berns (g)arten

zuerst ist da nur der berner botanische garten. dann sieht man ein plakat, eine statue und einige wartende. schliesslich entführt schauspieler matthias zurbrügg sein publikum in die ebenso spannenden wie tragischen geschichten zu albrechts von hallers (g)arten.

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haller zwischen bern und göttingen

der kleine albrecht haller wurde am 16. oktober 1708 geboren. aus seiner familie stammte im 16. jahrhundert berns reformator, und dessen nachfahren gehörten in bern zu den patriziern, wenn auch nicht zu den höchstgestellten. doch albrecht mochte keiner der unter gleichen werden. er war herausragend. im geist, nicht mit seiner macht. und so wurde er arzt. forscher. wissenschafter. und dichter.

zu gerne wäre albrecht schon in jungen jahren auch berner politiker, später wohl auch staatsmann geworden. doch dafür war haller einfach nicht angepasst genug. denn er sagte, was er dachte. mehr noch: er schrieb es auch auf, und er liess es gar drucken!

zum beispiel mit seinem gedicht über die “die alpen“. darin lobte er das einfache, unverbrauchte leben der hirten in den bergen, das er dem luxus und der prestigesucht seiner zeitgenossen in der stadt gegenüber stellte.

deshalb musste der erwachsene albrecht haller auswandern, um vorwärts zu. die neu gegründete königliche universität göttingen nahm ihn 1737 noch so gerne als biologen und anatomen auf, und sie ermöglichte es ihm, einen mustergültigen botanischen garten mit allen pflanzenarten, die man damals zu unterscheiden lernte, aufzubauen. in der ferne war seine schaffenskraft noch grösser als zuhause, sodass man bis heute mühe hat, sich einen überblick über sein wissen zu verschaffen. zurecht bezeichnet man ihn einen der universalgelehrten seiner zeit, der sich schliesslich mit königlichem erlass auch von haller nennen durfte.

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haller zwischen vergangenheit und gegenwart

genau aus dieser ferne kommt im ein-mann-stück von christine ahlborn, das matthias zurbrügg spielt, ein sebastian hallter nach bern. nein, er ist kein uneheliches kind des professors; der name steht nur symbolisch für die rückkehr albrecht von hallers im jahre 1753 ins unaufgeklärte, patrizische bern.

ganz unten muss haller nochmals anfangen: einfacher abwahrt im rathaus war der grossrat, als er seine professur aufgab, um in bern wieder fuss zu fassen. später wurde er salzdirektor in bex, weit weg in der waadt, und erst am schluss seines befrachteten lebens stieg er im bernischen gesundheitswesen bis zu seinem tod 1777 zu einer art generelsekretär auf.

zeit seines lebens war albrecht von haller ein gemässigter aufklärer gewesen. der montesquieu von bern quasi. er stellte die wissenschaft über die religion, und er brauchte den verstand, um die gewohnheiten zu kritisieren. doch er war wohl nicht nur herausragend für seine zeit; für viele seiner zeitgenossen war sein charakter schlicht monsterhaft.

das alles muss sebastian haller, den fiktiven studenten aus göttingen, nicht kümmern. das “wandern ist des hallers lust” singt er, als er aus dem norden in albrechts vaterstadt ankommt. und er erzählt munter, was der grosse haller in göttingen für möglichkeiten geboten bekam, die man ihm in bern verwehrt hatte. wenn matthias zurbrügg, der in diesem kurzen freilichtbühnenstück in viele rollen schlüpft, hingegen hallers mentor, den späteren schultheissen friedrich von steiger, mimt, dann bricht die verachtung für den nonkonformisten haller hinter jedem stein im berner botanischen garten erneut hervor.

christine ahlborn lanciert deshalb albrecht von haller neu: als teemixer. sei lässt ihn symbolisch im botanischen alpengarten umher wandern, um margrit, die weise kräuterfrau zu treffen, die so vieles über die pflanzen im gebirge weiss, dass es der professor nur pflücken und in sein herbarium einkleben muss. was ihm dabei am meisten gefällt, kippt er in einen eigenen kräutertee, der ihn, so die hoffnung der autorin, noch berühmter machen wird, als er es schon ist.

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berns (g)arten in hallers (g)arten

in der knappen halben stunde, die man rund um die statue hallers im berner botanischen garten verbringt, erfährt man in kürze einiges über die herausragendste persönlichkeit im bern des 18. jahrhunderts, und man spürt, wie komplex die erinnerung an sie ist, auch wenn sich der geburtstags hallers demnächst schon zum dreihundertsten mal jährt.

für alle, die sich für berns (g)arten in der vergangenheit interessieren oder das schicksal des unangepassten in berns (g)arten kennen, ist das stück eine abwechslungsreiche sonntägliche zugabe zur naturhistorischen ausstellung im boga.

wandern sie einmal mit, wenn es wieder heisst: halleri, hallera, hallerititititida …

stadtwanderer

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foto: stadtwanderer

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

3 Gedanken zu „berns (g)arten“

  1. Geniales Gedicht “Die Alpen”!
    Albrecht Haller muss eine imposante Persönlichkeit gewesen sein.

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