jakob stammler, berner stadthistoriker, pfarrer und bischof

nicht lange ist es her, das mochte ich kirchen nicht. ich bin zwar ministrant in buchs (ag) gewesen, in jungen jahren, und habe als erstklässler sogar den ersten spatenstich für diese kirche getreten. dann aber wurde mir die katholische kirche unheimlich: undurchsichtige machtstrukturen regieren sie, die gemeindeoberen sind halt auch verlogen! meine innere blockierung zur kirche erschwerte mir das studium der mittelalterlichen geschichte; in der regel machte ich da einen grossen bogen rumherum! heute bin ich ja dabei, das wieder fleissig abzuarbeiten. in die kirche gehe ich immer noch nicht, als ausdruck der sozial- und kulturgeschichte, insbesondere der architektur, interessieren sie mich heute schon.

auf meinen exkursionen in berns kirchen bin ich natürlich auf jakob stammler gestossen. geboren 1840 in bremgarten (das aargauische, nicht das bernische), wurde er 85jährig, und war zuletzt bischof von basel. die stationen seines lebens sind zunächst klassisch: kloster einsiedeln, studium in mainz und loewen, abschlüsse in theologie und kunstgeschichte; sie brachten ihm zunächst ein pfarrstelle in oberrüti ein. doch dann kam der grosse bruch: er wurde pfarrer in bern.

einfach muss das nicht gewesen sein, mitten im kulturkampf im protestantischen bern römisch-katholischer pfarrer zu werden. 1875 ging die damals katholische kirche st. peter und paul, grad neben dem rathaus, an die romkritischen christkatholiken über, die romtreuen katholiken verliessen das gotteshaus. nur ein jahr später kam stammler nach bern, und baute hier (wie auch in thun) neue römisch-katholische gemeinden auf.zwischen 1896 und 1899 förderte er den bau der dreifaltigkeitskirche in bern massgeblich.

die neue kirche kam direkt neben das ehemalige patrizierhaus “La Prairie” zu stehen, dessen kern aus dem jahre 1450 stammt (als adrian von bubenberg und niklaus von diesbach in die bernische politik eintraten). heute ist die prärie ein pfarreihaus mit einem offenen mittagstisch “für Junge und Alte, Ausgeflippte und Alleinstehende, Frauen und Männer, Kranke und Übermütige”, das die stadt bern 1998 mit dem sozialpreis auszeichnete. ob bewusst oder unbewusst: genau 200 jahre nachdem die erste römisch-katholische messe seit der reformation in bern abgehalten werden durfte!

bis heute wirkt die dreifaltigkeitskirche architektonisch in bern etwas fremd. gebaut wurde sie vom bekannten architekten, henry berthold von firscher, einem zum katholizismus übergetretenen berner, der auch im kirchenfeld aktiv feld. ihr stil ist für die hiesige architektur wohl zu südlich, eigentlich lombardisch (wo ja adelheid im 10. jahrhundert königin war!). in der tat war san zeno, die kirche von verona (deutsch: bern!), vorbild für die dreifaltigkeitskirche.

die kriche selber wird übrigens morgen, gerade rechtzeitig für die erstkommunion teilrenoviert der gemeinde neu übergeben.

stammler war in bern nicht nur als stadtpfarrer wirksam, er betätigte sich auch als stadthistoriker, bevor er – auch als dank dafür, in der berner diaspora eine neue römisch-katholische gemeinde aufgebaut zu haben – 1906 die bischofweihe erhielt. drei werke sind bis heute lesenswert:

. Die Burgunder-Tapeten im historischen Museum zu Bern. Mit Abbildungen.
Bern, , Huber, 1889,. 230x155mm, 105 Seiten, broschiert.
. Geschichte der römisch-katholischen Gemeinde in Bern. Solothurn: 1901. 2 ff.

besonder wichtig ist aber seine dritte abhandlung, die 1888 in den “Katholischen Schweizer-Blätter” erschienen ist. da setzt er sich mit dem knabenmord von 1294 auseinander, den die berner juden begangen haben sollen, und der zu ihrer vertreibung als geldverleiher aus der stadt geführt hatte. er kam dabei zum schluss, dass die tat unwahrscheinlich und damit der alte (katholische) stadtheilige bern zuunrecht mit einem altar in der leutkirche resp. im münster verehrt worden sei. immerhin, auch hier: besser spät als nie!

kirchenwanderer

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

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