was war? was ist? was wird?

die zeiten sind hart. und übersichtlich. der neue zeitgeist bedarf der klärung! wer hilft?

obama scheint den kampf ums weisse haus zu gewinnen. selbst republikaner laufen zu ihm über. als präsident kann er dann aufräumen, was ihm bush jr. hinterlassen hat. die höchsten staatsschulden, die amerika je hatte, verantwortet der präsident, der die tiefsten umfragewerte hat, seit man das misst.

die subprime-krise hat die realpolitik erreicht. früher oder später merken auch wir schweizerInnen das. die ubs hat es schon getroffen. 120 milliarden $ musste sie innert jahresfrist abschreiben, soviel wie keine andere bank der welt, die es noch gibt. der staat hat in der not interveniert. der bundesrat hat geführt. dabei aber vergessen, dass er die politik, nicht die wirtschaft vertritt. die kritiken sind entsprechend laut. die leserbriefspalten quellen wegen der bonus-geschichte über. die sp geht auf distanz, wenn es wie anderen orts keine mitsprache gibt. und die svp ist gespalten, zwischen neoliberalen bankern und oppositionellen nationalkonservativen.

generell erwartet man eine grosse diskussion über reregulierung der weltwirtschaft, der schweizer ökonomie. liberalsierungen dürften es schwer haben, etwa im strommarkt angesichts der preisaufschläge, die für die konsumentInnen in aussicht stehen. die grossen geldsummen, die im nu aus dem hut gezaubert wurden, werden neue ansprüche entstehen lassen. und die argumentation dagegen erschweren.

thomas minder wurde noch vor kurzem an der gv der ubs von sicherheitskräften abgeführt, als er marcel ospel abzocke vorhielt. heute, wo alles geändert hat, empfiehlt er sich mit seiner anti-abzocker-volksinitiative gleich selber als volksheld. am liebsten möchte er rasche entscheidung, um zu gewinnen. doch fehlt es ihm an verbündeten, das durchzusetzen.

überhaupt, die signale, die man dieser tage empfängt, sind widersprüchlich. das traditionell linke genf wählt sich einen eher bürgerlichen verfassungsrat. das traditionell rechte huttwil wiederum kennt bei den gemeindewahlen eine linksrutsch. sage mir eine(r ), er oder sie erkenne noch einen einheitlichen trend im volkswillen. das war im letzten oktober einfacher. schön zugespitzt präsentierte sich die lage damals, die jetzt so verworren ist.

wohin geht der zeitgeist? eine frage, die mich beschäftigt, zwischendurch, wenn ich nicht moloche, tief durchatme, und mich und meine zeit hinterfrage. denn das ist normalerweise mein wegweisen beim wandern. momentan funktioniert das nicht mehr, ich trete an ort. und deshalb meine immer gleichen grundfragen:

was war?
was ist?
was wird?

wer hilft, die stichworte zur lage der nation, zum befindlichkeit der zeit genau ein jahr nach den schweizerischen parlamentswahlen neu zu setzen?

stadtwanderer

uuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuuubs

“Wir sitzen nicht mehr auf dem hohen Ross”, sagte ubs-präsident peter kurer im tages-anzeiger vom 17. oktober 2008. das implizierte, dass die banker an der zürcher bahnhofstrasse vormals eben dort waren. und es unterstellte, dass sie ihre position nun verschoben haben.

für den anderen, gleichentags gemachten satz musste sich der gleiche peter kurer bereits heute entschuldigen. gestern noch meinte er; “Ich kann nicht völlig ausschliessen, dass es auch in Zukunft Boni in zweistelliger Millionenhöhe geben wird”. das erschütterte bundesrätin eveline widmer-schlumpf. dass bonusentschädigungen ausbezahlt würden “in einem Moment, wo man so viel Geld in den Sand setzt, kann ich nicht akzeptieren”, sagte sie in der tv-arena. das wiederum verlanlasste den ubs-chef, seine aussage zu relativieren. boni über 10 millionen halte er für stossend, präzisierte er. er werde erst wieder einen zuschlag auf sein salär erwarten, wenn es der bank gut gehen und wenn die schweiz keinen schaden genommen habe.

ob man den historischen augenblick in der schweizer bankengeschichte, der sich am donnerstag ergab, in der schweiz vergessen wird, wage ich zu bezweifeln. ob man sich auch aller zitate dieser tage erinnern wird, weiss ich indessen nicht. 80 sätze, die ihre eigene zeit überlebten, weil sie etwas typisch auf den punkt brachten, hat helge hesse im bemerkenswerte buch “Ich habe einen Traum” zusammengestellt. mit den einschlägigen kommentaren dazu ist ein kaleidoskop zur weltgeschichte des 20. jahrhunderts entstanden. gerne gebe ich die merksätze mit einer denksport aufgabe am schluss dieses beitrags wieder:

Pardon wird nicht gegeben! (Kaiser Wilhelm II.)
Das Ich ist nicht Herr im eigenen Haus. (Sigmund Freud)
E = mc2 (Albert Einstein)
Form follows function. (Louis Henri Sullivan)
Jeder Kunde kann sein Auto in jeder Farbe anstreichen lassen, die er will, vorausgesetzt, es ist Schwarz. (Henry Ford)
Um Gottes Willen, kümmert Euch um unsere Leute! (Robert Falcon Scott)
Besser aufrecht sterben als auf Knien leben (Emiliano Zapata)
Save Our Souls! (Funkspruch in der untergehenden Titanic)
In ganz Europa gehen die Lichter aus. (Edward Grey)
Im Westen nichts Neues (Erich Maria Remarque)
Alle Macht den Räten! (Vladimir Iljitsch Uljanov, genannt Lenin)
Die Welt muss sicher gemacht werden für die Demokratie. (Woodrow Wilson)
Der Untergang des Abendlandes (Oswald Spengler)
Ehrfurcht vor dem Leben (Albert Schweitzer)
Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. (Fred R. Barnard)
Langfristig sind wir alles tot. (John M. Keynes)
Ausgerechnet Bananen! (Fritz Löhner-Beda)
Wenn du Fragen musst, wirst du es nie wissen. (Louis Armstrong)
Ihr seid eine verlorene Generation. (Gertrude Stein)
Das Nichts nichtet. (Martin Heidegger)
Aktionäre sind dumm und frech. (Carl Fürstenberg)
Der amerikanische Traum (James Truslow Adams)
Das Einzige, was wir zu fürchten haben, ist die Furcht selber. (Franklin D. Roosevelt)
Flink wie Windhunde, zäh wie Leder, hart wie Kruppstahl (Adolf Hitler)
Wem die Stunde schlägt. (Ernest Hemingway)
Asien den Asiaten! (Japanischer Propagandaslogan)
Arbeit macht frei. (Eingangstor eines deutschen KZs)
Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen. (Albert Camus)
Das ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. (Film Casablanca)
Sie sterben, damit Deutschland lebe! (Völkischer Beobachter)
Wir sind Euer böses Gewissen! (Die weisse Rose)
Ich weiss, es wird einmal ein Wunder gescheh’n. (Bruno Balz)
Da wir die Atombombe erfunden haben, haben wir sie auch benutzt. (Harry S. Truman)
Alle Tiere sind gleich. (Geogre Orwell)
Darum sage ich ihnen: Lassen Sie Europa entstehen! (Winston Chruchill)
Auge um Auge lässt die Welt erblinden. (Mahatma Gandhi)
Ihr Völker der Welt, schaut auf diese Stadt. (Ernst Reuter)
Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. (Erklärung der Menschenrechte 1948)
Auferstanden aus Ruinen. (Johannes R. Becher)
Um in Israel ein Realist zu sein, muss man an Wunder glauben. (David ben Gurion)
Ich suche nicht, ich finde. (Pablo Picasso)
Es gibt kein richtiges Leben im falschen. (Theodor W.Adorno)
Suicide is painless. (Mike Altman)
Der Tode eines einzelnen Mannes ist eine Tragödie, aber der Tod von Millionen ist nur eine Statistik. (Jospeh Stalin)
A Star is born. (Filmtitel 1954)
Fünfzig Jahre Fortschritt in fünf Jahren (Juscelino Kubitschek de Olivera)
Wohlstand für alle! (Ludwig Erhard)
Der grosse Sprung nach vorn (Mao Zedong)
Das Grauen, das Grauen! (Joseph Conrad)
Fragt nicht, was euer Land für euch tun kann, sondern fragt, was ihr für euer Land tun könnt. (John F. Kennedy)
Die Geschichte wird mich freisprechen. (Fidel Castro)
Das globale Dorf (Marshall McLuhan)
Wir haben uns schrecklich geirrt. (Robert McNamara)
Three quarks for Muster Mark (James Joyce)
Ich habe einen Traum. (Martin Luther King jr.)
In Zukunft wird jeder einmal für fünfzehn Minuten berühmt sein. (Andy Warhol)
All You Need Is Love. (John Lennon/Paul McCartney)
Sozilalismus mit menschlichem Antlitz (Alexander Dubcek)
Die schweigende Mehrheit (Richard Nixon)
Eine Frau braucht einen Mann, wie ein Fisch ein Fahrrad braucht. (Irina Dunn)
Houston, wir haben ein Problem. (James Lovel)l
Macht kaputt, was euch kaputt macht. (Ton Steine Scherben)
Die Grenzen des Wachstums (Club of Rome 1972)
Scheisse nochmal, Allende ergibt sich nicht! (Salvador Alllende)
That’s Lucy in the Sky with Diamonds. (Julian Lennon)
Anything goes. (Paul Feyerabend)
Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen. (Helmut Schmidt)
Schwerter zu Pflugscharen! (Bibel)
Der Mensch ist nicht frei, wenn er einen leeren Geldbeutel hat. (Lech Walesa)
Vielleicht hat uns der Herr diese Seuche gebracht, weil unterlaubter Sex gegen die Zehn Gebote verstösst. (Ronald Reagan)
Wir amüsieren uns zu Tode. (Neil Pstman)
Wir brauchen die Demokratie wie die Luft zum atmen. (Michail Gorbatschow)
Read my lips: no more taxes. (George H.W. Bush)
I dit it my way. (Frank Sinatra)
Wir sind das Volk. (DemonstrantInnen in der DDR 1989)
It’s the economy, stupid. (James Carville)
Das Ende der Geschichte (Francis Fukuyama)
One person, one vote (Wahlprinzip)
Der Kampf der Kulturen (Samuel P. Huntington)
Ein Land, zwei System (Deng Xiaoping)

so, und nun wüsste ich gerne, welchen titel ihr wählen würdet, um die auslaufende woche für die geschichte festzuhalten!

stadtwanderer

quelle: helge hesse. ich habe einen traum. eichborn, 2008

der grosse abwesende

eigentlich hätte heute der dalai lama tenzin gaytso in bern sprechen sollen. doch er hatte sich schon im voraus krankheitshalber entschuldigen müssen. schade, seine menschliche wärme im religiösen wie auch politischen diskurs hätte gut getan.

die einladung zum besuch der stadt hatte der berner gemeinderat ausgesprochen. wohl hoffte die stadtregierung, sich so dieses jahr nach dem holländersturm ein zweites mal in der orangenen menge sonnen zu können. doch daraus wurde durch die freundliche, aber verbindliche absage, die der dalai lama wegen seiner erschöpfung der bundesstadt erteilen musste, nichts.

wäre der dalai lama heute persönlich da gewesen, wäre das “stadtgespräch” im berner kornhaus, das dem thema “politik und religion” gewidmet war, sicherlich inspirierter ausgefallen. arthur k. vogel, chefredaktor des berner “bund”, begründete einleitend zurecht die begeisterung für den dalai lama mit dessen umfassenden ausstrahlung politik und religion beseele und den menschen hoffnung gebe. das negierte selbst die feministische theologin sophia bietenhard nicht, auch wenn sie im dalai lama weniger eine religiöse instanz sieht, sondern ihm als spirituellen führer versteht. hektor leibundgut von der zeitschrift reformatio sieht im dalai lama den vertreter eine unverbrauchten religion, die anders als das christentum frieden nicht nur predige, sondern auch lebe.

die diskussion machte einen weiten bogen, während dem im wahrsten sinne über gott und die welt gesprochen wurde. dabei kamen die unterschiede zwischen den religionskulturen zum vorschein, seien sie nun buddhistisch, jüdisch, islamisch oder christlich geprägt: vom hohen stellenwert der aufklärung bei uns war mehrfach die rede, von den menschenrechten als moralisch-rechtlicher grundlage der politik ebenfalls, und schliesslich auch von der trennung von kirche und staat und dem laizistisch geprägten volksschulwesen. das alles wurde als errungenschaften des kulturellen fortschritts gewürdigt, der religionsfreiheiten, toleranz und pragamtismus im öffentlichen diskurs erst ermöglicht hat, ohne dass man sich dem nützlichkeitdenken der ökonomie verschlossen habe.

die probleme damit sah der katholisch erzogene journalist vogel am ehesten beim islam, derweil die kirchenleute die fundamentalitischen tendenzen in der eigenen gesellschaft kritisierten, seien es nun die radikale säkularisierung in europa oder die evangelikalischen strömungen in der angelsächsischen welt. dabei war unüberhörbar, dass die beiden vertreter der reformierten landeskirche resp. des evangelischen glaubens lieber über das verhältnis von religion und politik als vom umgekehrten sprachen. es schwang auch unübersehbar das leiden am bedeutungsverlust von kirchen, religionen und konfession in der rational-funktionale gesellschaft mit.

auf dem heimweg dachte sich der stadtwanderer, dass es ganz gut gewesen wäre, hätte der grosse lehrer aus dem tibet heute dem vorherrschenden kulturpessimismus seine fröhlich heitere art, weisheit zu vermitteln, entgegengehalten. denn an den heutigen diskussionen vermisst er nicht nur ihn, sondern auch sein charisma, das normalerweise menschliche wärme in politische wie auch religiöse diskurse bringt.

stadtwanderer

das bild der dalai lama mit dem musiker lotem gamling der auch ohne den grossen lehrer in bern spielte

der süsse erfolg

sie ist unterschiedlich lang, aber immer dreieckig. sei hat je nach grösse eine variierende zahl an zacken. doch jeder ist so majestätisch wie die schweizer berge. und die verpackung ist seit menschengedenken gleich. genau deshalb ist sie ein klassiker der werbewelt.


das fest “100 jahre toblerone” dauert noch an (fotos: stadtwanderer)

die rede ist von der toblerone. jede(r) kennt sie. viele schätzen die schoggi. und alle wissen, dass sie eine einmalige form hat, die in speziell gelb silhouette und roter aufschrift verpackt ist.

erfunden hat die toberlone-verpackung der berner unternehmer theodor tobler im jahre 1908. man produzierte damals gute schokolade. doch man wollte sich von allen anderen vergleichbaren produkten unterschieden. deshalb setzte man im berner unternehmen frühzeitig auf werbung und marketing. der berner bären stadt für die lokale verbundenheit, das matterhorn für die globale ausstrahlung der alpen.

100 jahre danach kann man sagen: das unterfangen ist gelungen! toblerone ist eine weltmarke. in 120 ländern der welt wird die schokolade vertrieben. sie steht für schweizer schoggi schlechthin.

auch wenn der familienbetrieb zwischenzeitlich der kraft food company gehört, produziert wird unverändert in bern. einen substanziellen teil zum welterfolg des qualitätsproduktes hat die markenpolitik beigetragen. mögen die berner als konservative, fanatsielose und risikoscheue zeitgenossen gelten. die toblerone zeigt, dass das unzulässig verallgemeinerungen sind. denn theodor tobler hat mit mut, unvoreingenommenheit und zukunftsblick 1908 eine weltmarke geschaffen, die sich sehen lässt.

nicht wenige bernerInnen gedenken heute vor dem münster dieser innovation. musik wird gespielt, und informationen werden verteilt. kühe, die gemolken werden können, fehlen genauso wenig wie bienen, die den süsstoff zur schokolade liefern.

nur kaufen kann man das erfolgsprodukt heute nicht, hiess es eben vielsagend von der bühne. geniessen jedoch schon, fügte der sprecher der schoggiveranstaltung bei, wenn man sich auf das fest in der berner altstadt einlässt …

stadtwanderer

bewusste provokation, damit man merkt, was es geschlagen hat

man hat schon lange auf seine stimme gewartet. denn er ist einer der besten kenner der region bern. und er war in jeder diskussion darüber, ob bern ein metropolitanraum sei oder nicht dabei. nun hat er sich in der berner zeitung ausgiebig geäussert. kaum zur freude der berner regierungen, schätze ich. doch gerade das ist seine absicht.


paul messerli ist eher von kleiner statur. er wirkt eher ruhig. gerade deshalb sollte man ihn nicht unterschätzen: der geografieprofessor an der berner universität ist ein knallharter analytiker, ein exzellenter kenner der grossregion bern, und ein grosser geist oben drein.

nun hat er sich in einem grossen interview in der berner zeitung in die laufende debatte über die definition der metropolitanräume eingemischt. die gemüter in der berner stadt- und kantonsregierungen wird er damit nicht beruhigt haben; vielmehr dürfte die angeschobene debatte über die stellung berns in der schweiz und europas jetzt erst recht losgehen.

deshalb fasse ich die argumente messerlis hier schon mal zusammen:

erstens: metropolitanregionen sind stadtregionen, die als produkt der wirtschaftlichen globalisierung eine neue ebene von zentralität erreichen, die weit über die landesgrenzen hinausreicht. die schweiz hat wohl zwei solcher metropolitanregionen: jene zürichs und jene genfs. diskutabel ist, ob basel zu zürich zählt oder eine eigene metropolitanregion ist.

zweitens:
aus globaler perspektive wäre es ungünstig, wenn sich alle regionen in die gleiche richtig entwickeln. besser ist es, wenn jede seiner stärken bewusst wird und die pozenziale erkennt. der raumbericht des bundesamtes ist eine realistische auslegeordnung der räume und funktionen der schweiz.

drittens:
berns stärken liegen bei der politik und im verkehr. die schwäche sind bei der internationalen anbindung, den spezifischen diensten für wirtschafts-, finanz- und informationsflüsse und der innovationskraft.

viertens: der bericht ist jedoch unpräzise, sollte man die raumplanerische einteilung dazu benützen wollen, künftig unterschiedliche pro-kopf-finanzflüsse des bundes in die regionen zu leiten. da ist die aufregung unter den berner politikerInnen berechtigt.

fünftens: bern ist umgeben von einem kranz mittelgrosser städte. gemeinsam kann dieser raum ein wirtschaftlich und kulturell interessantes städtenetz sein. freiburg, neuenburg und solothurn können sich auch zu den nächstgelegenen metropolitanräumen orientieren. bern stünde dann als zentrum der ländlichen schweiz alleine da.

sechstens: bern hat das grösste interesse, die entwicklung des städtenetzes voranzutreiben, um nicht marginalisiert zu werden. bern muss nicht etwas hochreden, das nicht ist, aber seine hausaufgaben machen. dazu braucht es ein leadership, wie es etwa bei der durchführung der euro ’08 sichtbar wurde, in institutionellen fragen jedoch fehlt.

am schluss des interviews wird paul messerli konkret. er geht davon aus, dass das bundesamt für raumplanung bewusst provoziert habe, damit man in bern merke, was es geschlagen hat. genau daran strickt der renommierte geografieprofessor mitten im städtischen wahlkampf munter weiter.

stadtwanderer

bisherige beiträge in dieser sache:
die neue dynamik der städteregionen auch in bern vorantreiben
die definitionsmächten
völker, hört die signale
bern grollt

berner weltkulturerbe im banne der lokalpolitik

die mittelalterliche stadt bern gehört zu den drei ersten denkmälern in der schweiz, welche die unesco ins weltkulturerbe aufgenommen. 25 jahre ist das her; und damit zeit zu feiern. die gedanken zum gedenktag des grössten und bedeutendsten denkmals in der bundesstadt fielen unterschiedlich aus; genauso wie die reaktionen, insbesondere zum versuch des burgerpräsidenten, im münster lokalpolitik zu betreiben.

die grussbotschaften zur feier
während der musikalisch auslassenden feier erinnerte eduard müller, der für die unesco arbeitet, was an bern besonders sei: die mittelalterliche altstadt stelle ein einmaliges zeugnis einer untergegangenen zivilisation dar. bestens erhalten geblieben seien die grundfesten der zähringerstadt, während sich die nutzung der jeweiligen zeit respektvoll angepasst habe. die eintwicklung einer stadt ohne brüche habe die unesco 1983 überzeugt, sie in weltkulturerbe aufzunehmen. genau an diesem vorhaben will jean-daniel gross, berns denkmalpfleger weiter arbeiten. die stadt und der kanton hätten die auflagen der weltorganisation für kultur verinnerlicht, meinte er, ohne still zu stehen. das könne aber nur erhalten bleiben, wenn sich alle ebenen des staates einsetzten. insbesondere beim bund stünden die finanziellem mittel im krassen gegensatz zum öffentlichen interesse am erhalt von identitätsstifendem kulturgut.

was das unesco-label für die kommunikation der stadt bedeute, führte alexander tschäppät aus. der stadtpräsident profilierte sich dabei als politiker von welt. bern könne sich dank der auszeichnung mit venedig und florenz vergleichen, was tourstInnen anziehe. bern habe sich dem internationalen wettbewerb der cities mit seinem attraktiven angebot an städtebaulicher kultur gestellt, bevor das marketing der urbanen lebenswelten eingesetzt habe. das bringe bern seit langem touristInnen in die stadt.

eine eigentliche grundsatzrede hielt franz von graffenried, präsident der burgergemeinde, an der unesco-feier im berner münster. er gebärdete sich als eigentlicher herr über das kulturerbe an der aare. es gehöre niemandem, der heute lebe, doch würde man verantwortung für das tragen, was die vorfahren geschaffen hätten. geprägt durch frühre konflikte um stadtveränderungen, sei man sich der grossen aufgabe bewusster geworden “familiensilber verscherbelt man nicht. – auch nicht unsere schlösser!”, rief er den anwesenden zu. damit traf er die ihre stimmung genau, sodass ihm spontaner abpplaus sicher war.

die provokation aus burgerlicher sicht
vielleicht war der erste der konservativen burger dadurch übermütig geworden. jedenfalls verpatzte er seinen abgang, als er die unesco-feier um den gedanke erweiterte, der vor allem die bernburger von altem schrot und korn beschäftigt. jüngst habe man den vorschlag gemacht, die wächterin über das welterbe in bern abzuschaffen, spielte von graffenried auf die debatte an, welche die historikerin katrin rieder mit ihrer doktorarbeit über die burgergemeinde lanciert hatte. würde man diesen plan zuende denken, meinte würde das zwar mehr geld für die sozialhilfe der stadt bedeuten. doch frage er die anwesenden, “ob man statt schöner zunftstuben asylantenheime in den erwürdigen häusern der burger wolle.” er jedenfalls sei um keine antwort auf diese frage verlegen: nein, danke, laute sie.

manch einer und einem im münster war immer noch sprachlos, als sie oder er unter dem vollgeläut der münsterglocken die feier verliess, an der man über die leistungen der stadterbauer und -unterhalter gedenken wollte, welche vor 25 jahren bei den wirklichen wächtern über das weltkulturgut auch ohne lokales lamento ihre volle anerkennung fanden.

stadtwanderer

mein ausführlicher artikel über das berner weltkulturerbe

demokratie-wanderung wird verfilmt

am 30. september 2008 führe ich 10 international tätige medienschaffende durch bern. sie werden meine stadtwanderung zur demokratie filmen.

demokratietagung in aarau, die mir die ehre einbringt
demokratietagung in aarau, die mir die hohe ehre einbringt

sie heissen joe mathews, leon chuang, dainis ivans, charles reilly, walter cudlip, dennis engelhardt, kalina vlaikova, lisbeth kirk, akio igarashi und bruno kaufmann. sie kommen aus den usa, aus japan, aus taiwan, aus uk, aus ost-, west- und nordeuropa. sie alle sind eine woche auf einladung des europäischen initiative&referendum instituts, unterstützt von präsenz schweiz, in unserem land. sie werden die arbeit in abstimmungsbüros studieren, 5 seminare mit politikerInnen und praktikerInnen der direkten demokratie absolvieren. sie werden die innerschweiz und bern bereisen, und sie werden im neu gegründeten zentrum für demokratie in aarau einer fachtagung unter staatsrechtlerInnen und politikwissenschafterInnen beiwohnen.

ich bin ganz glücklich, dass sie meine demokratietour als vorbereitung in ihr dicht gedrängtes programm durch die schweiz, ihre politik, geschichte und zukunft aufgenommen haben. denn das eröffnet die chance, dass die zentralen botschaften, die ich nun seit 3 jahren auf meinen führungen über das werden und wachsen der ältesten und ausgebautesten form der direkten demokratie auf der welt wirklich verbreitung finden.

wer weiss, am ende muss ich mit noch ein übersetzungsprogramm besorgen für das stadtwanderer-blog?!

stadtwanderer

die mythen der realität

also bin wieder da. doch noch immer bin ich nicht ganz angekommen. das macht mich aufmerksamer für das, was real und was fiktiv ist. eine aufforderung zu selbstbefragung!

0200nwsw.jpg

meist meint man ja, das internet virtuell, und das andere sei dann reell. ich ist das viel zu einfach: das internet wird vielerorts eine virtuelle realität (so auf dem” stadtwanderer”), genauso, wie wir seit langen bei vielen gelegenheiten reelle virtualitäten kennen.

wenn wir sie nur sensibel genug wahrnehmen!

da ist mir natürlich bei meinem ersten besuch in einer berner buchhandlung das buch “die 101 einflussreichsten personen, die es nie gab” aufgefallen. drei kauzige amerikaner sind den vorbildern ihrer (oder der westlichen) kultur nachgegangen, und haben sich gefragt, wer davon auf andere gewirkt hat, obwohl er (oder auch sie) nie gelebt hat.

dafür eigenen sich natürlich vorerste die vergangenen helden. bei ihnen ist es bisweilen ganz schwer zu unterscheiden, ob die kunden von ihnen auf eine wirkliches oder erfundenes leben zurückgreift. es kommen aber auch ikonen der gegenwart in frage. die werbung neigt dazu, uns projektsflächen anzubieten, die, wenn es keine lebenden menschen dafür gibt, vorstellungen davon zum leben erweckt. und wird aus dem buch, das hier besprochen wird, eine sammlung populärer mythen, die teil unserer kultur geworden sind, auch wenn wir sie nicht realen ursprungs sind.

gerade weil das buch von dan karlan, allan lazar und jeremy salter eine echte innovation auf dem buch- und ratingmarkt ist, sind seine aussagen ungewohnt. das fordert fast automatisch zu diskussionen heraus: wer hat die auswahl bestimmt? wie weit spielen da die präferenzen der autoren, nicht die vorlieben der untersuchten kultur eine rolle? wie wurde die reihenfolge bestimmt? was sind verallgemeinerbare faktoren des fiktiven einflusses? das liegt an sich auf der hand. die autoren wissen das, und bemühen sich um transparenz. letztlich aber wissen sie, dass ihr unterfangen keine höhere moral, nur eine unterhaltsame selbstbespiegelung ist.

im einzelfall wundert man sich darüberhinaus über die porträts. gelegentlich ist man begeistert, dann wiederum schüttelt man den kopf, wenn man in eine fiktion eingeführt wurde. doch das macht ein buch anregend. man beginnt selber nachzudenken, wer in der kindheit einflussreich war, der lebensphase, in der man in märchenbüchern, abendteuer- und monstergeschichten, fast unmöglich zwischen realem und fiktivem unterscheiden kann. beim schmökern im neuen, soeben aus dem englischen ins deutsche übersetzte buch wird man auch herausfordert, seine aktuellen vorstellung von wirklichkeit zu prüfen: gibt es in der agentenwelt den james-bond-typ wirklich nicht? king kong ist er nicht am 11. september 2007 auferstanden? und cinderella oder ödipus, sind sie fiktiv vorlagen für populäre psychologische menschendeutungen, mit denen man gutes geld verdienen kann?

unsere drei autoren, alles aussteiger aus dem amerikanischen karrierejobsystem, wissen wie man provoziert: von ihrer rangierung mit den nummer 1 bis 101 gebe ich deshalb hier mal die ersten 10 wieder:

1. der marlboro-mann

2. big brother

3. könig artus

4. st. nikolaus

5. hamlet

6. frankensteins monster

7. siegfried

8. sherlock holmes

9. romeo und julia

10. dr. jekyll und mr hyde

auch für den den stadtwanderer haben die drei amis eine überraschung parat: der in diesem blog so oft zitierte wilhelm tell findet sich, ohne jede problematisierung, an 42. stelle der einflussreiche menschen, die es gar nie gegeben hat. das wird hierzulande nicht allen gefallen, selbst wenn die österreicher die problematik, die mich hier interessiertl, so treffend zusammengefasst haben: ob tell gelebt hat, ist nicht sicher; sicher ist nur, dass er gegen habsburg gekämpft hat!

ich kann da nur noch nachfragen: wenn hätte ihr zu den supereinflussreichen gezählt, die nur in eurer vorstellung real sind?

stadtwanderer

dan karlan, allan lazar, jeremy salter: die 101 einflussreichsten personen, die es nie gab. wie barbie, james bond und hamlet uns verändert haben, aus dem englischen von barbara först, bergisch gladbach 2008

die ganze liste

gib e geiss!

da wollte ich unerkannt durch die stadt des schaffhauser-bocks. erfolgreich wich ich den vertretern der zottel-partei aus, die für ihre einbürgerungsinitiative warben, um direkt beim geissenpeters vom heks aufzulaufen.

bild-212.jpg

ruedi lüscher, meist negi genannt, kenne ich seit jahren, – noch aus meinen aarauer zeiten. später traf ich ihm bei seinem arbeitgeber, – dem heks. und jetzt sind wir uns auf dem schaffhauser fronwagplatz begegnet.

“gib e geiss!” ist das projekt, das ruedi für heks leitet. die sache ist einfach: man spendet für eine geiss, die einer verwitweten frau mit kindern zu gute kommt. die geiss gibt milch, was nährt. und sie produziert mist, was die böden düngt.

das ist gleich doppelt gut: “Die Ernte wird besser”, verspricht das hilfswerk der evangelischen kirche, “und es bleibt sogar etwas übrig, das die familie auf dem Markt verkaufen kann. Vom Erlös kauft die Frau Kleider, Salz, Seife, Waschmittel, Medikamente und vor allem Hefte und Stifte für ihre Kinder, damit diese zur Schule gehen können.”

doch damit nicht genug: eine geiss bringt mehrere jungen zur welt. “Nach alter Tradition”, so der geisspeter über die geissenbesitzer, geben diese “eines davon an eine andere Witwe weiter. So setzt sich der Geissenkreislauf fort: Die Geiss dient fortan weiteren Frauen und Kindern als Starthilfe für ein Leben ohne Hunger.”

also habe ich mich von als bezeugender geissenspender von ruedi ablichten lassen. war ganz schmerzlos: blauer hintergrund, eine geiss im vordergrund, und ich dazwischen.

den obulus von 30 chf. habe ich selbstverständlich entrichtet, – und so meine erste geiss als stadtwanderer gespendet!

und sie? wandern sie auch in städten? spenden sie auch für geissen?

stadtwanderer
(in schaffhausen)

 

das immer währende projekt “demokratie”

schweiz_in_sicht.jpgdas wird eine interkulturelle herausforderung: zwei tage vor den volksabstimmungen vom 1. juni 2008 führe ich, gemeinsam mit iri-europe eine koreanische delegation durch die stadt bern. aus aktuellem anlass, aber auch um meine demokratie-freunde mit der politischen kultur berns und der schweiz bekannt zu machen, habe ich meine stadtwanderung für ausländische Gäste neu konzipiert, gekürzt und erweitert.

hier schon mal das neue programm für den freitag, 30. mai, ab 17 uhr!

1. station: gerechtigkeitsbrunnen

grosse fragen, verschiedene antworten – oder die geschichte berns zwischen aristokratie und republik

2. station: rathaus

die französische besatzung – oder die misslungene revolution von oben

3. station: erlacherhof

die liberale kantonsgründung – oder die revolution der bürger und bauern gegen die stadtaristokratie

4. station: casino (ehemalige hochschule)

die freisinnige staatsgründung – oder die schweiz von heute

5. station: bundesplatz

die geburt der volksrechte – oder der beginn der konkordanz-politik

6. station: hotel bern (ehemaliges volkshaus)

die soziale bewegung – oder aufstand und integration der arbeiterschaft

7. station: schützenmatte

die neue soziale bewegung – umweltschützerInnen, feministinnen und alternativler machen druck

8. station: hotel national

die neue nationale bewegung – oder die schweiz als sichere insel im brandenden weltmeer

danach ist, wie bei jedem projekt, vorläufig schluss!

anschliessend gemeinsames nachtessen im restaurant moléson

stadtwanderer

bild: schweiz in sicht, von vincent golay, zeichnungen: mix&remix, vertrieben durch präsenz schweiz

das tagtägliche chaos: skala des bösen

wer kennt das nicht: man hat zeit zum lesen, reisst seiten aus der zeitung, die man gerne vertieft studieren möchte, und dann … klingelt das telefon! danach ist der faden gerissen, den man zu spinnen begonnen hatte, der artikel landet auf der grossen beige um ende woche ungelesen entsorgt zu werden, sodass der traum, die zeit, in der wir leben, besser verstehen zu können, einmal mehr vertagt wird. jetzt ist fertig damit: ich eröffne die rubrik “das tagtägliche chaos verstehen”, – und hoffe, ihr, meine geneigten leserInnen, helft mir bei der verarbeitung der lektüre!

p5040389.JPG

drei seiten, die mich heute beschäftigt haben: die skala des bösen, die operation bubenberg und die zeitzeichen für die ewigkeit (foto: stadtwanderer, anclickbar)

am meisten beschäftigt hat mich heute der inzest-skandal in österreich. was es braucht, dass man ein so schreckliches leben führt wie josef fritzl, ist mir unerklärlich. michael stone, professor für forensische psychiatrie, hingegen befasst sich, wie die nzz am sonntag schreibt, seit 30 jahren mit dem widerwertigsten verhalten von menschen. also muss er es wissen.

als seinen schlimmsten fall bezeichnet stone den kannibalen von montana. der verkleidete sich als polizist, schleppte jungs ab, vergewaltigte, tötete, koche und ass sie auf. in seinem haus fand man verschlüsselte kochbücher mit rezepten für die eintopf aus menschenfleisch. stone hat aus solchen fällen eine skala des bösen entwickelt. 22 stufen kann er zwischenzeitlich unterscheiden. fritzl, vermutete er, sei auf der 16. von 22. stufen: “psychopaths committing multiple vicious acts”, heisst sie im fachjargon.

die hauptsächlichen ursachen, die für schwerst abweichendes verhalten in frage kommen, sind genetische defekte, gewalt in der kindheit und deformationen durch unfälle. was bei fritzl den ausschlag gab, weiss aber auch der experte nicht.

aus meiner sicht bleibt die frage, was geschehen muss, dass alle grenzen, die der normale mensch kennt, um zwischen drang und verhalten zu unterscheiden, fallen.

stone spricht in diesem zusammenhang davon, dass sexuell motivierte serienmorde, die 17. stufe, seit den 60er jahren des 20. jahrhunderts zunehmen würden. er gehe davon aus, dass mehrere serienmörder unerkannt unter uns leben würden. seine these für diese entwicklung lautet: “Seit der feministischen Bewegung, seitdem die Frauen eine grössere Freiheit erlangen konnten und sich schneller scheiden lassen, sitzen immer mehr sexuell frustrierte Männer alleine zu Hause. Sie kompensieren ihre «verlorene» Macht und Dominanz, indem sie überreagieren und Frauen brutal behandeln.”

da frage ich: stimmt das alles? oder ist es medial überzeichnet? muss ich jetzt die skala des bösen auswendig lernen, um im alltag schwere psychopathen zu erkennen, wenn ich mich auf der strassse bewege, in einem restaurant esse, oder mich an einem fremden ort vergnüge?

stadtwanderer