175 Jahre Bundesverfassung: Die informelle Seite der Verfassungskommission

Das Zunfthaus zu Schmieden an der Berner Marktgasse steht nicht mehr. An seiner Stelle ist hier und heute das Warenhaus Manor. Die jetzige Schmiedstube gibt auf die Zeughausgasse. Doch wurde im verschwundenen Haus vor genau 175 Jahren die entscheidende Frage für die erste Bundesverfassung verhandelt: Wie soll das neue Parlament aussehen?

Alle 23 Kommissionsmitglieder waren freisinnig. Aber sie kamen aus reformierten und katholischen Kantonen. Letztere hatten außer in Appenzell Innerrhoden nach dem Sonderbundskrieg eine freisinnige Regierung bekommen. Nicht überall waren die Wahlen dazu über alle Zweifel erhaben gewesen. Entsprechend wackelig war ihr Mandat und ihr Verhalten.
Die katholischen Freisinnigen versuchten die Radikalen aus Zürich, Bern und der Waadt zu mäßigen. Dafür versammelten sie sich regelmäßig im Sääli des Hotel zu Schmieden. So auch am Vorabend des 23. März 1848. Man erwartete die Entscheidung zur Parlamentsmehrheit.
Der Solothurner Joseph Munzinger, Sprecher der katholischen Freisinnigen, hatte die Schriften von Prof. Ignaz Troxler, Staatsrechtler an der Universität Bern, genau studiert. Die handelten vom amerikanischen Bundesstaat mit seinen zwei unabhängigen Kongress-Kammern. Das gefiel ihm besser als die Radikalen Vorstöße in der Kommission. Nochmals weibelte bei seinen Getreuen in Richtung Zweikammerparlament.
Tatsächlich entschied die Kommission am Nachtag im Salon Empire im ersten Stock des heutigen Restaurants zum Äußeren Stand in der wichtigen Sache, und zwar so, wie es die katholischen Freisinnigen in ihrem informellen Kreis vorgesprochen und abgemacht haben.
Bis heute ist an diesem zentralen Punkt der Schweizer Föderalismus nicht gerüttelt worden. Den die Schweiz hat bis jetzt ein perfekt ausbalanciertes Zweikammerparlament.
Ich freue mich außerordentlich, genau morgen an der Premiere zur Berner PolitBeizenTour im Äußeren Stand Halt zu machen und die Geschichte ausführlich zu erzählen!

Stadtwanderer

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

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