berner volksmalus

der röschtigraber, mein regelmässiger kommentator aus der agglomeration bern, traf gestern den nagel auf den kopf. für die berner steuersenkung, die für 2008 rückwirkend gelten soll, erfand er den begriff des “volksbonus”. das ist gut, denn das hilft, auch über den volksmalus nachzudenken, den die bernerInnen regelmässig bezahlen.

quelle: cs economic research
quelle: cs economic research


der einmalige volksbonus

gut gearbeitet haben wir in diesem jahr. einen haushaltsüberschuss hat die mehrheitlich linke berner regierung mit hilfe der bürgerlichen sparprogramme erarbeitet. und für diese tat sollen wir nun belohnt werden: 130 millionen franken bekommen wir aus den steuerabgaben zurück, und mit zusätzlichen 30 millionen sollen die löhne der staatsangestellten aufgebessert werden.

verteilt auf die steuerzahlerInnen kommt der berner volksbonus nicht in den bereich, den man in der bankenbranche bis vor kurzem als weihnachtsgeschenk kannte. für den kanton bern kommt der gestrige entscheid dennoch einer trendwende gleich. denn hierzulande kannte man seit dem desaster der kantonalbank, der strukturprobleme der landwirtschaft nur den volksmalus: hohe steuern, gleichzeitig öffentliche sparprogramme und überwälzung der kosten vom staat auf private. das alles schmälert die kaufkraft der bernerInnen, deren frei verfügbares einkommen systematisch unter dem landesmittel ist.

der regelmässig volksmalus
bern sieht sich einer umgebung gegenüber, die sich rasch verändert: während man im westen des kantons unverändert auf eine hochsteuerpolitik setzt, rollt aus dem osten die steuersenkungswelle ant. sie setzt auf ein neues konzept: tiefere steuern sollen firmen anziehen und die attraktivität für zuzügerInnen erhöhen. das soll zu wachstum der bevölkerung und der wirtschaft führen, sodass das gleiche steuervolumen auf mehr produktive verteilt werden kann.

der kanton bern liegt heute genau zwischen den einflussbereichen der beiden steuerphilosophien. doch die eine ist in der defensive, die andere in der offensive. so kann man prognostizieren, dass die nähere zukunft eine generelle diskussion zum bernischen steuersystem im kanton und in den wichtigen städten bringen wird. dabei wird es auch um das unterdurchschnittliche bevölkerungswachstum von stadt und kanton bern gehen.

wider den negativen trend
aufhorchen lässt der gestrige regierungsratsentscheid weniger wegen der begründung, mehr wegen der stossrichtung. denn die bewegung wider den negativen trend tut not. auf seinen rundgängen und in gesprächen ist es dem stadtwanderer nämlich nicht entgangen, warum es eine wohnflucht gibt. die arbeit sucht man in zürich, das wohnen verlagert man in den aargau, weil man es sich wegen der steuerlast zunehmend nicht mehr leisten kann, hierzu leben.

des regelmässig zu entrichtenden volksmalus’ wegen!

stadtwanderer

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

16 Gedanken zu „berner volksmalus“

  1. Es gibt Leute wie mich, denen das wirtschaftliche Denken in eigener Sache abgeht. Als ich 1996 einem (eingefleischten Züri-Bern-Pendler) Kollegen eröffnete, dass ich meinen Wohnsitz nach Bern verlege, hat er mich entgeistert angeschaut und etwas despektierlich gefragt, ob ich verrückt sei. Die Steuern! Bist du dir dessen bewusst? – Dickköpfig wie ich bin, fand ich, dass ich da leben möchte, wo ich arbeite. – Als ich Bern wieder verliess, war das nicht wegen der hohen Steuern, aber aufgeatmet habe ich schon.

    Mich wunderts also nicht, dass Leute, die streng wirtschaftlich denken, nicht auf die Idee kommen, sich in Bern nieder zu lassen. Und die anderen (die weniger streng wirtschaftlich denkenden)… die Diskussion hatten wir schon.

    Und dieser Bonus jetzt macht das ganze Malus so nicht wett.

    Die Berner könnten (Stadt und Kanton gemeinsam) einen grossen Ideen-Wettbewerb ausschreiben, wie man Bern wieder zur Lokomotive der Schweiz macht: Think-tank-Gruppen jeglicher Couleur (wie Uni, Schulen, Architektur-Büros,PR-Gemeinschaften, Landschaftsgärtner, Politologen, Bloggergemeinschaften, was immer…) liefern die Konzepte, tout Bern ist Jury. Mit viel weniger als einer Mio wäre das zu machen. Und mit ein bisschen etwas von den 30 Mio könnte die Umsetzung erfolgen.

    Was auch immer, im Moment ist Kreativität gefragt. Sagt mir, wo die Visionen sind!

  2. hej, ihr bernerInnen, eine zürcherin, die euch den knochen hinschmeisst.
    jetzt seid aber ihr an der reihe, euch zu äussern.
    inspiriert, durch den volksbonus …

  3. Lassen wir doch unseren Zürcher Stapi ab Ende April Papi werden und bürden ihm nicht schon wieder neue Aufgaben auf.
    Er wird es schon schwer genug haben seinen noch nicht ganz 16jährigen Sohn erzieherisch zur Seite zu stehen, doch diese Lachnummer wurde bereits zur Genüge in den Medien breitgetreten.

    Stimmt es, dass Zürich im nächsten Jahr in tiefrote Zahlen fällt?

  4. danke stadtwanderer für den nagel, den du mir geschenkt hast. er steckt tatsächlich im kopf, als kleiner hirnbonus!
    wie heisst es doch so schön, einem geschenkten gaul schaut man nicht ins maul, deshalb kein kommentar zum gaul.
    im übrigen hat der stadtwanderer das verhältnis zwischen einmaligem bonus/ und regelmässigem malus sehr gut erwandert!
    (war ja auch nicht anders zu erwarten!)

  5. trotz malus wohne ich noch hier. ich habe bereits genügend kommentiert, was ich von den steuern im kanton bern halte. letzter kommentar beim spuhler spühlen. warum ich trotzdem noch hier wohne? warum wir als wähler nichts machen, fage ich?

    nach wie vor gehöre ich zum mittelstand und bezahle meine bzw. unsere steuern!

  6. die kursausschläge an den aktienmärkten werden immer verrückter. In new york schloss der dow jones mit einem plus im zweistelligen bereich, fast 11 %. dies ist nach punkten der zweithöchste tagesgewinn in der geschichte der new yorker börse, da staune ich nur noch und das maul bleibt mir offen. hat wall street das signal vom münsterplatz verstanden oder gibt es noch andere gründe? ich weisse es nicht? das macht allerdings auch nichts, denn es git genügend leute, die im bild sind, herr güdel (ex cs) z.b. geht davon aus, dass die aktien in den nächsten wochen bis zu 30% steigen werden. vielleicht werden aktien ja zu beliebtesten weihnachtsgeschenk, nach dem motto: kauft aktien und legt sie unter den tannenbaum.

  7. Pully (VD) stand in der Vergangenheit im Städte-Ranking oftmals sehr weit oben, u. a. auch wegen den tiefen Steuern (ob das heute noch so ist, weiss ich nicht). Trotzdem hat es mich von da ohne zwingenden Grund nach Biel gezogen. Rein rechnerisch fahre ich trotz höheren Steuern günstiger, weil tiefere Krankenkassenprämien und weil günstigeres Wohnen.

    Doch die Kostenseite war nicht der Hauptgrund. Die verkehrstechnische Anbindung, die Zweisprachigkeit, die topografische Vielfältigkeit der Region usw. waren weitere Gründe.

    Daher meine ich, liegt es nicht am Steuersystem, sondern eher an der “Vermarktung”. Im Kt. BE zahlt man ja nicht grundlos mehr Steuern. Es gilt daher (pro Region) aufzuzeigen, weshalb das Leben im Kt. BE teurer ist. Was bekommt man für seine Steuern z. B. an Infrastruktur geboten, was man andernorts nicht bekommt?

  8. @ titus

    recht gebe ich Dir. ich wohne im steuergünstigen muri, bezahle aber ein vielfaches der “normalen” mieten. die kk-prämien sind enorm hoch. alles hält sich mehr oder weniger die waage im kanton bern. aber im vergleich zu anderen kanton, bsp. fribourg, solothurn etc, stinkt bern ab! meine büro-kolleginnen und kollegen, welche in bern arbeiten aber in fribourg oder in solothurn leben, haben schlussendlich mehr auf dem konto als wir 🙁

  9. der gedanke der grafik zu diesem beitrag war ja nicht, dass die steuern alleine es ausmachen.
    vielmehr ging es um das durchschnittseinkommen nach allen zwangsabgaben (steuern, gebühren, kk-prämien). da steht bern schlecht da!
    gelernt habe ich, dass man wohl auch die durchschnittsmiete mitberücksichtigen müsste.

    ***

    propaganda für irgend jemanden steht mir eigentlich fern. ich versuche, themen aufzugreifen, die mich bewegen, und die aus der analyse heraus schlüsse nahe legen. das das im einen oder anderen fall der einen oder anderen seite nützt, darf nicht grund sein, etwas zu behandeln oder nicht zu behandeln.
    propaganda wäre es dann, wenn man ein thema nur deshalb aufgreift, weil es immer der gleichen partei nützen würde.

  10. insgesamt hat die bevölkerung des kantons bern im verlauf des letzten jahres um 0.4 % auf kanapp 963’000 einwohner/innen zugenommen.
    damit ist der kanton im vergelich zum rest der schweiz weit unter dem durchschnitt. 1.1%, also mehr als dooppelt so viel wie im kanton bern, nahm die bevölkerung der schweiz im letzten jahr zu.
    nur um 0,2 % nahm die stadt bern zu, die agglomeration um 0,4 %. beide also auch weit unter dem schweizerischen durschnitt. im vergleich dazu nahm die agglomeration freiburg um 2 %(!) zu, zürich um 1,8%, Lausanne um 1,3 % genf (nur CH) um 1,2 %und basel (nur CH) um 0,6%. das sind fakten (eine aktuelle bestandesaufnahme).auch die entwicklung der letzen jahre zeigt übrigens genau das gleiche bild.

  11. die stadtmauern wurden 1830 in einem anflug von optimismus und wachstumsabsichten real abgerissen. das öffnete den blick der bürgerlichen stadt nach aussen, während die aristokratische stadt auf den zytgloggen fixiert blieb.
    heute ist es unsere aufgabe, den mentalen stadtgraben aufzureissen, damit wir lernen, bern nicht nur aus sich selber, sondern im nationalen und internationalen vergleich zu beurteilen.
    danke, rötschigraber, dass du da schon mal vorarbeit geleistet hast.

  12. die fakten, wie sie der Röschtigraper nennt, sind das eine, die frage, wie denn nun eine trendwende erfolgen könnte das andere. sicher nicht mit einer neuen stapi, oder dem stapi-papi. vielleicht müsste bern sich etwas offensiver ins licht stellen, zb das für die recht kleine stadt doch beträchtliche kulturangebot und die abwechslungsreiche umgebung herausstreichen. vielleicht müsste man einen prachtsboulevard verwirklichen, z.B Monbijoustrasse? meines erachtens kommt man jedoch um eine signifikante senkung der abgaben v.a. für familien nicht herum. die besteuerung von familien zb im vergleich mit fribourg ist schlicht ein skandal!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert