schweizer diplomatie und lübecker altstadt

er ist ehrenbürger der stadt lübeck. das hat auch aus lübscher sicht auch gute gründe. selbst wenn man in der schweiz zwischenzeitlich kritischer über ihn denkt, als dies in lübeck der fall ist.

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carl jakob burckhardt lebte von 1891 bis 1974 in der schweiz und irgendwo auf der welt. er lebte fast zeitgleich wie mein grossvater väterlicherseits. der generation meines vaters war er weitgehend noch ein begriff. meiner generation ist er weitgehend vergessen gegangen, nicht zuletzt, weil seine fachkollegen ihn immer kritischer würdigten.

lübeck wurde anfänglich von den kriegshandlungen verschont. doch am palmsonntag des jahres 1942 krachte es gewaltig über der stadt, als englische flieger sie bombardierten. die mächtigen glocken des grossen kirchturms bohrten sich damals in sekundenschnelle in den stadtboden, und sie sind da heute noch zu sehen. der dompfarrer predigte, das sei ein gottesurteil. die nazis verziehen ihm das nicht. er starb, nicht wegen den engländern.

1944 war das geschockte lübeck froh, von der kriegsdiplomatie zur offenen stadt erklärt worden zu sein. das machte sie zum umschlagplatz für lieferungen des roten kreuzes, und zum verhandlungsort für waffenstillstände. und es schützte die bevölkerung vor weiteren bombardierungen.

vermittelt hatte das lübecker abkommen von carl jakob burckhardt. der basler aus grossbürgerlichem hause hatte geschichte studiert und eine grossangelegte biografie von kardinal richelieu verfasst. zuerst wirkte er in zürich, dann in genf als professor für neue geschichte. schliesslich ernannte ihn der völkerbund zu ihrem hochkommissar in danzig. er sollte den speziellen status der freien stadt vermitteln, ohne dadurch einen krieg zu provozieren.

das hat burckhardt im ostseeraum gute beziehungen eingebracht und ihn auch geprägt. mit meiner “meine mission in danzig” hat er sein geschichtsträchtiges wirken gleich selber dargestellt. in lübeck verlieh man dem schweizer diplomaten nach dem krieg die ehrenbürgerschaft der stadt, und der publizist erhielt im kalten krieg auf den friedenspreis des deutschen buchandels. nicht viele schweizer sind in deutschland so geehrt worden!

während meiner eigenen ausbildung als historiker lernte ich die figur burckhardt erstmals kennen. ich schrieb eine diplomarbeit über schweizer aerzte, die mit den soldaten nach russland gingen, um für das rote kreuz tätig zu sein. faktisch waren sie aber ein teil der wehrmacht. das machte ihr humanitäres wirken politisch fragwürdig.

genau in diese schwierigkeit ist auch burckhardt, seit 1945 präsident des ikrks, geraten. in der schweiz kritisierten ihn publizisten und historiker, dass das rote kreuz den rassenmord im dritten reich nicht verurrteilt habe. burckhardts schweigen, seine zwiespältige haltung gegenüber dem antisemitismus sowie seine ablehnung von demokratie werden heute kritisch untersucht. vorgeworfen wird ihm, sein hass auf den kommunismus habe ihn so weit getrieben, den nationalsozialismus als das kleinere übel von beidem zu akzeptieren und sich mit ihm zu arrangieren.

selbst wenn ich das intellektuell auch teile: wenn man heute als schweizer in lübeck in der altstadt, die zum weltkulturerbe der unesco zählt, oder wenn man vor dem carl-jakob-burckhardt-gymnasium der stadt steht, wirkt die kritik schnell relativ.

stadtwanderer

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

5 Gedanken zu „schweizer diplomatie und lübecker altstadt“

  1. lieber stadtwanderer
    was für ein foto, diese farben, diese leuchtkraft, diese nordischen kontraste! gefällt mir sehr gut, der rest übrigens auch :-), bärbi

  2. @ stadtwanderer

    weisst Du ob Burkhardt einen sohn hatte der ebnfalls arzt wurde. ein arzt namens burkhardt ist so ca 1993 im himalaya zu tode gestürzt. es war mein hausarzt, und er hat mir immer von seinem vater erzählt, welcher sehr berühmt sein sollte. was der vater gemacht hat und wer er war hat mir mein hausarzt nie veraten und google gab es leider noch nicht.

  3. ich glaube nicht, soviel ich noch weiss, hatte c.f.b. keinen sohn, aber zwei töchter.
    burckhardts aus basel, die berühmt sind, gibt es bis heute ja zahlreiche (in medizin, architektur oder politik)! die meisten sind untereinander verwandt. so gibt es wohl doch beziehungen zu deinem hausarzt.

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