Burger.Barock.Bourbonen – 6. Station: Unteres May Haus oder der Schreck von Malplaquet

Wir stehen vor dem Unteren May Haus. Es hat gar nichts mit Barock zu tun. Aber es hilft uns zu verstehen, wie die Verschiedenartigkeit der Bernburger im im 18. Jahrhundert verschmelzen.

Bern, unteres Mayhaus Münstergasse 6

Bürgerhaus im Renaissancestil

Die Renaissance geht dem Barock voraus. Sie ist, zu Beginn der Neuzeit, das Zeitalter des aufkommenden Bürgertums. Es richtete sich an der Antike aus und entwickelte einen neuen Kunstsinn. Ihr Zentrum hat diese Stilrichtung in Italien.
In Bern findet man heute fast nichts davon. Am ehesten zur Renaissance passen die prächtigen Brunnen in der Altstadt. Doch wurde ihr Stil aus dem reformierten süddeutschen Raum beeinflusst. Da ist mehr Rottweil und Schaffhausen drin als Rom und Florenz.
Das Bürgerhaus der Familie May ist eine Ausnahme. Es ist Renaissance. Gebaut wurde es im 16. Jahrhundert. Anfangs des 17. Jahrhunderts wurde die Fassade neugestaltet.
Jede Fensterreihe ist anders, mal mit ausgefülltem Dreiecke überdacht, mal mit halbrunden Abschlüssen, mal mit leerem Ueberbau.
Alles ist verziert, ganz im Gegensatz zum strengen Frühbarock! Die Aussenhülle dieses Hauses wirkt schon fast künstlerisch verspielt.

Die Mays als frühe Secondos
Das alles ist nicht zufällig: Denn die Familie May kam wie die Renaissance aus Italien nach Bern. Sie waren zuerst Früchtehändler und damit besonders erfolgreich.
Man kann die Mays auch die ersten Secondos Berns nennen, die Karriere machten. Diese führte sie in keine der Gesellschaften, die wir kennengelernt haben. Denn sie nahmen am Gesellschaftsleben zum Mittellöwen teil, wo sie mit anderen Händlern zusammen waren. Man war noch anders als der ehemalige Ministerial- oder Briefadel.
Ende des 17. Jahrhunderts avancierten die Mays allerdings zu hohen Militärs. Gabriel May zum Beispiel begann seine Laufbahn in Frankreich, gehörte aber zu den ersten, die auf die niederländische Seite wechselten. 1697 kaufte er gar das Berner Regiment von Mülinen, das er fortan als Brigadier führte.
Nach 20 Jahren quittierte er den Dienst, betätigte sich als Grossrat und Landvogt in Moudon, bevor er bis zu seinem Tode Mitglied des Kleinen Rates wurde.

Der Spanische Erbfolgekrieg
Fast wäre das zur Bilderbuchkarriere eines Aufsteigers in Bern avanciert, wäre da nicht ein vergessener, aber schrecklicher Zwischenfall gewesen.
Alles begann 1700. Der letzte Habsburger auf dem Spanischen Thron verstarb. Frankreichs König Louis XIV. fackelte nicht lange und setzte einen Bourbonen in Spanien ein. Damit verschoben sich die politischen Gewichte in Europa erheblich. Bisher war Frankreich zwischen Kaiserreich und Königreich Spanien mit je einem Habsburger eingeklemmt. Mit einem Bourbonen im Westen eröffnete sich Frankreich die einmalige Chance, gesichert nach Osten ausholen zu können.
Genau das führte zum Spanischen Erfolgekrieg zwischen dem Kaiser und Frankreich. Die Niederlande schloss sich dem Kaiser an. Damit war auch Gabriel May auf der antifranzösischen Seite.
Eine entscheidende Schlacht wurde 1709 in Malplaquet in der Nähe Brüssels ausgetragen. Die kaiserlichen Truppen mit den Niederländern siegten und stoppten die Ausdehnung Frankreichs. Den Bourbonen blieb aber der Königsthron in Spanien.

Die Katastrophe
Gabriel May war allerdings nicht der einzige May, der an massgeblicher Stelle an der Schlacht beteiligt war. Denn sein Cousin Hans Rudolf war parallel zu ihm im Regiment von Salis aufgestiegen, das für Graubünden auf französischer Seite kämpfte.
Am Morgen vom 11. September bestritten die beiden Regimenter aus dem Hause May den Hauptteil der Schlacht. Sie war sehr blutig. 8000 Tote gab es alleine unter den Söldnern der beiden Mays. Das war so verheerend, dass beide Regimenter in der Folge der Schlacht gar nicht mehr eingesetzt wurden.
Die Tagsatzung erliess nach dem fürchterlichen Zusammenstoss ein Verbot, dass Eidgenossen gegen Eidgenossen für fremde Mächte kämpfen durften. Fast 100 Jahre hielt man sich daran.

Gabriel May kümmerte das wenig. Er heiratete im Jahr nach der Schlacht Juliana Effinger, mit der er fünf Kinder hatte.

Zaghafte Reformen, aber keine Umwälzung
Doch machte sich in Bern bei den Wahlen 1710 Unmut breit. Erstmals musste man ein Losverfahren bei der Auswahl von Bewerbungen für städtische Aemter einführen. Es war die erste Reform seit der Aristokratisierung der Burgerschaft überhaupt.
Die Mays betraf es nicht. Denn im 18. Jahrhundert verschwanden die Unterschiede aufgrund unterschiedlicher Herkunft zusehends. Die May zählten ab 1731 zu den Edelfesten, den aufgestiegenen Zuwanderern, die Burger geworden waren und den zweihöchsten Adels-Titel führen durften.
Dazu beigetragen hat, dass der ehemaligen Kaufmannsfamilie seit 1588 Schloss Hünigen bei Konolfingen gehörte. Nach dem Ersten Weltkrieg verkauften sie es an die evangelische Gesellschaft, die da ein Tagungszentrum führt. Hans Rudolf hat da ein prominentes Porträt; Gabriel habe ich nicht gefunden.

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert