11. Station: Aussichten vom Dach des Dachverbands economiesuisse

Auf dem Dach dieses Hauses hat man einen schönen Ueberblick über die Stadt Bern und ihr Regierungsviertel. Schöner noch als wie ihn bei der Miniature hatte. Nur gehört er hier ganz economiesuisse, dem Dachverband der Schweizer Wirtschaft. Im Dachstock hat sie ihre Berner Dependence.

Steuern wie Steuerrad und Staatsabgaben
Der Steuermann ist im Griechischen ist der Kybernos. Von ihm leitet sich die Kybernetik als Lehre der Regelung von Maschinen ab. Das übertrug man im 20. Jahrhundert die Biologie, Psychologie und die Sozialwissenschaften. Da ist sie die Kunst des Steuerns – mit den Mitteln der Macht, des Geldes und der Kommunikation.
Es ist ein wenig wie es David Easton viele von uns lehrte. Er war einer der einflussreichsten Politikwissenschafter in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Der Staat sei eine Black-Box, schrieb er. Man steurt sie mit relevanten Inputs, um den gewünschten Output zu erhalten. Dazu kam der «throughput», die Funktionsweise der Black-Box.
Genau das hat economiesuisse früh begriffen. Und der Dachverband hat genau das vielen anderen Lobbyorganisationen voraus. Man schaut an der Zürcher Hegibachstrasse von aussen auf Bundesbern, kennt es aber dank dem Beobachtungsposten in diesem Haus auch von innen her bestens.

Die Organisation des Dachverbands
Economiesuisse trat früher als «Vorort» der Schweizer Wirtschaft auf. Das war der Vertreter des liberalen Korporatismus. Dann kam in den 1980er Jahren die die zeitgenössische Globalisierung. Sie verlangte von Firmen und Verbänden eine Anpassung an das veränderte Umfeld. Das Nein zum EWR wirkte wie ein Bruch. Seither heisst die neuformierte Organisation «economiesuisse».
An der Spitze stehen heute Christoph Mäder, ein Jurist mit vielfältigen Beziehungen in die Privatwirtschaft, und Monika Rühl, eine Spitzendiplomatin. Sie war persönliche Mitarbeiterin eines Bundesrats und Generalsekretärin im WBF, bevor sie Direktorin der economiesuisse wurde.
Zentrale Tätigkeitsgebiete der führenden Lobbyorganisation sind die Wirtschafts- und Finanzpolitik sowie die Infrastruktur- resp. Wettbewerbspolitik. So jedenfalls will es das Organigramm.
In der Tat steht die Steuerpolitik aus zwei Gründen zuoberst: Erstens erlauben es tiefe Steuern Unternehmen und Konsumenten, mehr zu investieren resp. zu konsumieren. Und zweitens regelt die Gesamthöhe der Steuern, wie viel dem Staat an Mitteln zur Verfügung steht.
Vorzeigeobjekt des Dachverbands ist die Schuldenbremse. Deren Einführung hat man zu Beginn des 21. Jahrhunderts eng begleitet hat. Grundidee war und ist, dass der Staat nicht mehr ausgeben als einnehmen darf. Das muss nicht jedes Jahr so sein, aber innerhalb eines Konjunkturzyklus. Es hat gewirkt: Die Schweiz funktioniert in vielem nach dem Prinzip des schlanken Staates und die Schulden haben sich verringert.

Drei Stärken von economiesuisse
Meines Erachtens gibt es drei Gründe für die Erfolgsgeschichte der economiesuisse:
Die erste Stärke betrifft die Organisation selbst. Nach eigenen Angaben vertritt man 100’000 Firmen und 2 Millionen ArbeitnehmerInnen. Als Verband ist man zwar in Zürich zentralistisch organisiert, hat aber Ableger in Bern, Genf und Lugano. Zudem verfügt economiesuisse über Geschäftsstellen in allen Kantonen. Meist sind es lokale Handelskammern, Gewerbeverbände oder FDP-Sekretariate.
Die zweite Stärke besteht in der Kombination des Lobbyings mit dem Campaigning. Geht es um Fragen des Wirtschaftsstandortes Schweiz, ist die Organisation permanent aktiv. Verstärkt wird dies durch Kampagnen bei Volksabstimmungen, die aus Wirtschaftssicht interessieren.
Die dritte Stärke entstand erst in letzten 30 Jahren. Nach dem Nein zum EWR 1992 wagte man sich vermehrt in die Öffentlichkeit. Der Verband entwickelte sich zur Kommunikationsdrehscheibe im Vordergrund, wirkt aber in der der Wissenschaft und in Kampagnen weiterhin auch im Hintergrund.
Letztlich ist die Kombination aus Macht, Geld und Kommunikation für die Einflussnahme entscheidet.

Probleme des Neokorporatismus
Doch auch hochprofessionalisierte Politunternehmen wie die economiesuisse kämpfen bisweilen mit Problemen in der schwer berechenbaren direkten Demokratie. In der Europapolitik gibt es eine dauerhafte und heftige Opposition von rechts. Und in Steuerfragen wird man von links angegriffen. Das hat damit zu tun, dass die Vorstellungen der sinnvollen Globalisierung anzugehen ist, voneinander abweichen.
Neuerdings gibt es auch eine Konkurrenz zwischen der economiesuisse und dem Gewerbeverband, die tendenziell einen anderen Teil der Wirtschaft und damit divergierende Interessen vertreten. Gleiches gilt für die Schnittlinie zu swisscleantech.
Eigentlicher Einschnitt war der Fall der Swissair in den 1990ern. Unser Fluggesellschaft stürzte mit der Hyperglobalisierung ab..
In der Folge lancierte der Schaffhauser Unternehmer Thomas Minder die Abzocker-Initiative, die sich gegen die exorbitant hohen Gehälter der Schweizer Managerelite wandte. In der Volksabstimmung von 2013 ging sie glatt durch, was die economiesuisse in eine ungewohnte Verliererposition versetzte. Der zweite Einschnitt war die SVP-Initiative gegen die Masseneinwanderung. Auch sie ging zugunsten der Opposition aus.

Ungeahnte Kräfte der Hyperglobalisierung
Heute versucht man bei economiesuisse die zentralen Ziele im Auge zu behalten, aber Angriffsflächen zu beschränken. Kurzfristig setzt man sich für die CO2-Steuer ein. Darüber hinaus geht es namentlich um den Rahmenvertrag. Beides ist nicht umstritten. Bei der Energiewende sind die politischen Entscheidungen schon weitgehend gefallen; da geht es noch um die Umsetzung. Anderes bei InstA. Da zögert der Bundesrat aufgrund des Veto aus Gewerkschaften und Gewerbeverband. Alleine vorangehen und den Winkelried spielen mag man dann doch nicht.
Das hat auch die Partners Group aus Baar im Kanton Zug gemerkt. Um sie herum gruppiert sich gegenwärtig die Europa-Gegner der Post-Brexit-Aera. Ihr Slogan: «What ever it takes!». Was immer es koste, heisst das auf Gut-Deutsch. Es meint, dass sich heute eine neue Form der plutokratischen Herrschaft aus Big-Business, Geld und PR formiert. Selbst für economiesuisse eine Herausforderung!

Und weiter …
Im Kampf für eine offene Europa-Politik bleibt economiesuisse das Rückgrat. Die Rippen, die den Körper stützen sollen, sind aber vielfältig. Darunter gehören verschiedene PR-Agenturen.
Weiter!

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

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