schweizer erinnerungsorte

am stoff der historisch gewachsenen selbst- und fremdverständnisse der schweiz weiterweben, um im eigenen alltag wie in der öffentlichkeit mit ihnen besser umgehen zu können, verspricht der basler historiker georg kreis jenen, die zu seinem buch “schweizer erinnerungsorte” greifen.

Kreis_Orte_UGin der alten eidgenossenschaft nahm man orte wörtlich, waren es doch die mitglieder der eidgenossenschaft. mit der mediationsakte wurden daraus 1803 kantone, die seit 1848 gliedstaaten des bundes sind. wenn der historiker georg kreis in seinem jüngsten buch von “orten” spricht, dann meint er das anders, im übertragenen sinne, denn es geht ihm um signifikante referenzpunkte der kollektiven erinnerung der schweiz. einfacher ausgedrückt interessieren ihn gemeinplätze, die das reden über die schweiz, in der schweiz und ausserhalb von ihr, erleichtern.

pierre nora, historiker in frankreich, hat hierfür 1980 den begriff der lieux de mémoire geprägt und damit eine welle von charakteristischen geschichtsbüchern in halb europa ausgelöst. kreis tut es ihnen mit dem buch “schweizer erinnerungsorte” gleich. im untertitel nennt er es speicher der swissness, aus dem er 26 verdichtungen herausgeholt hat.

die zahl 26 ist wohl nicht zufällig, denn die schweiz hat heute 26 kantone. geboten werden aber keine porträts der gliedstaaten, wie sie zur eidgenossenschaft kamen. vielmehr geht es in diesem buch gleichzeitig um das rütli und die landsgemeinde, wilhelm tell und bruder klaus, einsiedeln und marignano, solddienste, beresina-lied und bourbaki-panorama, winkelried, pestalozzi, guisan, gilberte de courgenay und heidi, den gotthard und den bernhardiner, das chalet und das grand hôtel, die rösti und die toblerone, das soldatenmesser und die swissair, die grande dixence und das bankgeheimnis, die swatch-uhr und das nicht gebaute atomkraftwerk in kaiseraugst. voilà les lieux de mémoire suisse.

das ergibt weder eine vollständige wanderung durch die schweiz, noch einen chronologischen abriss der schweizer geschichte. doch entsteht so ein undogmatischer und reichhaltiger essay über schweizer identität. kreis versichert sich ihr in diesem buch nicht zuletzt, weil sie brüchig geworden ist. doch es ist kein trauern über vergangene grösse des kleinstaates, genauso wenig wie es ein lauter schrei ist, angesichts der angst der schweizerInnen in der welt. vielmehr wird, bilanziere ich nach der lektüre, ein lebendiges weben am stoff von selbst- und fremdverständnissen geboten, die in bild und text präsentiert werden, um die bezüge, die politik, kultur und historikerInnen in der öffentlichkeit machen und die wir unserem alltag mehr oder minder bewusst übernehmen, besser einordnen zu lernen.

eingefleischten stadtwanderer-leserInnen muss man das ja eigentlich nicht mehr erklären!

stadtwanderer

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

2 Gedanken zu „schweizer erinnerungsorte“

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