thun-panorama öffnen

thun, samstag morgen: die meisten zieht es an diesem heissen spätsommertag wie üblich an den markt im bälliz. ich ziehe den kühlen schadaupark vor, genau genommen das wocher museum.

marquard wochers thun: ausschnitt aus dem ältesten erhaltenen rundbild der welt

7,5 meter hoch ist das wichtigste gemälde des basler künstlers marquard wocher – und 38 meter lang. genau genommen rund. denn das thun-panorama ist ein imposantes bild ohne anfang und ohne ende. mehr noch: es ist das älteste rundbild der welt, das erhalten geblieben ist.

zu beginn des 19. jahrhunderts machte wocher seine skizzen auf einem dach von thun: die häuser, die menschen und die berge fing er dabei probeweise ein. 1809 malte er dann das bild in basel aus der erinnerung, die sich auf seine entwürfe stützt konnte. 1814 war er nach 5 jahren sinnes- und gedankenarbeit fertig.

wie dokumentarische vergleiche vom selben kamin aus zeigen, an den sich wocher seinerzeit gelehnt hatte, ist ein realistisches rundumblick der berner oberländer metropole entstanden. 300 personen der stadt, die damals keine 5000 einwohnerInnen zählte, sind so in ihren stuben, an ihren fenstern und auf den engen strasse porträtiert worden. pferde hat’s, auch hunde und katzen vielerorts. “nur vögel findet man keine auf dem bild”, sagt siegfried schertenleib, der präsident des fördervereins, an der heutigen führung für donatoren, geehrt durch die präsenz des neuen stadtpräsidenten raphael lanz.

ohne das vereins-engagement hätte dem bild das gleiche schicksal gedroht, wie den meisten rundbildern, die seit dem späten 18. jahrhundert beliebt waren, dann aber von der fotografie angelöst wurden. 600’000 schweizer franken hat der förderverein zusammengebracht, um es zu restaurieren und das museum erweitert neu zu gestalten. die stadt thun und der kanton bern leisten ihrerseits je einen namhaften obulus zum erhalt des kleinods.

peter salvisberg, der vize des vereins, weiss den glücksfall mit wenigen worten zu illustrieren. zuerst hing das bild in wochers basel, dann wurde es der stadt thun geschenkt, ging vergessen, lagerte falsch, bis es 1960 dank der gottfried keller stiftung ein erstes mal restauriert und im neuen museumsbau im schadaupark ausgestellt wurde. nun ist die heutige generation gefordert, es der nachwelt aufpoliert zu überlassen.

der breiten öffentlichkeit war das juwel übrigens lange kein begriff – was sich nun ändern soll. denn es ist nicht nur in bälde 200 jahre alt; es hat auch potenzial: altersausflügler aus dem kanton bern könnte es faszinieren, schulklassen aus der ganzen schweiz interessieren, und selbst den internationalen tourismus, der auf natur, geschichte und kunst setzt, könnte es vermehrt nach thun locken.

die öffnung des werkes für die welt ist indes eine herausforderung, die der berühmten quadratur des kreises gleich kommen könnte. denn mit wochers opus wird das weltbild aufkommenden romantik dargestellt, mit dem man sich von dem der moderne abwandte, das zentrum in sich und nicht im andern suchte, was, wie kaum etwas anderes, zum wesen eines jeden rundbildes gehört. und zu thun passt!

stadtwanderer

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

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