Pfingstmontag 1874: Der Streik bei der Liberté, den die Paulusschwestern für sich entschieden

Man schrieb den 6. April 1874. Es war Pfingstmontag. In der Druckerei der jungen Freiburger “Liberté” streikten die Typographen.


La Liberté, 1871 als Kriegsmaschine gegen den Bundesstaat gegründet, machte mit den Paulussschwestern schwer Karriere

Ausgelöst wurde der Streik durch Informationen von Berufskollegen aus Lyon, dass sich eine Freiburger Delegation mit katholischen Schwester in der Druckerei des örtlichen “Télégraphe” befänden. Sie sollten als Setzerinnen ausgebildet werden, um bald die Setzarbeit in der Druckereien der “Liberté” zu übernehmen.
Doch der Streik kam zu spät. Denn die Schwestern waren bereits wieder in Freiburg und gewährleisteten als Streikbrecherinnen das ordentliche Erscheinen der führenden katholischen Tageszeitung in der französischsprachigen Schweiz an diesem Pfingstwochenende.

Der Kulturkampf
Die Schweiz war damals tief gespalten. Es war die Zeit des Kulturkampfes zwischen der katholischen Kirche und dem liberalen Bundesstaat. Der war dabei, die Bundesverfassung von 1848 zu revidieren.
Ein erster Versuch war 1872 an den Bestrebungen zur Zentralisierung gescheitert. Mit dem zweiten Anlauf wollte die freisinnige Mehrheit die welschen Föderalisten für sich gewinnen; gegenüber den Kulturkämpfern blieb man aber hart.
Am 19. April 1874 sagten 63 Prozent der Stimmenden und 13,5 Kanton Ja zur neuen Bundesverfassung. Sie brachte ein ständiges Bundesgericht und das Referendumsrecht. Doch postulierte sie auch konfessionelle Ausnahme, unter anderem das Verbot der Neugründung von Klöstern und Orden.

Das Pauluswerk
Der Freiburger Chorherr Joseph Schorderet fakelte nicht lange. Im Juni versammelte er sechs junge Frauen in der Kirche St. Nikolaus, der heutigen Kathedrale, um ihnen ein Gelübde abzunehmen: “Nous sommes décidées à consacrer notre vie toute entière à la Restauration du régne de J.C. Nous choissions ce moyen si puissant de la Presse, nous nous lions devant J.C. par les liens sacrées de la Pauvreté volontaire, de la pureté de l’âme et le l’obéissance et nous sommes décidées à fonder uns Congrégation ou Order religieux apostoloqier secret de la Presse par amour de J.C.”
Gegründet wurde so das Pauluswerk.
Historikerin Seraina Flury schrieb 2001 in den “Freiburger Geschichtsblättern”, die Gründung des Freiburger Pauluswerk sei eine Besonderheit gewesen. Im 19. Jahrhundert seien zahlreiche Kongregationen wie jene der Schwestern von Ingenbohl oder Menzingen zu Bildung katholischer Frauen entstanden. Doch keine habe einen so direkten Grund gehabt wie die der Paulusschwestern. Im Vordergrund sei eindeutig die finanzielle desolate Situation der Liberté gestanden.
Auch 20 Jahre nach Bestehen verfügten die Paulusschwestern über keinerlei Konstitutionen und hingen kirchenrechtlich in der Luft; einzig das Charisma des umtriebigen Gründers sowie das Organisationsgeschick der Leiterinnen vermochten die religiöse Gemeinschaft zusammenzuhalten.
Erst 1892 erhielten die Paulusschwester eine kongregationsähnliche Struktur, die es den Schwestern erlaubte, gesetzlich legal und wirtschaftlich politisch zu handeln.

Die “Christliche Republik”
Der Aufstieg war bereits in den 1880er Jahren erfolgt. 1881 übernahmen die Konservativen nach den kantonalen Wahlen die Macht. 1884 wurde Georges Python National- und 1886 Staatsrat. Und er wurde auch Verwaltungsratspräsident des Pauluswerkes.
Als starker Mann der Freiburger Politik war Python der eigentliche Regierungschef für die kommenden knapp 20 Jahr. Er baute den Kanton zur “Hochburg des schweizerischen Katholizismus” aus, wie die “Geschichte des Kantons Freiburg” 1981 bilanzierte.
Zu den zentralen Medien der “Christlichen Republik” wurden die Universität und die Tageszeitung: “La Liberté unterstützte als regierungstreues Blatt das Machtmonopol der Konservativen; im Gegenzug bevorzugt die staatliche Verwaltung bei der Vergabe von Aufträgen die Katholische Druckerei sowie die 1886 entstandene Paulusdruckerei. (…). Für weitere Aufträge sorgte zudem die 1889 gegründete Universität”, schreibt Historikerin Flury.
Vor den Ersten Weltkrieg hätten die beiden Druckereien zu den 10 grössten Wirtschaftsunternehmen des Kantons gehört.


Der neue Postillon zu den Wahlen 1911: Georges Python überrennt unterstützt von seiner Gefolgschaft mit der Freiburger Kuh Liberale und Gewerkschaften

Gewerkschaftlicher Protest gegen ein Frauenunternehmen
Den verdrängten Gewerkschaften blieb nur der verbale Protest: “Saint-Paul est l’imprimerie officielle du gourvernement catholique-ultramontain fribourgeois, que tous les travau de l’Etat s’y confecionnent. L’Etat y trouve un gros avantage surtout au point vue politique, car le parti au pouvoirs y a également recours pour tout son battage électoral”, hielten sie 1919 im Rückblick fest.
1892 wurde das Pauluswerk übrigens Mehrheitsaktionärin der Katholischen Druckerei Schweiz. Uebernommen wurden nebst der Setzerei auch die Administration und Buchhaltung der Druckerei.
1934 fusionierten beide Unternehmen. Drei Paulusschwestern nahmen Einsitz im Verwaltungsrat.
Immerhin 2018 nahmen die Freiburger Kantonalbank und der weitgehend staatliche Energieversorger Groupe E. zusammen 30 Prozent der Aktion – um die Medienvielfalt im Kanton Freiburg ohne grosse Renditeerwartungen zu sichern.

Stadtwanderer

Mehr zur Entstehung des Pauluswerks:
https://www.e-periodica.ch/cntmng?pid=fgb-001:2001:78::326

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

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