mein alltäglicher medienkonsum

das maz – die schweizer journalistenschule in luzern – hat mich aufgefordert, meinen medienalltag zu beschreiben. hier mein entwurf, entstanden aus der selbstbeobachtung während der letzten woche.

medienanthropologie_rotsw“es ist nicht ganz klar, wann mein medienalltag beginnt resp. wann er aufhört. denn medien wirken nach, bis in die träume, und die empfindungen der nacht nähren neue bedürfnisse nach medien. doch das wäre wohl eher etwas für eine bericht an ein institut für psycholoanalyse, denn an die schweizer journalistenschule.

wenn ich morgens das haus in hika (hinterkappelen) verlasse, ist mein erstes ämtli, die tageszeitungen aus dem briefkasten zu holen. wenn ich mich im postauto mit niemandem unterhalte, lese ich zeitungen. früh am morgen steht das lokale bei mir zu erst an. momentan ziehe ich den “bund” vor, weil er übersichtlich gegliedert ist. erst dann kommt die “bernerzeitung” dran – lange meine nummer 1. die grossen bilder kommen meinen morgendlichen bedürfnissen durchaus entgegen; den aufbau der seite verstehe ich aber selber nach wochen der umstellung nicht wirklich. wenn ich im postauto nicht lese, schwirren die plakatwände in rascher folge an mir vorbei. bewusst erheischen kann ich nicht viel, unbewusst nehme ich wohl einiges mit. im moment vor allem politisches, sprich stiefel. die werbung der versicherung, die man so aufmerksam lesen muss, bis man sie versteht, ist für meinen morgen höhere magie, die ich nicht raffe.

in der stadt trinke ich, wenn immer möglich, noch etwas, bevor ich zu arbeiten beginne. momentan ziehe ich die piazza-Bar am berner hirschengraben allem andern vor. denn es ist wunderbar ruhig. auf dem Weg dorthin hat es den quartier-kiosk. da schaue ich mir die Aushänge der medienhäuser an und decke mich mit dem ein, was mich anspricht. gegenwärtig sind das immer weniger tageszeitungen, denn die versprechen zu oft mehr als sie halten. seit den sommerferien setzte ich mich wieder häufiger mit deutschen und internationalen magazinen auseinander. der spiegel. die zeit. das sind meine wöchentlichen zeitspiegel. am donnerstag kaufe ich bisweilen die weltwache. im büro angekommen, gibt’s die letzte dossis an frühstücksmedien: die mails, die kommentare zu meinen blogs von vortag, die nzz online und le temps via internet.

von diesem moment an gibt es keine rituale mehr. alles hängt davon ab, ob ich einen bürotag habe, ob ich auswärts bin, ob ich schreibe, ob ich lese. oder unterrichte. mache ich letzteres, fahren ich zug, wo ich gerne lese. bücher vor allem. bisweilen auch aufsätze, die zum thema meines kurses passen. im büro muss ich vor allem berichte meiner forschungskollegInnen lesen. gelegentlich braucht es da sicherheitschecks. dann sind lexika und bandbücher gefragt, wenn es um meine kerngebiete geht. handelt es sich um randbereiche meines xxpertenwissens, ziehe ich wikipedia vor. ich schreibe selber Artikel in diesem wissenskiosk, weshalb ich anderen auch vertraue. allerdings ziehe die englischen beiträge den deutschen häufig vor.
wenn ich schreibe, bin ich mit sekundärquellen zurückhaltender, denn die lenken mich dann zu stark ab. als forscher beschreibt man vor allem seine eigenen untersuchungsergebnisse. grafiken, tabellen, bisweilen auch ganz frische computeranalysen, sind meine nahrung.

in pausen informiere ich mich gerne kurz über das aktuelle geschehen. ich habe eine kleine leseliste, die ich, wenn ich zeit habe, ein- bis dreimal pro ag dturchgehe, um mich über neuigkeiten zu informieren. 20 minuten zählt dazu, newsnetz, die seiten von sf und drs, gelegentlich auch die von tsr und rsr sind da gefragt. parallel dazu mache ich auch mails; häufig hat’s da such links darunter, was man sich aus dem kunterbund des internets ansehen soll.

der mittag ist medienfrei, rede ich mir gerne ein. doch das stimmt bei weitem nicht. bei tollen licht und speziellen momenten fotografiere ich gerne, und kontrolliere ich die bilder nach dem motto: behalten, nicht behalten, behalten. die gründe für die entscheidungen sind nicht immer klar. ausser ich hatte den finger vor der linse. denn die silhouetten der stadt, in der ich gerade bin, sind deutlich interessanter. die stadtwanderung am mittag ist auch ohne das nie medienfrei. das urban zeichnet sich heute nicht mehr durch historische kernstädte aus, vielmehr durch aktuelle kernkommunikationen. über allem steht die werbung. es folgen die autoritativen hinweis- und verbotsschilder. und das kleingedruckte der subkulturen an wänden, ampelmasten und türrahmen interessiert mich mächtig. selbst der boden ist nicht mehr frei davon. genauso wenig wie seitenwände von lastwagen und gepäckträger vin fahrrädern. selbst auf den fussgängerstreifen findet man die scharmützel der guerilla-marketer. nach dem mittag ziehe ich mir gerne etwas weiches rein. ein video. eine tour auf flickr. oder meine fotos von eben. ich habe ein riesiges archiv. das muss meine emotionale befindlichkeit treffen, denn bald schon schalte ich wieder auf den kognitionsmodus muss der inforamtionsverarbeitungsmachine in mir um.

der medienkonsum am nachmittag ist ähnlich wie der am morgen von meinem arnbeitsprogramm anhängig. einen unterschied gibt es aber: wenn der tageskram gemacht ist, arbeite ich gerne an vorträgen und vorlesungen. die sind bei mir ein mix aus dem reich der texte und der bilder. ich lasse mir meine powerpoints auch gerne als diashow vorführen. so stimme ich mich vor allem in themen ein, dich ich noch zu wenig gut kenne, über die ich aber sprechen muss.

am vorabend kann man sich den gratiszeitungen kaum mehr entziehen. sie stapeln sich an jeder ecke. sie unterliegen dem campari-soda, wenn es heisst, vom arbeitstag abschied zu nehmen. und im Postauto nach hause ist es die zentrale lektüre – der andern. ausser für die iphonistInnen. uu denen zähle ich nicht. ich habe ein sehr einfaches handy. das nicht mehr kann als ich. weil ich ein einfach begabter mensch in sachen technik bin. die dinger, die meine sitznachbarn zappeln lassen, wenn sie läuten, gehen mir, ganz ehrlich gesagt, auf den wecker. aber auch das ist ein anderes thema.

das abendessen ist die eigentlich medienfreie phase in meinem alltag. da tausche ich mich lieber aus. wehe, wer mich dann am telefon erreichen will, um mir etwas zu verkaufen! das maximum an medien, die ich da ertrage: das radio, mit vorliebe nachrichten und echo der zeit!

der abend zuhause gehört mir, dem bloggen, selten auch dem fernsehen. wenn ich etwas wirklich sehen will, lege ich mich gerne hin, geniesse landschaften, tiere oder krimis. “schnell ermittelt” auf orf ist mein favorit. der rest ist häufig pflichtstoff, den man sich heute auch problemlos als clips auf internet ansehen kann. bloggend verlasse ich den tag wort für wort, bisweilen bild für bild. es kann auch sein, dass ich ein wenig recherchiere, hängen bleibe, wo ich gar nicht hin wollte, meine neugier mich aber hinführt. nicht selten endet diese medienwanderung vor dem büchergestell, den buchneuerwerbungen des letzten wochenendes, dem zugestellten, bisher unbekannten magazinen, die ich mir einmal ansehen soll und die mein bettlektüre bereichern.

wie gesagt, einen teil meines medienkonsums verarbeite ich des nachts, wo auch der wunsch entsteht, neues kennen zu lernen. gerade dann, wenn man immer am gleichen ort lebt. so ist das halt – mit den medien. sie spiegeln einem realitäten die keine sind, und genau deshalb so real werden.”

stadtwanderer

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

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