Ochsentour, Teil 1: Ochsenbein, der Verfassungsvater

Meine «Ochsentour» geht um die Gründung des Bundesstaates vor 175 Jahren. Die erste Station handelt vom kometenhaften Aufstieg von Ueli Ochsenbein, dem Verfassungsvater der Schweiz.

Der Verfassungsvater
Am 16. November 1848 wurde der Berner Ulrich Ochsenbein als erster Bundesrat der Schweiz überhaupt gewählt. Davor war er Vorsitzender der Tagsatzung gewesen, dem höchsten Gremium der Schweizerischen Eidgenossenschaft vor dem Bundesstaat. Das wurde Ochsenbein, weil er Berner Regierungspräsident war, und sein Kanton den Vorsitz hatte.
Als die Tagsatzung entschied, den verhassten Bundesvertrag von 1815 zu revidieren. Den hatte der Wiener Kongress im restaurativen Geist erlassen.
Ochsenbein sollte neue Verfassungskommission präsidieren. Und die ernannte ihn zum Vorsitzen der Arbeitsgruppe, welche die Institutionen des neuen Staates erfinden sollte.
Man kann ihn zu recht den Verfassungsvater der Schweiz nennen.

Die erste Hälfte des Lebens von Ueli Ochsenbein
Geboren wurde Ueli 1811 in Schwarzenegg oberhalb von Thun. Seine Kinder- und Jugendjahre verbrachte er im waadtländischen Marnand und im seeländischen Nidau. Seine Eltern verlor er früh. Ulrich hatte aber auch Glück: Er gehörte zur ersten Generation, die an der jungen liberalen Hochschule in Bern studieren konnte, wurde in der Studentenverbindung Zofingia politisiert, machte das Examen als Fürsprecher und öffnete bald seine eigene Kanzlei. Er heiratete die Schwester seines Geschäftspartners. Mit Emilie Sury hatte Ulrich acht Kinder.

Wilde Freischarenzüge
Was Ochsenbein als Politiker vollbracht hatte, hätte ihm eigentlich einen festen Platz in der Schweizer Geschichte einbringen sollen. Doch es gibt Gründe, warum statt ihm eher General Guisan als Held der Gründungszeit des Bundesstaates gefeiert wird.
Das hat vor allem mit dem Bürgerkrieg zu tun, der sich in den 1840er Jahren anbahnte. Zwei Freischarenzüge 1844 und 1845 der wilden Jugend aus dem Aargau und Bern, welche die Luzerner Regierung stürzten wollten, stoppten Ochsenbeins Militärkarriere.

Das Gefecht von Malters
In Luzern hatten die Katholisch-Konservativen 1841 die Wahlen gewonnen, die liberale Regierung abgelöst und die Jesuiten an der Spitze des Bildungswesens wiedereingesetzt. Das war für die radikal gesinnte Jugend zu viel, und sie schreckte auch nicht vor einem gewaltsamen Putsch zurück!
Den zweiten Freischarenzug führt der frühere Luzerner Regierungsrat Jakob Steiger politisch an, Ochsenbein war für die militärische Leitung zuständig.
Doch scheiterten sie, wie es schon beim ersten Zug der Fall gewesen war. Das entscheidende Gefecht war bei Malters. 120 Männer starben, davon 104 Freischärler, die auf der Flucht erschlagen wurden.
Das war der erste Tiefpunkt in Ochsenbeins Karriere, der seinen Aufstieg in der Militärhierarchie beendete und eine Neuerfindung der Person Ochsenbein nötig machte.

Der Sonderbund
Der katholisch-konservative Sonderbund war das Kernstück des Widerstands gegen den geplanten Bundesstaat. Er umfasste zunächst die fünf Kantone Luzern, Zug, Uri, Schwyz und Unterwalden. Ihnen schlossen sich Freiburg und Wallis an, nicht aber Solothurn. Der Geheimbund hätte unerkannt bleiben sollen. Doch die Freiburger liessen ihren Beitritt vom Grossen Rat verabschieden, was publik wurde.
Zürich verlangte die Auflösung des Sonderbunds durch die Tagsatzung. Diese war gespalten, sie gab das Signal erst, nachdem die fortschrittlichen Kräfte in Genf und St. Gallen bei Nachwahlen den Sieg errungen hatten.
Beschlossen wurde unter Ochsenbeins Führung, die Jesuiten auszuweisen und den Sonderbund aufzulösen. Verfasst werden sollte eine neue, eigene Verfassung. Das war der Plan zu einem Putsch, denn man schreckte vor militärischer Gewalt beim Umsturz nicht zurück.

Der Bürgerkrieg
Der Bürgerkrieg liess nicht lange auf sich warten. Er dauerte vom 3. bis 29. November 1847. Er ist der erste und letzte Bürgerkrieg in der Schweizer Geschichte.
Zuerst griffen die Kantone des Sonderbunds sowohl das Freiamt im Aargau als auch den Kanton Tessin an. Damit wollten sie die Eidgenossenschaft von Süden nach Norden teilen. Das sollte die Verbindung von Zürich nach Bern kappen, aber auch ausländischen Mächten einen Zugang nach Luzern, dem Zentrum der Reaktion, verschaffen.
Beides misslang, denn die Eidg. Truppen stoppen den Plan und griffen ihrerseits zunächst Freiburg an, das sich ergab, danach Luzern, wo es zu militärischen Kämpfen kam. Doch auch hier obsiegten die eidg. Truppen, sodass sich alle anderen Kantone des Sonderbunds kampflos ergaben.

General Dufour, Ochsenbeins Gegenspieler
Man vergleicht den Sonderbundskrieg gerne mit dem amerikanischen Sezessionskrieg von 1861 bis 1865. Auch da ging es um die Durchsetzung einer zentralen Macht gegen föderale Widerstände. Anders als da gab es aber keine grosse Zahl an Getöten und Verletzten.
Das war das Verdienst von Guillaume Henri Dufour, dem General der verbliebenen eidg. Truppen im Sonderbundskrieg. Er lehrte seine Truppen, gerade in einem Bürgerkrieg nicht gegen Feinde, sondern gegen Brüder zu kämpfen. Entsprechend verhalten fiel die Aktion aus. Am Ende gab es 86 Tote bei knapp 180’000 Mobilisierten. Das waren weniger als im Freischarenzug von Ochsenbein vier Jahre zuvor.

Ueberwindung der gespaltenen Schweiz
Der Sonderbundskrieg hinterliess allerdings eine extrem desintegrierte Schweiz, an deren politischer Ueberwindung die Verfassungskommission der Tagsatzung im Februar 1848 zu arbeiten begann.
Der Politiker Ochsenbein sollte da wieder eine führende Rolle spielen, wenn auch nicht mehr die gleiche wie im Freischarenzug.

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

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