meine neue stadtwanderung: konkordanz woher? wohin?

er ist einer der am häufigsten zitierten begriffe zur schweizer politik – dabei ist er gar nicht so einfach zu definieren. deshalb ist dem „konkordanzsystem“ meine neue stadtwanderung gewidmet.


baustelle bundeshaus: konkordanz für immer? oder als episode? das grosse thema meiner neuen stadtwanderung

der niederländisch-amerikanische politikwissenschafter klassierte das politische system der schweiz als eines, das mittels elitenkooperation die heterogenen voraussetzungen überbrückt. genau das herzuleiten, die möglichkeiten und grenzen aufzuzeigen, ist das motto meiner neues stadtwanderung, gedacht für interessierte an der schweiz, die das geschehen in unserem land mitverfolgen, es aber nicht immer verstehen.

die stationen der neuen stadtwanderung
1. nydeggkirche: bern – die europäische brückenstadt an der aare
2. altstadt: das ancien régime – wo die politische kultur ihren ursprung hat
3. rathaus: die helvetische republik – die französische revolution erschüttert die alpenrepublik
4. erlacherhof: „restauration“ – ein epochenbegriff mit berner hintergrund
5. casino: der bundesstaat von 1848 – der freisinn als staatsgründer
6. hotel bern (vormals volkshaus): der generalstreik – das ende der freisinnigen herrlichkeit
7. bundesplatz: bundesratswahlen – aufstieg und niedergang der „zauberformel“
8. europa-allee: nein zum EWR – ja zu den bilateralen: die schweiz suchten ihren weg mitten in europa

mit der neuen stadtführung stelle ich bern als europäisches zentrum vor, das seit jeher an der aare brückenfunktionen hatte: zwischen burgundern und alemannen, zwischen zürchern und genfern reformierten, zwischen sesshaften und nomaden der gegenwart. in berns ancien régime entwickelt sich der für die schweiz so typische regionalismus der mittelalterlichen städte, die strenge des konfessionalismus (nach der reformation=, die sparsamkeit der steuerparadiese (man glaubt es kaum!) und der staat der milizsoldaten und –politiker geradezu müstergültig.

mit lautem donnerschlag setzen die französischen revolutionäre 1798 demschritt für schritt gewachsene gemeinwesen ein jähes ende. doch zerschellte auch ihr vasallenstaat am europäischen krieg, der damals in der eidgenossenschaft tobte. was von der helvetischen republik bis heute bleibt, ist die gleichheit der kantone, der eidgenössische kanzler (heute bundeskanzlerin genannt) und das kollegialsystem, mit dem einige (männer), das land gemeinsam zu regieren suchen. der rest des revolutionären projektes ging mit dem wiener kongress 1815 unter. der neue epochenbegriff, die restauration, wurde in berns gassen erfunden, wo, was schon ironisch wirkt, die wiederherstellung der alten verhältnisse jedoch missriet. denn gegen die vorherrschaft der hauptstädte im alten régime wandte sich der kraftvolle liberale geist des bürgertums in den landstädten, der sich am wirtschaftlichen fortschritt ausrichtet und die alten zöpfe abschnitt.

1848 entstand die schweizerische eidgenossenschaft als bundesstaat. er sollte das bleibende produkt des europäischen revolutionsjahres sein und den beginn der freisinnigen vorherrschaft in der schweiz begründen. die industrialisierung im innern, aber auch die bedrohung im kriegerischen europa erforderten 1874 eine stärkere zentralisierung des staates, kompensiert durch direkte demokratie für die bürger und verbandseinflüsse für die wirtschaft. der nationalismus des ausgehenden 19. jahrhhunderts erreichte die stolze schweiz, die angesichts der aufkommenden arbeiterschaft mit ihrer alten konfessionellen spaltung aufräumte.

das ende des ersten weltkrieges brachte soziale not ins land, und der generalstreik der gewerkschaften von 1918 bedrohte die liberale herrlichkeit zutiefst. eingeführt wurde jetzt das proporzsystem für die wahl des nationalrates, mit dem ein neues parteiensystem entstand. die fdp bildete mit der katholischen volkspartei und der bauern-, gewerbe- und bürgerpartei den streng antikommunistischen bürgerblock, scheiterte aber an den interessengegensätzen zwischen binnen- und aussenwirtschaft. sozialpartnerschaft und bundesratsbeteiligung der sp-die basis imvollmachtenregime legten die basis für die neue form der elitenkooperation, die 1959 in der „zauberformel“ für die bestellung der bundesregierung ihren höhepunkte kannte, die dem land politischen frieden und wirtschaftlichen aufstieg ermöglichte.

gesellschaftlicher wandel, politisierende und streikende frauen, die ihren vorenthaltenen anteil an macht und freiheit forderten, rüttelten die gemütliche idylle der männerwelt auf. bundesratswahlen wurden zum kampfplatz der geschlechterfrage, bis die frauen 2010 eine mehrheit des bundesregierung stellten. der aufstieg der svp als führende nationalkonservative kraft der schweiz sprengte die zauberformel spätestens 2008 vollends. was von 1959 bleibt ist eine schlecht gehütete formel zur bestellung des bundesrates, die fast jedes mal neu berechnet werden muss, sodass man sich frage, ob das noch konkordanz sei.

hintergrund des politischen wandels ist die ungelöste europafrage, denn die schweiz maccht nicht mit in der eu, und ist doch ein teil von ihr. im ewr-trainingslager mochte die mehrheit der stimmenden nicht mitmachten, und so einigt man sich zur jahrtausendwende auf die bilateralen verträge mit der europäischen union. wirtschaftlich sind sie ein erfolg, gesellschaftlich bringen sie rasante veränderungen, und in der eu sind sie weniger beliebt als in der schweiz, sodass die zukunft etwas offen erscheint.

bern – die brückenstadt, in der sich europäische mit lokaler historie verbindet, bietet einen idealen ort, um schweizergeschichte und -politik zu erzählen und an sieben symbolträchtigen orten sinnlich erfahrbar zu machen. meine hoffnung ist es, danach besser zu verstehen, was konkordanz ist, wie sie in der schweiz entstand und was sie in unserem land heute noch bedeutet.

interessentierten gruppen, die bei der neuen rund zweistündigen wanderung ab april 2013 mitmachen möchten, melden sich am einfachsten direkt beim

stadtwanderer

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

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