Burschenschaften und der Bundesstaat

Teil 3 der Stadtwanderung „Jugend&Politik“

Die Regeneration brachte der Schweizerischen Eidgenossenschaft Universitäten. Die wurden durch Burschenschaften bevölkert, die Entscheidendes zur Gründung des Bundesstaates beitrugen.

Die erste grosse Wende in der Schweizer Politik des 19. Jahrhunderts ist die Regenerationsbewegung der 1830er Jahre. Kernstück mit bleibender Wirkung ist die Gründung von Universitäten in Zürich, Bern und Genf. Sie alle waren die ersten bürgerlichen Universitäten der Welt.

Selbstredend zogen die neuen Universitätsstädte Professoren an. Ludwig Snell, ein junger Gelehrter aus Nassau, kam via Basel nach Bern. Er wurde Professor für Staatsrecht. Empfohlen hatte er sich unter anderem durch seine leidenschaftliche Tätigkeit als Redaktor beim liberalradikalen „Schweizer Republikaner“. Wie viele andere auch, war er Flüchtling gewesen.
Österreich – eine der Garantiemächte des Bundesvertrags von 1815 – missfiel Snells Aktivitäten zugunsten starker Nationalstaaten gegen Monarchien. Fürst Metternich argumentierte, die Schweizerische Eidgenossenschaft sei nicht souverän und könne deshalb gar keine eigenen Flüchtlingspolitik betreiben. Auf ausländischen Druck hin wurde das Asylrecht eingeschränkt. Snell wurde weggewiesen.

Was in der Aarestadt blieb, war Snells radikaler Geist. Speziell im Restaurant Zimmermania, 1842 eröffnet, trafen sich mit den farbentragenden Studenten Gesinnungsfreunde zum Feierabendbier. Unter anderen waren sie Studenten der Helvetia.
Da konnte es schon mal laut und fröhlich werden, aber auch politisch!
Einer der herausragenden Figuren war der junge Jakob Stämpfli. Obwohl er keine gymnasiale Ausbildung vorweisen konnte, durfte er nach einer Lehre an der neuen Universität studieren. Denn man war auf tatkräftige Beamte mit Berufserfahrung angewiesen. Mit Snell war Stämpfli eng verbunden, so heiratete dessen Tochter Elsie.

Schon als Student hatte sich Jakob Stämpfli als Heisssporn ausgezeichnet. Bei den Freischaren-Zügen gegen die Katholisch-Konservativen wirkte er an vorderster Front mit.
Er entwarf auch die radikale Verfassung des Kantons von 1846.
Bei der ersten Wahl mit allgemeinem (Männer)Wahlrecht im gleichen Jahr wurde er Bernischer Regierungsrat.
1848, bei den ersten Nationalratswahlen, wurde er auf Anhieb gewählt. Kurzzeitig war er später auch Ständerat, bevor er Bundesrat wurde. Nach seinem Rücktritt aus der Regierung wurde er erneut in den Nationalrat gewählt. Dreimal präsidierte er ihn, zweimal war er Bundespräsident.
Danach war Stämpfli als Bankier und Friedensstifter in den USA unterwegs. Er war zweifelsfrei einer den großen freisinnigen Pioniere des jungen Bundesstaates.

In den Kantonen Waadt, Tessin, Graubünden, St. Gallen, Thurgau und Aargau, die seinerzeit Napoleon 1803 geschaffen hatte, war bereits länger eine neue Generation liberaler Politiker an die Macht. In den alten Orten wie Bern war dies erst seit den 1830er Jahren der Fall gewesen. Besonders hervorgetan haben sich da die Gebrüder Schnell aus Burgdorf. Sie standen am Anfang der liberalen Bewegung,
1848 gründeten Leute dieses Schlags den neuen Bundesstaat. Es war das Werk junger Männer.
Nie war das Durchschnittsalter der Parlamentarier so tief wie damals. Im Ständerat zählte man im Mittel 40 Jahre, im Nationalrat 43. Erst danach bildete sich das übliche Karrieremuster der Politiker mit Aemtern in Gemeinde, dann Kanton und schliesslich Bund heraus. Nie war das Parlament im Schnitt so alt, wie nach den Wahlen 1959.

Die zweite Eigenheit der Politikergeneration von 1848 war ihre verbreitete Zugehörigkeit zu einer Studentenverbindung. Die wuchsen im zweiten Viertel des 19. Jahrhunderts mit patriotischer Absicht wie frische Pilze aus dem Boden. Patriotisch meinte damals, Freund eines starken Nationalstaates!
Wie Jakob Stämpfli gehörte wie viele andere auch der «Helvetia» an. Damit erinnerte man sich der idealisierten Frauenfigur aus dem 17. Jahrhundert, die bei der Gründung des Bundesstaats zur eigentlichen nationalen Symbolfigur wurde.
Helvetia fand sich danach auf Marken, Münzen und Denkmälern. Meist war sie eine währschafte Frau. Mit dem Altern der Politiker nach der Staatsgründung verjüngte sich das idealisierte Frauenbild des Staates. Dank dem Goldvreneli kam man 1897 bei der weiblichen Jugend an.

Typisch, wie wir sehen werden!

Foto: Stadtwanderer (in guten Zeiten)

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert