Burger. Barock. Bourbonen – 4. Station: das Kornhaus und der Staatsmann

Wir stehen vor dem Kornhaus. Es ist der prächtigste barocke Profanbau in der Stadt. Gebaut wurde er, während Johann Willading Schultheiss war und das Staatsverständnis in Stadt und Republik Bern veränderte.

Das Kornhaus
Gebaut hat man das Kornhaus zwischen 1711 und 1718. Die Gebrüder Dünz, die es planten und bauten, waren Berner, die ein kunstvolleren Architektur als im Frühbarock zugetan waren.
Die Front ist wie im Hochbarock typisch dreigeteilt. Der Mittelteil ist herausgehoben, Risalit genannt. Säulen, wie an der Heiliggeist-Kirche, gibt es noch keine, aber Pilaster, angedeutet Stützen. Zudem gliedern gliedern Lisenen oder strukturierte Steine die drei Teile der Fassade. In der Waagrechten erkennt man verschiedenartige Gesimse.
Alles überragend ist aber das Dreieck auf der Höhe des Daches, welches den Mittelteil überrascht. Darin repräsentiert sich der Staat mit Wappen und Bären. Das war neu. Erstmalig war auch der Park mit einer Allee vor dem Kornhaus.

Paternalismus zwischen Absolutismus und Selbstverantwortung
Genutzt wurde der repräsentative Bau als Lagerraum für Wein und Korn. In guten Zeiten verwendete man beides, um die städtischen Beamten zu entlöhnen. In schlechten ernährte man damit die notleidende Stadtbevölkerung.
Paternalismus oder alterväterlich nennt man das . Es war fürsorglich, aber auch kontrollierend. Es unterschied sich vom autoritäre Absolutismus in Frankreich, aber auch von der Eigenverantwortung, wie es die bürgerliche Gesellschaft noch erfinden wird.

Der lernende Staat entsteht
Der Umbruch geschah in einer Zeit, die man heute kleine Eiszeit nennt. Die Gletscher in den Alpen wuchsen. Es war regelmässig kalt, und es regnete viel.
Für die Umwelthistoriker dauert die kleine Eiszeit mit Unterbrüchen von 1350 bis 1850. Die die Kulturgeschichte seiht das enger, beschränkt auf die Phase von zirka 1570 bis etwa 1720.
Das änderte vorherrschende Deutungsmuster. Katastrophen wurden nicht mehr als Schicksal gesehen, dem man ausgeliefert war. Stück für Stück erkannte man, dass Hungersnöte benennbare Ursachen hatten, die der Staat angehen müsse. Vorreiter waren dabei Künstler, welche in Bern und anderswo das eisige Klima bildlichen Thema machten.

So setzte die Auswanderung von Berner Familien nach Uebersee ein, während man das Kornhaus baute. New Bern in North Carolina entstand, um den Bevölkerungsdruck abzubauen. Zur gleichen Zeit setzte auch die Korrektion der Kander im Oberland ein. Denn der Fluss sorgte immer wieder für Ueberschwemmungen von Thun bis Bern.

Schultheiss Johann Friedrich Willading
Ueberragender Schulheiss dieser Zeit war Johann Friedrich Willading, der in Bern zwischen 1708 und 1718 regierte. Seine Karriere begann 1694, als Frankreich die Ausweisung der Hugenotten verlangte. Willading erwirkte eine fünfjährige Fristerstreckung. Derweil kümmerte er sich um Aufnahmen wie durch Hessen.

Willading organisierte auch die antifranzösische Partei in der Gesellschaft. Die stellte seit 1693 auch den Niederlanden eine feste Truppen, Regiment von Mülinen genannt. Ein Jahr später kam auch das Regiment von Tscharner hinzu. Das waren wilde Aktionen, die der Rat vorerst duldete. Erst um 1700 gab er seinen Segen dazu. Damit schuf man ein Gegengewicht zum Regiment Erlach für Frankreich. Denn der niederländische Gesandte in Zürich hatte sich bei der Eidgenossenschaft beklagt, die Begünstigung Frankreichs sei alles andere als neutral.
Sein Gesellenstück liefert Willading 1707 in Neuenburg ab. Denn das dortige Herrscherhaus war erloschen. 15 Adelshäuser interessierten sich. Darunter war auch ein Günstling von Louis XIV. Willading setzt jedoch auf Friedrich I. aus dem Haus Hohenzoller, dem König von Preussen. Und der setzte sich durch.
Der erboste Franzosen schickte Truppen an die Grenzen, Willading vermittelte erfolgreich. Vorgezeichnet war damit seine Karriere als Schultheiss. 10 Jahre versah er das höchste Amt, während denen Bern die wichtigen Entscheidungen traf, mit denen man die Lebensbedingungen verbesserte.

Anne-Margarete Willading wird zur Schlüsselfigur in Bern
Willading gilt bis heute als bernischer Staatsmann. Zu seiner Zeit war er auch der reichste Berner. Grosse Ländereien in Urtenen und Mattstetten gehörten ihm. Vor allem aber hatte er keinen Sohn. Das machte in der patriarchalen Gesellschaft seine einzige Tochter Anne-Margarete zur entscheidenden Person in Bern.
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cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

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