anheizen

thema des tages war ohne zweifel das inserat, das alt.bundesrat rudolf friedrich (fdp) schalten lässt. es löste eine reihe von reaktionen und aktion aus, die ich hier kurz zusammenfasse.


das inserat sorgte heute für heissen gesprächsstoff

“Wehret den Anfängen!”, steht über dem halbseitigen inserat, das am mittwoch und donnerstag in zahlreichen zeitungen erscheint, und auch auf internet mehrfach geschaltet wurde. kritisiert wird darin das ultimatum der svp und den versuch, eine rechtmässig gewählte bundesrätin per parteibeschluss zum rücktritt zwingen zu wollen, was diktatorisch anmute. vorläufiger tiefpunkt der kampange, so friedrichs text, bilde die drohung mit einem anschlag auf die bundesrätin und die zunft, die sie ans zürcher sechseläuten eingeladen hatte. «Das erinnert an allerlei üble Vorbilder», heisst es in dem inserat.

prompt reagiert hat die svp. sie fordert friedrich und eine sekundanten zum wortduell heraus. vorne für die svp werde christoph blocher stehen, hinter parteipräsident toni brunner. friedrich reagierte gesprächsbereit, sodass wir mit einem showdown zwischen zwei alt-justizministern über die heutige justizministerin rechnen können.

bei den frauen war man heute für direkte unterstützung von eveline widmer-schlumpf besorgt. mehr als 50000 protestnoten wurden bis heute abend auf der website von alliance f unterzeichnet. weniger glück scheint die spezialwebsite “www.forza-eveline.ch” gehabt zu haben. auch sie sammelte unterschriften zugunsten der angegriffenen justizministerin, wurde aber, wie sie schreibt, im verlaufe des tages durch eine professionelle hackerattacke ausser betrieb gesetzt.

zur sprache kam das thema auch in der wochensitzung des bundesrats. sprecher oswald sigg fasst das so zusammen: «Selbstverständlich hat es der Bundesrat mit Freude zur Kenntnis genommen, dass ein demokratisch gewähltes Mitglied und damit auch die Institution Bundesrat derartig unterstützt wird.»

und ich sage dem so: die männer-tenöre der parteien rüsten zum direktkampf, die frauenchöre sind mit direktunterstützung für eveline beschäftigt, und der bundesrat steht wieder direkt im zentrum der angeheizten aufmerksamkeit!

für morgen sind übrigens neue inserate und weitere aktionen angekündigt, sodass ich raschestens schlafen gehen muss

stadtwanderer

der entscheidungstag

der 11. april wird vieles in der schweizerischen regierungspolitik entscheiden:

. bundesrätin eveline widmer-schlumpf hält ihre pressekonferenz nach 100 tagen im amt ab.
. gleichentags läuft das ultimatum ihrer partei, der svp, an sie ab, aus dem bundesrat und der partei auszutreten.
. und auf dem bundesplatz wird für den verbleib von frau widmer in der landesregierung mobilisiert.


aufruf zur tat! flyer der alliance f für den entscheidungstag.

ohne zweifel, das wir ein wichtiger moment in der turbulenten geschichte werden. denn frau widmer-schlumpf hat bereits angekündigt, bleiben zu wollen, im bundesrat sowieso und in der partei auch. damit hat sie auf das ultimatum reagiert, und den ball zurückgegeben!

zu hoffen ist, dass es ihr an diesem tag gelingt, auch ihre programmatische arbeit als neue justizministerin vorzustellen, und damit auch in inhaltliches profil zu bekommen. das wäre dann ihr beitrag zur versachlichung der debatte. vielleicht würde man da auch besser sehen, wie stark sie mit der linie des bundesrates und der der svp übereinstimmt.

sicher wird auch die svp, momentan ebenso unter medialem druck wie ihre bundesrätin unter politischem druck, an diesem tag reagieren. ich habe auf dem stadtwanderer schon mal der hoffnung ausdruck gegeben, es möge von der svp aus bewegung in die sache kommen, damit das äusserst vermieden werden kann. was die partei anbelangt, ist es ihre sache. was den bundesrat angeht, ist die ultimatum eine provokation.

wenn der konflikt am 11. april eskalieren sollte, bleibt wohl nur der druck der strasse. einen hauch von volksbewegung kündigt schon mal die alliance f an. der dachverband der frauenorganisation ist dabei, eine sympathiekundgebung zugunsten der frauen in der landesregierung, stellvertretend für die frauen in der politik aufzubauen. sie soll die antwort an die svp werden, wenn sie bei ihrer totalen kampfansage bleibt.

ich werde schauen, dass ich die verschiedenen arenen des entscheidungstag von nahem beobachten kann,

der stadtwanderer

ein ganz spezieller sonderfall

wenn wir unter uns sind, ist jede(r) von uns gerne etwas spezielles. wenn wir aber unter anderen sind, sind wir lieber sonderfälle. das hebt uns, oder wenigstens teile von uns, die spezielle sonderfälle sind, von den normalfällen ab.


normalratspräsident andré bugnon lobte alt-bundesrat christoph blocher als speziell zu titulierenden sonderfall (foto: stadtwanderer)

von alt-bundesräten

zum beispiel unsere bundesräte, die nicht mehr im amt sind. sie heissen im normalfall “alt-bundesräte”. in der regel sind diese auch ruhig ruhig, obwohl unverändert politische tiere. jetzt sind sie speziell unruhig, wegen eines ganz speziellen politischen tiers unter ihnen.

dieser ist seit neuestem auch ein ganz speziell schwieriger sonderfall. dernn er will “abgew. bundesrat” (sprich: “abgewählter b.”) heissen. das sichert ihm den status eines ganz speziellem sonderfalls unter all den speziellen sonderfällen.


der spezielle sonderfall war wirklich speziell: für einmal sprach er nicht über sich und die politik, sondern über sich und die kunst (der politiker) (foto: stadtwanderer)

… bis zum conseiller fédéral non réélu

schlimmer noch, seit heute ist das alles nicht nur spezielle spielerein, sondern ganz offiziell der fall. denn unser ganz spezieller präsident der vertreter der normalfälle, quasi der speziellste normalfall unter allen normalfällen, ist flux zum ganz besonders schwierigen spezialfall geworden: nannte er doch bei der eröffnung der speziellsten ausstellung über den speziellsten maler, bestückt mit den speziellsten bildern unseres ganz speziellen sonderfalls unter den speziellen sonderfällen ganz speziell einen “conseiller fédéral non réèlu”.


vor lauter dagewesener spezialfälle verschwinden die speziell notwendigen grenzen in unserer unterscheidungskraft (foto: stadtwanderer

der sonderbare zwischenfall

ein bisher nie dagewesener spezialfall, dieser sonderbare zwischenfall, unseres ganz normalen normalratspräsidenten, der mir heute ganz speziell aufgefallen ist.

stadtwanderer

berns einwohnerzahl und ihre lebensqualität sollen wachsen

da habe ich mich gestern gefragt, wo berns zentrum liegt. und heute erfahre, ich dass es in zukunft noch schwieriger wird, dies zu bestimmen: denn bern soll wieder wachsen.

stadtpräsident alexander tschäppät geht in die offensive. er peilt eine stadt mit 140’000 einwohnerInnen an. deshalb sollen im osten wie im westen grünflächen umgezont werden; in der innenstadt soll das verdichtete bauen gefördert werden.

denkt man ans jahr 2020, wird die jetzige bevölkerung von rund 130’000 den neubestand von 2600 wohnungen aufbrauchen, der namentlich in bern-west entsteht. hauptgrund dafür ist das wachsende bedürfnis an wohnraum der menschen in städten. für den kanton unterdurchschnittliche 44 quadratmeter sind es gegenwärtig, – tendenz jedoch steigend.


realistische aussichten und potenziale der stadtentwicklung bern als wohnstadt bis 2020 (quelle: strategieberich der stadt bern)

mit verdichtetem bauen in der stadt will man deshalb 2700 weitere wohnungen schaffen. in frage kommen vor allem die areale weyermannshaus ost, kasernenareal und bern-mobil-tramdepot an der thunstrasse stehen. um das ziel von 10’000 einwohnerInnen zusätzlich zu erreichen, wird das aber nicht reichen. deshalb werden gebiete wie der riedbach im westen, die hintere schosshalde und witigkofen im osten sowie das viererfeld im norden als siedlungsräume zu diskussion gestellt.

die reaktion des berner gemeinderates kommt gerade recht. die stadt bern ist in den letzten 2 jahren in die defensive geraten: in städtevergleichen, im kanton, und auch ausserhalb. die letzten grossprojekte mit ausstrahlung, das stade de suisse für den sport, das paul-klee-museum für die kultur, liegen schon einiges zurück. zwar kommt bern-west bald, doch darf es dabei nicht stehen bleiben. die stadt braucht mehr einwohnerInnen, nicht zuletzt um den eigenen öffentlichen haushalt zu sanieren. das spricht für die offensive, die der stadtpräsident jetzt ergriffen hat.

einleuchtend ist die zentrale begründung: bern ist die einzige grössere stadt der schweiz, die mehr arbeitsplätze als einwohnerInnen hat. der erhöht den täglichen sog der stadt auf die umgebung für pendler, die am morgen in die stadt strömen, den tag hindurch sie bevölkerung, und am abend wieder abziehen, ohne in der stadt zu wohnen.

die zentrale frage, die sich tschäppät, seinen stadtplanern und dem gemeiderat stellen wird, ist durch eine neue siedlungspolitik die negativen auswirkungen des verkehrs zu verringern, ohne nachteilige konsequenzen für das wohnen zu erhöhen. denn lebensqualität bleibt das a und o, weshalb man in bern lebt, arbeitet, wohnt, – und ganz gerne stadtwandert!

stadtwanderer

der strategiebericht der stadt

zentralität

hatte heute ein interessante diskussion im stadtwanderer über das zentrum von bern. wo nur ist die berner city?


das suburbane bern der gegenwart: wo nur ist das zentrum? (auszug aus map.search)

wir kamen nach einigem hin und her zum schluss, …

. erstens, dass bern kein eigentliches zentrum hat;
. zweitens, dass aber die pendlerInnen-ströme ein zeichen sind, wo die arbeitsplatz-zentralitäten einer stadt sind; und
. drittens, dass die werbung, vor allem jene mit plakaten, genau diesen pendlerInnen-ströme folgt.

da fiel es mir wie schuppen von den augen: in der “city” der stadt bern gibt es regelmässig drei massierungen für (mobile) plakate:

. rund ums kornhaus,
. rund um den bahnhof und
. rund ums inselspital.

demnach hätte berns city oder die city von bern drei zentren:

. das zentrum der altstadt aus der agrargesellschaft, mit dem kornhaus, dem zytgloggen und dem (heutigen) bellevue

. das zentrum der stadt aus der industriegesellschaft, mit dem bahnhof und seiner umgebung, und

. das zentrum der stadt aus der dienstleistungsgesellschaft, mit der neuen insel und ihren zugängen.

ich werde mal vertieft darüber nachdenken, das heisst die gegenden erwandern, um meine neue arbeitshypothese zum zentrum in bern zu prüfen.

stadtwanderer

samstags in bern

der kiosk-verkäufer verwickelt mich sofort in ein gespräch: “wenn die polizei präsenz markiert ohne zu provozieren, klappt das schon. demonstrationen müssten weiterhin erlaubt sein in bern, aber die veranstalter müssten klipp und klar den tarif kennen.” bevor ich etwas sagen kann, fährt er gleich weiter: “ich lebe vom zeitungsverkauf. aber ich nerve mich, wie man nur darauf wartet, dass es krawalle gibt, über die man berichten kann”. ich kaufe ihm eine zeitung ab, sie ist auch für mich an einem samstagnachmittag lebenswichtig.


präsenz markieren, botschaft platzieren und spuren hinterlassen – fast schon ein ritual der anti-wef-demonstrantInnen am heutigen nachmittag (fotos: stadtwanderer, anclickbar)

nach angaben der verantstalter sollen sich 1500 menschen zur zweiten anti-weg-demo innert wochenfrist in bern zusammengefunden haben. ich würde da nicht übertreiben: zwischen dem chindlifrässerbrunnen (reformatorische strenge), dem kornhaus (merkantilistische grösse) und dem restaurant “pyri” (ex-stammbeiz des verstorbenen anwaltes der schwachen daniele jenni) haben sich maximal einige hundert personen eingefunden. sie verhalten sich, wie angekündigt, demonstrativ friedlich.

aber sie markieren präsenz. gegen das wef.
sie zeigen ihre botschaft. für’s publikum.
und sie hinterlassen ihre spuren. zulasten der stadt.

gegen die machtvolle demonstration der wef-organisatoren in davos, die in die halbe welt ausstrahlen, kommt die fast schon rituell wirkende gegenversammlung in der berner altstadt nicht an. es ist wie david gegen goliath. aber auch david scheint nicht richtig vorbereitet zu sein. seine demonstration will heute irgendwie nicht richtig gelingen.

ich nehme denn auch kein eigentliches argument mit auf meinen stadtwandererweg. denn das mikrophon der sprecher überschlägt sich regelmässig. und wenn man einmal etwas versteht, dann beklagt man nicht die ungerechtigkeit der welt, sondern wettert über die polizeieinsätze von turin bis bern.

und die gelangweilten medienleute verhalten sich genauso, wie mein kiosk-verkäufer es prognostiziert hatte. wenn es keine krawalle gibt, weiss nicht recht was machen. das gilt am meisten für den hobby-fotografen vom “winkelried”-blog, der mir krampfhaft nachstellt, um ein “beweis-bildli” von mir zu schiessen.

sorry, herr krankfurter, die unterstellung auf ihrem blog, den stadtwanderer heute als vermummten chaoten an amtl. bewilligten krawallen entdeckt zu haben, entbehrt einer jeder grundlage. wie jeden freien samstag, wandert er in bern wann und wohin er will, und posiert er nicht vor ihrer linse, damit sie ihre vorurteile bestätigen können.

stadtwanderer

das www des kommunikationsministers

das freut den stadtwanderer: denn der bloggende kommunikationsminister der schweiz schreibt ihm sein “www”:

“wacker weiter wandern,
wünscht moritz 2007 / 2008”.


die guten neujahrswünsche von bundesrat moritz leuenberger, bloggerkollege, an den stadtwanderer (fotos: stadtwanderer, anclickbar)

ich kann mich dem nur anschliessen: auch ich wünsche dir, werter moritz, dass du das nächste jahr behende bleibend bloggst und deine alten und neuen kollegInnen in der schweizer regierung bald für die blogosphäre gewinnst.

und sollte der neue oppositionssturm aus herrliberg im kommenden jahr sand ins getriebe der regierung winden, bis dass es kracht, lade ich dich auf eine meiner reellen stadtwanderungen in ein. ich verspreche dir, sie beruhigen und öffnen einen die augen für das nur wenig bekannte bundesbern!

stadtwanderer

ps:
sollten noch weitere gratulanten moritz leuenberger folgen, kann man sich liebend gerne unter den comments eintragen. selber werde ich in den nächsten tagen irgendwo wandernd unterwegs sein und nicht jeden tag zugang zum www haben. es sind also auch tage der (funk)stille meinerseits angesagt.

bestimmen sie 10 momente des politkulturellen wandels der schweiz!

ich wollte einen beitrag schreiben, quasi als zeitgeschichtliches dokument, für die kommenden historikerInnen, für die bewusstseinsarbeiterInnen, und für alle die sich mit der gegenwart respektive mit unserer politischen kultur beschäftigen. basismaterial sollten die reden sein, die ruth metzler-arnold und christoph blocher bei ihrer verabschiedung vor der bundesversammlung hielten.

doch dann kam der auswanderer aus der gascogne. in der blogosphäre gibt es keinen distanzschutz mehr. die kleinbauern wissen, dass das zunehmend auch ausserhalb der virtualität gilt!

und so war der auswanderer schneller als der stadtwanderer: “chapeau, mon cher!” ich erlaube mir dennoch, mit “seinem” material “meine” idee zu realisieren.

***

“bestimmen sie 10 unterschiede in den beiden nachstehenden bundesratsreden!
versuchen sie genau herauszufinden, was vor vier jahren war und was heute ist.
machen sie auf dieser basis aussagen zum wandel der politischen kultur in der schweiz der gegenwart!”

das wäre meine fragestellung gewesen. und das bleibt sie, vorerst für sie, liebe leserInnen des stadt- und/oder auswanderers.


Metzler-Arnold Ruth, Bundesrätin:

“Herr Nationalratspräsident, Herr Ständeratspräsident, meine sehr verehrten Damen und Herren National- und Ständeräte, Sie haben im Sinne der Konkordanz entschieden, anstelle von zwei CVP-Vertretern zwei SVP-Vertreter in den Bundesrat zu wählen. Die CVP soll weiterhin mit Herrn Bundesrat Joseph Deiss vertreten sein. Ich akzeptiere diesen demokratischen Entscheid und stehe für weitere Wahlgänge nicht mehr zur Verfügung.

Vor fast fünf Jahren haben Sie mir die Chance gegeben, eine der höchsten Aufgaben in unserem Staat wahrzunehmen. Diese Aufgabe war faszinierend, und ich habe mich voller Elan und voller Freude dafür eingesetzt. Sie haben mir die Möglichkeit gegeben, bereits im jungen Alter wichtige und anspruchsvolle Herausforderungen in unserem Staat anzugehen. Dazu gehörte auch die Befriedigung, zahlreiche Volksabstimmungen zu gewinnen. Es schmerzt mich, dass dies nun nach fast fünf Jahren zu Ende geht; allzu gerne hätte ich meine Aufgabe weiter wahrgenommen, und ich wäre auch allzu gerne bereit gewesen, das Präsidialjahr zu erfüllen.

Sie haben heute anders entschieden. Nach wochenlangen öffentlichen Diskussionen und Konfrontationen wünsche ich, dass der Weg frei ist für eine konstruktive Zusammenarbeit in der Bundesversammlung und mit dem neuen Bundesrat. Der Geist der Konkordanz, der in den vergangenen Wochen arg strapaziert worden ist, soll neu aufleben und für die Lösung der schwierigen Fragen der Zukunft wegweisend sein.

Ich gehe ohne Verbitterung, mit einer reichen Erfahrung, die mich auch in Zukunft begleiten wird. Ich habe immer gewusst: Es gibt ein Leben nach dem Bundesrat. Dass es bereits jetzt beginnt, hätte ich mir nicht gewünscht.

Ich möchte noch danken, allen voran meinem Mann Lukas, meiner Familie und meinen Freunden, vor allem aber auch meinen politischen Wegbegleitern, die mich insbesondere in den letzten Wochen begleitet haben. Ich danke der Bundesversammlung, die mir ermöglicht hat, während fast fünf Jahren in dieser Funktion zu wirken.” (Stehende Ovation)


Blocher Christoph, Bundesrat:

“Vor vier Jahren wurde ich von diesem Parlament zum Bundesrat gewählt. Ich habe die damalige Wahl als Auftrag angenommen und mich mit ganzer Kraft und nach bestem Wissen und Gewissen in den Dienst für unser Land und unser Volk gestellt. Die Bilanz meines Schaffens lege ich nicht hier vor; ich werde es dann am 28. Dezember tun. Heute haben Sie mich wieder aus diesem Amt entfernt – durch eine Wahl und vor allem durch eine Nichtwahl, ohne eigentlich zu sagen, was der Hintergrund ist.

Für mich ist klar – und das ist das Schöne in diesem Land -: Das Parlament kann zwar Leute aus der Regierung entfernen, aber nicht aus der Politik und nicht aus dem politischen Schaffen im Lande. (Teilweiser Beifall)

Ich schwanke zwischen Erleichterung und Enttäuschung und Empörung; das werden Sie verstehen. Warum Empörung? Eigentlich weniger, weil Sie einen anderen Bundesrat gewählt haben, als darüber, wie Sie es getan haben. Erleichterung, weil ich von jetzt an – ich muss es zuerst noch etwas lernen – wieder sagen kann, was ich denke, und weil ich in Zukunft über Dinge reden kann, die mir eigentlich unter den an sich guten Titeln wie Kollegialität, Konkordanz usw. verboten wurden, auch wenn sie eigentlich nicht hätten verboten werden sollen. Das ist der Vorteil, dass jetzt über alles gesprochen werden kann. Der gestrige Tag hat mir die Notwendigkeit gezeigt, dass es so sein muss.

Was habe ich in den letzten Monaten nicht alles gehört – ich spreche hier vor allem die CVP an: Konkordanz – fast ein heiliger Tempel; Toleranz – die grösste Tugend; Kollegialität – bis zur Selbstverleugnung; Amtsgeheimnis – sehr oft, um viel Dreck und Dinge zuzudecken, die niemand sehen durfte. All das aufzudecken ist in der Opposition – “Opposition” kommt ja von “opponere”, “ponere” heisst “legen”, “ob” heisst “entgegen”, “opponere” bedeutet also “entgegenlegen” – jetzt möglich, sofern es nach dem gestrigen Tag noch nötig ist.

Leistungsausweis, Volkswillen, Volkswohl – das war auf keinen Fall das Motiv dieser Wahl, sondern es sollte etwas unterdrückt werden.

So scheide ich hier aus dieser Regierung aus, aber nicht aus der Politik. All die besorgten Briefe, die ich gestern und in dieser Nacht bekommen habe und in denen befürchtet wurde, ich verlasse jetzt die Politik und ziehe mich irgendwo an die Riviera zurück – da macht man die Rechnung mit dem Falschen! Ich werde mich voll und ganz in den Dienst der Politik stellen – ausserhalb der Regierung. (Teilweiser Beifall)

Was daraus wird, werden wir sehen. Vielleicht wird es ja dazu führen, dass die Regierung und, möchte ich sagen, vor allem auch das Parlament das Richtige tun, weil sie Angst haben, es würde sonst durch eine gute Opposition aufgedeckt. Das wäre ja das Allerbeste.

Sie begnügen sich heute mit einer Regierung aus drei Parteien und mit zwei Vertretern, die nicht mehr Mitglied einer Fraktion sind. Ich wünsche Ihnen dabei sehr viel Glück, und ich kann diejenigen, die Angst haben, ich scheide aus, beruhigen – ich scheide nicht aus -, aber meine Gegner auch entsprechend beunruhigen!” (Stehende Ovation der SVP-Fraktion)

***

warum ich das mache? auf eine wesentliche veränderung im verhalten von alt-bundesräten hat bisher niemand hingewiesen: bisher galt es als stille, aber verbindliche regel, das man sich nach dem rücktritt aus dem bundesrat nicht mehr zur politik äussert. die landesväter und -mütter durften bleiben, solange sie wollten. sie hatten ihr amt quasi auf lebzeiten bekommen. wer es früher aufgabe, hatte die vornehme pflicht die rolle nicht zu wechseln. das hat sich in jüngster zeit immer mehr geändert: vor allem bundesräte, die mit druck aus dem amt wichen, deren leistung nicht gewürdigt worden waren oder die mit sich resp. bei denen das parlament mit ihnen nicht im reinen waren, mochten nicht einfach schweigen.

auch ruth metzler-arnold schrieb nach ihrem ausscheiden in der landesregierung ein buch. als sie einmal das parlament in bern besuchte, stieg der puls bei verschiedenen politikerInnen merklich. doch das alles ist passé. christoph blocher denkt nicht im traum daran zu schweigen. er wird reden, und der puls wird steigen, gerade weil er nicht ins parlament kommen will!

stadtwanderer

winkelried.info: das orakel des absurden

er liebt den kampf. am besten gegen den feind. denn der ist überall. am häufigsten bei den journalisten. gefolgt von den beamten, den untersuchungsrichtern und der antifa/grüne/juso. denn sie bilden das sozialfaschistische netzwerk. das finanziert sich aus staatlichen mitteln und ernährt damit die linke klientel: anwälte, sozialberater, therapeuten, lehrer, künstler, gewerkschafter und auftragnehmer.


das “sozialfaschistische netzwerk in der schweiz”: ein typisches feindbild auf dem blog “www.winkelried.info”

beispielsweise die reaktorInnen von sf drs. sie sind in seinen worten schlicht “haldimanns hammertruppe”.
beispielsweise die hochrechner auf dem statistischen amt des kantons zürich. sie apostrophiert er pauschal als “roten welle”, die durch die medien rolle.
beispielsweise die meinungsforscher von isopublic. sie sind zählt er zur familie der “dummtröter”; das seien die, die in der unterwanderten welt von heute mit dummheit geld verdienten.

da überrascht es kaum mehr, dass auch der “stadtwanderer” (“Senf”-Tube) regelmässig sind fett abbekommt. ich gebs zu, ich bin ein wenig vorbelastet!

der winkelried der eigenen anschauung

er, das ist winkelried. doch ist nicht der held von sempach aus dem jahre 1386. vielmehr handelt es sich dabei um einen aggressive blog aus nationalistisch-konservativer warte.

betrieben wird winkelried.info von rechtsaussen. präsident des winkelrieds ist richard flühmann aus zug, der politisch bei den schweizer demokraten aktiv war. mit denen hat er sich aber überworfen, und er ist aus der partei ausgeschlossen worden. deshalb führt er jetzt die bewegung der konservativen schweizer demokraten des kantons zug an.

über den polischen stellenwert der gruppierung konnte man bei den letzten wahlen einiges erfahren. die konservativen schweizer demokraten erreichten in zug 0 promille!

doch richard flühmann blogt, als winkelried, der der meinungsfreiheit eine gasse bahne. oder als dibbidumm.ch, nach eigenen angaben, dem einzigen ort im internet, wo die ganze wahrheit stehe.

dabei erklärt er kaum je, was die konservativen schweizer demokraten wollen. vielmehr greift er alles an, was ihm, links von ihm, nicht passt!

protokoll des sonntäglichen desasters

das tat “winkelried.info” auch bei den ständeratswahlen von diesem wochenende. und lic.oec.publ. HSG, wie sich flühmann auf der firmenseite seines finanzinstituts rühmt, wagte schon mal eine prognose: von den drei sitzen, die es zu haben gibt, “geht mindestens einer an die SVP.”

mitnichten!

die fdp, die cvp und die glp machten heute das rennen!

da blieb sogar dem wortreichen winkelried das eigene wort im halse, resp. der angefangene satz in der blogosphäre stecken. aus dem grossartig ankündigten live bloggen entlang der news ticker vom tage entwickelte sich zusehends das desaster des winkelrieds. hier das protokoll.

da frage “hofmae” unterwegs schon mal im comment (nur auf voranmeldung) besorgt, ob “winkelried” für toni brunner überhaupt noch eine chance sähe. und es antwortete winkelried: “Hmmm, wird schwierig … was mich noch mehr ärgern würde wäre, wenn der Toni Brunner wegen dem Manser (sd) nicht gewählt würde.”

die gasse nach absurdistan

hmmm, werter winkelried, das war nicht alles an diesem tag, der nicht der ihre war:

recht hatte isopublic, dass diener bei den zürcher wahlwilligen besser ankommt als maurer.
korrekt war die hochrechnung vom statistischen amt des kantons zürich.
und die medienmeldung vom nachmittag waren allesamt zutreffend.

nur ihr orakelspruch war ganz falsch! mit verlaub: die gasse, die sie sich bahnen, führt direkt nach absurdistan …

stadtwanderer

papst nach ermatingen entführt

ich gehe heute ins thurgauische ermatingen – auf den wolfsberg. habe mich schon auf schöne aussichten gefreut. den bodensee vor mir, die herbstsonne über dem schwäbischen meer, das untergehende jahr zu meinen füssen.

doch daraus wird voraussichtlich nicht. es regnet. meine kontakte in die ostschweiz sprechen gar von übergang zu schnee. ich mache mich auf etwas gefasst.

und genau deshalb erzähle ich halt eine vergangene geschichte, die ein wenig erheitern soll, und wenigstes etwas mit ermatingen zu tun hat.


papst johannes XXIII. stürzte auf seinem weg nach konstanz, wo er dann vom heiligen stuhl gestürzt wurde. zuvor wurde er noch in einer spektalären aktion entführt, unter anderem nach ermatingen, wo ich heute sein werde.

das grosse spätmittelalterliche schisma

1415 war die lage der katholischen kirche prekär. bis 1307 residierten die päpste ausschliesslich in rom, waren sie meist römer oder doch italiener, und verfügten sie über den kirchenstaat als teil des heiligen römischen reiches. doch dann wurde papst bonifatius VIII. vom französischen könig gestürzt. seine nachfolger residierten nun in avignon und war ganz im banne des frankenkönigs. 1378 versuchte kaiser karl iv. die unordnung im reich und in der kirche zu bereinigen. er erwirkte die rückkehr des papstes nach rom. doch dann kam es zum eklat. roger, graf von genf, wurde zum neuen papst in avignon. nun hatte man zwei päpste, – eine für das römische kaiserreich und einen für das französische königreich. 1407 versuchte man den zustand zu beheben. die italiener wählten einen weiteren papst, der in pisa residierte. das geschah in der hoffnung, dass die beiden verfeindeten päpst zurücktreten würden. mitnichten!, antworteten sie, und das machte die situation noch schwieriger.

das konzil von konstanz

könig sigismund von ungarn, sohn von karl iv., machte es zu seiner aufgabe, das werk seine vaters, das missglückt war, zu vollenden. 1415 berief er in konstanz ein konzil ein, dass die zentralen fragen behandeln und regeln sollte. zum unrühmlichen teil dieses konzil gehört die verurteilung des prager theologen und priesters jan hus zum ketzer, was ihm das leben kostete. zu den leistungen des konzils wiederum gehört, dass es, ab 1417 wieder nur einen papst gab. oddo colonna, ein adeliger jurist aus italien, wurde zum neuen einheitlichen vertreter der kirche. die nominierung geschah am 11. november, am martinstag, weshalb er den papstnamen martin v. annahm.

vorgängig war es zu einem zähen ringen gekommen, in dessen verlauf die drei bisherigen päpste alle zurücktraten. benedikt XIII. aus avignon, der günstling der franzosen, gregor XII., der vertreter italiens, und johannes XXIII., der favorit der medici.

die entführung von papst johannes XXIII.

anders als die beiden anderen päpst akzeptierte johannes XXIII. die zitierung nach konstanz. doch schon die reise stand unter einem unheilvollen stern. unterwegs kam es zu einem strassenunfall mit seiner kutsche. er landete, fast schon symbolträchtig im strassengraben.

johannes XXIII. wurde, wie die anderen beiden gegenpäpst auch, auf dem konzil gestürzt. als sich das ende der verhandlungen abzeichnet, kam es aber zum eklat. das haus habsburg, das auf johannes gesetzt hatte, versuchte noch zu retten, was zu retten war.

während eines gastspiels am konzil entführten sie papst johannes XIII. – nach ermatingen. dort hielt man ihn vorerst versteckt, dann als die lage unsicher wurde, ging er nach schaffhausen ins kloster, und als auch das nicht mehr verheimlicht werden konnten, entführte man den abgesetzt papst nach freiburg im breisgau, wo er wieder hinter klostermauern versteckt wurde. bei einem unvorsichten ausflug nach breisach am rhein wurde johannes aber gefangen genommen, womit die papstentführung endete. vorerst wurde er eingekerkert, dann begnadigt und schliesslich als kardinal in der kirchenhierarchie weiter beschäftigt.

die folgen für die eidgenosschaft

für die habsburger blieb die entführungsaktion nicht ohne folgen. könig sigismund verhängte über das haus die reichsacht, womit man ihnen alle ländereien abnehmen konnte. die eidgenossen liessen sich nicht lange bitten. allen voran schritt die aufstrebende stadt bern zur tat und eroberte die habsburgischen stammland im aargau, die nun zum berner aargau wurden. luzern und zürich, die vorerst gezögert hatten, schritten reuss- und limmat abwärts, bis man schliesslich in baden zusammentraf und das verbindungsstück zwischen den drei wichtigsten städten der damaligen eidgenossenschaft, das habsburgische wasserschloss in beschlag nahm.

meine reise nach ermatingen

so, jetzt muss ich aber nach ermatingen. durch den aargau, durch den zürichgau, durch den thurgau. im wolfsberg werde ich viele leute aus politik und wirtschaft treffen, ein kleines konzil der schweizerischen bürgergesellschaft findet dort statt. ich werde da in keine kirche der vergangenheit gehen, aber in ein ausbildungszentrum einer weltweit tätigen schweizer bank. und ich werde in der arbeitsgruppe einer jungen badener nationalrätin über die zukunft der schweiz nachdenken.

entführen werde ich aber niemanden! ich versichere es. nur ein wenig spazieren über dem bodensee ist angesagt, wenn mir die sonne scheint …

stadtwanderer

als ich ein schwarzes schaf war

es ist der 3. oktober 2007. der tag, an dem die sondersession der eidgenössischen räte zum gpk-bericht stattfindet. 4 wochen hat uns das thema in atem gehalten; 4 wochen des wahlkampfes hat es hat es besetzt gehalten; 4 wochen hat es emotionalisiert und auch mich politisiert.

wie fast jeden morgen mache ich mich auf den weg in die stadt. es geht, vom berg, wo ich wohne, hinunter an die aare. zu den schafen. denn ihnen gegenüber hält das postauto.


die ersten lebewesen am morgen des 3. oktober 2007 (foto: stadtwanderer, anklickbar)

die schafe! wie haben sie uns nur beschäftigt. die uno-menschenrechtskommission hat verlangt, das svp-plakat zu entfernen. entrüstet hat man sich bei den nationalkonservativen: “wehret dem feind!”, hat man gerufen; und dennoch waren sie auffällig schnell verschwunden.

die schafe vor mir sind gottseidank alle weiss. keines ist schwarz. keines gibt anlass zu spekulationen, was man damit alles meinen könnte: einfach verbrecher? oder gar verbrecher mit einer bestimmten hautfarbe? – auf jeden sollte man sie bannen, sich rein halten, gegenüber den andersartigen, war jüngst der tenor!

“ich war hier das schwarze schaf; doch jetzt werde ich weiss und brav!”, schrieb ich bei meiner matur in mein notizbuch, als ich auf meine gymnasiumszeit zurückschaute. sie hat mir den zugang zum studium gebracht; darüber bin ich froh. aber sie hat mir schlecht getan. denn ich habe drastisch erlebt, was es heisst, nicht dazu zu gehören, ausgeschlossen zu werden.

ich war redaktor der schülerzeitung, der inoffiziellen: “zeus” hiess sie, so wie der göttervater der griechen. die offizielle hiess “puma”, politisch unabhängige mittelschüler aarau. die trug auf ihre weise etwas zur politischen bildung bei. sie erklärte uns begriffe wie amerikanismus, antikommunismus, antitotalitarismus. doch wurde man den verdacht nicht los, das, was sie schriebe, sei anti-kommunistisch und pro-amerikanisch und selber totalitär.

ich kannte die texte, die man ohne quellenangabe abgedruckt – und manipuliert – hatte. ich veröffentlichte in unserer schülerzeitschrift, was man gestrichen hatte. ich wollte zeigen, wie man aus lexikonerklärungen durch weglassungen politische kampfbegriffe geschaffen hatte.

das hat man mir in der schulleitung, in bürgerlichen politikerkreisen, bei meinen konservativen kommilitonen dauerhaft übel genommen. als gebildet-gefährlich galt ich hinfort; als belesen-bewaffnet, kam ich den andern jetzt vor.

und sie haben mich ausgegrenzt und observiert. bis ganz hinauf, selbst der selbsternannte staatschützer ernst cincera beschäftigte sich mit mir.

seither weiss ich, wie fein die mechanismus beginnen, die zum ausschluss aus der gesellschaft führen. und seither weiss ich auch, dass schwarze schafe im übertragenenen sinne nicht einfach schwarz geboren werden, sondern zu solche werden. da ist aktio und reaktio gleichermassen beteiligt.

ohne ihre vertreiber gibt es keine schwarzen schafe an sich. —

ich schiesse noch rasch ein bild, – von meinen unschuldigen weissen schafen, die, hungrig wie sie jeden morgen sind, am liebsten über den hag fressen. sollen sie doch!

dann kommt das poschi, das mich in die stadt fährt. kein mensch spricht heute mit mir über die schafe. niemand interessiert sich für meine deutung: rassistisch ist das plakat der svp nicht per se, der national-konservative charakter der restauration spricht aber aus ihnen. die errungenschaften des rechtsdenkens, das mit der französischen revolution entstanden ist, sind so bedroht!

was ich von der debatte zum “geheimplan gegen blocher” erwarte, werde ich dafür gefragt. ich antworte: da sind die rollen der treiber, getriebenen, selbsttreibenden und selbstgetrieben so verteilt, das wohl noch über den tag hinaus eine breite grauzone der interpretationen bleiben wird.

stadtwanderer