endlich hauptstadt

wie nur hat bern gelitten, dass es 1848 sitz der bundesbehörden wurde, ihr aber der titel der hauptstadt der schweiz verweigert wurde. bundesstadt ist sie seit dem, denn offiziell hat die schweiz gar keine hauptstadt. diesen titel teilen sich inoffiziell verschiedene städte: zürich sei die hauptstadt der wirtschaft, heisst es. genf jene der internationalen beziehung, und basel ist die hauptstadt der kultur in der schweiz, kann man hören.

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jetzt aber ist alle klar. bern ist endlich hauptstadt. hauptstadt des europäischen fussballs. nirgendswo sonst geht die post während der laufenden europmeisterschaften so toll ab, wie in bern. bern ist quais über nacht zum epizentrum der der fussballemotionen. dank den holländern, welche die stadt vollständig in beschlag genommen haben, und, je mehr sie mitfavoriten auf den em-titel entzaubern, die stadt bern verzaubern.

fast schon glaubt man bernerdam seit 2008 zur neuen hauptstadt von holland geworden!

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wasserballeuropameister

2569733063_26159ac843.jpgwas trauert ihr? – wir sind auf dem besten weg, europameister im wasserball zu werden. das ist doch schon mal was, um sich ein klitzekleines bisschen zu freuen. zeigt euch nicht nur als schönwetter-europäerInnen. seid abgehärtete und beständige schweizerInnen. ein kleines völklein, das sich vor allem in widerlichen klimatischen situationen durchzusetzen weiss!

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stadtwandern vor 150’000 fans

das wird eine grosse herausforderung: am kommenden freitag den 13 habe ich meine nächste stadtwanderung in bern: vor 15 gästen und 150’000 fans!

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die demokratie-tour ist schon lange abgemacht. für eine gruppe aus thun, rund um heinz fahrni, dem säckelmeister des mittelalter!thun-vereins. das alles ist kein problem: demokratie leuten zu erklären, die sich in finanzen oder mittelalter auskennen, ist zwar nicht ohne, aber lösbar!

doch nun kollidiert der termin mit dem fussballspiel italien-rumänien, und findet im unmittelbaren vorfeld von frankreich-niederlande in der stadt bern statt. nach dem montag-erlebnis erwartet man ja unmengen von fans in der stadt bern. und genau das wird die herausforderung sein: den link zu finden, der meine 15 gäste u n d die 150’000 zuschauer begeistern wird! werde noch daran arbeiten …

stadtwanderer

start:

17 uhr 30 beim gerechtigkeitsbrunnen in der berner altstadt (geschlossene gesellschaft, steht jedenfalls in meinen notizen)

ps:

soeben hat die berner stadtregierung entschlossen, extra für uns eine dritte fanzone in der stadt einzurichten. es kann also nichts mehr nicht schief gehen …

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tagesanzeiger

die stadt als stadion

weder der berner bundesplatz, noch der benachbarte waisenhausplatz sind ein fussballfeld. es ist kein rasen in der stadt, auf dem ein spieler gegen einen torwart einen elfmeter schiessen könnte. und doch ist das publikum da. so zahlreich wie noch nie. die meisten sind heute orange, von oben bis unten. die wenigsten sind blau, wenigstens des t-shirts wegen.

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die farbenlehre ist ganz nützlich. wenn der schreie von der orangenen seite kommen, dann sind die hupländer im angriff, und wenn sich die stimmen in blau anschwellen, waren die tifosi im gegnerischen strafraum. wobei niemand in der stadt ernsthaft damit rechnet.

diese signalsprache lernt man rasch, wenn man nicht in der vordersten reihe ist und keinen blick auf die mega-leinwand werfen kann. denn so bleibt man auf dem laufenden, wie das spiel im weit entfernten berner wankdorf real steht. dort ist ja die prominenz, und es sind die elite-fans anwesend.

für die vielen normalen supporterInnen, die sich kein ticket leisten oder keines ergattern konnten, ist die stadt das stadion. die zuschauerzahl multipliziert sich so fast ins unendliche. genauso wie die gefühlswallungen der anhängerInnen. denn alle sollen heute dabei sein dürfen, wenn gefühle ausbrechen, freudentränen fliessen, trauer die menge erfasst.

mit emotionen wartet man jedoch nicht, bis das abendliche em-spiel beginnt. denn die wahrhaftigen fans sind seit dem morgen in der stadt. sie haben die cafes gestürmt, vielleicht in einem souvenirladen geschmöckert, sicher einige biers getrunken, um ich im nahen stadtpark ausgzuruhen

schon über mittag waren sie wieder auf der gasse. haben gelacht, getanzt und sich gefreut. fliegt ein ball durch die luft, sammelt sich die energie in der masse spürbar. denn jeder möchte den kopfball kicken, der zum entscheidenden tor führt. und wenn er misslingt, applaudiet die menge rundherum lachend. denn die stimmung ist mehr ausgelassen als auf angriff angestellt.

wo ein brunnen ist, kommt es unweigerlich zur männershow. schon steht der berner söldner auf dem peiler im holländer-nationaldress wache, und sein hund hat einen italiener-tanga über die ohren gestreift erhalten. im brunnentrog toben sich die oranjer aus, bis selbst das wasser die farbe ihren hosen annimmt.

unter dem druck der masse scheint nun die stadt zu schwanken. wenn die fans auf der terassenrestaurant in fahrt kommen, schwappt die stimmung schon mal über die ganzen plätze. dann vereinigen sich die vielen stimmen zum kollektiv. damit jeder in der stadt weiss, wer die lufthoheit inne hat.

public viewing ist in bern neu. das phänomen mit grossleinwänden, fanzonen und massenaufläufen ist erst im 21. jahrhundert aufgekommen. 2002 wurde es in südkorea kreiiert. und seither globalisiert sich die bewegung. sie erfasst die menschen aller kontinente, die bei grossen sportereignisse freiwillige zu botschafterInnen ihrer länder werden.

getreiben wird die bewegung allerdings durch den kommerz. breitflächige werbung wacht über den massen. plakate und schaufenster reizen die blicke, und artikel, die dazu da sind, identifikationen zu schaffen, finden in der aufkommenden trance reissenden absatz. nichts ist dem zufall überlassen, selbst wenn überall volounters die arbeit verrichten.

zu zehntausenden sind vor allem die holländer heute in bern. nie wurde die stadt in so kurzer zeit so umfassend schnell und gründlich besetzt. immerhin, die allermeisten kickerfreunde sind friedlich, scheuen sich letztlich doch, eine schlechte falle zu machen. und fürchten wohl auch die zahlreich patroullierenden sicherheitskräfte.

unmittelbar vor dem ominösen spiel gegen den weltmeister strömen die holländer aus allen richtungen in die altstadt. die kramgasse füllt sich, und der kornhausplatz gehört im nu den flachländern. selbst über die aarebrücke dehnen sie sich aus, soweit das auge reicht. kein stehtplatz ist heute nicht besetzt heute!

sie freuen sich, dass sie aus der stadt ein stadion, aus den strassen schauplätze und aus den trottoirs tribünen gemacht haben, ohne dass wirklich jemand weiss, wer eigentlich gewinnt oder verliert. selbst wenn in der aufgekommenen stimmung nie jemand daran gezweifelt hat, dass holland 3:0 siegen würde.

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mehr bilder vom tag:

“bern wirkt wunder”

bild-049.jpgpatriotisch gesprochen hatten die schweizer pech. der lattenschuss war so was von ärgerlich. 10 zentimeter tiefer, und vonlanthens ball wäre im gegnerischen lattenkreuz verschwunden. sportlich ausgedrückt können die schweizer jedoch unverändert keine tore schiessen, – egal ob es sich um vorbereitungs- und meisterschaftsspiele handelt.

entgegen allen guten vorsätzen war ich heute während des spiels schweiz gegen tschechien in der stadt. wo menschen sind, zieht es einen einfach hin.! dem sog der masse kann ich mich einfach nicht entziehen. genau 1 minute vor spielbeginn war ich an der ominösen, illegal aufgestellten euro-tafel, die uns wochenlang vorgerechnet hatte, wann endlich das spiel der spiele beginnt.

mein erstes “public viewing” auf dem bundesplatz war schrecklich. pumpenägeli voll war das grosse gatter. ich kam mir vor wie ein schaf, das wartet, ins bundeshaus geführt zu werden. bei der eingangskontrolle nervten sich schon die ersten, die nicht eingelassen wurden. und so hatte ich schnell mal ein nachsehen, und räumte meinen viertelquadratmeter für eine anderes schaf.

die kleinen bars auf dem kornhausplatz und in der aarbergergasse waren da viel gemütlicher. überall interessierte menschen, die einen am fussball, die anderen andern am mädchen nebenan. aber alle blieben korrekt. gelegentlich war da auch ein bronco oder eine polizistin, die aufwallungen im gemüt noch schneller konterten als valon behrami auf die fehler der tschechen reagierte.

natürlich war das grobe foul gegen unsere freiheit ein stimmungsdämpfer. der ganze spuk könnte für alex schon nach einer halbzeit vorbei gewesen sein. tränen bei profis sind eher selten und fliessen kaum grundlos.

in bern sorgte natürlich die einwechslung von hakan mächtig für stimmung. man war restlos überzeugt. die schweizer nati ist jetzt so gut wie es yb jüngst in basel war.

“scheiss euro 08” steht auf kleinen klebern, die heute überall in der stadt angebracht wurden. trotz ihrer recht hohen zahl gehen sie allerdings schon flächenmässig unter. die pro-werbung für die em domininert fast so haushoch wie weiland bei der einbürgerungs-initiative.

die leute, die heute so zahlreich in der stadt sind, haben politik längst weggekippt. sie freuen sich, wenn die grazile cubanerin serviert, gerade weil sie das im portugiesen-dress macht. und die riesigen dunkelhäutigen sicherheitsmenschen irritieren in den fanzonen auch niemanden. eigentlich ganz gut, das politische kommunikation nicht nachhaltig ist.

“huere geili stimmig ir stadt”, meinte der jugendliche zuschauer neben mir. und stösst mit mir an, als die zweite halbzeit anfängt. “bern wirkt wunder” steht auf unseren bechern. doch das ist nur werbung, die stapi tschäppät als teil seiner wiederwahlkampagne abgesegnet hat. und so bleibt das wunder denn auch aus.

die schweiz verliert das eröffnugnsspiel zur euro08 0:1. soviel habe ich sogar als fussballbanause begriffen.

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die krux grosser parteien in der schweiz

das neue thema kündigt sich an: die fussball-europameisterschaft. meine prognose für den final: frankreich-kroation, und frankreich gewinnt. ich gebe allerdings zu, dass ich gar nichts verstehe von fussball. das ist ja in der politik nicht ganz der fall. und diese woche war politisch, wie kaum eine zuvor. deshalb meine ernsthafter gemeinte einschätzung zur politischen entwicklung, die ich als historiker mache.

parteien, die auf nationaler ebene 28 prozent erreichen, haben mühe, das auf die dauer zu halten oder gar zu steigern, sie neigen dazu, durch neue parteien konkurrenziert zu werden.

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quelle: tages-anzeiger, 2.6.08

man errinnert sich: die svp war im vergangenen oktober mit 28,9 prozent wählerInnen-anteil und 62 nationalratsitzen nicht nur wahlsiegerin; sie erreichte damit ein für schweizerische verhältnisse einmaliges ergebnis in der volkskammer.

die bisherigen erfahrungen mit grossen parteien

bisherige leaderin war die fdp, die 1919 auf 60 sitze und 28,8 prozent stimmen kam. das leitete sich vor allem aus den zeiten ab, als noch das majorzwahlrecht galt, währenddem die fdp die parlamentswahlen klar dominierte, danach sank die fdp fast kontinuierlich ab, konnte sich nur 1951 und 1971 wieder steigern, und ist sie heute bei den bekannten 15.8 prozent.

unter proporzbedingungen schaffte es die sp 1928 auf 27.2 prozent und 56 sitze, und erreichte sie 1955 27 prozent bzw. 55 nationalratsmandate. nach 1928 konnte sie das politisch nicht ummünzen, nach 1955 schon. vier jahre später stieg die damalige oppositionspartei mit 2 bundesräten in die oberste liga der schweizerischen parteien auf. doch gelang es ihr danach nie mehr, als ihre elektorale stärke ganz anzuknüpfen, obwohl sie sich zwischen 1995 und 2003 stets verbessert. der hauptgrund liegt darin, dass sie konkurrenz im eigenen lager bekommen hatte, zuerst durch die neue linke, dann durch die grünen resp. grünliberalen, die ihr aus der opposition wählerInnen streitig machten.

die cvp wiederum hatte ihr historisches hoch unter proporzbedingung 1963 mit 23.3 prozent wähleranteil und 48 nationalratssitzen. sie profitiert damals von der neuen dynamik, die sich aus der zauberformel für den bundesrat ergeben hatte. doch kippte diese recht rasch ins gegenteil, und die cvp erhielt mit dem ldu vorübergehend eine erhebliche konkurrenz in der politischen mitte, die nicht nur gemässigte zentrumswähler, sondern auch aufkommende nonkonformisten zwischen den blöcken ansprach. sie versuchte sich mit einem volksparteienkonzept 1971 neu zu plazieren, was ihr bis ende der 70er jahren auch gelang. wie die fdp leidet sie seit her jedoch an innerer demobilisierung und an der konkurrenz der svp.

die herausforderungen für die svp

diese wiederum schien dem bisherigen gesetz der grösse von parteien unter proporzbedingungen 2007 entrinnen zu können. mit ihrem starken mobilisierungsfähigkeit, die sich durch abgrenzung gegen über den anderen parteien, aber auch den massenmedien ausdrückte, die personell und thematisch stark zugespitzt agierte und die auf einer recht eisernen parteidisziplin von oben her geführt basierte, schaffte sie bei den letzten nationalratswahlen, was bisher niemandem gelungen war.

doch nun zeigen sich, für den historiker, nicht überraschend die grenzen der grösse. der druck von oben funktioniert nur, solange man erfolg hat. diese sind mit dem offiziellen oppositionskurs schwieriger zu erreichen, denn die inneren widersprüche der partei zeigen sich auf kantonaler und lokaler ebene deutlicher als auf der nationalen. sie führen zu richtigungskäpmfen zwischen national- und liberalkonservativ geprägten exponenten, die sich an der frage der regierungsbeteiligung einerseits, des politischen umgangs mit dem gegner anderseits entzündete. dies weitet sich aktuell in den bekannten ausschlüssen aus, denen wiederum spaltungstendenzen folgen.

der stand der dinge

gegenwärtig sind vier positionen zu erkennen:

erstens jene von bundesrätin eveline widmer-schlumpf und der bündner svp, die mit der vaterpartei gebrochen haben und entschieden sind eine neue zukunft suchen,

zweitens jene von bundesrat samuel schmid, der gruppen bubenberg, die eine liberale svp ausserhalb der schweizerischen svp wollen, aber zögern, mit ihr zu brechen, solange die position der basis nicht bestimmt ist,

drittens jene von peter spuhler, der in der breit verankerten svp thurgau gelernt hat, dass in einer volkspartei verschiedene meinung platz haben müssen und das als erfolgsrezept auch der svp schweiz empfiehlt, und

viertens jene der parteileitung und insbesondere christoph blochers, die weder inhaltlich noch stilistisch kompromisse eingehen will und durchhalteparolen herausgibt, weil sie das als abkehr vom bisherigen konsequenten kurs, der die partei nach vorne gebracht hat, betrachtet.

noch ist offen, was daraus wird. zwischen ende des aufstiegs und sturm im wasserglas scheint einiges möglich.

zunächst wird sich die partei selber finden müssen. sie wird damit zeichen setzen, die bei den anderen parteien, bei den wirtschaftsverbänden, in den medien und in der öffentlichkeit gelesen werden und so mitbestimmen werden, wie sich die elektorale kraft der svp inskünftig entwickelt. parteien. die wählerschaft zeigt zunehmend gegenreaktionen und grenzt sich bewusster von der oppositionspartei svp ab.

der blick nach vorne: ab jetzt nur noch fussball

das ist zwar keine handfeste prognose, wie beim tschutten, die auch bald auf ihre richtigkeit überprüft werden kann. es ist aber eine historisch genährte einschätzung der gegenwärtigen entwicklungen, die der stadtwanderer mal so stehen lässt. und sich freut, wenn frankreich im em-final gewinnt …

stadtwanderer

undemokratisch?

ich tagi von gestern stand folgender, bemerkenswerter leserbrief:

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quelle: tages-anzeiger, 3. juni 2008

über die schlussfolgerung will ich mich hier nicht äussern. wir machen weder für noch gegen parteien werbung. der erste satz indessen ist bemerkenswert.

der souverän ist der inhaber der obersten staatsgewalt. in monarchien ist das der könig. in republiken indessen ist es das volk.

die schweiz ist seit 1848 eine republik. die staatsgewalt ging damals vom volk (der nation) und von den kantonen (den staaten) aus, und sie verband sich im bundesstaat.

in repräsentativen demokratien bestimmt der souverän über die verfassung, und er nimmt die wahl der organe wahr, die demokratisch legitimiert sind. in der schweiz ist der souveränitätsbegriff seit 1874 weiter entwickelt. denn volk und stände müssen auch über einzelne verfassungsänderungen resp. -zusätze entscheiden, und das volk kann auch über gesetzesänderungen abstimmen, wenn es will.

wenn sich der souverän bei den abstimmung vom wochenende in undemokratischer art und weise über den volkswillen hinweg gesetzt hätte, hätten sich die stimmenden, die kantone und ihre aktiven bürgerInnen, die den souverän bildeten, mit ihrem direktdemokratischen akt über den volkswillen hinweg gesetzt. doch der volkswille wird in direkten demokratien nicht anders als mittels volksabstimmungen bestimmt. das kann nicht undemokratisch sein!

logisch gesehen geht das also nicht auf. es gibt meines erachtens nur zwei möglichkeiten, dem problem zu entrinnen:

erstens, die stimmbürgerInnen, die sich in volksabstimmungen äussern, und die Kantone, die sich so auch vernehmen lassen, wären nicht mehr souverän.

oder zweitens, der volkswille wird mittels einer neuartigen, mir weiters nicht bekannten form bestimmt.

bin gespannt, wer mir das problem löst!

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fragen über fragen

wenn ich meine reaktionen sammle, die ich seit dem sonntag beim wandern, in cafes und bei der arbeit zur lage der schweiz bekomme, merke ich so richtig, wie viele fragen sich plötzlich auftun. nicht nur für mich, auch für die menschen rund um mich herum, für viele menschen vielerorts.

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deshalb meine nachfragen:

was ist eigentliche geschehen, und wie könnte es weiter gehen?

ich liste mal fragen auf, und sie alle, die regelmässig oder gelegentlich hier beim “stadtwanderer” vorbei schauen, sind gebeten, ihre anworten zu geben. und zwar zu:

erstens, was ist seit dem abstimmungswochenende vom 1. juni 2008 anders? wie waren die unüblichen ergebnisse, namentlich zur einbürgerungsinitiative möglich? die nein-kampagne zur einbürgerungsinititive kann es ja nicht gewesen sein – doch was dann hat die wende ins nein bewirkt?

zweitens, was geschieht mit der svp? war sie nur konsequent, oder hat sie einfach übertrieben? kommt blocher zurück, oder scheidet er aus der politik aus? gelingt der svp gang in den jungbrunnen der opposition, oder ist es ein marsch in die bedeutungslosigkeit? hat die svp eigentlich eine oppositionsstrategie, oder reagiert sie nur noch auf ereignisse, die ihr bisher fremd waren?

drittens, entsteht eine neue bürgerliche regierungspartei, regional oder nation, die mit anstand, sachbezogen und dossierfest politisieren und so auch überzeugen kann? gibt es eine thematische nische, um sich unverwechselbar zu etablieren? wer wären die personen, die das in der führung und kommunikation leisten könnten?

viertens, sind die verbliebenen regierungsparteien in der lage, der svp in der opposition stirn zu bieten? gibt es eine gemeinsame strategie zwischen sp, fdp/lp und cvp/evp/gfl? braucht es einen einbezug der grünen? oder soll man bei der nächst möglichen gelegenheit einen aus der svp reihen in den bundesrat aufnehmen? und was ist das regierungsprogramm, über das 2011 angerechnet werden soll?

fünftens, jetzt, wo wir grosse regierungs- und grosse oppositionsparteien haben, haben wir da auch ein passendes politisches system dazu? ist die konkordanz am ende, weil weder die inhaltliche noch die arithmetische konkordanz funktionieren? müssen die svp-kommissionspräsidenten im eidg. parlament jetzt zurücktreten, und werden svp-bundesrichter noch durch parteikollegen ersetzt? und brauchen wir einen koalitionsvertrag der regierungsparteien, gegen den sie kein referendum ergreifen dürfen?

sechstens, steuern wir auf gute oder schlechte zeiten zu? ist die abstimmung über die personenfreizügigkeit die grosse weichenstellung? oder warten wir einfach, bis neuwahlen kommen, auch wenn das erst in drei jahren ist?

siebtens, hat die schweiz heute visionen, gestalter und treiber, die sie fortbewegen können? was ist ihr inhalt, und wer ist ihr bester kommunikator?

ich freue mich auf antworten, auch wenn sie nur eine oder einige der fragen über fragen aufnehmen!

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bild: flickr

hoher besuch aus korea

am letzten freitag abend war noch meine stadtwanderung mit meinem hohen besuch aus korea. der war eben erst um die halbe erde angereist, um in bern gleich als erstes in die geschichte der demokratie in der schweiz eingeführt zu werden.

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(foto: bruno kaufmann)

viel zum gelingen der tour beigetragen hat jun-ho chang, politik-professor in soeul, der in münchen studiert hatte und der, soweit ich rückmeldungen bekommen habe, ausgezeichnet zwischen deutsch und koreanisch übersetzte und interpretierte. besondere freude hatte professor chang, als ich ihm zeigte, wo einst georg friedrich hegel in bern gelebt hatte, denn chang hat über eben diesen hegel als begründer internationaler normen der weltgesellschaft doktoriert. vor überraschung hat er mich gleich umarmt! er fand übrigens auch meinen vortragsstil speziell. am anfang musste er immer wieder ein wenig lachen. er sagte beim nachtessen, er sei es nicht gewohnt gewesen, dass ein wissenschafter so herzhaft aus dem leben gegriffen anschaulich-bildhaft und dramatisch-energisch erzähle.

die gruppe selber war im auftrag der korea democracy foundation unterwegs. diese wird seit 2001 staatlich gefördert und hat die aufgabe, an der demokratisierung der gesellschaft zu arbeiten. das formelle war der gruppenleitung ganz besonders wichtig. beim nachtessen hat die stiftung mit dem stadtwanderer gleich einen eigentlichen freundschaftsvertrag signiert. bald wandere ich also auch in soeul! vor dem neuen baldachin hat man mich schon mal umgebung von kreanischen parlamentariern fotografiert.

während und nach der führung hatten wir einige interessante diskussionen über die bestimmung von demokratie, vor allem über moderne und vormoderne demokratievorstellungen. diese debatte ist nicht nur für die schweiz von belang, sondern ganz offensichtlich auch für korea. dr. lee, die weltgewandte delegationsleiterin, zum beispiel war der auffassung, in korea gäbe es mehr vormoderne traditionen von demokratie als moderne.

da waren sie natürlich bei mir gerade an der falschen adresse: denn meine demokratieführung leitet demokratie nicht auf der polis-herrschaft der antiken griechen städte ab, weil diese keine vorstellung von der gleichberechtigung aller menschen entwickelt hatte. das gehört für mich unverzichtbar zu den demokratischen grundwerten.

vielmehr begründe ich bei meinen führungen demokratie in der europäischen aufklärung, dem naturrecht, den menschenrechten und in den ideen der französischen revolution. und das hat meine teilnehmerInnen, glaub ich, durch die vermittlung von professor chang verstanden zu haben, schon mal ganz stark herausgefordert. nicht nur die zeitverschiebung, die meine mitwandererInnen in ihren immer schwerer gewordenen beinen mitschleppten!

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albertus tee

der tag war hart. viele eindrücke. aber kaum sonnenschein. ich habe im studio gearbeitet, und das wandern sich auf einige meter zwischen computer und analysepult. doch gegen schwache nerven und fehlenden schlaf gibt es ein untrügerisches rezept: den albertus tee!

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am morgen mochte ich fast nicht aufstehen. ich war noch so verschlafen, als der wecker um 6 uhr zur tagwacht blies. und im zug nach zürich habe ich gleich wieder geschlafen. schade für den café latte, den ich auf der berner welle erstanden hatte. in zürich war er kalt.

der paukenschlag des abstimmungstages war deutlich. um viertel vor zehn orientierte uns eine mittelgrosse stadt in der innerschweiz über den stand der dinge aufgrund der schriftlichen abstimmung. da war mir alles klar. das gibt neineinein! unsere eigenen erhebungen bestätigten und verfeinerten dies bis 14 uhr. 36-25-31 sind die neuen masse des svp-modells.

jetzt mag ich fast nicht ins bett gehen. der tag ist noch weitgehend unverarbeitet. er dreht und dreht sich in mir. ich hatte eben noch eine feine unterhaltung mit der slowakei. das dortige radio vermeldete das hauptergebnis des tages in den 6 uhr schlagzeilen: die schweiz verschärft das einbürgerungsrecht nicht!

um mich doch noch zu beruhigen, habe ich zwei mittel: ein wenig bloggen, und einen albertus tee, aus dem klostergarten. guet nacht!

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neues berner postkartenbild

gestern nahmen die berner senatoren den neuen bahnhofplatz in beschlag. exklusiv. heute nun ist das volk an der reihe. gut durchmischt feiert es unter dem baldachin. doch an die 400 bauarbeiter, welche die büez geleistet haben, scheint niemand zu denken.

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ausser irene karpiczenko-wasem. auf diesem blog keine unbekannte. sie hat den ganzen umbau des berner bahnhofplatzes dokumentarisch mitverfolgt und belegt. und sie hatte eine originelle idee: das berner postkarten-bild soll neu geprägt werden. ihre besten fotos während des baldachinbaus stellt sie heute im dachgeschoss des burgerspital aus.

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dabei kommen die schweren brummer in gelb, die kabel in blau, der beton in grau und die bauarbeiter in orange vorzüglich zu geltung. bravo, jungle-jill! mein berner postkartenpreis ist dir sicher.

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der plan des stadtwanderers

nun ist es soweit: meine planung für stadtwanderungen vor den sommerferien ist abgeschlossen. ich mache noch drei führungen, davon eine offene. konkret sind dies:

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30.5.: demokratie-tour, delegation der korean democracy foundation (geschlossene gesellschaft)

13.6.: demokratie-tour, delegation aus thun, geleitet von heinz fahrni (geschlossene gesellschaft)

22.6.: offene führung durch die ausstellung “karl der hühne”

im juli ist sommerpause. danach sind vorerst zwei führungen gebucht:
28.8. demokratie-tour, jahrestreffen der cohep (geschlossene gesellschaft)

30.9. internationale delegation, geleitet von iri europe (thema und status noch offen)

eine führung in schaffhausen ist für den september in planung. mehr darüber später!

also: wer in der stadt ziellos umherirrt, der oder die schliesst sich uns besser an, oder regt selber eine führung an!

ein heisses wochenende unter dem schützenden baldachin, wünscht der

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bagdad in bern ?

nun ist er in aller leute mund, der neue baldachin auf dem berner bahnhofplatz. schade nur, dass sich niemand gedanken macht, was woher das wort und sein sinn nur kommen!

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ich will es gleich sagen: der neue baldachin auf dem berner bahnhofplatz gefällt mir gut. ich habe die aufregung während der ausschreibung, der planung und der entscheidungen resp. dem rekurs zum bau nie richtig verstanden. gut, während des baus selber bin ich als quasi-nachbar des bahnhofplatzes manchmal auch genervt gewesen. jedenfalls war ich froh, als sich das ende abzeichnete.

in einsamen studen bin ich dabei den wortbedeutung von baldachin nachgegangen, und habe folgendes herausgefunden:

erstens, baldachin, im italienischen baldacchino, steht für einen stoff, konkret für den brokatstoff, der fest und gemustert ist, aus seide besteht, und in den dem goldfäden eingewoben wurden. verkauft wurde dieser stoff, der aus dem fernen osten kam, am häufigsten in badgad, auch baldach genannt, womit die überleitung klar ist.

zweitens, der brokatstoff wurde in der regel als dach über einem bett aufgemacht und diente den ruhenden als schutz. diese bedeutung des wortes hat sich später auf die architektur übertragen, wenn auch nicht für so profane dinge wie das bett und den schlaf. vielmehr meint der baldachin hier die prunkvolle überdachung von thronen und kanzeln, die dem kaiser oder dem papst gehörten. selbst wenn diese herrschaften unterwegs waren, hatten sie gerne einen baldachin dabei, gestützt von dienern, der die würdenträger und ihre pferde vor hitze und regen abschirmen sollte.

drittens, das wort baldachin ist im 17. jahrhundert auch ins deutsche übertragen worden, nicht zuletzt von vermögenden bauern, die etwas auf sich hielten und jetzt wie die herrschaften von damals ein himmelbett hatten. gerne versteckten sie in den dicken stoffen über dem bett auch das ersparte, das sie auf die “hohe kante” legten.

natürlich: bern ist nicht bagdad. unser duo tschäppät&rytz, das beim bau des berner baldachins federführend war, hat keine diener mehr, die sich schützend über die rotgrünen herr&frauschaften stellen würden. die reichen bauern aus dem emmental wiederum werden mit sicherheit nichts im berner baldachin verstecken, denn dafür ist ist der glasbau viel zu transparent.

doch der neue baldachin gefällt, was auch immer man mit ihm symbolisieren wollte, – auf jeden fall dem

stadtwanderer

foto: stadtwanderer

programm zum eröffnungsfest vom 31. mai 2008

wenn bernfans burgunderfans werden

baernfan.gifeigentlich war eine private führung meinerseits durch die grosse burgunder-ausstellung geplant. doch dann wurde der kleine kreis der zuhörerInnen immer grösser, bis …

ich hielt heute morgen punkt 10 uhr im foyer des berner historischen museums die rede, die ich gestern auf dem “stadtwanderer” entwickelt habe. prompt vergrösserte sich mein anhang geladener gäste. das war zwar nicht vorgesehen. unangenehm war es aber auch nicht!

im ersten stock erzählte ich dann spontan über die familie der herzöge von burgund und merkte, wie sich der kreis der interessiert horchenden von saal zu saal vergrösserte. bei den ausführungen zum treffen von herzog karl mit kaiser friedrich war der anhang schon ganz ordentlich, sodass ich lauter sprechen musste. als ich dann im grossen saal mit den prächtigen burgunder-tapisserien die osterfeier von karl in der lausanner kathedrale inszenierte, hatten ich das publikum endgültig auf meiner seite.

schliesslich wurde ich gefragt: “werter herr longchamp, wo kann man sie für solche führungen buchen?” – ich antwortete, das sei eigentlich privat. man gab mir zu verstehen, das habe man an der rezeption auch schon gehört. dennoch möchte man eine ganze führung erhalten.

so sag ich’s auf diesem weg: wenn sie wollen, schreiben sie dem stadtwanderer! wenn ich zeit finde, mach’ ich das noch das eine oder andere mal. zum beispiel während der euro 08, da ziehe ich kulturelle veranstaltungen dem biergelage ohne lernwert vor.

und: es macht mir spass, wenn aus bärnfans nun auch burgunderfans werden!

stadtwanderer

PS:

Die Spezialseite von Radio DRS zur Burgunder-Ausstellung mit vielen O-Tönen

lob der wildsau!

wohin auch immer ich heute trat: ich suhlte mich in herumliegenden gratiszeitungen. nicht nur 20 minuten lang. nicht nur zur besten news-zeit. und auch nicht nur, um in der schweiz mal einen punkt zu setzten. und alle hatten sie ähnliche titel. von wildsäuen war die rede. doch wie lieblos wurde da berichtet. wie kenntnisschwach waren die texte! gerade so, dass ich mich zu einem exkurs in der soziobiologie der wildschweine-wildsäue veranlasst sehe.

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quelle

migrationshintergründe

was oft verschwiegen wird: viele der heutigen wildschweine-wildsäue haben migrationshintergrund. früher einmal, da waren die urchigen tiere in fast ganz eurasien verbreitet. dann kam es überall zur verstädterung der gegenden, zur intensiviereung der landschaften, und die verbreitung der wildschweine-wildsäue ging fast überall zurück. nicht zuletzt weil auch andere grosstiere ihren lebensrau zu bedrängen begannen.

was nun alle wissen: die tiere sind intelligent und standhaft! wildschweine-wildsäue können sich wehren, denn auch sie sind gross und stark. wer sie ernsthaft bedroht, kann schon mal ihre hufe zu spüren bekommen.heute erobern sie verloren geglaubte territorien auf dem ganzen kontinent zurück: bis in die hauptstädte europas dringen sie vor!

man hat wildschweine-wildsäue jüngst in berlin gesichtet, und neuerdings trifft man sie regelmässig auch in bern an. in zahlreichen städten entdeckt man dieser tage ihre spuren. die wildschweine-wildsäue-zählerInnen gehen schon von einigen tausend exemplaren – nur im deutschsprachigen raum – aus. verunsicherten stadtregierungen diskutieren denn auch schon intensiv, ein striktes fütterungsverbot für die wildschweine-wildsäue zu erlassen.

in den weltoffenen vereinigten staaten werden wildschweine-wildsäue gar aktiv eingebürgert. sie sollen andere, vom ausstreben bedrohte tierarten stärken! sie mischen sich schon ganz toll, und neuartige rassen entstehen, sodass die wildschwein-wildsäue-hüterInnen immer wieder unterarten entdecken und registrieren müssen. ein buntes treiben ist das!

man stelle sich nur vor, das würde auch hierzulande schule machen: mischlinge, die sich verbreiten würden, gingen ja noch. doch könnten auch abartige wesen entstehen, verunglückte wildschweine-wildsäue-klone, die alles traditionelle berohen würden wehret den anfängen, höre ich da schon lauthals rufen!

gegen schlammschlachten gefeit

man vergesse nicht: wildschweine-wildsäue sind ausgesprochen überlebensfähig. selbst dort, wo die erde karg ist, finden sie nahrung. denn sie können, besser als alle anderen tiere, selbst härteste böden knacken. mit ihrem kräftigen gebiss sind sie sogar in der lage, kokosnüsse aufzubrechen. kein widerstand ist ihrer ungebändigten kraft zu hart. und wenn es um wildschweine-wildsäue mal so richtig kalt wird, stellen sie ihr fell, und legen sie ein wenig schutzspeck an. bis dass der sturm vorbei ist!

schlammschlachten jeglicher art können wildschweinen-wildsäuen nichts mehr antun. denn sie haben gelernt, damit umzugehen: je mehr schlamm, desto hartnäckiger werden sie! sie suhlen sich darin, sie lassen ihn trocken werden, denn dann schützt er am besten vor unliebsamen sticheleien lästiger insekten. und wenn deren saison dann wieder vorbei ist, reiben sich die wildschweine-wildsäue an bäumen, um den dreck zu entfernen. frisch geputzt machen sie sich dann zu neuen taten auf.

unterschiede zwischen wildschweinen und wildsäuen

wildschweine – und jetzt spreche ich ganz bewusst nur von ihnen – lieben männchenkämpfe. wo auch immer sie beute wittern, ergeben sich ausgiebige hierarchiekämpfe. denn wildschwein kennen überläufer. das sind solche, die meinen, zum zuge zu kommen, bevor sie etwas für die gemeinschaft geleistet haben. verhindert werden muss solches in der wildschwein-gesellschaft!

das imponiergehabe der männchen ist schon fast ein ritual. man scharrt mit den hinterbeinen, und man wetzt den kiefer! eckzähne werden gezeigt, ober- und unterkiefer werden zugeschlagen, sodass es fürchterlich kracht. und es werden die borsten am kamm gestellt, bis sich jeder im weiteren umkreis vor dem angreifer fürchtet. wenn zwei spitzen-männchen miteinander rivalisieren, kann nur einer überleben. ihr schulterkampf ist unerbitterlich. selbst vor blutigen verlusten schrecken sie nicht zurück. denn die schlacht setzt sich solange kompromisslos fort, bis einer aufgibt, freiwillig flüchtet oder ausgestossen werden kann!

wildsäue – und auch da sprechen ich bewusst nur von ihnen – sind da besonnener. sie denken weniger an sich. vielmehr ist ihnen die zukunft ihrer art wichtig. sie bauen sorgfältig ihr nest und schauen darauf, dass die sonne es wärmt. wenn wildsäue werfen, gibt’s gleich viele. sieben ist die regel! die aufzucht erfolgt dann in mutterfamilien. bisweilen bleiben die wildsau-töchter bei der mutter, auch wenn sie selber nachwuchs haben. in dieser einzigartigen form des aufkommenden wildsau-matriarchats haben wildschweine nichts mehr zu suchen. begegnen sich verschieden wildsau-mutterfamilien, wahren sie respekt voreinander! denn ihr gemeinsames fortkommen ist ihr lebensziel. und genau das lob ich mir hier!

stadtwanderer

gib e geiss!

da wollte ich unerkannt durch die stadt des schaffhauser-bocks. erfolgreich wich ich den vertretern der zottel-partei aus, die für ihre einbürgerungsinitiative warben, um direkt beim geissenpeters vom heks aufzulaufen.

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ruedi lüscher, meist negi genannt, kenne ich seit jahren, – noch aus meinen aarauer zeiten. später traf ich ihm bei seinem arbeitgeber, – dem heks. und jetzt sind wir uns auf dem schaffhauser fronwagplatz begegnet.

“gib e geiss!” ist das projekt, das ruedi für heks leitet. die sache ist einfach: man spendet für eine geiss, die einer verwitweten frau mit kindern zu gute kommt. die geiss gibt milch, was nährt. und sie produziert mist, was die böden düngt.

das ist gleich doppelt gut: “Die Ernte wird besser”, verspricht das hilfswerk der evangelischen kirche, “und es bleibt sogar etwas übrig, das die familie auf dem Markt verkaufen kann. Vom Erlös kauft die Frau Kleider, Salz, Seife, Waschmittel, Medikamente und vor allem Hefte und Stifte für ihre Kinder, damit diese zur Schule gehen können.”

doch damit nicht genug: eine geiss bringt mehrere jungen zur welt. “Nach alter Tradition”, so der geisspeter über die geissenbesitzer, geben diese “eines davon an eine andere Witwe weiter. So setzt sich der Geissenkreislauf fort: Die Geiss dient fortan weiteren Frauen und Kindern als Starthilfe für ein Leben ohne Hunger.”

also habe ich mich von als bezeugender geissenspender von ruedi ablichten lassen. war ganz schmerzlos: blauer hintergrund, eine geiss im vordergrund, und ich dazwischen.

den obulus von 30 chf. habe ich selbstverständlich entrichtet, – und so meine erste geiss als stadtwanderer gespendet!

und sie? wandern sie auch in städten? spenden sie auch für geissen?

stadtwanderer
(in schaffhausen)

 

die 10 goldenen faustregeln des stadtwanderns

416872976_853ccec62f2.jpg1. einen unbefangenen rundgang durch den neuen ort machen und sich beeindrucken lassen.

2. geschichte des ortes im überblick aufarbeiten.

3. themen eines rundganges festlegen.

4. orte zu den themen suchen.

5. gedanklich einen zusammenhängenden weg durch die orte und themen finden.

6. den weg ein erstes mal alleine abmarschieren und die zusammenhänge verbessern.

7. eine stadtwanderung machen und die geschichten an den ausgewählten orten andern erzählen.

8. wieder von vor lesen, um die geschichte vertiefter kennen zu lernen.

9. erneut wanderern, um die neuen erkenntnisse in den rundgang einzubauen.

10. stufen 8 und 9 immer wieder wiederholen.

viel spass beim eigenen erkunden!

stadtwanderer

(in schaffhausen)

foto: flickr von isa d

prediger auf dem fronwagplatz

der anfang in schaffhausen war krass. prediger beherrschten den fronwaagplatz und entsetzten die passantInnenp5160158.JPG.

ich bin heute abend an meinem ziel angekommen und wollte einen kleinen ersten erkundungsspaziergang machen. auf dem fronwaagplatz standen dann fünf herren im mittleren alter. vor ihnen lag ein kleiner koffer: “die bibel” war darauf zu lesen. jeweils einer der fünf herren trat reihum vor und begann zu predigen.

die moral der heutigen zeit sei tief ganz gefallen, war die laute anklage. die menschen würden sich nur noch ihrer gegenwärtig lust hingeben. die frauen von heute seien alles huren. sex vor der ehe sei der normalfall, eine sünde sei das. denn es sei natürlich, damit bis zur heirat zu waren. viele kinder würden so gezeugt, die dann abgetrieben werden müssten. mord sei das, schrieb der vorbeter gerade über den platz, als ich auf ihrer höhe war.

die meisten menschen, die passierten, hörten einige sekunden hin. dann wandten sie sich schockiert ab. nicht wegen dem erzählten, sondern wegen den erzählern. junge paare schauten sich an und schüttelten den kopf. einzelne frauen hielten sich beim vorübergehen gar die ohren mit beiden händen dicht.

auch ich ging vorbei, in den nächsten buchladen, um mich mit literatur über schaffhausen einzudecken. “der rheinfall” war mein thema. doch auch in der buchhandlung verhandelte man schon die bibelleute von nebenan.

“unsere religion ist doch durch prediger entstanden”, sagte meine nachbarin. ihre nachbarin auf der anderen seite wiederum war entsetzt:” ja”, antwortete sie, “aber sie predigten über das leben. die hier wollen uns das leben nur noch schwerer machen. ich kann da nicht mehr zuhören.”

ich habe meine bücher bezahlt und lief zum bahnhof zurück. wem man auf den fronwaagplatz jetzt noch begegnete, der oder beachtete die prediger nicht mehr. nicht wenige von ihnen schienen mit ihrem handy schwer beschäftigt zu sein. ob sie mit ihren lieben verbunden waren, in ihrer eigenen welt, die gerade beklagt wurde, kann ich nur vermuten.

stadtwanderer (erster abend in schaffhausen)

der alltägliche horror

p5150133.JPGden sommer 1993 verbrachte ich im rollstuhl. am 19. märz verunfallte ich und bracht mir beide beine gleichzeitig. bis ende august war ich so stark gehbehindert, dass ich auf einen rollstuhl angewiesen war. das hat mir die augen geöffnet, für vieles, was man im alltag so gerne übersieht.

berns strassen tragen zwar viel zum sympathischen stadtbild bei. doch sind sie für rollstuhlfahren ein horror.

alles beginnt mit den geleisen, die schmale räder gerne gefangen nehmen. es geht mit den pflastersteinen weiter, die nicht nur schrecklich holpern, sondern auch die radführung erschweren. und schliesslich gibt es die zahlreich auf- und abfahrten von trottoirs, die einem das geradeausfahren auf dem gehsteig bisweilen verunmöglichen.

noch nie darauf geachtet? ganz normal!

den was man als fussgängerIn unter den füssen hat, wird zuerst durch schuhwerk abgeschirmt. und es ist so im normalfall auch leicht begehbar. selbst kleine stufen nimmt man mit jugendlichem schritten und ohne jegliches bedenken.

erst als ich im rollstuhl sass, begann ich mich zu wundern, wieviele hindernisse für nicht-fussgänger es überall hat. nicht nur in bern. viele davon entstehen durch mangelnde sensibilisierung. andere sind grenzenlos zynisch. so das behinderten-wc in einem schweizerischen bahnhof, das nur über eine treppe erreicht werden kann. der krasseste fall, dem ich damals so hilflos gegenüber sass, ist heute gottseidank verschwunden.

das hat auch mit dem engagement der behindertenorganisationen in der öffentlichen planung, der ausbildung von architektInnen und den stadtparlamenten zu tun. seit ich die welt vom rollstuhl aus gesehen habe, verstehe ich das viel besser. und ich finde auch jede unterstützung für die erleichterung des alltags von behinderten richtig. denn sie ist keines stück des weges im kampf gegen den vergessenen, alltäglichen horror behinderter menschen.

jede und jeder kann hierzu einen persönlichen beitrag leisten. zum beispiel am berner solidaritätsfest von diesem wochenende, zu dem 30 behinderteninstitutionen aufrufen und an dem über 100 künstler auftreten werden. das ändert zwar die verkehrswege in bern nicht, hilft aber behinderten in der dritten welt. hier schon mal das programm!

ich hatte das glück, im herbst 1993 wieder aus dem rollstuhl aufstehen zu dürfen und seither stadtwandern zu können. das haben nicht alle, die im rollstuhl sitzen.

stadtwanderer

das immer währende projekt “demokratie”

schweiz_in_sicht.jpgdas wird eine interkulturelle herausforderung: zwei tage vor den volksabstimmungen vom 1. juni 2008 führe ich, gemeinsam mit iri-europe eine koreanische delegation durch die stadt bern. aus aktuellem anlass, aber auch um meine demokratie-freunde mit der politischen kultur berns und der schweiz bekannt zu machen, habe ich meine stadtwanderung für ausländische Gäste neu konzipiert, gekürzt und erweitert.

hier schon mal das neue programm für den freitag, 30. mai, ab 17 uhr!

1. station: gerechtigkeitsbrunnen

grosse fragen, verschiedene antworten – oder die geschichte berns zwischen aristokratie und republik

2. station: rathaus

die französische besatzung – oder die misslungene revolution von oben

3. station: erlacherhof

die liberale kantonsgründung – oder die revolution der bürger und bauern gegen die stadtaristokratie

4. station: casino (ehemalige hochschule)

die freisinnige staatsgründung – oder die schweiz von heute

5. station: bundesplatz

die geburt der volksrechte – oder der beginn der konkordanz-politik

6. station: hotel bern (ehemaliges volkshaus)

die soziale bewegung – oder aufstand und integration der arbeiterschaft

7. station: schützenmatte

die neue soziale bewegung – umweltschützerInnen, feministinnen und alternativler machen druck

8. station: hotel national

die neue nationale bewegung – oder die schweiz als sichere insel im brandenden weltmeer

danach ist, wie bei jedem projekt, vorläufig schluss!

anschliessend gemeinsames nachtessen im restaurant moléson

stadtwanderer

bild: schweiz in sicht, von vincent golay, zeichnungen: mix&remix, vertrieben durch präsenz schweiz