der geschichte wiederkehrender ausweisungen ein ende setzen

bern und die juden ist kein einfaches thema. eine anschrift am bundeshaus ost macht auf die vier vertreibungen im mittelalter aufmerksam, welche erst die franzosen in der neuesten zeit rückgängig machten und so die voraussetzungen für die heutige jüdische gemeinde in bern schafften.

topelement15rote mauer: stadtmauer der savoyer von 1256, blau: jüdischer friedhof im 13. jahrhundert, rote kirche: insel-kapelle der domini-kanerinnen, im 14. jahrhundert erbaut

nach ihrer ausweisung aus jerusalem waren die juden vorwiegend im mittelmeerraum ansässig. von da aus kamen sie mit den savoyer grafen 1254 nach bern. wie sie lebten weiss man nicht, nur dass sie einen friedhof auf dem areal hatten, auf dem heute das bundeshaus ost steht, ist archäologisch nachgewiesen.

im mittelalter vier mal vertrieben

1294 – bern unterstand wieder dem deutschen könig – kam es zur ersten ausweisung der jüdischen bevölkerung aus bern. anlass war der vorwurf eines rituellen knabenmordes. mit der vertreibung verbanden die berner aber auch andere interessen. die kriegskosten, die ihnen der deutsche könig nach der eroberung auferlegt hatte, beglichen die berner mit jüdischem geld. mit deren vertreibung wurden ihre schuldscheine wertlos.

der mechanismus sollte sich im 14. und 15. jahrhundert wiederholen. emil dreifuss, der die geschichte der juden in bern nachgezeichnet hat, nennt drei wellen von wiederkehr und ausweisung der juden: 1349 war die jüdischen glaubensgemeinschaft am ausbrechen der grossen pest schuld, und wurde sie vertrieben. dennoch holte man die juden 1370 in die stadt zurück, nicht zuletzt, weil sie als ärzte wirken sollte. 1405 legte man ihr den verheerenden stadtbrand, der in einer nacht einen drittel der stadt zerstört hatte, nahe, und verjagten die bern die juden erneut. 1427 kommt es zu vorerst definitiven ausweisung der spärlich zurückgekehrten bevölkerung jüdischen glaubens. vorangegangen war der papstbesuch von martin v., der den christen uneingeschränkt erlaubte, zins für geldleihe zu nehmen, womit die notwendigkeit, jüdische geldhändler in der stadt zu haben, deutlich zurückging.

rückkehr in der helvetik, anerkennung erst unter französischem druck
die vierte ausweisung sollte am längsten dauern. das änderten die franzosen 1798, als sie das ancien régime stürzten, die ideen der französischen revolution an die aare brachten, und die religiösen trennmauern einrissen. unter ihrer herrschaft wanderten vor allem elsässische juden in bern ein, ohne jedoch ein bethaus und einen friedhof zugestanden zu erhalten.

1848 gründeten die elsässischen juden in bern die jüdische gemeinde. 8 jahre später weihten sie die synagoge an der heutigen genfergasse ein. 1871 kam ein eigener freidhof hinzu. 1866 wurden die juden in der schweiz auf druck von frankreich per verfassungsänderung schweizer bürgern fast, 8 später ganz gleichgestellt. die heutige synagoge an der kaellenstrasse wurde 1906 eingeweiht.

informationstafel an bedeutsamer stelle
heute würde niemand mehr an die ausweisung der juden aus bern denken. françois loeb, der jüdische warenhändler, hat eines der führenden kaufhäuser in bern eröffnet. doch mit der gemeinsamen geschichte vor ort tut man sich unverändert schwer. einen schritt dagegen unternahmen gestern die stadt bern und die jüdische gemeinde mit einer tafel, welche die leidvolle geschichte der berner juden im mittelalter zusammenfasst.

aufgehängt wurde sie am westflügel des bundeshauses ost. denn da, wo später die dominikanerinnen ihre kapelle für die kranken hatten und heute doris leuthard die rahmenbedingungen für volkswirtschaft der schweiz erlässt, lag der erste jüdische friedhof in bern.

stadtwanderer

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

Ein Gedanke zu „der geschichte wiederkehrender ausweisungen ein ende setzen“

  1. Traurig macht das Gelesene, gepaart mit Unverständnis.
    Was berechtigtigte und berechtigt den Mensch in so einer erniedrigenden Weise über ihre Mitmenschen herzufallen?

    Gespaltene Zunge? Nein!

    Jeder Mensch ist wertvoll, jeder Mensch hat ein Anrecht aufs Dasein. Jeder Mensch hat einen Anspruch darauf, seine Kultur ausleben zu können/dürfen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert