Die Geopolitik, die zur Entstehung der Eidgenossenschaft führte.

Während unserer Weltreise stiess ich in China auf Karten, welche die Ausbreitung der grossen Pest im 14. Jahrhundert zeigten. Für Europa kannte ich die zur Genüge. Bezogen auf Asien waren sie für mich neu. Und sie öffneten mir in vielem die Augen.

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Wirtschaftshistoriker wie William Bernstein behaupteten stets, der Schwarze Tod im 14. Jahrhundert, der sich vom Schwarzen Meer aus über Europa ausbreitete, habe seinen Ursprung in Asien gehabt. Auf chinesischen Karten fand ich letzten Oktober gute Belege hierfür. Demnach breitete sich die Pest zu Beginn des 14. Jahrhunderts von Südost-Asien (1320) nach Zentralchina (1332) aus, und wütete sie in der Folge auf der Seidenstrasse durch das Herrschaftsgebiet der Mongolen (nach 1332 und vor 1346). Als diese die Goldene Horde die Krim zu eroberen versuchten, warfen die mongolischen Belagerer Kaffa (1346) mit der Pest infiszierte Leichen in die Stadt. Das löste bei den Belagerten Panik aus, und die Händler aus Genua, die für die Versorgung übers Meer zuständig waren, setzten sich in ihr Ursprungsgebiet ab.
Zu spät!, wie man heute weiss, denn auf ihrer Flucht nach Italien brachten die Händler, selbst schon angesteckt, die Pest direkt nach Europa (1347). Für unser Gebiet von Belang war, dass sie sich über Marseille-Lyon-Genf ins Mittelland ausbreitete und da 1348/49 zahllose Opfer forderte.

Ueber die Folgen der Post ist schon viel beschrieben worden: So die Anklage der Juden durch Christen, für die Pest verantwortlich zu sein, was vielerorts zu ihrer Verfolgung führte. So die Bestrafung der Ketzer, die man auspeitschte, weil man hoffte, sie so von ihrer Schuld zu reinigen. Und so die Absetzung weltlicher und kirchlicher Feudalherren, die man beschuldigte, Schutz versprochen zu haben, den sie im Ernstfall nicht einzulösen vermochten.

In der Geschichte Chinas gilt es als ausgemacht, dass die Pest den Niedergang der Yuan-Dynastie auslöste. Die Moral der Bauern sank angesichts der Pandemie, und der Unterhalt namentlich der Staudämme liess rasch nach. Das hatte Ueberschwemmung zur Folge, ebenso Missernten. 1368 war es soweit: Die einheimische Ming-Dynastie übernahm das Land von den mongolischen Herrschern und profilierte sich als Erstes durch den Bau neuer Stauwehr und -dämme, um das Land zu entwässern und es wieder fruchtbar zu machen. Hongwu, der erste Ming-Kaiser, gründete die chinesisch Hauptstadt Nanjing (Frieden des Südens); 1421 erhob einer seiner Nachfolger, Yongle, Beijing (Frieden des Nordens) zur Kaiserstadt und begann, die Chinesische Mauer gegen die Mongolen neu zu errichten.

Weniger geläufig sind die Zusammenhänge zwischen Pest und Herrschaft in Europa. Doch es gibt auch sie. Karl IV., dessen Krönung 1346 durch die Pest gestört worden war, ordnete, nun Kaiser, 1356 mit der Goldenen Bulle das zerfallene Reich neu. Und selbst die Entstehung der Eidgenossenschaft kann auf das geopolitische Grossereignis zurückgeführt werden.Zwar reichen deren Ursprünge im Mittelland bis in die Mitte des 13. Jahrhunderts zurück. Ursache war das Nachlassen der kaiserlichen Macht, denn Kaiser Friedrich II. stand mit den Päpsten in einem Dauerstreit. Nicht zuletzt der Vorwurf der Kirche, sich als Kaiser zu wenig um die Abwehr der Mongolen gekümmert zu haben, hatten die Konflikt eskalieren lassen.

Namentlich die (Reichs)Städte im Mittelland und die Reichsländer im Voralpengebiete entwickelten in der Folge ein Freundschaftssystem, um sich bei abwesender Herrschaft von oben das lokale Recht zu garantieren und so den Handel zwischen fremden Orten selbständig zu ermöglichen. Daraus entstanden Bünde unter Nachbarn, die nach der Krise der grossen Pest auf eine neue Basis gestellt werden mussten. Nach 1350 begründeten die regionalen Bündnisse der Waldstädte, der Zürcher und der Berner das 8örtige Bündnissystem, mit dem man sich zu einem stärkeren Zusammenhalt im Bedrohungsfall verpflichtete. Bis gegen Ende des 15. Jahrhunderts bildete dies die Grundlage, auf der sich die Eidgenossenschaft entwickeln konnte. Mit dem Frieden von Basel (1500) wurde man autonom im Kaiserreich, mit dem Westfälischen Frieden (1648) gar von diesem ausgenommen.

Stadtwanderer

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

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