der grosse mediator

es war winter 1797, der 23. november 1797. napoléon bonaparte durchquerte gerade mit der kutsche die schweiz. er machte in murten halt, um das beinhaus der schlacht von 1476 zu besuchen. geführt wurde er von louis d’affry, einem freiburger patrizier, der sich in prehl bei münchenwiler niedergelassen hatte. das treffen war der unverhoffte startschuss zu einer politkarriere als mediator in der kommenden helvetischen republik – zwischen frankreich und der schweiz, zwischen anhängern der revolution und der reaktion und zwischen romanen und germanen. begonnen hat sie 1m 19. februar 1803, vor 204 jahren, als die mediationsakte in kraft trat.


louis auguste philippe d’affry (1743-1810), der erste landamman(n) der helvetischen republik

der freiburger patriziersohn louis d’affry

louis d’affrays vater war ein angesehener militärkopf in der schweizergarde im dienste des französischen königs gewesen. der graf blieb in versaille, bis louis xiv. gestürzt wurde; erst nach dem sturm der tuilerien zog er sich 1792 auf sein landgut bei echallens zurück.

louis, eigentlich louis auguste philippe, der am 8. februar 1743 als sohn von comte louis auguste augustin d’affry und marie-anne-constantine de diesbach-steinbrugg in freiburg im üechtlan geboren wurde, war bereits in jungen jahren fähnrich der schweizergarde gewesen. doch er quitterte, kaum 22, den französischen dienst, um nach freiburg zurückzukehren. ab 1765 politisierte er in seiner vaterstadt, indem er den rat der führenden bürgerfamilien leitete. 1798 brachte ihm das die leitung der freiburgischen armeen ein, die am 2. märz, von den franzosen belagert, keinen nennenswerten widerstand leistete. die napoléonischen truppen konnte kampflos in freiburg einziehen, und sich hier auf die schlacht von neuenegg gegen die trutzige republik bern vorbereiten.

louis d’affry war zeit seines lebens ein freiburger patrizier. er war ein föderalist. aber er war gemässigt. er hing nicht nur der alten ordnung an. er hatte auch seine lehre aus der französischen revolution gezogen. er war ein bedingsloser anhänger von napoléon bonaparte geworden. deshalb stand er dem general und späteren kaiser der franzosen stets zu diensten.

1802 wurde er teil der consulta. diese berief napoléon nach paris, um im bürgerkrieg zwischen patriotischen helvetiern und konservativen bauern, der zwischen murten und faoug getobt hatte, zu vermitteln. die anhänger der neuen ordnung waren enttäuscht, als sie von napoléon im stich gelassen wurden. denn die helvetische republik sollte nach ansicht des ersten consuls kein einheitsstaat mehr sein, sondern ein bundesstaat. in der mediationsakte legte napoléon die prinzipien des zusammenlebens zwischen den ehemaligen kriegsparteien fest. und zu seinem mediator der mediation vor ort bestimmte er louis d’affry. während den beratungen zur mediationsakte hatte er zum ausschuss von 10 männern gezählt, auf die sich der erste konsul ganz besonder gestützt hatte.


wo louis d’affry in fribourg/freiburg wirkte (foto: stadtwanderer, anclickbar)

le landamman/der landammann

anfangs 1803 wurde louis d’affry avoyer von freiburg. jetzt war er schultheiss des umstrittensten cantons. und er war ausersehen, der erste vertreter der helvetischen republik zu werden. den deutschsprachigen, bis 1798 den herrschenden, präsentierte man sich in anlehnung an traditionsreiche titel der vergangenheit als landammann mit zwei “n”, den französischsprachigen, weiland die untertanen, als “landamman” mit bloss einem “n”.

die zeit, als d’affry schon avoyer, indes noch nicht landamman war, gilt als seine grosse herausforderung. zusammen mit gleichgesinnten wie nicolas rudolph de wattenwyl aus berne, und hans von reinhard aus zürich, die untereinander konsequent französisch parlierten, regierte das triumvirat fast nach römischer sitte. die vermittelnde ordnung wurde von oben her mit strenger hand erzwungen, – nach napoléonischem vorbild fast diktatorisch. am 4. juli war es dann soweit: in fribourg wurde die neuen tagsatzung eröffnet, und louis d’affry, der gastgeber wurde zu ihrem vorsitzenden bestimmt. damit übernahm er für ein jahr auch die ordentlichen regierungsgeschäfte. bis 1809, als er zum zeiten mal landamman de la république wurde, bestimmte er die frankreichfreundliche politik der helvetik massgeblich mit, wurde er doch 1805 und 1807 jeweils als mediator zum napoléon, jetzt kaiser der franzosen, geschickt. 1810 unternahm er letztmals eine solche mission. kurz nach seiner rückkehr war er, der schon 1807 einen verheimlichten schlaganfall gehabt hatte, ermattet und ergraut; er starb im selben jahr am 26. juni in fribourg.


der gealterte mediator zwischen allen fronten

was für eine persönlichkeit, was für ein titel?

lange hat es keine biografie des wichtigsten mediators der helvetischen repubik gegeben. fred de diesbach, ein nachfahre d’affrys mutter, verfasste 1947 eine erste version, die jedoch nie veröffenticht wurde. 2003, zum zweihundersten jubiläums der austiegs von louis auguste philippe, erschien das buch “louis d’affry (1743-1810), premier landammann de la suisse”, das die freiburger historiker georges andrey und alain-jacques czouz verfasst und in der editions slaktine herausgegeben haben. die übersetzung ins deutsche steht noch aus, sie wird für 2009 erwartet.

bis dann wird man louis d’affry vielleicht womöglich weitere kontroverse titel verleihen, denn an ihm schieden sich die geister der zeitgenossen und scheiden sie sich bis heute: fréderic-caesar la harpe, dem waadtländer revolutionär, galt d’affry als simpler prefäkt der schweiz. für die patrioten seiner zeit war er der président de la nouvelle république, und für ihre gegner eher der bauernkönig, ein aristokrat mit eidgenössischem profil. andrey und czouz wiederum feiern ihn als fähigsten staatsmann der helvetik, gar als einzigen politiker seiner zeit, der internationales format hatte.

für mich ist und bleibt er vor allem der landamman(n) mit einem und zwei “n”. der mediator zwischen den staaten, zwischen den politischen lagern und zwischen den sprachkulturen.

randonneur urbain
bien que c’est français, avec deux “n”

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

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