die stadt als stadion

weder der berner bundesplatz, noch der benachbarte waisenhausplatz sind ein fussballfeld. es ist kein rasen in der stadt, auf dem ein spieler gegen einen torwart einen elfmeter schiessen könnte. und doch ist das publikum da. so zahlreich wie noch nie. die meisten sind heute orange, von oben bis unten. die wenigsten sind blau, wenigstens des t-shirts wegen.

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die farbenlehre ist ganz nützlich. wenn der schreie von der orangenen seite kommen, dann sind die hupländer im angriff, und wenn sich die stimmen in blau anschwellen, waren die tifosi im gegnerischen strafraum. wobei niemand in der stadt ernsthaft damit rechnet.

diese signalsprache lernt man rasch, wenn man nicht in der vordersten reihe ist und keinen blick auf die mega-leinwand werfen kann. denn so bleibt man auf dem laufenden, wie das spiel im weit entfernten berner wankdorf real steht. dort ist ja die prominenz, und es sind die elite-fans anwesend.

für die vielen normalen supporterInnen, die sich kein ticket leisten oder keines ergattern konnten, ist die stadt das stadion. die zuschauerzahl multipliziert sich so fast ins unendliche. genauso wie die gefühlswallungen der anhängerInnen. denn alle sollen heute dabei sein dürfen, wenn gefühle ausbrechen, freudentränen fliessen, trauer die menge erfasst.

mit emotionen wartet man jedoch nicht, bis das abendliche em-spiel beginnt. denn die wahrhaftigen fans sind seit dem morgen in der stadt. sie haben die cafes gestürmt, vielleicht in einem souvenirladen geschmöckert, sicher einige biers getrunken, um ich im nahen stadtpark ausgzuruhen

schon über mittag waren sie wieder auf der gasse. haben gelacht, getanzt und sich gefreut. fliegt ein ball durch die luft, sammelt sich die energie in der masse spürbar. denn jeder möchte den kopfball kicken, der zum entscheidenden tor führt. und wenn er misslingt, applaudiet die menge rundherum lachend. denn die stimmung ist mehr ausgelassen als auf angriff angestellt.

wo ein brunnen ist, kommt es unweigerlich zur männershow. schon steht der berner söldner auf dem peiler im holländer-nationaldress wache, und sein hund hat einen italiener-tanga über die ohren gestreift erhalten. im brunnentrog toben sich die oranjer aus, bis selbst das wasser die farbe ihren hosen annimmt.

unter dem druck der masse scheint nun die stadt zu schwanken. wenn die fans auf der terassenrestaurant in fahrt kommen, schwappt die stimmung schon mal über die ganzen plätze. dann vereinigen sich die vielen stimmen zum kollektiv. damit jeder in der stadt weiss, wer die lufthoheit inne hat.

public viewing ist in bern neu. das phänomen mit grossleinwänden, fanzonen und massenaufläufen ist erst im 21. jahrhundert aufgekommen. 2002 wurde es in südkorea kreiiert. und seither globalisiert sich die bewegung. sie erfasst die menschen aller kontinente, die bei grossen sportereignisse freiwillige zu botschafterInnen ihrer länder werden.

getreiben wird die bewegung allerdings durch den kommerz. breitflächige werbung wacht über den massen. plakate und schaufenster reizen die blicke, und artikel, die dazu da sind, identifikationen zu schaffen, finden in der aufkommenden trance reissenden absatz. nichts ist dem zufall überlassen, selbst wenn überall volounters die arbeit verrichten.

zu zehntausenden sind vor allem die holländer heute in bern. nie wurde die stadt in so kurzer zeit so umfassend schnell und gründlich besetzt. immerhin, die allermeisten kickerfreunde sind friedlich, scheuen sich letztlich doch, eine schlechte falle zu machen. und fürchten wohl auch die zahlreich patroullierenden sicherheitskräfte.

unmittelbar vor dem ominösen spiel gegen den weltmeister strömen die holländer aus allen richtungen in die altstadt. die kramgasse füllt sich, und der kornhausplatz gehört im nu den flachländern. selbst über die aarebrücke dehnen sie sich aus, soweit das auge reicht. kein stehtplatz ist heute nicht besetzt heute!

sie freuen sich, dass sie aus der stadt ein stadion, aus den strassen schauplätze und aus den trottoirs tribünen gemacht haben, ohne dass wirklich jemand weiss, wer eigentlich gewinnt oder verliert. selbst wenn in der aufgekommenen stimmung nie jemand daran gezweifelt hat, dass holland 3:0 siegen würde.

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mehr bilder vom tag:

berns (g)arten

zuerst ist da nur der berner botanische garten. dann sieht man ein plakat, eine statue und einige wartende. schliesslich entführt schauspieler matthias zurbrügg sein publikum in die ebenso spannenden wie tragischen geschichten zu albrechts von hallers (g)arten.

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haller zwischen bern und göttingen

der kleine albrecht haller wurde am 16. oktober 1708 geboren. aus seiner familie stammte im 16. jahrhundert berns reformator, und dessen nachfahren gehörten in bern zu den patriziern, wenn auch nicht zu den höchstgestellten. doch albrecht mochte keiner der unter gleichen werden. er war herausragend. im geist, nicht mit seiner macht. und so wurde er arzt. forscher. wissenschafter. und dichter.

zu gerne wäre albrecht schon in jungen jahren auch berner politiker, später wohl auch staatsmann geworden. doch dafür war haller einfach nicht angepasst genug. denn er sagte, was er dachte. mehr noch: er schrieb es auch auf, und er liess es gar drucken!

zum beispiel mit seinem gedicht über die “die alpen“. darin lobte er das einfache, unverbrauchte leben der hirten in den bergen, das er dem luxus und der prestigesucht seiner zeitgenossen in der stadt gegenüber stellte.

deshalb musste der erwachsene albrecht haller auswandern, um vorwärts zu. die neu gegründete königliche universität göttingen nahm ihn 1737 noch so gerne als biologen und anatomen auf, und sie ermöglichte es ihm, einen mustergültigen botanischen garten mit allen pflanzenarten, die man damals zu unterscheiden lernte, aufzubauen. in der ferne war seine schaffenskraft noch grösser als zuhause, sodass man bis heute mühe hat, sich einen überblick über sein wissen zu verschaffen. zurecht bezeichnet man ihn einen der universalgelehrten seiner zeit, der sich schliesslich mit königlichem erlass auch von haller nennen durfte.

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haller zwischen vergangenheit und gegenwart

genau aus dieser ferne kommt im ein-mann-stück von christine ahlborn, das matthias zurbrügg spielt, ein sebastian hallter nach bern. nein, er ist kein uneheliches kind des professors; der name steht nur symbolisch für die rückkehr albrecht von hallers im jahre 1753 ins unaufgeklärte, patrizische bern.

ganz unten muss haller nochmals anfangen: einfacher abwahrt im rathaus war der grossrat, als er seine professur aufgab, um in bern wieder fuss zu fassen. später wurde er salzdirektor in bex, weit weg in der waadt, und erst am schluss seines befrachteten lebens stieg er im bernischen gesundheitswesen bis zu seinem tod 1777 zu einer art generelsekretär auf.

zeit seines lebens war albrecht von haller ein gemässigter aufklärer gewesen. der montesquieu von bern quasi. er stellte die wissenschaft über die religion, und er brauchte den verstand, um die gewohnheiten zu kritisieren. doch er war wohl nicht nur herausragend für seine zeit; für viele seiner zeitgenossen war sein charakter schlicht monsterhaft.

das alles muss sebastian haller, den fiktiven studenten aus göttingen, nicht kümmern. das “wandern ist des hallers lust” singt er, als er aus dem norden in albrechts vaterstadt ankommt. und er erzählt munter, was der grosse haller in göttingen für möglichkeiten geboten bekam, die man ihm in bern verwehrt hatte. wenn matthias zurbrügg, der in diesem kurzen freilichtbühnenstück in viele rollen schlüpft, hingegen hallers mentor, den späteren schultheissen friedrich von steiger, mimt, dann bricht die verachtung für den nonkonformisten haller hinter jedem stein im berner botanischen garten erneut hervor.

christine ahlborn lanciert deshalb albrecht von haller neu: als teemixer. sei lässt ihn symbolisch im botanischen alpengarten umher wandern, um margrit, die weise kräuterfrau zu treffen, die so vieles über die pflanzen im gebirge weiss, dass es der professor nur pflücken und in sein herbarium einkleben muss. was ihm dabei am meisten gefällt, kippt er in einen eigenen kräutertee, der ihn, so die hoffnung der autorin, noch berühmter machen wird, als er es schon ist.

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berns (g)arten in hallers (g)arten

in der knappen halben stunde, die man rund um die statue hallers im berner botanischen garten verbringt, erfährt man in kürze einiges über die herausragendste persönlichkeit im bern des 18. jahrhunderts, und man spürt, wie komplex die erinnerung an sie ist, auch wenn sich der geburtstags hallers demnächst schon zum dreihundertsten mal jährt.

für alle, die sich für berns (g)arten in der vergangenheit interessieren oder das schicksal des unangepassten in berns (g)arten kennen, ist das stück eine abwechslungsreiche sonntägliche zugabe zur naturhistorischen ausstellung im boga.

wandern sie einmal mit, wenn es wieder heisst: halleri, hallera, hallerititititida …

stadtwanderer

zum programm

foto: stadtwanderer

“bern wirkt wunder”

bild-049.jpgpatriotisch gesprochen hatten die schweizer pech. der lattenschuss war so was von ärgerlich. 10 zentimeter tiefer, und vonlanthens ball wäre im gegnerischen lattenkreuz verschwunden. sportlich ausgedrückt können die schweizer jedoch unverändert keine tore schiessen, – egal ob es sich um vorbereitungs- und meisterschaftsspiele handelt.

entgegen allen guten vorsätzen war ich heute während des spiels schweiz gegen tschechien in der stadt. wo menschen sind, zieht es einen einfach hin.! dem sog der masse kann ich mich einfach nicht entziehen. genau 1 minute vor spielbeginn war ich an der ominösen, illegal aufgestellten euro-tafel, die uns wochenlang vorgerechnet hatte, wann endlich das spiel der spiele beginnt.

mein erstes “public viewing” auf dem bundesplatz war schrecklich. pumpenägeli voll war das grosse gatter. ich kam mir vor wie ein schaf, das wartet, ins bundeshaus geführt zu werden. bei der eingangskontrolle nervten sich schon die ersten, die nicht eingelassen wurden. und so hatte ich schnell mal ein nachsehen, und räumte meinen viertelquadratmeter für eine anderes schaf.

die kleinen bars auf dem kornhausplatz und in der aarbergergasse waren da viel gemütlicher. überall interessierte menschen, die einen am fussball, die anderen andern am mädchen nebenan. aber alle blieben korrekt. gelegentlich war da auch ein bronco oder eine polizistin, die aufwallungen im gemüt noch schneller konterten als valon behrami auf die fehler der tschechen reagierte.

natürlich war das grobe foul gegen unsere freiheit ein stimmungsdämpfer. der ganze spuk könnte für alex schon nach einer halbzeit vorbei gewesen sein. tränen bei profis sind eher selten und fliessen kaum grundlos.

in bern sorgte natürlich die einwechslung von hakan mächtig für stimmung. man war restlos überzeugt. die schweizer nati ist jetzt so gut wie es yb jüngst in basel war.

“scheiss euro 08” steht auf kleinen klebern, die heute überall in der stadt angebracht wurden. trotz ihrer recht hohen zahl gehen sie allerdings schon flächenmässig unter. die pro-werbung für die em domininert fast so haushoch wie weiland bei der einbürgerungs-initiative.

die leute, die heute so zahlreich in der stadt sind, haben politik längst weggekippt. sie freuen sich, wenn die grazile cubanerin serviert, gerade weil sie das im portugiesen-dress macht. und die riesigen dunkelhäutigen sicherheitsmenschen irritieren in den fanzonen auch niemanden. eigentlich ganz gut, das politische kommunikation nicht nachhaltig ist.

“huere geili stimmig ir stadt”, meinte der jugendliche zuschauer neben mir. und stösst mit mir an, als die zweite halbzeit anfängt. “bern wirkt wunder” steht auf unseren bechern. doch das ist nur werbung, die stapi tschäppät als teil seiner wiederwahlkampagne abgesegnet hat. und so bleibt das wunder denn auch aus.

die schweiz verliert das eröffnugnsspiel zur euro08 0:1. soviel habe ich sogar als fussballbanause begriffen.

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hoher besuch aus korea

am letzten freitag abend war noch meine stadtwanderung mit meinem hohen besuch aus korea. der war eben erst um die halbe erde angereist, um in bern gleich als erstes in die geschichte der demokratie in der schweiz eingeführt zu werden.

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(foto: bruno kaufmann)

viel zum gelingen der tour beigetragen hat jun-ho chang, politik-professor in soeul, der in münchen studiert hatte und der, soweit ich rückmeldungen bekommen habe, ausgezeichnet zwischen deutsch und koreanisch übersetzte und interpretierte. besondere freude hatte professor chang, als ich ihm zeigte, wo einst georg friedrich hegel in bern gelebt hatte, denn chang hat über eben diesen hegel als begründer internationaler normen der weltgesellschaft doktoriert. vor überraschung hat er mich gleich umarmt! er fand übrigens auch meinen vortragsstil speziell. am anfang musste er immer wieder ein wenig lachen. er sagte beim nachtessen, er sei es nicht gewohnt gewesen, dass ein wissenschafter so herzhaft aus dem leben gegriffen anschaulich-bildhaft und dramatisch-energisch erzähle.

die gruppe selber war im auftrag der korea democracy foundation unterwegs. diese wird seit 2001 staatlich gefördert und hat die aufgabe, an der demokratisierung der gesellschaft zu arbeiten. das formelle war der gruppenleitung ganz besonders wichtig. beim nachtessen hat die stiftung mit dem stadtwanderer gleich einen eigentlichen freundschaftsvertrag signiert. bald wandere ich also auch in soeul! vor dem neuen baldachin hat man mich schon mal umgebung von kreanischen parlamentariern fotografiert.

während und nach der führung hatten wir einige interessante diskussionen über die bestimmung von demokratie, vor allem über moderne und vormoderne demokratievorstellungen. diese debatte ist nicht nur für die schweiz von belang, sondern ganz offensichtlich auch für korea. dr. lee, die weltgewandte delegationsleiterin, zum beispiel war der auffassung, in korea gäbe es mehr vormoderne traditionen von demokratie als moderne.

da waren sie natürlich bei mir gerade an der falschen adresse: denn meine demokratieführung leitet demokratie nicht auf der polis-herrschaft der antiken griechen städte ab, weil diese keine vorstellung von der gleichberechtigung aller menschen entwickelt hatte. das gehört für mich unverzichtbar zu den demokratischen grundwerten.

vielmehr begründe ich bei meinen führungen demokratie in der europäischen aufklärung, dem naturrecht, den menschenrechten und in den ideen der französischen revolution. und das hat meine teilnehmerInnen, glaub ich, durch die vermittlung von professor chang verstanden zu haben, schon mal ganz stark herausgefordert. nicht nur die zeitverschiebung, die meine mitwandererInnen in ihren immer schwerer gewordenen beinen mitschleppten!

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albertus tee

der tag war hart. viele eindrücke. aber kaum sonnenschein. ich habe im studio gearbeitet, und das wandern sich auf einige meter zwischen computer und analysepult. doch gegen schwache nerven und fehlenden schlaf gibt es ein untrügerisches rezept: den albertus tee!

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am morgen mochte ich fast nicht aufstehen. ich war noch so verschlafen, als der wecker um 6 uhr zur tagwacht blies. und im zug nach zürich habe ich gleich wieder geschlafen. schade für den café latte, den ich auf der berner welle erstanden hatte. in zürich war er kalt.

der paukenschlag des abstimmungstages war deutlich. um viertel vor zehn orientierte uns eine mittelgrosse stadt in der innerschweiz über den stand der dinge aufgrund der schriftlichen abstimmung. da war mir alles klar. das gibt neineinein! unsere eigenen erhebungen bestätigten und verfeinerten dies bis 14 uhr. 36-25-31 sind die neuen masse des svp-modells.

jetzt mag ich fast nicht ins bett gehen. der tag ist noch weitgehend unverarbeitet. er dreht und dreht sich in mir. ich hatte eben noch eine feine unterhaltung mit der slowakei. das dortige radio vermeldete das hauptergebnis des tages in den 6 uhr schlagzeilen: die schweiz verschärft das einbürgerungsrecht nicht!

um mich doch noch zu beruhigen, habe ich zwei mittel: ein wenig bloggen, und einen albertus tee, aus dem klostergarten. guet nacht!

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neues berner postkartenbild

gestern nahmen die berner senatoren den neuen bahnhofplatz in beschlag. exklusiv. heute nun ist das volk an der reihe. gut durchmischt feiert es unter dem baldachin. doch an die 400 bauarbeiter, welche die büez geleistet haben, scheint niemand zu denken.

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ausser irene karpiczenko-wasem. auf diesem blog keine unbekannte. sie hat den ganzen umbau des berner bahnhofplatzes dokumentarisch mitverfolgt und belegt. und sie hatte eine originelle idee: das berner postkarten-bild soll neu geprägt werden. ihre besten fotos während des baldachinbaus stellt sie heute im dachgeschoss des burgerspital aus.

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dabei kommen die schweren brummer in gelb, die kabel in blau, der beton in grau und die bauarbeiter in orange vorzüglich zu geltung. bravo, jungle-jill! mein berner postkartenpreis ist dir sicher.

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bagdad in bern ?

nun ist er in aller leute mund, der neue baldachin auf dem berner bahnhofplatz. schade nur, dass sich niemand gedanken macht, was woher das wort und sein sinn nur kommen!

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ich will es gleich sagen: der neue baldachin auf dem berner bahnhofplatz gefällt mir gut. ich habe die aufregung während der ausschreibung, der planung und der entscheidungen resp. dem rekurs zum bau nie richtig verstanden. gut, während des baus selber bin ich als quasi-nachbar des bahnhofplatzes manchmal auch genervt gewesen. jedenfalls war ich froh, als sich das ende abzeichnete.

in einsamen studen bin ich dabei den wortbedeutung von baldachin nachgegangen, und habe folgendes herausgefunden:

erstens, baldachin, im italienischen baldacchino, steht für einen stoff, konkret für den brokatstoff, der fest und gemustert ist, aus seide besteht, und in den dem goldfäden eingewoben wurden. verkauft wurde dieser stoff, der aus dem fernen osten kam, am häufigsten in badgad, auch baldach genannt, womit die überleitung klar ist.

zweitens, der brokatstoff wurde in der regel als dach über einem bett aufgemacht und diente den ruhenden als schutz. diese bedeutung des wortes hat sich später auf die architektur übertragen, wenn auch nicht für so profane dinge wie das bett und den schlaf. vielmehr meint der baldachin hier die prunkvolle überdachung von thronen und kanzeln, die dem kaiser oder dem papst gehörten. selbst wenn diese herrschaften unterwegs waren, hatten sie gerne einen baldachin dabei, gestützt von dienern, der die würdenträger und ihre pferde vor hitze und regen abschirmen sollte.

drittens, das wort baldachin ist im 17. jahrhundert auch ins deutsche übertragen worden, nicht zuletzt von vermögenden bauern, die etwas auf sich hielten und jetzt wie die herrschaften von damals ein himmelbett hatten. gerne versteckten sie in den dicken stoffen über dem bett auch das ersparte, das sie auf die “hohe kante” legten.

natürlich: bern ist nicht bagdad. unser duo tschäppät&rytz, das beim bau des berner baldachins federführend war, hat keine diener mehr, die sich schützend über die rotgrünen herr&frauschaften stellen würden. die reichen bauern aus dem emmental wiederum werden mit sicherheit nichts im berner baldachin verstecken, denn dafür ist ist der glasbau viel zu transparent.

doch der neue baldachin gefällt, was auch immer man mit ihm symbolisieren wollte, – auf jeden fall dem

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foto: stadtwanderer

programm zum eröffnungsfest vom 31. mai 2008

die unüblichste museumsführung aller zeiten

wer kennt das nicht: der geschichtslehrer monologisiert über die heroischen zeiten der eidgenossen, als sie noch schlachten gewannen. und wenn würde es nicht reizen, sich am 532. jahrestag der schlacht von murten sich durch den stadtwanderer durch die grosse burgunder-ausstellung führen zu lassen.

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mein thema: bern im spannungsfeld zwischen karl dem kühnen und adrian von bubenerg

früher war es fast wie jetzt im fussball: wer nicht der eigenen mannschaft hilft, ist ein verräter. und wer in der schule nicht mit den eidgenossen mitfieberte, sei es im morgarten, in laupen, in sempach, in näfels, in grandson, in murten, in dornach, an der calven und in novarra, der galt als schlechter schweizer.

heute ist das alles offener: historische optiken werden hinterfragt, dafür ist der perspektivenwechsel gefragt; ideologische geschichtsschreibung muss de- und rekonstruiert werden; und es gilt fragen zu beanworten, was geschehen wäre, wenn …

und genau zu diesem grossen experiment lade ich die freunde und freundinnen des stadtwanderers nach bern ein: präzise am 22. juni 2008, um 10 uhr, steigt meine grosse führung durch die grosse burgunder-ausstellung im historischen museum zu bern. sie wird zirka 3 stunden dauern, sodass wir zur mittagszeit, auf die minute genau! 532 jahre nach beginn der schlacht von murten, im kleinen saal zum schlachtengeschehen sein werden.

doch das ist gar nicht das eigentliche ziel meiner führung. dieses folgt der ausstellung über karl den kühnen, dem verlierer der schlacht, der wenigstens posthum dieser tage bern nach den regeln der werbung eingenommen hat.

ich möchte sie in die mittelalterliche geschichte burgunds einführen, zeigen, wie die vier berühmten valois-herzöge von burgund, von denen karl der letzte war, in dijon, brügge und weiss ich wo gelebt, hof gehalten und kunstfördernd gewirkt haben, wie sie europäische politik betrieben, und wie sie den krieg als unmittelbare fortsetzung ihrer interessen verstanden.

in diesen krieg für eine neuartiges kaiserreich in europa mischten sich bekanntlich auch die alten eidgenossen ein, – und sie gewannen auf fast schon wunderbare art und weise am grünhag bei murten die entscheidungsschlacht, die in die weltgeschichte eingehen sollte. das blieb nicht ohne folgen: man wurde reich, und die politik war gefordert, eine beuteverteilordnung zu erstellen, aus der unsere bundesverfassung herausgewachsen ist!

wenn sie also interessiert sind, auf meine reise durch die lokal-, nationl- und kontinentalgeschichte mitzukommen, wenn sie eine wertesynthese aus bernburgund und burgunderbern nicht scheuen, dann melden sie sich bei mir an: denn wir wollen mehr sein als in all den fussballstadien der euro ’08

und seien sie am 22. juni 2008 um 10 uhr pünktlich in der fan-meile des berner historischen museums. denn wer zu spät kommende, der wird an der beute nicht beteiligt!

stadtwanderer

alles echt

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ob die farben der burgunderteppiche echt seien, wurde ich heute im berner historischen museum gefragt. spontan musste ich passen. deshalb hole ich hier die antwort nach.

peter jetzler ist direktor des historischen museums zu bern. damit ist der oberste hüter einiger der zentralen stücke aus der burgunder-beute. und er gibt eine klar antwort auf die gestellte frage: ja, die farben sind echt.

denn bern hütet die teppiche sorgsam. meist vor licht geschützt aufbewahrt, werden sie nicht dauerhaft ausgestellt. der berühmste teppich in der berner sammlung ist die tausend-blumen-tapisserie. in der gegenwärtigen ausstellung kann mann aber auch beispielsweise die vier teppiche sehen, die das wirken von caesar im gallischen krieg zeigen.

herzog karl soll 200 solcher teppiche besessen haben. auf italienisch nennt man sie “arrazzi”, weil die berühmteste werkstatt im französischen arras stand. mehrere webstühle produzierten dort parallel einen teppich. tapisserien von 5 metern höhe und 10 metern breite waren keine seltenheit.

jeder teppich ist ein kunstwerk. und jedes kundstwerk hat einen künstler. die machte die entwürfe; doch dann musste ein reicher einen vorschuss bezahlen. denn das gold und der seidenfaden, die eingewoben wurden, musste in grossen mengen im voraus beschafft werden. und das ging ordentlich ins geld.

in frankreich und in den niederlanden gibt es keine originale mehr. in bern schon. und peter jetzler ist stolz darauf, die farbigsten im berner museum zu wissen.

stadtwanderer

ps:

selbstverständlich darf man die tapisserien im museum nicht einfach fotografieren, weshalb ich mich hier auf eine billige wiedergabe aus google beschränken muss.

wenn bernfans burgunderfans werden

baernfan.gifeigentlich war eine private führung meinerseits durch die grosse burgunder-ausstellung geplant. doch dann wurde der kleine kreis der zuhörerInnen immer grösser, bis …

ich hielt heute morgen punkt 10 uhr im foyer des berner historischen museums die rede, die ich gestern auf dem “stadtwanderer” entwickelt habe. prompt vergrösserte sich mein anhang geladener gäste. das war zwar nicht vorgesehen. unangenehm war es aber auch nicht!

im ersten stock erzählte ich dann spontan über die familie der herzöge von burgund und merkte, wie sich der kreis der interessiert horchenden von saal zu saal vergrösserte. bei den ausführungen zum treffen von herzog karl mit kaiser friedrich war der anhang schon ganz ordentlich, sodass ich lauter sprechen musste. als ich dann im grossen saal mit den prächtigen burgunder-tapisserien die osterfeier von karl in der lausanner kathedrale inszenierte, hatten ich das publikum endgültig auf meiner seite.

schliesslich wurde ich gefragt: “werter herr longchamp, wo kann man sie für solche führungen buchen?” – ich antwortete, das sei eigentlich privat. man gab mir zu verstehen, das habe man an der rezeption auch schon gehört. dennoch möchte man eine ganze führung erhalten.

so sag ich’s auf diesem weg: wenn sie wollen, schreiben sie dem stadtwanderer! wenn ich zeit finde, mach’ ich das noch das eine oder andere mal. zum beispiel während der euro 08, da ziehe ich kulturelle veranstaltungen dem biergelage ohne lernwert vor.

und: es macht mir spass, wenn aus bärnfans nun auch burgunderfans werden!

stadtwanderer

PS:

Die Spezialseite von Radio DRS zur Burgunder-Ausstellung mit vielen O-Tönen

meine morgige rede vor der burgunder-ausstellung

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als im 5. jahrhundert unserer zeitrechnung das römische reich nördlich der alpen unterging, liessen sich verschiedenen germanenstäme – zuerst die burgunden, dann die alamannen und schliesslich die langobarden – im gebiet der heutigen schweiz nieder. das erkennt man heute noch an der sprache: die burgunden und die langobarden nahmen die lateinische lebens- und ausdrucksweise an, und ihre nachfahren in der romandie und im tessin sprechen heute französisch und italienisch, während sich die alamannen der latinità verweigerten; sie sprechen heute noch ihre mundart und schreiben leidlich deutsch.

das mittelalterliche königreich burgund

über die drei wandervölker errichteten seit dem 6. jahrhundert die franken, ebenfalls latinisierte germanen, ihr grössen königreich, das im jahre 800 die nachfolge des untergegangenen weströmischen kaiserreiches antrat. doch die karolingische herrschaft zwischen den pyrenäen im südwesten und sachsen im nordosten hielt nicht lange: 843 teile man das kaiserreich unter den enkeln karls, und 888 endete die vorherrschaft der legitimen nachfahren. karls reich zerfiel denn auch fast unwiederruflich in eine westfränkisches resp. ostfränkischen königreich und in ein mittelreich mit achen im norden und rom im süden. doch auch dieses schmale und lange landstück hielt nicht zusammen: es zerfiel in die königreiche lothringen, burgund und lombardei.

burgund, das war nach im 10. jahrhundert das gesamte rhonetal von der mündung ins mittelmeer hinauf, mit den wichtigen zuflüssen saône und doubs jenseits des juras und das aaretal diesseits bis hin zur reuss. so wichtig für die christianisierung nicht nur der eliten, sondern auch der bevölkerung dieses zeit war, so instabil blieb die herrschaft der burgundischen könige, bischöfe und klöster gegenüber dem aufstrebenden adel. 1032 vererbte der letzte burgunderkönig rudolf iii. sein restreich dem römischen kaiser, der seit 962 wieder ostfranken samt lothringen und über italien herrschte.

burgund und das mittelalterliche kaiserreich

drei grosse dyastien hat das kaiserreich im hochmittelalter gesehen: zuerst die römisch geprägten ottonen, dann die teutonisch inspirierten salier und schliesslich die schwäbischen staufer, die zwischen überzeitlich-christlichen universalimus und frühem nationalismus hin und her gerissen waren.

1250 starb der letzte staufer, kaiser friedrich II. mit seinem tod stürzte das kaiserreich in eine grosse krise, die den übergang zum spätmittelalter markierte. das reich zerfiel in unzählige rivalisierende einheiten: mittelgrosse bistümer, kleine grafschaften und städtebündnisse. zuerst gabe es nur auswertige könige, bis sich drei konkorrierende adelshäuser im reich etablierten: die habsburger, natürlich, die luxemburger, verbunden mit dem erbe des hauses böhmen, und die wittelsbacher. sie wechselten sich bis mitte des 15. jahrhunder in der herrschaft über das reich ab, das sich nun heiliges römischen reich nannte, aber nur noch nördlich der alpen anerkenung fand.

vorerst am erfolgreichsten ist das haus luxemburg-böhmen. heinrich vii., karl iv. und sigismund i. waren drei kraftvolle kaisergestalten des spätmittelalters, die bestrebt waren, das zerfallene kaiserreich neu zu ordnen. indem sie es vom ersonenbezogenen feudalwesen der vielen kleinen hin zum territorial und institutionell definierten reich der grossen überleiteten, – ein prozess, indem die frühe eidgenossenschaft ebenfalls vom losen bündnissystem zum räumliche geschlossenen autonomen gebiet im kaiserreich entstand.

einem wesentlichen moment dieses prozesses – dem krieg zwischen den eidgenossen und den herzögen von burgund – nimmt sich die gegenwärtige sonderausstellung im historischen museum zu bern an. sie ist gerade für schweizerische verhältnisse speziell: denn in der traditionellen geschichtsschreibung betonte man liebe gerne den sieg der bäuerlichen eidgenossen über die überheblichen herzöge auf brügge. die jetzige ausstellung kehrt die perspektive um: uns vorgeführt wird die welt der reichen fürsten, die an einer neuordnung europas im geiste des zerfallen karolingischen reiches rangen. und wenigstens für eine sommer sind sie die neuen herren von bern!

der griff der herzöge von burgund nach königs- und kaiserkrone

um zu verstehen, wie es nach griff zur kaiserkrone durch die herzöge von burgund kam, muss man sich in die 1430er jahre versetzen.

im französischen königreich, das seit bald 100 jahren in einem thronfolgekrieg mit england verwickelt war. normalisierte sich die lage. die herzöge von burgund, damals philipp iii. die, obwohl aus dem gleichen hause der valois wie der französische könig stammend, stramm mit den engländern paktiert hatten, wechselten 1435 das lager. sie hielten nun wieder zu eigenen krone, hatten sich aber eine starke stellung am rande des königtum erarbeitet, denn sie waren in den besitz der reichen flandrischen städte gelangt. dieses gebiete nannten sie nun die niederen lande, derweil ihr kerngebiet um dijon die oberen lander wurden. 1437 starb kaiser sigismund ohne leiblichen nachfolger. seine kronen von ungarn, böhmen und jene der deutschen gingen an den habsburger albrecht III. im westen des reichs gelang es aber den burgundischen herzögen, nun auch lehen auf reichtsgebiet zu erlangen.

402px-karte_haus_burgund_4.pngphilipps sohn, karl, reichte das jedoch nicht. als er mit 33 herzog wurde, strebte er nach höherem. neben besitz und macht wollte der ambitiöse herzog auch ehre. er reklamierte vom kaiser die burgundische königskrone, die dieser zwischen 1032 und 1378 getragen hatte. denn ihm schwebte vor, das fränkische mittelreich, das im 9. jahrhundert in den vielen erbteilungen so kläglich zerfallen war, wieder herzustellen. am liebsten hätte er von seinem herzogtum aus bis an die nordsee und bis nach rom und so über die städte in flandern und der lombardei regiert. denn das hätte ihm die aussichten verleihen, der glaich auch neue kaiser zu sein.

mit dem amtierenden kaiser, friedrich III., einem habsburger traff er sich 1473 in der ehemaligen römischen kaiserstadt trier. es wurde verhandelt. es ging um titel – und um frauen. friedrich verlangte maria von burgund, karls tochter, für seinen sohn, erzherzog maximilian, dem möglichen kaisernachfolger. das liess karl zögern, bis die verhandlungen scheitertn. der arme kaiser konnte nicht einmal seine hotelrechnungen bezahlen, als er ging, während der magnat karl mit einem klacks trier verliess. er änderte nicht einmal seinen lebensplan, nur seine strategie.

nun wollte karl, wie damals gaius iulius caesar mit seinem gallischen krieg herr der schlchtfelder werden. sollte ihm das gelingen, würde er seinen anspruch auf die höchste ehre im reich mit der macht der waffen durchsetzen können. wir wissen es: es gelang nicht! es gelang ihm weder ein burgundisches königreich zu etablieren, noch kaiser zu werden.

der krieg mit den eidgenossenschaft

in diesem entscheidungskampf der burgunderherzöge gegen die habsburger kaiser und die französische könige ging es auch um die pässe über die alpen. diese, von den herzögen von savoyen beherrscht, waren von jeher von strategischer bedeutung für die nord-süd verbindung. die allianz der burgunder mit den savoyern bedrohte jedoch die eidgenossschaft im alemannischen mittelland. vor allem deren westlicher teil war auf den freien durchgang nach genf und von da aus ans mittelmeer aus wirtschaftlichen gründen angewiesen.

um die gefahr militärisch abwenden zu können, arrangierten sich die eidgenossen 1475 mit dem erzfeind habsburg im einem ewigen frieden. die berner führten mit zustimmung ihrer kaiserlichen nachbarn dnach einen präventivkrieg gegen die savoyer durch, der schrecklicher nicht geführt werden konnte.

doch anfangs 1476 schlug karl, der bedrohte herzog von burgund, zurück. er besetzt egrandson, die zentrale bastion der verbliebenen berner im savoyischen. damit mobilisierte er aber die versammelten eidgenossen, die bern zur seite standen, und ausserhalb von grandson das heer von karl dem zu kühnen in einer wilden schlacht in die flucht schlugen.

karl regelte nun seine nachfolge. er unterzeichnete den heiratsvertag seiner tochter maria mit dem kaiser. würde er gegen die eidgenossen gewinnen, würden seine trümpfe steigen, kaiser zu werden. würde er jedoch verlieren, wusste er, dass sein erbe an den nun verwandten kaiser gehen würde. und er verlor nach grandson, wo er sein gut liegen liess, in murten seinen mut. in nancy wiederum, verlor er gegen den lothringischen herzogen renatus schliesslich auch sein blut. das bedeutete das ende stolzen herzöge aus dem hause burgund in der manneslinie.

die eidgenossen machen vorerst kaum territoriale gewinne. sie erhielten die herrschaften von grandson, orbe und echallens zugestanden. den rest, den sie erobert hatten, mussten sie savoyen; 1512 erhielten zwar die militärische oberherrschaft über die freigrafschaft, und 1536 akzeptiere frankreich, dass sich die berner in der waadte bis vor die tore genfs zu lasten der savoyer ausbreiten werden. doch zu einem spätmittelalterlichen staat zwischen könig und kaiser stieg man nicht auf.

die bedeutung der burgunderkriege für die werdene eidgenossenschaft

dennoch sind die burgunderkriege ein konstituierender moment für die werdende eidgenossenschaft. durch die burgunderbeute wurden die eidgenossen erstmals sagenhaft reich. viel geld floss in die armen taschen. und die berühmten burgunderteppiche von karl gehören heute noch der eidgenossenschaft. es gab auch kanonen, denn die berühmte artillerie von karl fiel den eidgenossen in grandson die hände. feldschlangen nannten die infanteristen die geschosse, mit denen sie nicht viel anfangen konnten. mehr bedeuten ihnen dagegen die 3000 marketenderinnen von karl, die im mittelland eine willkommene blutauffrischung waren.

um die beuteverteilung, bei der es zu erheblichen unregelmässigkeiten kam, zu regeln, mussten sich die eidgenossen auch neu organisieren. 1481 schlossen sie das stanser verkommnis, das die gleichberechtigung der um freiburg und solothurn erweiterten 8 alteidgenössischen orte im falle von neuen eroberungen festhielt, über die tagsatzung als eigentlicher militärrat fortan wachen sollte. gemeinsam kämpfte man sich im schwabenkrieg die autonomie im reich, die maximilian 1499 anerkannte.

die siegertypen der burgunderkrieg jedoch hatten keine glück. adrian von bubenberg, der die besatzung von murten leitete, verstarb nur 3 jahre nach der schlacht an der pest. als ritter blieb er anerkannt, für seine anerkennung als staatsmann standen ihm seinen sympathien zu karl im weg. schlechter noch ging es hans waldmann, der den entsatz vor murten leitete. als sich der zürcher bürgermeister anschickte, etwas besseres als seine zünfler und bürger zu sein, enthauptete man ihn. seither regiert das mittelmass die eidgenossenschaft.

das burgunder-erbe in der neuzeit

1493 regelten frankreich und habsburg im friedensvertrag von senlis das grose burgundische erbe jedoch unter sich. das herzogtum burgund ging an frankreich und blieb bis heute dort. die niederlande, die von der herzogin maria beherrscht wurden, kamen mit ihrer heirat mit maximilian an das haus habsburg. der frühe tod von maria bei der jagd liess damit auch in diesem gebieten das burgundische erben im kaiserreich aufgehen.

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johan huizinga, der grossen niederländische historiker, der das spätmittelalter der herzöge von burgund porträtierte, nannte sein werk “herbst des mittelalters“. das macht klar, das mit karl, dem letzten ritter, eine epoche ihre reife vollendung erreichte, ohne weiter zu gehen.

immerhin, karls tocher maria hatte mit maximilian gemeinsam kinder, unter ihnen philipp, später wegen seiner attraktion auf junge frauen, der schöne genannt. er lebte im burgundischen flandern, heiratete juanita aus kastilien und wurde für kurze zeit spanischer könig. nach seinem rätselhaftgen tod übernahm carlos, sein sohn, die königskrone und die ländereien in der neuen welt, bevor als karl v. kaiser des reichs wurde und sagen konnte, in seinem reich, dem kaiserreich der frühen neuzeit, gehe die sonne nie unter.

wo und wie im burgundischen diese sonne aufgegangen war, werden wir nun in der ausstellung über die fabulösen valois-herzögen von burgund sehen. kommen sie mit!

stadtwanderer

bild: das historische museum zu bern, am ende des 19. jahrhunderts durch den berner erziehungsdirektor charles-albert gobat gebaut, dem späteren friedensnobelpreisträger für seine vermittlungen zwischen germanen und romanen, wo gegenwärtig die burgunderausstellung “karl der kühne” stattfindet (foto: stadtwanderer).

karten: quelle

literatur: eine knappe übersicht über die komplexe geschichte Burgunds auf deutsch gibt: Hermann Kamp: Burgund. Geschichte und Kultur, München 2007

was sie morgen in der bz lesen – und worüber sie übermorgen nachdenken sollten!

“Immer, wenn Bern in Schwierigkeiten steckt, ruft es Adrian von Bubenberg zu Hilfe.” so eröffnet der historiker-journalist stephan von bergen in der morgigen “bz” seine berühmt-berüchtigte “zeitpunkt”-beilage. und er spart nicht mit seitenhieben in die gegenwart und vergangenheit, an die geschichtsschreiber und politiker, wie der stadtwanderer heute schon weiss!

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der vordergründige aufhänger ist klar: am sonntag eröffnet das schloss spiez seine “bubenberg-ausstellung“. es sieht fast ein wenig nach trotz-reaktion aus. denn jetzt, wo karl der omnipräsente post festum das mittelländischen bern in beschlag genommen hat, scheint adrian von bubenberg von seinem unbekannten grab wieder auferstanden zu sein, um wenigstens seinem rittersitz am oberländischen thunersee aufrecht zu verteidigen.

doch stephan von bergen wird uns morgen nicht nur diese pointe präsentieren. vielmehr nimmt er den jüngst erfolgten aufruf der liberalen in der berner svp, ihren stammplatz in der schweizer politik aufrecht gegen christoph den omnipräsenten verteidigen zu wollen, zum anlass für einen grossen artikel über meinen “ädu“.

zu viele legenden rankten um das wirken von adrian von bubenberg, seit ihn historiker und politiker für alles mögliche modelliert hätten, ist von bergens these. und: als urvater der aufrechten tauge er nichts, modelliert der polithistoriker mit blick auf die “operation bubenberg” der liberalen svpler gleich weiter! warum das nach ansicht der bz so sei, kann man, wie gesagt, morgen nachlesen.

und bis dann mache man sich bittschön gedanken zu meiner these: zu wenig weiss man über das reale wirken der “operation bubenberg” in der berner svp, die zu einer neuen politischen partei in der schweiz führen soll, um sich wirklich ein bild der gegenwärtigen vorgänge in der schweizer politik machen.

in der hoffnung, die bz vom übernächsten samstag trage etwas dazu bei, um die legendenbildung in dieser sache genauso kompetent wie morgen aufzudecken, sage ich: stephan von ber(ge)n übernehmen sie!

stadtwanderer

hier noch der ganze artikel aus der bz.

der alltägliche horror

p5150133.JPGden sommer 1993 verbrachte ich im rollstuhl. am 19. märz verunfallte ich und bracht mir beide beine gleichzeitig. bis ende august war ich so stark gehbehindert, dass ich auf einen rollstuhl angewiesen war. das hat mir die augen geöffnet, für vieles, was man im alltag so gerne übersieht.

berns strassen tragen zwar viel zum sympathischen stadtbild bei. doch sind sie für rollstuhlfahren ein horror.

alles beginnt mit den geleisen, die schmale räder gerne gefangen nehmen. es geht mit den pflastersteinen weiter, die nicht nur schrecklich holpern, sondern auch die radführung erschweren. und schliesslich gibt es die zahlreich auf- und abfahrten von trottoirs, die einem das geradeausfahren auf dem gehsteig bisweilen verunmöglichen.

noch nie darauf geachtet? ganz normal!

den was man als fussgängerIn unter den füssen hat, wird zuerst durch schuhwerk abgeschirmt. und es ist so im normalfall auch leicht begehbar. selbst kleine stufen nimmt man mit jugendlichem schritten und ohne jegliches bedenken.

erst als ich im rollstuhl sass, begann ich mich zu wundern, wieviele hindernisse für nicht-fussgänger es überall hat. nicht nur in bern. viele davon entstehen durch mangelnde sensibilisierung. andere sind grenzenlos zynisch. so das behinderten-wc in einem schweizerischen bahnhof, das nur über eine treppe erreicht werden kann. der krasseste fall, dem ich damals so hilflos gegenüber sass, ist heute gottseidank verschwunden.

das hat auch mit dem engagement der behindertenorganisationen in der öffentlichen planung, der ausbildung von architektInnen und den stadtparlamenten zu tun. seit ich die welt vom rollstuhl aus gesehen habe, verstehe ich das viel besser. und ich finde auch jede unterstützung für die erleichterung des alltags von behinderten richtig. denn sie ist keines stück des weges im kampf gegen den vergessenen, alltäglichen horror behinderter menschen.

jede und jeder kann hierzu einen persönlichen beitrag leisten. zum beispiel am berner solidaritätsfest von diesem wochenende, zu dem 30 behinderteninstitutionen aufrufen und an dem über 100 künstler auftreten werden. das ändert zwar die verkehrswege in bern nicht, hilft aber behinderten in der dritten welt. hier schon mal das programm!

ich hatte das glück, im herbst 1993 wieder aus dem rollstuhl aufstehen zu dürfen und seither stadtwandern zu können. das haben nicht alle, die im rollstuhl sitzen.

stadtwanderer

ende des umbaus in sicht – zeit für den rückblick

keine(r) hat den umbau genauer verfolgt als sie. gelegentlich hatte man den eindruck, sie sei die bauführerin selber. denn kein noch so verwengener standort war ihr zu viel, um ein jahr lang über die bauliche neugestaltung des berner bahnhofplatzes zu berichten.

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wer sich auf flickr auskennt, kam nicht an den fotos von jungle-jill vorbei, die unaufdringlichen, aber umso überzeugenderen von menschen, kranen und bolldozern berichten, welche die alten gebäude einstürzen lassen, neues baumaterial überall hin verteilten und behände am baldachin werklen. und wer den blog bern.bahnhofplatz.ch anclickte, bekam auch noch den einen oder anderen erhellenden kommentar zu alledem, was im letzten jahre rund um den bahnhofplatz geschah dazu.

enstanden ist so, aus der beobachtungs- und mitteilungsgabe von irene karpiczenko, ein etolle geschichte über die neugestaltung des bahnhofplatzes, in der sich die realität des baus und die erinnerung an die eigenen legospiele eigentümlich mischen. was bis jetzt nur virtuell zu sehen war, kommt nun handgreiflich in die bald vollendete realität zurück: denn irene lädt zur ausstellung “bahnhofplatz bern. der umbau in bild, ton und legosteinen” ein, eine art rückblick auf all das, was wir alle in bern in den letzten 12 monaten rund um den bahnhof erlebt haben.

an der vernissage geht es fast wie auf dem bau zu und her: die verpflegung sei echt, schreibt irene in ihrer einladung! leiderleider bin ich an der eröffnung wegen meiner schaffhausen-recherche verhindert, muss ich antworten, doch bin ich jetzt schon gwunderig auf die ausstellung der berner fotoreporterin, die zeitgeschichte festhielt!

stadtwanderer

foto: jungle-jill

verkehrt herum

2480603496_bf8564924f.jpg“In Silber ein schwarzer Baselstab”, so lautet die offizielle blasonierung des wappens, das für den kanton basel-stadt steht. gemeint ist damit ein nach links gerichteter schwarzer krummstab auf weissem (ganz genau: silbernem) feld mit drei querbalken, die den stab durchbrechen; nach unten läuft dieser in drei zacken aus. gemeint ist damit der hirtenstab der früheren so mächtigen bischöfe am rheinknie.

die stadt basel gehörte zu den ersten städten überhaupt, die ein wappen hatten. das motiv ist seit dem 11. jahrhundert geläufig, auf münzen und auf banner. damit gab man kund, stolze bischofsstadt zu, die dem kaiser habe stand.

denn kaiser heinrich II., der letzte in der dynastie der ottonen, beteiligte sich zu beginn des 11. jahrhunderts tatkräftig am aufbau der stadt, in der er mit seiner frau, kaiserin kunigunde, zeitweise auch lebte. knapp 100 jahre zuvor war sie während des einfalls der magyaren zerstört worden, ohne sich davon unter burgundischem schutz erholt zu haben.

im jahre 999 war der bischof von basel angesichts der milleniumsangst der burgunder im eigner des burgundischen klosters moutier-grandval geworden; damit wurde er auch wichtiger grundherr im jura. doch auch in nördlicher richtung dehnte er sich aus, sodass der bischof und kein graf zentraler feudalherr am rheinknie wurde. 1019 begann man, das münster im romanischen stil neu zu bauen, und mit dem münzrecht erhielt die stadt die möglichkeit, selber handel zu treiben.

das alles macht es verständlich, dass die bischofsstadt auf glänzend-hellem silber den bischofsstab in die ganze christliche welt von damals tragen wollte. ausser in bern, scheint man das auch überall zur kenntnis genommen zu haben.

denn in der berner altstadt, seit tagen wegen bea und grand prix mit blumen, farben und wappen geschmückt, hängt ein basler wappen in umgekehrten farben: helles weiss auf dunklem schwarz! “grad vercheert statt lätz”, könnte man sagen.

allenfalls auch auch eine leise vorahnung auf die trauer von yb im st. jakob-stadion von gestern.

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das immer währende projekt “demokratie”

schweiz_in_sicht.jpgdas wird eine interkulturelle herausforderung: zwei tage vor den volksabstimmungen vom 1. juni 2008 führe ich, gemeinsam mit iri-europe eine koreanische delegation durch die stadt bern. aus aktuellem anlass, aber auch um meine demokratie-freunde mit der politischen kultur berns und der schweiz bekannt zu machen, habe ich meine stadtwanderung für ausländische Gäste neu konzipiert, gekürzt und erweitert.

hier schon mal das neue programm für den freitag, 30. mai, ab 17 uhr!

1. station: gerechtigkeitsbrunnen

grosse fragen, verschiedene antworten – oder die geschichte berns zwischen aristokratie und republik

2. station: rathaus

die französische besatzung – oder die misslungene revolution von oben

3. station: erlacherhof

die liberale kantonsgründung – oder die revolution der bürger und bauern gegen die stadtaristokratie

4. station: casino (ehemalige hochschule)

die freisinnige staatsgründung – oder die schweiz von heute

5. station: bundesplatz

die geburt der volksrechte – oder der beginn der konkordanz-politik

6. station: hotel bern (ehemaliges volkshaus)

die soziale bewegung – oder aufstand und integration der arbeiterschaft

7. station: schützenmatte

die neue soziale bewegung – umweltschützerInnen, feministinnen und alternativler machen druck

8. station: hotel national

die neue nationale bewegung – oder die schweiz als sichere insel im brandenden weltmeer

danach ist, wie bei jedem projekt, vorläufig schluss!

anschliessend gemeinsames nachtessen im restaurant moléson

stadtwanderer

bild: schweiz in sicht, von vincent golay, zeichnungen: mix&remix, vertrieben durch präsenz schweiz

adelheids historische tat

p5070477.JPGich weiss, niemand ausser mir hat heute an kaiserin adelheid gedacht. und alle ausser mir haben ihre grosse historische leistung, die sich heute jährt, vergessen. doch ich lass nicht locker: ich kämpfe unverändert für die späte, aber berechtigte einkehr der grossen frau aus bümpliz in unser geschichtsbild!

das erbrecht der fränkischen sippen

das weiss man aus dem geschichtsunterricht: als kaiser karl der grosse, der mit dem fränkischen reich im jahre 800 das weströmische kaisertum wieder aufleben liess, dauert edie freude nicht lange. nach karls tod begannen die querelen unter seinen enkeln, die 843 zur grossen teilung des kaiserreiches führten, und 888 im untergang des karolinigische kaisertums endeten.

eine ursache dafür war, dass die franken kein zeitgemässes erbrecht entwickelt hatten. sie gingen wie zu zeiten der völkerwanderung davon aus, dass eine sippe die königsherrschaft inne habe und in der sippe alle legitimen männlichen nachfahren des königs ein anrecht hätten, seine nachfolge anzutreten. wenn es mehr als einen anwärter hatte, teilte man das königreich in unterkönigreiche auf, die sich nicht selten unter einander bekämpften. so endeten die versuche der franken, dauerhaftes zu schaffen, meist schon schnell.

das neue erbrecht der kaiserlichen familie

962 machten sich die sachsen im norden, vertreten durch ihren könig, otto I., und die langobarden im süden, vertreten durch die königswitwe adelheid, die 951 gemeinsam geheiratet hatten, daran, das neue kaiserpaar zu werden. doch die germanischen sachsen hatten ein ähnliches erbrecht wie die germanischen franken, und die gefahr, dass unter den brüdern und nachfahren von otto I. ein eigentliche sippenstreit um die macht im könig- und kaiserreich entstehen würde, sollte otto bei seinem italienfeldzug umkommen, war real.

adelheid, die burgunderin, kannte seit den zeiten ihres grossvaters ein anderes erbrecht, das auch bei den langobarden fuss gefasst hatte. nur einer, der älteste sohn, sollte erbe des königs und damit auch des kaisers werden können. so vertrat sie auch bei den sachsen die auffassung, dass nur der erstgeborene legitime sohn von otto I. ein anrecht habe, könig der sachen und franken und damit nachfolger von otto I. als kaiser zu werden.

so wurde der kleine otto, vor der abreise seiner eltern nach rom zur krönung, der damals gerade mal 6 jährig war, zum neuen könig der sachsen und franken gekrönt. für den fall, dass otto I. sterben sollte, hätte adelheid als erste frau seit römerzeiten die regentschaft für den minderjährigen könig übernommen; für den fall, dass otto II. beim tod von otto I. volljährig sein sollte, wäre er direkt nachfolger seines vaters geworden.

die grosse bewährungprobe

in der tat kam es dicker als erwartet. otto I. verstarb, bevor otto II. volljährig war. und otto II. verstarb ebenfalls, bevor sein sohn otto III. volljährig war. im ersten fall war es adelheid, welche die regentschaft über das ganze kaiserreich übernahm. im zweiten fall war es ihre schwiegertochter, theophanu, die frau von otto II., die gleiches tat. und weil auch sie früh starb, wurde die schon gealterte kaiserin adelheid noch ein zweites mal regentin, um ihrem enkel otto III. die königs- und die kaiserkrone zu sichern.

damit setzte sich das dynastieverständnis im westlichen kaisertum durch, das nicht mehr auf der sippe, sondern auf der familie angelegt war. und es etablierte sich der friedlicher eübergang von einem herrscher zu andern, als dies noch in den wilden zeiten der fränkischen mero- resp. karolinger der fall war. nur dank der doppelten standfestigkeit von kaiserin adelheid.

vater eines destabilisierte resp. mutter eines stabilisierten europas

in den schule lernt man, karl den grossen, als begründer europa, zu verehren. doch ihm gelang es nicht, eine rechtsordnung zu schaffen, die das kaisertum auf dauer sicherte. es war eigentlich adelheid, welche mit ihrer heirat nach sachsen, den römischen gedanken der geregelten nachfolge unter herrschern in die sitten der germanischen franken einbrachte. eigentlich sollte sie als garantin stabiler strukturen in europa geehrt werden.

und anlass dafür wäre heute gewesen. denn den entscheidenden schritt tat die grosse burgunderin am 7. mai 961, als sie die krönung ihres minderjährigen sohnes otto zum einzig legitimen könig von sachsen und franken durchsetzte. nicht schlecht, für meine vorzeige-bümplizerin! aus dank dafür gehe ich grad ins alte schloss bümpliz ein bier kippen, das an der stelle steht, wo früher die burgundischen pfalz war, in der adelheid möglicherweise geboren wurde.

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serie über die kaiserin adelheid

an unserem burgunderbild arbeiten

“warst du schon in der burgunderausstellung?”, werde ich gegenwärtig viel gefragt. meine antwort lautet meist “ja”. “und, wie war’s?”, ist die normale nachfrage.  das bringt mich regelmässig in verlegenheit: hier mein ordnungsversuch nach dem museumsbesuch!

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das löbliche zuerst: die sicht des reichen, der dennoch verlor

klar, die eben eröffnete burgunderausstellung ist einmalig. man ist überwältigt vom reichtum, der hier in grosser zahl ausgestellt wird. allen voran beeindrucken die gigantischen teppiche, die im 15. jahrhundert als wandbehänge am burgundischen hof dienten und die weltgeschichte von caesars eroberung galliens bis in die damalige gegenwart darstellen. speziell erwähnt seien auch die zahlreichen exklusiven chroniken, die zu sehen sind und die bedeutung der burgunderherzöge in der herausregenden form aufzeigen, die stilistisch üblich war, als es noch keinen serienmässigen buchdruck gab. und schliesslich muss man von der burgunderbeute reden, welche die eidgenossen 1476 in grandson und murten machten, die teilweise im original oder in getreuer kopie in der ausstellung zu sehen.

den grundstein für den versammelten und ausgestellten reichtum der valois-herzöge von burgund legte philipp der gute, als er zwischen 1419 und 1467 nicht nur die ländereien in den oberen landen, der heutigen region burgund vermehrte, sondern auch die niedern lande, die blühnenden städte von flandern und ihre umgebung unter seine herrschaft brachte. macht und besitz gingen dabei eine besondere symbiose ein, in der karl, philipps einziger legitimer sohn, hineingeboren wurde, sodass karl in seinen nur 10 jahren als herzog nach der vervollkommnung greifen musste: der ehre, selber könig, ja kaiser zu sein.  dafür lud der strebsame herzog karl 1473 den amtierenden kaiser friedrich III. nach trier ein. die verbindung seiner einzigen erbin, maria, mit maximilian, den sohn des kaisers war als eintrittspreis gedacht, um nach der ganzen herrschaft zu greifen zu können.

dieser plan scheiterte, wie die ausstellung klar macht, und dieser misserfolg liess herzog karl seine strategie ändern. statt auf verhandlungen setzte er danach auf die infanterie, die kavallerie und die artillerie. in vorwegnahme der kombination von verschiedenen elementen des heeres, die 100 jahre nach karl üblich werden sollte, suchte er die entscheidung auf dem schlachtfeld, – und unterlag 1477 in nancy, wo er auch den tod fand.

neu an der ausstellung ist, dass diese entwicklung konzeptionell aus der sicht des mächtigen, besitzenden und ehrbaren verlierers, aus karls eigener perspektive, dargestellt wird. das wäre noch vor kurzem in der schweiz undenkbar gewesen, denn in unserer kollektiverinnerung, die durch die partriotische geschichtsschreibung geprägt worden ist, erscheint uns karl nicht als zielstrebiger fürst, der das spätmittelalterliche kaisertum im sinne der renaissance erneuern wollte, sondern als blutdrünstiger tyrann, der hochmütig die eidgenossenschaft kassieren wollte, und dabei zu recht vom hohen ross fiel. allerdings ist die neuinterpretation unseres burgunderbildes in der ausstellung unvollständig. denn die aktive kriegspolitik der stadt bern, die niklaus von diesbach im verbund mit karls erzfeind, dem französischen könig betrieb, geht in der reichhaltigen ausstellung ganz unter.

das problematische danach: der raum des gewinners, der immer noch im kampf ist

und damit sind wir bei dem, was weniger einzigartig an der ausstellung ist: es scheint, als würden sich die räume des berner historischen museum still , aber stur gegen die neuerungen in den betrachtungsweisen wehren. denn sie führen einem vor, wie ungeeignet sie sind, um der ausstellung den glanz zu verleihen, der ihr gebührt: das ende des rundgangs offenbart die ganze schwäche. das erbe karls, das die habsburger kaiserfamilie sehr gerne bei sich aufnahm, findet ganz verloren im untergeschoss der ausstellung statt; fast so, wie wenn es gar nicht wichtig gewesen wäre. der hauptteil wiederum wirkt überstellt, sodass man sich ein wenig im kaiserlichen trödlerladen vorkommt, wenn man friedrichs gepanzertes pferde vor, sein silbergeschirr hinter und die schalmeien über sich hat. die präziosen der ausstellung schliesslich, wie karls gebetsbuch, können nur auf behelfsmässig hergestellten pulten in dunkeln hinterräumen betrachtet werden. das alles mag nicht zu überzeugen, wenn man etwas bewirken will!

teil der nötigen arbeit am berner kollektivgedächtnis

doch ich will nicht mit klagen enden: die ausstellung ist das historische ereignis der saison in der stadt bern, bevor sie nach brügge, einem der zentren der burgundischen macht zu karls zeigten, weiter zieht. und es ist gut, dass sich die stadtkultur mit ihren drei komlexen, die sie aus der geschichte mitgenommen hat, auseinandersetzt: die ablehnung albert einsteins ist seit der grossen einstein-ausstellung einer eigentlichen einstein-euphorie gewichen. das zwiespältige verhältnis der stadt zu albrecht von haller, dem berner universalgenie, der nur ausserhalb der stadt gross werden durfte, wird im kommenden herbst zum grossen thema werden. und dazwischen sollen wir alle aktiv an unserem provinziellen bild von herzog karl arbeiten, den wir seiner kühnheit wegen bisher so wenig mochten!

stadtwanderer

mehr infos dazu

zu allem seinen senf abgeben

marcel_ospel.jpgsie sind wie die kleinaktionäre der berner bloggeria ag. denn sie sind das rückgrat des aufstrebenden unternehmens. und also solche treffen sie sich einmal im monat, um als betriebsräte ihren senf zu allem und jenem abzugeben.

neuerdings ist das berner desperado beim bahnhof ihr bevorzugtes lokal. da fachsimpeln die betriebsräte dann über die konjunkturentwicklung in der blogosphäre und handeln am selbstgeschaffenen ring eifrig mit ihren eigenen blogs. die mittlere zahl der eingegangene links bestimmt die stimmungslage, die der berner-blog-index treffsicher wiedergibt.

ihr virtueller börsenplatz ist der blgmndybrn. kein mensch versteht, was das ist, doch das ist ein wenig die absicht der trendigen börsianer. denn sie wollen die avantgarde unter den nutzniessern der gegenwärtig blogosphären bleiben, weshalb sie ihren tauschplatz als wurst&brot-ecke, an der jeder und jede, wo bärndütsch cha, seinen oder ihren sänf dazu geben kann.

in der rubrik “före luege” wird für das nächste treffen der kleinaktionäre ein ganz gewagter tommy angekündigt. dem vernehmen nach ist es marcel ospel, weiland präsident der mächtigen ubs, der ebenfalls erscheinen will. seit seiner abwahl ist auch er eine art desperado, der zu allem und jedem seiner bisherigen mitstreiter insgeheim seinen senf abgibt. wie man hört, soll er mit hauptsitz in bern seinen eigenen www.mein-leben-nach-der-ubs-blog.desp gegründet haben, womit er in der berner bloggeria ag stimmberechtigt geworden ist.

wer nun seinerseits seinen sänf zu marcel ospel abgeben möchte, der oder die sei herzlich eingeladen, ebenfalls auf ein bier, ein paar tapas und scharfe saucen zu kommen, sofern er oder sie einen blog mit bezug zu bern hat, dessen linkwert durch den besuch an der desperado-bar bald erhöht sein wird.

ihr kleinstaktionär der neuen stadtwanderer ag.

bildquelle: iris stutz

wir sind viele!

“wir sind viele?” das war die zentrale botschaft der heutigen sympathie-kundgebung für bundesrätin eveline widmer-schlumpf, eine eigentlich republikanischen manifestation der verschiedensten gesinnungen.


“so nicht!”, motto, das das volk auf dem bundesplatz einte

die mitteilungen

mindestens wenn man die kurzfristig aufgestellte infrastruktur als massstab nimmt, müssen die organisatorinen aus der alliance f mit deutlicher weniger teilnehmenden gerechnet haben. mikros und lautsprecher waren nämlich völlig ungenügend, um die mehrere tausned menschen, die sich trotz strömendem regen in bern versammelt haben, akustisch zu erreichen.

wer mitten auf dem platz stand, höre die stimmen auf den kleinen bühne genauso wenig, wie er oder sie die rednerInnen sehen könnte. doch hörte man das periodische klatschen, dass sich von den bühnennahe menschen wie eine lola über den ganzen bundesplatz bis in die seitengassen ausbreitete. am lautesten war es wohl, als judith stamm, alt-nationalrätin und selber einmal bundesratskandidatin klar und deutlich sagte: “es gilt, die wahl zu akzeptieren, ohne wenn und aber!”.

ansonsten verstand man heute vor allem die sprache der vielen körper. von regenschirmen gedeckt, in regenmäntel eingehüllt, von dicken pullovern in allen farben gewärmt, kommunizerten sie gemeinsam: “so nicht!”. gemeint waren die anmassungen der letzten tage, die mobilisiert hatten. eveline widmer-schlumpf erhielt, viel persönlich gemeinten zuspruch, “das” durchzustehen. eingie der mitgebrachten transparente waren politischer und hegten offenen zweifel an der demokratischen gesinnung des gegners.

die mitteilenden

am anfang erschrak man noch, als ballone in allen partei- und lebensfarben im gedrängte krachten. angst, es könnte scharfmacher in der masse haben, schwang mit. doch dann wurde klar: das publikum, das aufmarschiert war, war ausgesprochen friedlich, sodass die polizei, rund um den platz aufgestellt, soweit feststellbar nicht eingreifen musste.

“gottseidank”, dürften sich alle auf dem bundesplatz gesagt haben. einige der anwesenden waren es gewohnt, an politischen demonstrationen anwesend zu sein. zu ihnen zählten bekannte parlamentarierInnen auf bundes- und kantonsstufe, und auch einige mitglieder von heutigen und früheren städtischen exekutiven wurden persönlich gesichtet. für die meisten der heutigen kundgebungsteilnehmerInnen war das erlebnis indessen wohl weniger vertraut: junge frauen, die selbstbewusst, aber unpolitisch auftraten, standen neben landleute, die vom leben gebückt in ihrem hohen alter einfach da standen, und gemeinsam republikanischen geist gegen machtansprüche aller art verkörperten.

höhepunkt war ohne zweifel, als sie, die neue bundesrätin selber auf den platz kam, und sich, in ihrer direkten, menschlichen art für die sympathie und unterstützung bedankte.

was bleibt

das publikum an der heutigen grossdemonstration war ausgesprochen gemischt, um wohl eines ausdrücken: wir sind viel, die im regen standen, um frau widmer-schlumpf und die demokratie nicht im regen stehen zu lassen!

stadtwanderer

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