzen könnten die aufgezeigten mechanismen jedoch alle, wenn sie selber auf langfristige themenarbeit setzen würden, kurzfristige interventionsgabe zeigten, und ihre politik mit erkennbaren werten und glaubwürdigen personen kommunizieren könnten.

die zentrale frage in heutigen wahlkämpfen lautet: wer ist der treiber, wer sind die getriebenen? die höchste schule ist es, als partei oder kandidatIn massgeblich zu bewegen. die zweithöchste ist es, was auch immer geschieht, es zu seinem eigenen vorteil deuten zu können. ganz nach dem motto: das ziel aller wahlkämpfe ist es, selber im zentrum zu stehen.

womit wir von den langfristigen stabilisatoren zu den ganz kurzfristigen destabilisatoren der wahlentscheidung gewandert wären.

stadtwanderer

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

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