der stedtlibrand

in aarberg ist die welt noch in ordnung. eine stadt ist man nicht, nur eine kleinstadt. und städtli nennt man sie nicht, sondern ganz im regionalen dialekt stedtli. und wenn man in aarberg etwas zum feiern hat, ist das ein stedtlifescht. wie jenes von heute zum stedtlibrand vor 150 jahren.


unter hilfsbereiten kameraden (fotos: stadtwanderer)

geschichte und gegenwart

viel prominenz war gekommen, um an die grösste katastrophe in der stedtligeschichte zu erinnern. so der seeländer bundesrat samuel schmid, aber auch die regierungspräsidentin des kantons, barbara egger-jenzer, waren anwesen.

vorgefahren wurden die ehrengäste in einer kutsche – bis auf den stedtliplatz. ihnen folgten spritzwagen aus früheren zeiten, teils von pferden, teils von traktoren gezogen.
im festzelt musste das organisationskomitee vor dem mehrheitlich einheimischen publikum nicht lange rechtfertigen, warum man zu einem unglück eine feier verstalte. weil man sich für die vorbildliche unterstützung danach allseits bedanken wolle, lautete die präsidiale begründung.
da hackte yvonne pfäffli, eine junge historikerin, welche die spenden von damals aufgearbeitet hatte, schon kritischer nach. nicht alle, die damals ein haus verloren hätten, seien gleichmässig entschädigt worden. so habe der schlosser, der keine werkstatt mehr gehabt habe, 400 mal mehr erhalten als die magd, die nach der feuersbrunst ohne bleibe gewesen sei.
barbara egger zog es vor, über die solidarität von heute zu sprechen. wie werde man die solidarität mit den hochwassergeschädigten der letzten jahre beurteilen, sollte man in knapp 150 jahren auch hierzu eine gedenkfeier veranstalten, wollte sie wissen. an ihr solle es jedenfalls nicht liegen, zu einer positiven bilanz zu kommen, erklärte die sozialdemokratische baudirektorin.
und auch samuel schmid beschäftigte sich mit der gegenseitigen hilfe, die unser staatswesen begründe. feuerwehr, polizei, sanität und zivilschutz seien bei unfällen für die schnelle hilfe zuständig. die armee greife dann ein, wenn das ausmass der schäden gross oder der hilfsbedarf anhaltend sei. der auftrag der armee sei im übrigen entgegen allen kritiken durch zeitgenossen klar, fügte der bdp-bundesrat an. er gelte auch in zukunft, falls man ihr die nötigen mittel hierfür zur verfügung stelle, schob er rasch nach, denn er wusste: im seeland muss er nicht deutlicher werden, da versteht man seine botschaft parteiübergreifend.

das erfolgserlebnis von sämi schmid

richtig stimmung im festzelt kam jedoch erst auf, als sämi, “üse sämi”, wie die meisten in aarberg bundesrat schmid nennen, das manuskript zur seite legte, sich umdrehte, und zu den drei katastrophenhunden samt ihren betreuern sprach, die im hintergrund spalier standen. seine sechs “kameraden”, erläuterte der verteidigungsminister hätten, soeben an der armeeweltmeistschaft die goldmedaille in einzel- wie im teamwettkampf der katastrophenhunde gewonnen. dafür spendiere er schon mal cervelats, wenigstens für die hunde. die überraschend herbei geschafften nationalwürste fütterte der bundesrat den braven armeeangehörigen zur gaudi des publikums gleich selber. sichtlich entspannt genoss der magistrat unter vielseitigem druck die unterstützung, die er in seinem heimspiel erfuhr. nach dem strengen sommer, mit teilweise dünner luft, mochte man ihm die verschnaufpause fast schon gönnen!

unterstützungswelle auch für die bdp?

politisiert wurde am stedtlifescht nicht wirklich. getuschelt wurde aber schon: denn “üse sämi” wurden den ganzen tag “vo siner noie chefin” im stedtli begleitet. beatrice simon, gemeindepräsidentin im benachbarten seedorf und seit kurzem erst kantonalpräsidentin der bügerlich-demokratischen partei, fuhr schon mal keck auf einem der alten spritzwagen sitzend in aarberg ein, fast so, als wolle sie sagen: jetzt bin ich der feuerwehrkommandant, der unterstützung weitherum braucht. 2010, bei den nächsten grossratswahlen, wird man sehen, ob es einen stedtlieffekt im ganzen kanton gibt.

stadtwanderer

weitere informationen hier.

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

5 Gedanken zu „der stedtlibrand“

  1. Nach dem Lesen dieses Beitrags kam mir in den Sinn, dass ich seit 45 Minuten meinen Ofen am Vorheizen war… 🙁 Nur das Backtrennpapier hat Schaden genommen, ansonsten ist nichts passiert… 🙂

    Das bringt mich zur Frage zurück, die ich während des Lesens im Kopf hatte: Haben nicht alle Städte, Städtli und Stedli im Laufe ihres Bestehens einmal einen grausigen Brand erlebt (nicht weil Blogs gelesen wurden, währenddem der Backofen heizte)?

  2. brände gab es immer und zuhauf, warum auch immer. in holzstädten dehnte sich das feuer jedoch rascher aus als in steinstädten. gefaehrdet waren vor allem die dächer, insbesondere solange sie aus stroh oder schindeln waren.
    heute haben wir nicht weniger gefahrenquellen: namentlich gasleitungen, benzinkanister oder spraydosenlager sind nicht minder gefährlich als holzöfen. aber wir haben höhere brandschutzvorschriften, und können dank ortsunabhängigen kommunikationsmitteln viel rascher reagieren.
    der letzte stadtbrand in bern ist ja noch gar nicht lange her, in der junkerngasse, und zeigte, wie schnell es geht, aber auch, wie adäquat man heute reagieren kann.
    ps: hast du 45 minuten an diesem beitrag gelesen, oder hast du nach 45 minuten internet gottseidank diesen artikel gelesen? dann wäre das ja so eine art virtueller brandschutz!

  3. Ich war 45 Minuten online, davon die letzten fünf Minuten hier. Deine Beitrag war also quasi ein virtueller Brandschutz, wobei natürlich auch Backöfen und Backtrennpapiere sich weiterentwickelt haben.

    Im Übrigen befindet sich der nächste Feuerlöscher eine halbe Etapge weiter oben im Treppenhaus und meine Löschdecke zwei Meter vom Kochherd entfernt (das schreib’ ich jetzt nur, damit sich andere auch einmal darüber Gedanken machen, denn man wähnt sich allzu oft in falscher Sicherheit).

    Stimmt, der Brand an der Junkerngasse habe ich noch relativ gut in Erinnerung.

  4. Die Geschichte ist, wieder einmal, wenn es um die Feuerwehr, etwas “kameradenlastig”.
    Gut, dass wenigstens der Einwand der jungen Historikerin zur Sprache kommt.
    Spannend wäre, werter Stadtwanderer, eine Untersuchung zur heutigen Zeit, denn die Diskriminierung findet wohl heute unverändert statt.

  5. ich kenne keine untersuchung, welche die spendenverteilung geschlechtsspezifisch betrachten würde.
    sicher war der emotionale höhepunkt die kata-hunde-ehrung resp. -fütterung. ansonsten empfand ich weder den anlass, noch den bericht “kameradenlastig”, werte lisa.
    erwähnt wurde nicht nur die historikerin pfäffli, sondern auch der zweite ehrengast, regierungspräsidentin egger.
    vergleichbares zur cervelateinlage wie bei schmid fand sich bei ihr einfach nicht,weshalb ich sie bei der bebilderung auch weggelassen habe.

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