die andere seite des krieges

wir alle wissen um den sieg der eidgenossen in den burgunderkriegen. in den geschichsstunden bekommt man die nötige portion stolz eingeimpft. doch kriege haben immer zwei seiten: in dole kann man die der verlierer sehen.

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der malerische blick auf das heutige dole lässt einen nicht erwarten, dass die stadt 1479 dem erdboden gleich war

ich war über pfingsten stadtwanderern. die frisch geprüften exkursionsleiterInnen des bernischen vogelschutzes haben in der franche-comté ihre abschlussreise unternommen. während sie die feuchtgebiete in entlegenen flussarmen studierten, habe ich eine führung durch die ehemalige hauptstadt der burgundischen freigrafschaft vorbereitet.

am eindrücklichsten sind die folgen der burgunderkriege in dole. aus schweizerischer sicht weiss man recht klar, worum es geht. aus burgundischer sicht zeigt sich einem aber eine ganz andere perspektive.

1422 erhoben die herzöge von burgund dole zur eigentlichen kapitale der grafschaft. in dole tagten der rat der freigrafschaft und das parlament. und die kleinstadt am doubs erhielt eine eigene universität. die freigrafschaft sollte so zu einem möglichst einheitlich verwalteten gebiet im wachsenden burgundischen staatswesen werden.

in den burgunderkriegen war man selbstverständlich auf der seite der herzöge. das französische königshaus unter louis xi. war der feind. denn der strebte wie die burgunder einen einheitlichen flächenstaat an.

doch der französische könig hielt sich in den kampfhandlungen zurück. die eidgenossen und der herzog von lothringen leisten die schlachtenarbeit. als herzog karl (in frankreich der tollkühne genant) mehrfach besiegt in nancy das leben liess, zogen sich seine truppen in den jura zurück.

1477 besetzten die truppen des französischen königs kurzfristig dole, wurde aber wieder vertrieben. sie kamen 1479 zurück. dole wurde belagert, überwältigt und zerstört.

die letzten widerständler verschanzten sich am 14 mai im strassenkampf in ihren kellern: “cave d’enfer” heisst der berühmteste unter ihnen unmittelbar vor der grossen stadtkirche. ein einfaches schild erinnert daran, dass hier das allerletzte aufbäumen der dolois stattfand. bevor die königlichen truppen zuschlugen.

die stadt wurde in der folge ganz niedergebrannt. ihre männer wurden umgebracht, und den frauen verbot könig louis xi. die stadt wieder aufzubauen. 1481 erlaubte man 50 der vormals 1000 familien in ihre keller zurückzukehren; innert 10 jahren normalisierte sich das leben in der stadt wieder.

als ich am samstag für meine stadtführung recherchierte, musste ich auf ein bier halten. ich machte das im zentrum, um mir ein bier zu gönnen. so müde wie ich war, merkte ich nicht einmal, dass im restaurant cave d’enfer abgestiegen war. erst als ich ging, realisierte ich, an welch geschichtsträchtigem ort ich mich erholt hatte.

jetzt wurde es höchste zeit, noch einen gedanken über die andere seite des krieges zu verwenden.

stadtwanderer

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

4 Gedanken zu „die andere seite des krieges“

  1. lieber stadtwanderer, ich hoffe viele Murtener lesen deine geschichten und finden eine andere
    art der selbstbestaettigung als die “solanitaet”,mit schulkindern als soldaten zu feiern. mfg charles

  2. Lieber Stadtwanderer
    Dieser Pfingstmontag gibt mir das bisschen Musse und die Möglichkeit, wieder mal beim Stadtwanderer hereinzuschauen. – Geschichte ist spannend und von der Art, wie du Geschichte wiedergibst, sollte sich manch Geschichtslehrer und die weiblichen Pendents ein Stück abschneiden. Nur in einem Punkt aber muss ich hier gegenreden: Kriege haben keine zwei Seiten. Nie. Sie haben real nur eine: eine schmutzige. Das kann mann drehen und wenden wie man will.
    Und jetzt raus und die letzten Sonnenstrahlen geniessen.

  3. hej eisvogel, schön, dass wieder etwas ueit hast, bei uns mitzutun.
    grundsätzlich stimme ich mit dies überein. jeder krieg ist schmutzig. der titel ist also rhetorisch gemeint. er soll es etwas in ganz setzen, weil gerade die burgunderkrieg in der schweiz verherrlicht werden. mir geht es eigentlich um das gleiche wie dir.

    und dennoch wage ich eine kleine gegenrede: nicht jeder krieg hat die gleich schmutzigen konsequenzen. der zweite weltkrieg war nötig, um die expansion der nazi in europa zu stoppen. denn es gibt momente, in denen auch der nichtkrieg schmutzig ist, und die friedensförderung durch handel oder diplomatie versiegen.
    die problematik scheint mir also etwas komplexer als in deinem einwurf.
    das problem entsteht

  4. Naja, ein hoher Preis um die Nazis zu stoppen…

    Ganz ohne schmutzige Konsequenzen ist meiner Meinung nach der 2. Weltkrieg auch nicht geblieben, entstanden doch gerade da die alten “Blöcke” mit u. a. Kalter Krieg, Wettrüsten, Eiserner Vorhang, …

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