die klosterstadt schaffhausen

mittelalterliche städte wie schaffhausen entstehen in der regel an verkehrsknotenpunkten. die traditionelle west/ost-achse, gegeben durch den rhein, und die neu aufkommenden nord/süd-achse gaben den ausschlag, dass schaffhausen im 11. jahrhundert als stadt entstand. ihre gründung hat jedoch nicht nur profane gründe; sie ist teil eines machtvollen aufschwungs der klosterbewegung des hochmittelalters.

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kleine und grosse zusammenhänge der stadtgründung

wer im 11. jahrhundert von basel nach konstanz oder anders gesagt von bischofssitz zu bischofssitz wollte, nahm mit vorteil die rheinroute. sie garantierte ein schnelles fortkommen, – ausser beim grossen und kleinen laufen, den beiden wasserfällen bei den heutigen städten schaffhausen und laufenburg. da musste man das schiff verlassen und die mitgebachten gäste und waren für einige kilometer auf dem landweg transportieren.

der ort der heutigen altstadt schaffhausen war diese umladestelle oberhalb des rheinfalls. im 11. jahrhundert existierte schon eine siedlung mit kleiner kirche genau an der stelle, an der heute die schaffhauser stadtkirche st. johann steht. doch sollte nicht diese die stadtwerdung schaffhausens bestimmen, sondern der überregionale weltliche und kirchliche zusammenhang.

1045 erhielt eberhard, seit 9 jahren graf im südlilch des rheins gelegenen zürichgau das münzrecht für den flecken schaffhausen. das sicherte ihm die herrschaft über den handel an der umladestelle. seinen sitz verlegte der graf nun in die nähe des handelsplatzes, genau genommen auf die nellenburg. hinfort nannte er sich graf eberhard I. von nellenburg.

könig heinrich iii. auf dem weg anch süden, der kaiserkrone entgegen

verliehen erhielt eberhard das münzrecht von könig heinrich iii. in köln. dieser hatte grosses vor: er wollte nichts geringes als, gleich wie sein 1039 verstorbener vater, kaiser des römischen reiches werden. dafür musste er nach rom, um gesalbt und gekrönt zu werden.

1045 ging heinrich daran, auf seine rechte als herzog von schwaben zu verzichten. wer, wie graf eberhard, vom könig privilegiert werden wollte, musste sich jedoch verpflichten, mit dem könig nach rom zu reisen.

die römische kurie befand sich, wieder einmal, in einem desolaten zustand. gleich drei römische adelige beanspruchten, papst zu sein. in der synode von sutri, nahe der stadt rom, die der kaiseraspirant am 20. dezember 1046 einberief, erklärte heinrich innert dreier tage alle drei römischen päpste für abgesetzt: ein einmaliger vorgang in der krichengeschichte. dafür liess er den mitgebrachten bamberger bischof suitger am weihnachstag zum neuen papst clemens ii. inthronisieren, und anderstags erhon dieser heinrich und seine frau agnes zum neuen kaiserpaar.

heinrich, hoch gebildet, tief religiös und von seltener tatkraft, nahm nun grundlegende reformen vor. kardinäle, von überall her kommend, sollten nach seinem willen die christen in rom vertreten und den papst wählen. kirchlicher ämterkauf sollte verboten sein, genauso wie die priesterehe.

der kaiser hat damit jedoch nicht auf anhieb erfolg. clemens ii. wurde als papst gestürzt, und damasus ii., heinrichs neuer favorit, war gerade 24 tage papst, bevor er starb.

papst leo ix. auf dem weg nach norden, den klosterweihungen entgegen

anfangs des jahres 1049 leitete heinrich erneut ein verfahren ein, das in der kirchengeschichte einmalig blieb: bruno, bischof von toul, den er seit langem kannte, sollte neuer papst werden. bestimmt wurde er für dieses amt jedoch nicht im unübersichtlichen rom, sondern in kaisers nähe in worms. doch verlangte bruno, dass er sein kirchenamt im lothringischen nur dann abgeben würde, wenn kurie und volk in rom ihn anerkennen würdem. das schaffte bruno auch, sodass er sich papst leo ix. nannte.

papst leo ix. pflegte eine ganzen neuen stil. dauernd war der germane unterwegs. in rom hielt es sich nur kurz auf. drei ausgedehnte reisen unternahm er in den ersten drei jahren als papst, – alle nördlich der alpen. dabei erwies er sich als herausragender prediger, der volksnah sprechen konnte. er versammelte die kirchenleute in synoden, die überall die grundsätze der kirchenreform des kaisers diskutierten. und er weihte zahlreiche stellen, an denen neue klöster enstehen sollten.

auf seiner ersten reise nördlich der alpen weihte papst leo ix. im jahren 1049 auch den ort schaffhausen. die nellenburger grafen sollten es stiften, bauen und bewachen 1064 wurde es eingeweiht. anfänglich führte dieses kloster den namen des salvatorenklosters, später wurde es allerheiligen genannt, dem namen, unter dem es auch heute noch bekannt ist, selbst wenn es seit der reformation von 1529 nicht mehr als kloster dient.

stadt- und weltpolitische bilanz zu den gründern von stadt und kloster schaffhausen

heinrich war 10 jahre kaiser, leo 5 jahre papst. beide waren damit nicht sonderlich lange im amt. doch hinterliessen sie nicht nur in schaffhausen bleibende spuren; sie sollten auch im kaiserreich unvergesslich bleiben: beide gelten als ganz bewusste förderer des gottesfriedens, der ersten friedensbewegung, die im 10. jahrhundert in der auvergne ihren anfang nahm und sich gegen die vorherrschende germanische selbstjustiz mit racheakte und bauernfehden wandte. 1495 wurde dieser gottesfriede in form des landfriedens geltendes recht des kaiserreiches, dem vorbild für das gewaltmonopol des heutigen staates. beide lancierten aber auch die hochmittelalterliche klosterreform, die 910 im burgundischen cluny ihren anfang nahm und in deutschen sprachraum. mit dieser setzte sich das bewusstsein durch, dass die führenden benediktiner-klöster nicht mehr von adeligen bestimmt, sondern nur noch vom stellvertreter gottes, dem papst, geleitet werden sollten.

mit den beiden erwähnten grössen des kaiserreiches im 11. jahrhundert verbindet man aber auch die definitive trennung der christlichen kirche in eine griechisch-orthodoxe und einer römisch-katholische. denn heinrich und leo verfolgten ursprünglich gemeinsam das ziel, die normanen aus süditalien zu vertreiben, um freien weg zum mittelmeer zu erhalten. doch half der kaiser schliesslich nicht mit, während leo setzte alles auf eine karte setzt – und verlor: die verhandlungen mit dem patriachen von byzanz, gemeinsame sache gegen die normanen zu machen, scheiterten derart gründlich, dass man sich im tiefen streit trennte und bis heute nicht mehr zueinander fand. leo wurde bei seinem krieg gegen die normannen gar verhaftet und verstarb 1054 nur kurz nach seiner freilassung. heinrich wiederum lebte noch bis 1056, ohne einen erwachsenden sohn zu haben, sodass die kleriker, deren selbstbewusstsein dank der kirchen- und klosterreform neu erwacht war, die macht nördlich der alpen übernehmen. als der designierte könig, heinrich iv. diese zurückverlangte, brach der berühmte investiturstreit aus, der papst und kaiser während 50 jahren entzweien sollte. zu den rückwirkungen davon auf schaffhausen später mehr!

(müder) stadtwanderer

bild: aus dem innern des münsters beim schaffhauser kloster allerheiligen (aufnahme: stadtwanderer)

die ausnahme von der regel, die ihrerseits die ausnahme von der regel ist, die die falsche annahme widerlegt

bild-391.jpgnatur, kultur und herrschaft sind komplizierter miteinander verhängt, als man denkt.

caesar teilte die ihm bekannte welt nördlich der alpen entlang des rheins in einen linken, romanischen und einen rechten germanische teil. doch er irrte mit der annahme, die natur alleine bestimme die kulturen.

die regel statt der annahme

widerlegt wurde caesar spätestens im 3. jahrhundert nach christus, als die germanischen völker über den rhein setzen. als sie blieben, wurden sie unterschiedlich stark in die römische welt aufgenommen: die burgunder im rhonetal ganz, die franken am unteren und mittlere rhein halb und die alamannen gar nicht. bis heute spricht man links des rheins überall deutsch, oder ist man im nahen stromgebiet zweisprachig

klöster und städte waren die zentren der römisch-germanisch-katholische brückenkultur, die im mittelalter als regelfall auf beiden seiten des rheins entstand. das kloster allerheiligen in schaffhausen gehört mustergültig dazu. fast 500 jahre sollte es die entstehende stadt schaffhausen am rhein prägen und den durchgang der kaiserlichen truppen von norden nach süden sichern.

die ausnahme von der regel

alle diesen leistungen zum trotz ist der oberrhein von basel an aufwärts heute weitgehend eine politische grenze. es gibt also eine ausnahme von der regel.

anfangen hat alles mit dem investiturstreit am ende des 11. jahrhunderts, der die anhänger des kaisers und jene des papstes im damaligen herzogtum schwaben spaltete. die zähringer organisierten die linksrheinischen gebiete schwabens im päpstlichen sinne, die staufer die rechtsrheinischen im kaiserlichen. nach ihrem aussterben 1218 griff der kaiser friedich II. nach den perlen in ihrem südwestschwäbischen erbe. städte wie bern und zürich, aber auch länder wie uri und schwyz wurden zu reichsstädten oder ländern erhoben, um sie dem zugriff des lokalen adels zu entziehen.aus dem verbund eben dieser perlen entstand im 14. und 15. jahrhundert die eidgenossenschaft als territorium, die nach dem friedensvertrag von 1450, der den ersten innereidgenössischen bürgerkrieg regelt und die nötige geschlossenheiten gegen habsburg brachte, um rhein als innerschwäbischen grenze grenze zu verlangen. und tatsächlich 1499 trennte man sich im schwabenkrieg entlang des rheins zwischen eidgenossenschaft und habsburg definitiv.

die ausnahme von der regel, die die ausnahme von der regel ist

nicht ganz, muss man beifügen, wenn man in schaffhausen über den rhein sieht. denn die stadt ist bis heute die prominente ausnahme von der ausnahme. denn spätestens mit der reformation, die 1529 auch schaffhausen erfasste und das ende des klosters allerheiligen bedeutete, fiel der neu entstandene stadtstaat schaffhausen aus dem schwäbischen he- und klettga, der katholisch blieb, heraus.

fortan sollte er den entwickeltesten eidgenössischen brückenkopf jenseits des rheins bilden, der sich jenseits des rheins nicht vermehren sollte.

schaffhausen ist also die ausnahme von der regel, die ihrerseits die ausnahme von der regel römisch-germanisch-christlichen regel ist, die der falschen annahme caesars über romanen und germanen am rhein widerspricht.

kapiert?

stadtwanderer

(in schaffhausen)

die 10 goldenen faustregeln des stadtwanderns

416872976_853ccec62f2.jpg1. einen unbefangenen rundgang durch den neuen ort machen und sich beeindrucken lassen.

2. geschichte des ortes im überblick aufarbeiten.

3. themen eines rundganges festlegen.

4. orte zu den themen suchen.

5. gedanklich einen zusammenhängenden weg durch die orte und themen finden.

6. den weg ein erstes mal alleine abmarschieren und die zusammenhänge verbessern.

7. eine stadtwanderung machen und die geschichten an den ausgewählten orten andern erzählen.

8. wieder von vor lesen, um die geschichte vertiefter kennen zu lernen.

9. erneut wanderern, um die neuen erkenntnisse in den rundgang einzubauen.

10. stufen 8 und 9 immer wieder wiederholen.

viel spass beim eigenen erkunden!

stadtwanderer

(in schaffhausen)

foto: flickr von isa d

der ungewöhnliche tod eines papstes

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um papst johannes xii. ranken unzählige geschichten. drastisch sind die zu seinem tod. sicher ist nur, dass er am heutigen 14. mai des jahres 964 infolge von gewalt verstarb. eine abendliche kulturgeschichte mit anspielungen auf die schweizerische gegenwart!

mitte des 10. jahrhunderts lag das kaisertum, das karl der grosse im jahre 800 auf der basis des weströmischen imperiums neu begründet hatte, arg darnieder. jeder könig, jeder herzog, der südlich der alpen lebte und etwas auf sich hielt, beanspruchte, mindestens kaiseranwärter, wenn nicht schon imperator und augustus in einer person zu sein. und die päpste in rom, die zwischen den rivalisierenden anwärtern auf den kaisertitel zu entscheiden hatten, war nicht mehr als schachfiguren im frivolen spiel der römischen aristokratie. wahrlich, ein desolater zustand!

johannes xii. wird minderjährig papst

johannes xii. wurde im jahre 955 als bisher einziger papst noch minderjährig auf den stuhl petri gesetzt. sein vater, ein einflussreicher römischer senator, liiert mit der tochter des königs der lombardei verheiratet, hatte das in seinem testament so verfügt. doch klein-johannes gelang es nicht, den kirchenstaat vor den ansprüchen der adeligen aus verona genügend zu schützen. so sah er sich im jahre 960 gezwungen, den westfränkischen könig otto I., seit 951 mit adelheid, der verwitweten erbin des königreichs der lombardei, verheiratet, als neuen schutzherrn nach rom zu rufen.

den preis für die intervention im süden kennt man. papst johannes xii. salbte und krönte otto und adelheid am 2. februar 962, zu kaiser und kaiserin des römischen reiches. gemeinhin gilt dieser akt als neubegründung eines kaiserreiches in europa. die herzöge von spoleto und die markgrafen von verona hatten damals das nachsehen. doch auch der papst, der bald nach der kaiserfeier einen ausgleich der interessen suchte, fiel dem neuen kaiserpaar zum opfer.

johannes xii. wird als papst gestürzt

johannes xii. wurde 963 von einer synode, die der kaiser von pavia aus einberufen hatte, als papst abgesetzt. in der anklage sparte man nicht mit happigen vorwürfen: “Wisset also, dass ihr nicht von wenigen, sondern von allen Geistlichen wie Weltlichen angeklagt seid, des Mordes, des Meineids, des Kirchenfrevels, der Unzucht mit Verwandten und mit zwei Schwestern”. leo viii. war hinfort der papst, der ottos unterstützung genoss.

zwar gelang es dem entmachteten johannes nach dem abzug des kaisers mit hilfe des römischen adels auch papst leo viii. zu stürzen. doch provozierte er damit die rückkehr des kaisers von pavia nach rom, sodass sich johannes anfgangs des jahres 964 in die campagna verziehen musste.

der unerklärte tod des gestürzten papstes

was da geschah, wird unterschiedlich berichtet. das ehrwürdige lexikon des mittelalters hält ohne weitere ausführungen fest, “j. ist eines jähen todes verstorben”. das biografische kirchenlexikon spricht von “einem schlag, der ihn getroffen hat und an dessen folgen der papst gestorben sei”. wikipedia spricht offen aus, was seit dem fluch, den die kaiserliche synode über johannes verhängte, unzertrennlich mitn der person des umstrittenen papstes haftet: er habe ein neues verhältnis zu einer römischen adeligen aufgebaut und er sei, während des geschlechtsaktes mit seiner liebhaberin, vom gehörnten ehemann mit einem hammer erschlagen worden.

die katholische kirche hört solche geschichten bis heute nicht gerne! zuerst erscheinen sie einmal, dann aber doch wiederkehrend. immerhin, johannes xii.hat meine adelheid zur kaiserin erhoben, – was auch immer er sich dabei erhofft hat …

stadtwanderer

bild: elfenbeinrelief mit dem kaiserpaar zu füssen des herren, der gestützt von grössen der kirchen und von engeln über otto und adelheid wacht. heute ist man geneigt zu sagen, der herr hätte besser über seinen ungewöhnlichen stellvertreter auf erden gewacht, dessen aktivitäten selbst jene von abgesetzten walliser grossräten der gegenwart übertreffen …

ende des umbaus in sicht – zeit für den rückblick

keine(r) hat den umbau genauer verfolgt als sie. gelegentlich hatte man den eindruck, sie sei die bauführerin selber. denn kein noch so verwengener standort war ihr zu viel, um ein jahr lang über die bauliche neugestaltung des berner bahnhofplatzes zu berichten.

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wer sich auf flickr auskennt, kam nicht an den fotos von jungle-jill vorbei, die unaufdringlichen, aber umso überzeugenderen von menschen, kranen und bolldozern berichten, welche die alten gebäude einstürzen lassen, neues baumaterial überall hin verteilten und behände am baldachin werklen. und wer den blog bern.bahnhofplatz.ch anclickte, bekam auch noch den einen oder anderen erhellenden kommentar zu alledem, was im letzten jahre rund um den bahnhofplatz geschah dazu.

enstanden ist so, aus der beobachtungs- und mitteilungsgabe von irene karpiczenko, ein etolle geschichte über die neugestaltung des bahnhofplatzes, in der sich die realität des baus und die erinnerung an die eigenen legospiele eigentümlich mischen. was bis jetzt nur virtuell zu sehen war, kommt nun handgreiflich in die bald vollendete realität zurück: denn irene lädt zur ausstellung “bahnhofplatz bern. der umbau in bild, ton und legosteinen” ein, eine art rückblick auf all das, was wir alle in bern in den letzten 12 monaten rund um den bahnhof erlebt haben.

an der vernissage geht es fast wie auf dem bau zu und her: die verpflegung sei echt, schreibt irene in ihrer einladung! leiderleider bin ich an der eröffnung wegen meiner schaffhausen-recherche verhindert, muss ich antworten, doch bin ich jetzt schon gwunderig auf die ausstellung der berner fotoreporterin, die zeitgeschichte festhielt!

stadtwanderer

foto: jungle-jill

verkehrt herum

2480603496_bf8564924f.jpg“In Silber ein schwarzer Baselstab”, so lautet die offizielle blasonierung des wappens, das für den kanton basel-stadt steht. gemeint ist damit ein nach links gerichteter schwarzer krummstab auf weissem (ganz genau: silbernem) feld mit drei querbalken, die den stab durchbrechen; nach unten läuft dieser in drei zacken aus. gemeint ist damit der hirtenstab der früheren so mächtigen bischöfe am rheinknie.

die stadt basel gehörte zu den ersten städten überhaupt, die ein wappen hatten. das motiv ist seit dem 11. jahrhundert geläufig, auf münzen und auf banner. damit gab man kund, stolze bischofsstadt zu, die dem kaiser habe stand.

denn kaiser heinrich II., der letzte in der dynastie der ottonen, beteiligte sich zu beginn des 11. jahrhunderts tatkräftig am aufbau der stadt, in der er mit seiner frau, kaiserin kunigunde, zeitweise auch lebte. knapp 100 jahre zuvor war sie während des einfalls der magyaren zerstört worden, ohne sich davon unter burgundischem schutz erholt zu haben.

im jahre 999 war der bischof von basel angesichts der milleniumsangst der burgunder im eigner des burgundischen klosters moutier-grandval geworden; damit wurde er auch wichtiger grundherr im jura. doch auch in nördlicher richtung dehnte er sich aus, sodass der bischof und kein graf zentraler feudalherr am rheinknie wurde. 1019 begann man, das münster im romanischen stil neu zu bauen, und mit dem münzrecht erhielt die stadt die möglichkeit, selber handel zu treiben.

das alles macht es verständlich, dass die bischofsstadt auf glänzend-hellem silber den bischofsstab in die ganze christliche welt von damals tragen wollte. ausser in bern, scheint man das auch überall zur kenntnis genommen zu haben.

denn in der berner altstadt, seit tagen wegen bea und grand prix mit blumen, farben und wappen geschmückt, hängt ein basler wappen in umgekehrten farben: helles weiss auf dunklem schwarz! “grad vercheert statt lätz”, könnte man sagen.

allenfalls auch auch eine leise vorahnung auf die trauer von yb im st. jakob-stadion von gestern.

stadtwanderer

aussichten auf einen ganz frühen silvestermorgen 2008

stein1.gifgestern war ich in der “arena“. die abstimmung über “volkssouveränität statt behördenpropaganda” wurde verhandelt. unmittelbar nach der sendung wurde ich von einem fan angefragt, ob ich für einen anlass in den freiburgischen sensebezirk käme? “klar”, antwortete ich. mein silvester 2008 könnte damit einen unerwarteten ablauf bekommen.

meine eltern lernten sich im fribuorgischen le mouret kennen. das liegt im saanebezirk, gut 10 kilometer südlich der stadt fribourg, und hart an der sprachgrenze. auf der andern seite des grabens liegt sankt silvester, ein kleines dorf, das sich etwas verträumt an die freiburgischen voralpen anschmiegt. markantes punkt im ort ist die kirche, zuoberst auf einem hügel, der gerade gross genug ist, um dem gotteshaus und dem friedhof rund herum platz zu bieten.

1148 wird st. silvester erstmals in einer urkunde erwähnt. schon damals stand eine kapelle auf dem heutigen kirchberg, die dem heiligen st. silvester geweiht war. die kapelle hat der gegend denn auch den namen gegeben; noch heute ziert der grüne hügel und die weisse kirche, umgeben von zwei bäumen, das wappen der gemeinde.

das alles verweist, wie elementar das leben in der peripherie ist, – gleichzeitig aber auch, wie flächendeckend sich das christentum ausgebreitet hat. denn der heilige silvester war kein beliebiger, sondern der erste bischof von rom, der nach der zulassung des christentums im römischen kaiserreich wirkte und nicht als märtyrer starb. er profitierte vom edikt von mailand, dass die christenverfolgung beendet hatte. erlassen wurde es von konstantin, dem ersten christlichen kaiser, der das zentrum des reiches in die von ihm erbaute (und am 11. mai 330 eingeweihte) stadt konstantinopel (heute istanbul) verlegte. dem bischof von rom gab das die möglichkeit, die sich als herr über die alte kaiserstadt herauszuheben und sich als papst über die anderen bischöfe zu sehen.

papst silvester starb am 31. dezember des jahres 335. im christlichen kalender wurde dieser tag zu jahreswende, weshalb der heilige silvester auch als patron für ein gutes neues jahr angerufen wird. in st. silvester steht man dafür sehr früh auf. um 5 uhr morgens wird in der kirche ein feierliches hochamt abgehalten. die bauern bitten nach traditioneller sitte ihren schutzherrn silvester, was eigentlich waldmann heisst, um ein reiches futterjahr für ihre tiere; hierfür tragen die gläubigen kleine opferfigürchen, die mensch und tier symbolisieren, auf den altar. der pfarrer wiederum erhält seit menschengedenken käse und schinken, als dank dafür, dass auch er seine schäfchen vor seuchen bewahre.

es kann gut sein, dass auch ich am ende dieses jahres in st. silvester bin und, wer weiss, mir in der dortigen “arena” gedanken mache, wie das leben am rande der zivilisation aus heidnischen und christlichen traditionen entsteht, – fast genau dort, wo sich mein vater meine mutter kennen gelernt haben.

freuen tät’s mich!

stadtwanderer

schweiz-österreich: wie es vor genau 700 jahren zum grossen krach kam

1308_mord_albrecht1.jpggegenwärtig machen allen in der schweiz und in österreich auf fussballerischen schmusekurs. dabei ergisst man den realen hintergrund für die langjährige feindschaft zwischen den eidgenossen und habsburg, deren ursache sich dieser tag zum 700. mal jährte. ein unzeitgemässer rückblick.

albrecht I., römischer könig in den deutschen landen, hatte es nicht leicht. 1291, bei der wahl eines nachfolgers für seinen verstorbenen vater, könig rudolf von habsburg, wurde er übergangen. erst 1298, als könig adolph von nassau, der an seiner stelle gekürt worden war, zu stark mit den städten und zu wenig mit dem kirchlichen und weltlichen adel packtierte, beförderte man albrecht, damals noch herzog von österreich, zum deutschen gegenkönig. noch im gleichen jahr schlug er bei göllheim adolph auf dem schlachtfeld, sodass er hinfort einziger deutscher könig war. selbst papst bonifaz anerkannte ihn in dieser funktion, was ihm den anspruch auf den kaisertitel gab. doch war der preis hierfür so horrend, dass albrecht schliesslich selber auf den kaisertitel verzichtete.

der aufstand von 1291 gegen herzog albrecht von österreich

albrecht war erpressbar. denn die herrschaftsverhältnisse des herzogs von österreich blieben im schwäbischen westen geklärt. 1282 war er, gemeinsam mit seinem bruder, nach dem sieg seines vaters rudolf über den böhmischen könig ottokar II. herzog von österreich geworden. sie sollten die ländereien des reichs, die der böhme für sich beansprucht hatte, gemeinsam verwalten. doch schon kurz danach entschied sich der vater, nur albrecht als statthalter in wien zu belassen und mit sohn rudolf neue pläne zu schmieden. er sollte in denalten stammlanden der habsburger, vor ordnung sorgen und das zerfallene herzogtum schwaben neu ordnen diese jedoch misslangen, und sohn rudolf verlor dabei ausgerechnet im gleichen jahr wieder vater rudolf das leben.

darum wusste man, als albrecht 1291 nach dem tod seines vaters nach der königskrone griff. vor allem im herzogtum schwaben, das sein bruder aufbauen wollte, war man gegenüber der machtballung in den händen von albrecht skeptisch. der bischof von konstanz, unterstützt vom st. galler abt, den rapperswilern, den nellenburgern, den laufenburgern und den savoyer adeligen erhoben sich gegen den habburger, unterstützt von den städten zürich, bern und luzern sowie den ländern uri und schwyz gegen den österreicher. sie alle wollten verhindern, dass albrecht neben dem titel eines herzogs von österreich auch herzog von schwaben werden würde. ihr widerstand zerbrach erst, als sich 1292 die zürcher, vom könig gelagert, einen vergleich schlossen.

der verhinderte erbe als königsmörder

1298, als herzog albrecht tatsächlich deutscher könig wurde, setzte er die rückführung von krongut, das sich im 13. jahrhundert angesichts der krisen im reich verselbständigt hatte, energisch durch. das hat ihm gerade im südwesten des reiches den bleibenden ruf eines habgierigen und deshalb unbeliebten landesherren eingetragen. 1308 kulminierte dieser konflikt. johannes, sohn von albrechts bruder rudolf und seiner böhmischen gemahlin, graf von habsburg, der sich auch herzog von schwaben nannte, forderte den erbteil seines verstorbenen vaters für sich. entweder sollte er herzog von österreich werden oder finanziell entschädigt werden. so oder so warf er ein auge auf das reiche böhmen, das der könig jedoch für seine eigenen kinder freihalten wollte. entsprechen zögerte der königliche onkel; er zeigte beim gemeinsamen familientreffen in baden kein gehör für das ansinnen. vielmehr machte er sich erhaben auf den weg, um seine gattin elisbeth, die in rheinfelden in kur war, zu treffen.

nun versammelte johannes mitverschworrene freiherren aus seiner grafschaft. rudolf von balm, walter von eschenbach und rudolf von wart, alles kleinadelige aus dem zürcherischen und luzernischen, waren mit von der partie. sie waren zu allem entschlossen: der verhasste könig, dessen macht auf einem illegitimen erbe beruhe, solle sterben!

anfangs mai 1308, als albrecht bei brugg, nahe dem stammschloss der habsburger die reuss überquerte, setzten sich die verschworenen in seine fähre, und johannes erschlug der wehrlosen könig beim aussteigen. als johann parricida, der verwandtenmörder, ging er in die geschichte ein. er versuchte nach pisa in italien zu flüchten, verstarb aber unterwegs. rudolf von wart wurde auf einer reise nach avignon verhaftet, nach brugg gebracht und dort gerädert. walter von eschenbach starb als schäfer im schwarzwald, während man von rudolf von balm nur weiss, dass er sich in konversenhaus in basel verstecken und dort unerkannt weiter leben konnte.

die rache der habsburger begründet die rache der eidgenossen begründete die rache habsburgs begründete …

an der stelle, an der könig albrecht I. erschlagen wurde, gründete die verwitwete königin elisabeth 1310 ein doppelkloster, je eines für frauen, in das sie selber eintrat, und eines für männer. noch heute sind die gebäude von königsfelden im aargauischen wasserschloss sehenswert. sie stehen aber auch für den ersten und gescheiterten versuch der habsburger, das deutsche königtum als erbmonarchie zu begründen. denn als nachfolger von albrecht wurde heinrich VII. deutscher könig und begründete die grosse zeit des hauses luxemburg-böhmen.

albrechts nachfahren rächten sich nicht nur an den königsmördern, sondern auch an ihrem anhang blutig. erst als das schlachten vorbei war, verhängte man die reichsachte über die aufständischen und legitimiert man so der rachefeldzug nachträglich. genau dieses vergossene blut sollten der kleinadel und die bauern in alemannien nicht vergessen. 1315 war der auftakt der schlachtenserie der eidgenossen gegen habsburg, die erst 1499 ihr ende finden sollte.

genau siebenhundert jahre ist die ursprüngliche bluttat her, welche das haus habsburg in eine tiefe krise stürzte, und zur formierung der eidgenossenschaft als bündnis aus städten und ländern gegen die herzöge von österreich führte. ich erinnere daran, nicht weil ich den fussballbegeisterten schweizern und österreicher die suppe versalzen will. ich finde vielmehr, man hat 1991 viel zu aufwendig fragwürdige siebenhunderjahrfeste gefeiert, während man heute viel zu leicht vergisst, was der geschichtliche hintergrund des grossen krachs zwischen den habsburgern und ihren untertanen ist.

denn der königsmord an albrecht bildet den realen hintergrund für die geschichten über die gründung der schweiz, die uns in der schillerschen version noch man heute gegenwärtig sind.

stadtwanderer

das immer währende projekt “demokratie”

schweiz_in_sicht.jpgdas wird eine interkulturelle herausforderung: zwei tage vor den volksabstimmungen vom 1. juni 2008 führe ich, gemeinsam mit iri-europe eine koreanische delegation durch die stadt bern. aus aktuellem anlass, aber auch um meine demokratie-freunde mit der politischen kultur berns und der schweiz bekannt zu machen, habe ich meine stadtwanderung für ausländische Gäste neu konzipiert, gekürzt und erweitert.

hier schon mal das neue programm für den freitag, 30. mai, ab 17 uhr!

1. station: gerechtigkeitsbrunnen

grosse fragen, verschiedene antworten – oder die geschichte berns zwischen aristokratie und republik

2. station: rathaus

die französische besatzung – oder die misslungene revolution von oben

3. station: erlacherhof

die liberale kantonsgründung – oder die revolution der bürger und bauern gegen die stadtaristokratie

4. station: casino (ehemalige hochschule)

die freisinnige staatsgründung – oder die schweiz von heute

5. station: bundesplatz

die geburt der volksrechte – oder der beginn der konkordanz-politik

6. station: hotel bern (ehemaliges volkshaus)

die soziale bewegung – oder aufstand und integration der arbeiterschaft

7. station: schützenmatte

die neue soziale bewegung – umweltschützerInnen, feministinnen und alternativler machen druck

8. station: hotel national

die neue nationale bewegung – oder die schweiz als sichere insel im brandenden weltmeer

danach ist, wie bei jedem projekt, vorläufig schluss!

anschliessend gemeinsames nachtessen im restaurant moléson

stadtwanderer

bild: schweiz in sicht, von vincent golay, zeichnungen: mix&remix, vertrieben durch präsenz schweiz

adelheids historische tat

p5070477.JPGich weiss, niemand ausser mir hat heute an kaiserin adelheid gedacht. und alle ausser mir haben ihre grosse historische leistung, die sich heute jährt, vergessen. doch ich lass nicht locker: ich kämpfe unverändert für die späte, aber berechtigte einkehr der grossen frau aus bümpliz in unser geschichtsbild!

das erbrecht der fränkischen sippen

das weiss man aus dem geschichtsunterricht: als kaiser karl der grosse, der mit dem fränkischen reich im jahre 800 das weströmische kaisertum wieder aufleben liess, dauert edie freude nicht lange. nach karls tod begannen die querelen unter seinen enkeln, die 843 zur grossen teilung des kaiserreiches führten, und 888 im untergang des karolinigische kaisertums endeten.

eine ursache dafür war, dass die franken kein zeitgemässes erbrecht entwickelt hatten. sie gingen wie zu zeiten der völkerwanderung davon aus, dass eine sippe die königsherrschaft inne habe und in der sippe alle legitimen männlichen nachfahren des königs ein anrecht hätten, seine nachfolge anzutreten. wenn es mehr als einen anwärter hatte, teilte man das königreich in unterkönigreiche auf, die sich nicht selten unter einander bekämpften. so endeten die versuche der franken, dauerhaftes zu schaffen, meist schon schnell.

das neue erbrecht der kaiserlichen familie

962 machten sich die sachsen im norden, vertreten durch ihren könig, otto I., und die langobarden im süden, vertreten durch die königswitwe adelheid, die 951 gemeinsam geheiratet hatten, daran, das neue kaiserpaar zu werden. doch die germanischen sachsen hatten ein ähnliches erbrecht wie die germanischen franken, und die gefahr, dass unter den brüdern und nachfahren von otto I. ein eigentliche sippenstreit um die macht im könig- und kaiserreich entstehen würde, sollte otto bei seinem italienfeldzug umkommen, war real.

adelheid, die burgunderin, kannte seit den zeiten ihres grossvaters ein anderes erbrecht, das auch bei den langobarden fuss gefasst hatte. nur einer, der älteste sohn, sollte erbe des königs und damit auch des kaisers werden können. so vertrat sie auch bei den sachsen die auffassung, dass nur der erstgeborene legitime sohn von otto I. ein anrecht habe, könig der sachen und franken und damit nachfolger von otto I. als kaiser zu werden.

so wurde der kleine otto, vor der abreise seiner eltern nach rom zur krönung, der damals gerade mal 6 jährig war, zum neuen könig der sachsen und franken gekrönt. für den fall, dass otto I. sterben sollte, hätte adelheid als erste frau seit römerzeiten die regentschaft für den minderjährigen könig übernommen; für den fall, dass otto II. beim tod von otto I. volljährig sein sollte, wäre er direkt nachfolger seines vaters geworden.

die grosse bewährungprobe

in der tat kam es dicker als erwartet. otto I. verstarb, bevor otto II. volljährig war. und otto II. verstarb ebenfalls, bevor sein sohn otto III. volljährig war. im ersten fall war es adelheid, welche die regentschaft über das ganze kaiserreich übernahm. im zweiten fall war es ihre schwiegertochter, theophanu, die frau von otto II., die gleiches tat. und weil auch sie früh starb, wurde die schon gealterte kaiserin adelheid noch ein zweites mal regentin, um ihrem enkel otto III. die königs- und die kaiserkrone zu sichern.

damit setzte sich das dynastieverständnis im westlichen kaisertum durch, das nicht mehr auf der sippe, sondern auf der familie angelegt war. und es etablierte sich der friedlicher eübergang von einem herrscher zu andern, als dies noch in den wilden zeiten der fränkischen mero- resp. karolinger der fall war. nur dank der doppelten standfestigkeit von kaiserin adelheid.

vater eines destabilisierte resp. mutter eines stabilisierten europas

in den schule lernt man, karl den grossen, als begründer europa, zu verehren. doch ihm gelang es nicht, eine rechtsordnung zu schaffen, die das kaisertum auf dauer sicherte. es war eigentlich adelheid, welche mit ihrer heirat nach sachsen, den römischen gedanken der geregelten nachfolge unter herrschern in die sitten der germanischen franken einbrachte. eigentlich sollte sie als garantin stabiler strukturen in europa geehrt werden.

und anlass dafür wäre heute gewesen. denn den entscheidenden schritt tat die grosse burgunderin am 7. mai 961, als sie die krönung ihres minderjährigen sohnes otto zum einzig legitimen könig von sachsen und franken durchsetzte. nicht schlecht, für meine vorzeige-bümplizerin! aus dank dafür gehe ich grad ins alte schloss bümpliz ein bier kippen, das an der stelle steht, wo früher die burgundischen pfalz war, in der adelheid möglicherweise geboren wurde.

stadtwanderer

serie über die kaiserin adelheid

neues projekt: stadtwandern in schaffhausen

1223358951_033dd58e54.jpgich habe eine neue anfrage: stadtwanderung in schaffhausen. meine schwester, monique menk lädt ein. da werd’ ich nicht nein sagen!

zunächst gemischte gefühle

zuerst dominierte der schreck: ausgerechnet schaffhausen! mein verstorbener mittelalterprofessor in zürich, hans conrad peyer, war schaffhauser. er war der erste, der mich für stadtgeschichte zu begeistern sucht. doch er war nicht so überzeugt von mir und meiner arbeit. diejenige über die märkte am rhein, die ich bei meiner schwester in schaffhausen (!) getippt hatte, weil ich mir damals, etwa 1979, noch keine schreibmaschine leisten konnte, liess er gerade durchgehen …

doch dann erwachte ob der anfrage die freude in mir. eine “neue” stadt erwartet mich. eine neue kultur wohl auch: das rheinische, das alemannische, das kleinstädtische dürfte in schaffhausen stärker hervortreten als in bern, wo die mischung aus allem möglichen dominiert. für die geschichten aus der stadt wird das wichtig sein. und dennoch: alle europäischen städte aus dem mittelalter entwickeln sich nach vergleichbaren vergleichbar: man muss die verkehrslage studieren; man muss die kirchlichen und weltlichen verhältnisse im mittelalter kennen. und man muss die sozio-ökonomische entwicklung der stadt nachvollziehen.

orte und figuren gesucht

stadtwandern macht nur spass, wenn es markante plätze, schöne gebäude und auch ausdrucksstarke denkmäler hat. da bietet schaffhausen ja einiges: der wasserfall, das kloster allerheiligen, der munot, die erkerhäuser und die industrieanlagen der georg fischer ag kommen mir schon spontan in den sinn! und ich frage mich: sieht man noch spuren der bombardierung der stadt im zweiten weltkrieg durch die allierten?

für die vermittlung vor ort muss man nach personen fahnden, die eine geschichte erzählen könnten: könig heinrich III. und die nellenburger im hochmittelalter werde ich mir vornehmen, sebastian hofmeister, der reformator, muss vorkommen, genauso wie walther bringolf, der legendäre arbeiterführer und stadtpräsident. vielleicht sollte ich auch geri bührer, den wirtschaftsverbandsboss treffen, und werner minder, den trybol-patron anrufen, um zu verstehen, wie es ist, wenn die interessen des gross- und kleinkapitals in einer so geschlossenen welt wie der stadt schaffhausen aufeinander treffen. oder sollte ich zu meiner einstimmung mit der schriftstellerin isolde schaad ein interview führen, gerade weil sie schaffhausen verlassen hat?

auf der spur von tells geistigem grossvater

eines ist sicher: johannes von müller, den schaffhauser historiker aus der wende vom ancien zum nouveau régime, wird einen gebührenden platz in meiner führung erhalten. seine werke habe ich geschenkt erhalten, und ich werde sie sicher einbauen. denn ohne seine geschichte der schweiz hätte friedrich schiller in weimar seinen wilhelm tell nie hingekriegt, und hätten wir bis heute ein wohl anderes bild der schweiz.

ich sehe: schaffhausen, die stadt am rhein, die vermittlerin zwischen schweiz und deutschland beschäftigt mich schon mehr als ich zeit habe …

stadtwanderer

foto: moha-sh

an unserem burgunderbild arbeiten

“warst du schon in der burgunderausstellung?”, werde ich gegenwärtig viel gefragt. meine antwort lautet meist “ja”. “und, wie war’s?”, ist die normale nachfrage.  das bringt mich regelmässig in verlegenheit: hier mein ordnungsversuch nach dem museumsbesuch!

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das löbliche zuerst: die sicht des reichen, der dennoch verlor

klar, die eben eröffnete burgunderausstellung ist einmalig. man ist überwältigt vom reichtum, der hier in grosser zahl ausgestellt wird. allen voran beeindrucken die gigantischen teppiche, die im 15. jahrhundert als wandbehänge am burgundischen hof dienten und die weltgeschichte von caesars eroberung galliens bis in die damalige gegenwart darstellen. speziell erwähnt seien auch die zahlreichen exklusiven chroniken, die zu sehen sind und die bedeutung der burgunderherzöge in der herausregenden form aufzeigen, die stilistisch üblich war, als es noch keinen serienmässigen buchdruck gab. und schliesslich muss man von der burgunderbeute reden, welche die eidgenossen 1476 in grandson und murten machten, die teilweise im original oder in getreuer kopie in der ausstellung zu sehen.

den grundstein für den versammelten und ausgestellten reichtum der valois-herzöge von burgund legte philipp der gute, als er zwischen 1419 und 1467 nicht nur die ländereien in den oberen landen, der heutigen region burgund vermehrte, sondern auch die niedern lande, die blühnenden städte von flandern und ihre umgebung unter seine herrschaft brachte. macht und besitz gingen dabei eine besondere symbiose ein, in der karl, philipps einziger legitimer sohn, hineingeboren wurde, sodass karl in seinen nur 10 jahren als herzog nach der vervollkommnung greifen musste: der ehre, selber könig, ja kaiser zu sein.  dafür lud der strebsame herzog karl 1473 den amtierenden kaiser friedrich III. nach trier ein. die verbindung seiner einzigen erbin, maria, mit maximilian, den sohn des kaisers war als eintrittspreis gedacht, um nach der ganzen herrschaft zu greifen zu können.

dieser plan scheiterte, wie die ausstellung klar macht, und dieser misserfolg liess herzog karl seine strategie ändern. statt auf verhandlungen setzte er danach auf die infanterie, die kavallerie und die artillerie. in vorwegnahme der kombination von verschiedenen elementen des heeres, die 100 jahre nach karl üblich werden sollte, suchte er die entscheidung auf dem schlachtfeld, – und unterlag 1477 in nancy, wo er auch den tod fand.

neu an der ausstellung ist, dass diese entwicklung konzeptionell aus der sicht des mächtigen, besitzenden und ehrbaren verlierers, aus karls eigener perspektive, dargestellt wird. das wäre noch vor kurzem in der schweiz undenkbar gewesen, denn in unserer kollektiverinnerung, die durch die partriotische geschichtsschreibung geprägt worden ist, erscheint uns karl nicht als zielstrebiger fürst, der das spätmittelalterliche kaisertum im sinne der renaissance erneuern wollte, sondern als blutdrünstiger tyrann, der hochmütig die eidgenossenschaft kassieren wollte, und dabei zu recht vom hohen ross fiel. allerdings ist die neuinterpretation unseres burgunderbildes in der ausstellung unvollständig. denn die aktive kriegspolitik der stadt bern, die niklaus von diesbach im verbund mit karls erzfeind, dem französischen könig betrieb, geht in der reichhaltigen ausstellung ganz unter.

das problematische danach: der raum des gewinners, der immer noch im kampf ist

und damit sind wir bei dem, was weniger einzigartig an der ausstellung ist: es scheint, als würden sich die räume des berner historischen museum still , aber stur gegen die neuerungen in den betrachtungsweisen wehren. denn sie führen einem vor, wie ungeeignet sie sind, um der ausstellung den glanz zu verleihen, der ihr gebührt: das ende des rundgangs offenbart die ganze schwäche. das erbe karls, das die habsburger kaiserfamilie sehr gerne bei sich aufnahm, findet ganz verloren im untergeschoss der ausstellung statt; fast so, wie wenn es gar nicht wichtig gewesen wäre. der hauptteil wiederum wirkt überstellt, sodass man sich ein wenig im kaiserlichen trödlerladen vorkommt, wenn man friedrichs gepanzertes pferde vor, sein silbergeschirr hinter und die schalmeien über sich hat. die präziosen der ausstellung schliesslich, wie karls gebetsbuch, können nur auf behelfsmässig hergestellten pulten in dunkeln hinterräumen betrachtet werden. das alles mag nicht zu überzeugen, wenn man etwas bewirken will!

teil der nötigen arbeit am berner kollektivgedächtnis

doch ich will nicht mit klagen enden: die ausstellung ist das historische ereignis der saison in der stadt bern, bevor sie nach brügge, einem der zentren der burgundischen macht zu karls zeigten, weiter zieht. und es ist gut, dass sich die stadtkultur mit ihren drei komlexen, die sie aus der geschichte mitgenommen hat, auseinandersetzt: die ablehnung albert einsteins ist seit der grossen einstein-ausstellung einer eigentlichen einstein-euphorie gewichen. das zwiespältige verhältnis der stadt zu albrecht von haller, dem berner universalgenie, der nur ausserhalb der stadt gross werden durfte, wird im kommenden herbst zum grossen thema werden. und dazwischen sollen wir alle aktiv an unserem provinziellen bild von herzog karl arbeiten, den wir seiner kühnheit wegen bisher so wenig mochten!

stadtwanderer

mehr infos dazu

liebi manne, liebi froue, liebs volch!

es mag ihn hart getroffen haben, nicht mehr im bild zu sein. ausgerechnet jetzt, wo man nicht mehr an amt und würden denkt, wenn man sich, wie immer an neujahr, ablichten lässt, sondern die nähe des volk – seines volkes, das ihm den auftrag gegeben habe – sucht, ist er nicht mehr im bundesrat.


des bundesrat und sein volk – offizielles neujahrsbild zu 2008

“intrige”, hört man da aus den reihen der weltwoche-chefredaktion nach gewohnter manier dramatisieren. “kaschiert wird da, was das zeug hält”, und der mainstream der staatstreuen medien greift das wieder nicht auf! gott sei dank gibt es da noch das online-fernsehen – sein fernsehen, das nach seinem prinzip funktioniert – das, wie uns winkelried.info flux meldet, bald schon eine korrekte bildinterpretation liefern werde:

zu sehen ist auf dem bundesratsbild 08 nach seiner leseweise nur eine scheinregierung. alles sei so arrangiert worden, um scheinunterstützung zu markieren. und das sei typisch für die scheinkonkordanz. denn es gehe darum, die hände der bundesräte und -rätinnen zu verdecken! das wahre volk solle, wie es die kônkordanz wolle, nicht wissen, wer in tat und wahrheit welchen dreck an welchen händen habe, und wer wessen schmutz mit welcher seife beseitige. deshalb die staffage mit lakaien!

doch das wird sich 2008 alles ändern. denn bald schon, liesst man, werde die partei – seine partei, die nur darauf gewartete habe – die losungen der opposition ins horn stossen, und selber im bad des volkes schwelgen. 10’000 seien der partei beigetreten, seit man ihn, des unbestrittenen leistungsausweises zum trotz, ungerechtferitig und hinterrücks aus dem bundesrat entfernt habe. man sehe sich bei filippo, äh philippi habe man sich geschworen!

liebi manne!

pascal c. nimmt das alles sichtlich gelassen. er überragt das volk und das gerede der unberufenen. sein blick ist entscheidend, und der ist unbeeinflusst gerade aus gerichtet. der bundespräsident strotzt geradezu vor zuversicht, auch wenn es unangenehme botschaften sind, die er wird verkünden müssen. sein gesicht sagt alles, was unter ihm zählen wird: vorwärts soll es gehen mit der schweiz! und selbst sein körper unterstützt ihn in der vermittlung dieser einzig wichtigen botschaft. betont wird er durch die krawatte; sie ist bewusst violett gewählt! man soll ruhig darüber spekulieren, dass er, hätte er nur stimmen dürfen, für die aufstockung des frauenanteils in der landesregierung gewesen wäre. überhaupt, soll man seit jüngstem wieder vermehrt wissen, dass er noch lange mitstimmen wolle, im bundesrat und in der schweiz. so schnell kapituliere ein wahrer staatsmann nicht!

umgeben wird der neue bundespräsident von den beiden schreibgewandten im bundesrat. von mir aus links gesehen ist moritz l. “lüge, leidenschaft und leder” soll sein neueste buch in der zweitauflage heissen, das er als bundesrat momentan vermarktet. mit leder sei sitzleder gemeint, werde sein pressesprecher sagen. denn das habe er wider erwarten! man schaue doch nur, wie er lächeln kann: ein freudiges hamsterlächeln ist das! zähne zeigt er, und unbekannte reserven hat er, wie alle sein artgenossen. deshalb steht er auch stolz zu seiner roten, vielleicht sogar weinroten krawatte.

im gegensatz zu hansrduolf m. dessen krawatte ist blau, vielleicht sogar hellblau. und sein lächeln wirkt aufgesetzt. es ist das lächlen des marders. doch es verrät unsicherheit. wie lange noch soll er den andern in die finanzwaden beissen? jetzt, wo die bundeskasse keine schwarzen löcher, sondern schwarze zahlen habe, jetzt, wo die konjunktur gut gehe, und jetzt, wo man schuldenberge abtragen können, wäre doch ein guter moment, mit applaus zu gehen. wider erwarten schnell könnte er seinen plan in die tat umsetzen, munkelt man. nach südamerika wolle gehen, wo man ungestört bücher schreiben könne.

inmitten der fdp-bundesräte findet sich, auch dieses jahr, samuel s. wieder. an der ersten medienkonferenz nach seinem rausschmiss aus der mörgeli-fraktion (“es hat gewirkt wie ein schub extasy”) wirkte er klar gelöster als auf dem diesjährigen bundesratsbild. nicht mal die krawatte konnte der armeechef ganz gerade richten! doch das hat alles seinen grund: sicherheit schaffen, wie es seine partei sagt, muss er. doch nur da, wo sie nicht daran denke, fügt er bei. denn er ist es, der verantwortlich ist für alle, die auf dem bild sind. und da muss an jede eventualität gedacht werden, denn schwieriger und unberechenbarer sind die zeiten jüngst geworden.

liebi froue!

jetzt, wo man den stil des bundesratsfotos (bisher: wir und das kämmerlein) geändert hat, hätte man auch gleich einen geschlechtsrollenwechsel vornehmen können. einen bescheidenen zumindest. zum beispiel hätte man die frauen direkt um pascal c. gruppieren können. das hätte dann fast schon wie bei einem französischen staatspräsidenten gewirkt!

eine sängerin hat unsere regierung ja schon! und es ist auch micheline c.-r., die sich nahe des machtzentrums aufhält. in festliches rot ist sie gekleidet, mit tiefhängender frontfisur allerdings. denn sie weiss: die hoffnungen ihrer partei ruhen fast ganz auf ihr. denn ganz anders als ihre partei, ist sie nämlich ein siegertyp: den concours de la musique au conseil fédéral hat sie schon gewonnen, und den stafettenlauf ’07 aufs rütli auch. doch da fragt man sich: wo ist da ’08 noch eine steigerung möglich? ist das der grund, dass ihr breites lachen diesmal zurückhaltender ausfällt?

ganz unaufdringlich wirkt dagegen doris l. ihre partei hat sie ganz geschickt umpositioniert. vor dem wahljahr stand doris l., von mir aus, auf dem foto links. jetzt, wo auch sie, wie ihr präsident im verdacht steht, die zusammensetzung des bundesrates betrieben zu haben resp. weiter zu betreiben, steht sie klar auf der bürgerlichen seite. es ist fast schon wie in der arena: wichtiger ist das “wo” als das “was”! doch die volkswirtschaftsministerin reizt nicht der kurzfristig effekt, denn man in der bildmitte erheischen kann. sie hat sich, fast schon die unschuld vom land, hinten eingereiht. das wirkt nicht aufdringlich! doch auch bei ihr ist das lachen verräterisch: es bleibt offen für alles, denn sie braucht den erfolg!

da hat es corina c., die neue bundeskanzlerin schon einfacher. sie wird nicht mit den gleichen ellen gemessen wie die stimmberechtigten regierungsmitglieder. deshalb ist sie auch weniger verantwortlich, wenn es nicht rund läuft. doch das ist falsch: auf ihr geschick als vermittlerin kommt es zentral darauf an, ob die chefs der departemente nicht nur einzeln, sondern auch als team funktionieren! und das weiss sie! ihre neue brille steht für scharfblick, sodass sie es sich sogar leisten kann, ihre schulter leicht gegen aufdringliche ministerInnen zu stellen.

last but not least: evelyne w.-s.! sie wird es in diesem jahr nicht leicht haben. keine erfahrung als bundesrätin bringt sie mit. und keine fraktion, die sie stützen könnte, hat sie rund um sich. doch sie hat gleich mit einem paukenschlag begonnen: keinen generalsekretär aus der alten garde brauche sie da, liess sie sich verlauten! doch jetzt muss sie rasch handeln. taten statt worte ist auch ihr programm gewesen in chur. voran gehen, muss sie, zeigen, was sie will und was sie kann. das ist die devise! denn sie muss einen schweren verdacht loswerden, den sie mit dem bild gleich selber reproduziert hat: dass sie kein anhängsel der linken ist, sondern sehr wohl in die abwesende svp gehört! ihr lächeln zeigt, dass es noch ein grosses stück arbeit auf sie wartet.

liebs volch!

und das volk? es hat noch nichts gesagt, allen auguren und interpreten in eigener sache zum trotz. doch es steht, wie figura zeigt, zu seiner regierung! die jungen sind da, und die alten. sie symbolisieren den generationenvertrag. genauso wie die männer und die frauen, die ihren beitrag in der direkten demokratie der schweiz leisten wollen, damit es allen besser geht. selbst die schwarzen schafe von gestern sind wieder gekommen, und wurden, ohne die unnötige polarisierung, heute schon wieder ganz gut integriert.

das alles gilt, auch wenn man im volk in verschiedene richtungen schaut. doch das ist das neue: die rechten schauen nicht mehr noch weiter nach rechts, sondern nach links. und auch die linken sind interessiert, was rechts von ihnen geht. denn genau das ist die konkordanz: die bescheidene zahl der menschen, die auf kleinem platz vereinigt sind, müssen zusammenhalten. das gilt umso mehr, weil sie kulturell ganz vielfältig zusammengesetzt sind.

da ist opposition ein schlechter ratgeber! ein guter ist es, nicht abseits zu stehen, sondern nahe bei der regierung. denn diese ist gar nicht so abgehoben, wie man gelegentlich meint. sie steht auf dem gleichen boden der schweiz wie das volk.

und das ist gut so, – denn dann kann man ihr fallweise auch auf die füsse stehen! ohne dass es jemand allzu genau sieht. das will uns das bundesratsbild 2008 sagen!

stadtwanderer

meine interpretation des bundesratsbildes von 2007: körpersprache des bundesrates

tells grosser auftritt

es war der 18. november. man schrieb das jahr 1307.

wilhelm tell, der bergler, der jäger und der familienvater aus bürglen, begab sich nach altdorf. dort hatte der landvogt, der im namen des königs, dem habsburger albrecht I., regierte, einen hut als symbol der herrschaft auf dem dorfplatz aufstellen lassen. wer an ihm vorbei ging, musste ihn mit entblöstem haupt grüssen. wer es nicht tat, risikierte viel, gar sein eigenes leben.

tell indessen ging achtlos und ehrbezeugung über den altdorfer platz.

am tag darauf stellte hermann gessler, der herbeigerufene landvogt, den bergler wilhelm tell. er wolle ihn am leben lassen, gabt es ihm bescheid, wenn er beweise, was man von ihm sage. er solle einen apfel auf dem haupt seines sohnes walter mit pfeil und armbrust wegschiessen.


der apfelschuss in altdorf

tell zögerte. er bot sein leben an, um das seines sohnes zu schützen. doch der landvogt entgegnete ihm unwirsch: wenn er nicht schiesse, müssten vater und sohn ihr leben lassen.

tell schoss, und der schuss gelang!

doch tell hatte einen zweiten pfeil aus dem köcher genommen. für den fall, dass der schuss auf den apfel misslungen wäre, hätte er mit dem zweiten pfeil den landvogt umgebracht.

dieser zürnte und liess den rebellischen untertanen verhaften. er wurde in flüelen auf ein schiff gebracht, das ihn ins gefängnis bringen sollte.


der tellsprung am ufer des vierwaldstättersees

als auf dem see zu altdorf ein sturm losbrach, band man den gefangenen los. er wurde ans ruder gesetzt, denn er soll ein guter schiffsmann gewesen sein.

doch als man am ziel angekommen war, sprang tell ans ufer und versetzte dem boote einen kräftigen stoss. seine schergen mussten sich jetzt selber helfen.

tell versteckte sich tags hinter einem baum an der hohlen gasse bei küssnacht. er wusste, dass der landvogt auf seinem weg nach zürich genau hier durch kommen musste.


der tyrannenmord in küssnacht

als gessler kam, zielte tell nur kurz. ohne zu zögern, tötete er mit seinem pfeil den verhassten landvogt.

tell zog sich nach dieser tag in seine berge zurück. er hatte seine freiheit gerettet.

stadtwanderer

ps:
lesen sie morgen: tells wahre geschichte aus den kalten novembertagen

papst nach ermatingen entführt

ich gehe heute ins thurgauische ermatingen – auf den wolfsberg. habe mich schon auf schöne aussichten gefreut. den bodensee vor mir, die herbstsonne über dem schwäbischen meer, das untergehende jahr zu meinen füssen.

doch daraus wird voraussichtlich nicht. es regnet. meine kontakte in die ostschweiz sprechen gar von übergang zu schnee. ich mache mich auf etwas gefasst.

und genau deshalb erzähle ich halt eine vergangene geschichte, die ein wenig erheitern soll, und wenigstes etwas mit ermatingen zu tun hat.


papst johannes XXIII. stürzte auf seinem weg nach konstanz, wo er dann vom heiligen stuhl gestürzt wurde. zuvor wurde er noch in einer spektalären aktion entführt, unter anderem nach ermatingen, wo ich heute sein werde.

das grosse spätmittelalterliche schisma

1415 war die lage der katholischen kirche prekär. bis 1307 residierten die päpste ausschliesslich in rom, waren sie meist römer oder doch italiener, und verfügten sie über den kirchenstaat als teil des heiligen römischen reiches. doch dann wurde papst bonifatius VIII. vom französischen könig gestürzt. seine nachfolger residierten nun in avignon und war ganz im banne des frankenkönigs. 1378 versuchte kaiser karl iv. die unordnung im reich und in der kirche zu bereinigen. er erwirkte die rückkehr des papstes nach rom. doch dann kam es zum eklat. roger, graf von genf, wurde zum neuen papst in avignon. nun hatte man zwei päpste, – eine für das römische kaiserreich und einen für das französische königreich. 1407 versuchte man den zustand zu beheben. die italiener wählten einen weiteren papst, der in pisa residierte. das geschah in der hoffnung, dass die beiden verfeindeten päpst zurücktreten würden. mitnichten!, antworteten sie, und das machte die situation noch schwieriger.

das konzil von konstanz

könig sigismund von ungarn, sohn von karl iv., machte es zu seiner aufgabe, das werk seine vaters, das missglückt war, zu vollenden. 1415 berief er in konstanz ein konzil ein, dass die zentralen fragen behandeln und regeln sollte. zum unrühmlichen teil dieses konzil gehört die verurteilung des prager theologen und priesters jan hus zum ketzer, was ihm das leben kostete. zu den leistungen des konzils wiederum gehört, dass es, ab 1417 wieder nur einen papst gab. oddo colonna, ein adeliger jurist aus italien, wurde zum neuen einheitlichen vertreter der kirche. die nominierung geschah am 11. november, am martinstag, weshalb er den papstnamen martin v. annahm.

vorgängig war es zu einem zähen ringen gekommen, in dessen verlauf die drei bisherigen päpste alle zurücktraten. benedikt XIII. aus avignon, der günstling der franzosen, gregor XII., der vertreter italiens, und johannes XXIII., der favorit der medici.

die entführung von papst johannes XXIII.

anders als die beiden anderen päpst akzeptierte johannes XXIII. die zitierung nach konstanz. doch schon die reise stand unter einem unheilvollen stern. unterwegs kam es zu einem strassenunfall mit seiner kutsche. er landete, fast schon symbolträchtig im strassengraben.

johannes XXIII. wurde, wie die anderen beiden gegenpäpst auch, auf dem konzil gestürzt. als sich das ende der verhandlungen abzeichnet, kam es aber zum eklat. das haus habsburg, das auf johannes gesetzt hatte, versuchte noch zu retten, was zu retten war.

während eines gastspiels am konzil entführten sie papst johannes XIII. – nach ermatingen. dort hielt man ihn vorerst versteckt, dann als die lage unsicher wurde, ging er nach schaffhausen ins kloster, und als auch das nicht mehr verheimlicht werden konnten, entführte man den abgesetzt papst nach freiburg im breisgau, wo er wieder hinter klostermauern versteckt wurde. bei einem unvorsichten ausflug nach breisach am rhein wurde johannes aber gefangen genommen, womit die papstentführung endete. vorerst wurde er eingekerkert, dann begnadigt und schliesslich als kardinal in der kirchenhierarchie weiter beschäftigt.

die folgen für die eidgenosschaft

für die habsburger blieb die entführungsaktion nicht ohne folgen. könig sigismund verhängte über das haus die reichsacht, womit man ihnen alle ländereien abnehmen konnte. die eidgenossen liessen sich nicht lange bitten. allen voran schritt die aufstrebende stadt bern zur tat und eroberte die habsburgischen stammland im aargau, die nun zum berner aargau wurden. luzern und zürich, die vorerst gezögert hatten, schritten reuss- und limmat abwärts, bis man schliesslich in baden zusammentraf und das verbindungsstück zwischen den drei wichtigsten städten der damaligen eidgenossenschaft, das habsburgische wasserschloss in beschlag nahm.

meine reise nach ermatingen

so, jetzt muss ich aber nach ermatingen. durch den aargau, durch den zürichgau, durch den thurgau. im wolfsberg werde ich viele leute aus politik und wirtschaft treffen, ein kleines konzil der schweizerischen bürgergesellschaft findet dort statt. ich werde da in keine kirche der vergangenheit gehen, aber in ein ausbildungszentrum einer weltweit tätigen schweizer bank. und ich werde in der arbeitsgruppe einer jungen badener nationalrätin über die zukunft der schweiz nachdenken.

entführen werde ich aber niemanden! ich versichere es. nur ein wenig spazieren über dem bodensee ist angesagt, wenn mir die sonne scheint …

stadtwanderer

gallus, der weitwanderer

wäre der heilige gallus von luxeuil aus nicht so weit gewandert, müsste ich ihm jetzt nicht so weit nachfolgen …


gallus und columban auf dem bodensee (um 610 nach christus)

gallus, der gefährte columbans

gallus war ein schüler des heiligen columban. mit ihm brach er von luxeuil in den vogesen ins oberste rhein- und limmattal auf. denn sie waren wanderer!

sie sollen in säckingen gewesen sein, in zürich, in tuggen und in arbon gewirkt haben. durch die einfälle der heidnischen alamannen in die gebiete links des rheins war man östlich der zerfallenen stadt vindonissa repaganisiert (noch heute gibt es da geschlechter wie pagani, paganini oder faganini!) worden. dagegen wollte man ankämpfen, – und das nicht mir zimperlichen mitteln.

doch columban blieb nicht in arbon. er wollte nach rom. er wollte seine irische version des christentums dem papst auf dem stuhle petri vortragen. der war gerade dabei, in daraus einen kirchenstaat in mittelitalien zu formen und die misson im frankenreich für sich zu gewinnen.

gallus, der eremit

gallus, erzählt die legende, sei krank gewesen. er habe sei in arbor felix, dem heutigen arbon, geblieben. doch die zeiten waren unruhig. die barbarischen alamannen führten 610 krieg gegen die zivilisierteren burgunder. das aaretal und das rheintal bis ins elsass waren unsicher, denn der fränkische könig hatte alle linksrheinischen gebiete für burgundisch erklärt. doch das wollen sich die alamannischen neusiedler nicht bieten lassen; sie griffen zu den waffen! und siegten!

gallus beschloss 612 der steinach, die in den bodensee mündet, bis an ihre quelle zu folgen. zuunsicher waren ihm die verhältnisse in arbon geworden. die alemannen waren jetzt wer, aber sie waren immer noch wilde heiden!

mit seinem schüler hiltibold wanderte er bis zur mühleggschlucht, wo jedoch ein unüberwindbarer wasserfalls war. dort liess er sich zwangsweise nieder. er baute sich und seiem weggefährten eine klause, die er den burgunderheiligen desiderius und mauritius weihte. deren kulte sollten in alemannien veränderungen bewirken.

gallus verstarb auf ungeklärte art und weise. man nimmt den 16. oktober 640 als todestag an, seit dem man ihm gedenkt.

was bleibt: ein bildungsstätte in alemannien

gunzo, der alemannenherzog, der sich nach dem sieg von 610 über die burgunder im oberen rheintal stark machte, hätte gallus gerne für seinen plan gewonnen, erster bischof von konstanz zu werden. doch der eremit gallus lehnte ab. er blieb in seiner frisch gegründeten klause an der steinach. er übernahm allerdings die aufgabe, von dort aus als lehrer zu wirken. so bildete er johannes, den ersten bischof von konstanz, in theologischer hinsicht aus.

er war es auch, der für einen kulturellen wandel bei den alamannen eintrat: sesshaft sollten sie werden, die provinz im oberen rheintal sollten sie kultivieren, und selber sollten sie zivilisiert werden. seine bemühungen waren nicht direkt erfolgreich. wohl hat er die situation richtig eingeschätzt, dass er als bischof in der stadt konstanz mit seinen mitmenschen mühe bekommen hätte. denn die hätte er von einer religion überzeugen müssen, die sie eigentlich abgelehnt hatten. deshalb blieb er lieber einzelgänger, – wurde er eremit im steinachtal. und lehrer für die neuen führungsschicht im alemannisch-fränkischen gebiet!

seine wirken hat die katholische kirche später geehrt. er wurde heilig gesprochen. dort, wo er gelebt hatte, ist heute nicht gallen, sondern st. gallen!

neue inspiration aus dem burgundischen in st. gallen

und genau dorthin verschlägt es den stadtwanderer aus dem burgundischen bern bald regelmässig, – als lehrbeauftrager an der universität st. gallen – der den politkulturellen wandel in burgund und alemannen der gegenwart lehren soll, die wahlen von demokratischen königen in der heutigen welt erklären muss und über die form der direkten demokratie der germannen unterrichten darf!

wie einfach wäre es gewesen, gallus wäre ins aaretal gekommen, und hätte sich in bümpliz niedergelassen. der regelmässige weg des stadtwanderers wäre klar kürzer geblieben!

stadtwanderer
(von bern)

rideau de roesti – röschtigraben

fast kein abstimmungswochenende vergeht, ohne dass die frage nach den sprachkulturellen unterschieden in den abstimmungsergebnissen gestellt wird. eine ausstellung des bieler museums schwab geht nun den vielfältigen erscheinungsweisen, aber auch den tieferen ursachen des röschtigrabens nach, – bleibt aber auf halbem weg stehen. ein report von der vernissage.


hochgespielt: den “röschtgraben” kann man nicht mal übersetzen, den auf französisch sei er ein vorhang, le rideau de rösti, suggeriert die ausstellung

die problematik

die kultur der modernen direkten demokratie in der schweiz entwickelte sich in den letzten 175 jahren auf kantonaler und nationaler ebene schrittweise. sie ist historisch gesehen “jung”. die kultur des eidgenössischen bewusstseins entstand seit dem 14. jahrhundert mit dem starken hang zu regionaler autonomie. geschichtlich betrachtet ist sie von “mittlerem” alter. die grundlagen aber, die sich an einem abstimmungstag mit sprachregionalen gräben äussern, sind allesamt älter: sie stammen aus der konfrontation von gallo- resp. raetoromanischer und germanischer kultur, die im 5. bis 7. jahrhundert begann und bis heute dauert.

am ende der römischen herrschaft auf dem gebiet der heutigen schweiz, an der wende vom 4. zum 5. jahrhundert, wanderten nacheinander burgunder, alemannen und langobarden ein. sie integrierten sich sehr unterschiedlich in die vorherrschende römisch-keltisch resp. römisch-raetische kultur. bei den burgunden kam dies einem recht raschen aufgabe des germanentums zugunsten der römischen tradition gleich. bei den langobarden verlief der prozess viel langsamer, aber weitgehend vollständig. nur bei den alemannen versagte fast vollständig. sie entwickelten sich in opposition zur mediteran-lateinischen welt weiter.

doch genau diese alemannische kultur ist die basis, auf der die alte eidgenossenschaft im spätmittelalter entstand: als rechtsform, um den lokalen handel auf nicht-adelige art und weise zu sichern, als stadt- und landkultur, die es so nur in der reichsprovinz gab, als militärischer zweckverband, nicht als politischer staat und später als selbstverständnis der protestantischen zentrem gegen die katholischen umländer. doch die herrschaft der alten eidgenossenschaft beschränkte sich nicht nur auf die deutschsprachigen gebiete. sie erstreckte sich auch auf teile jener regionen, die sich in der französischen resp. italienischen kultur entwickelt hatten, hielt sie jedoch als untertanengebiete.

erst mit dem fall der alten eidgenossenschaft unter französisch revolutionärem druck entwickelte sich das selbtverständnis der mehrsprachigen schweiz, das ein produkt des frühen 19. jahrhundert ist und von der freisinnigen grossfamilie im modernen bundesstaat als eine der unverwechselbaren identitäten des sonderfall schweiz gepflegt wurde. mit dem zerfall der fdp seit den 90er jahren des 20. jahrhunderts wieder zum problem wurde.


relativiert: der röstigraben vor dem hintergrund der weltpolitik, karikatur aus der ausstellung

die einladung

ein perfekt zweisprachiges buch von laurent flütsch, das als katalog des musée romain de lausanne-vidy entstanden ist, und den titel „rideau de rösti – röschtigraben“ trägt, geht genau diesem problem mit vielfältigen zeugen ihrer zeit nach:

. zunächst mit karikaturen, die fast alle aus der gegenwart stammen, das heisst, die publizistische verarbeitung rideaus de rösti namentlich in der romandie vorführen,
. dann mit volkskundlichen übersichten, speziell aus den 50er jahren des 20. jahrhunderts, die eine bilanz der alltagskultur dies- und jenseits des saane/sarine ziehen,
. ferner mit ein paar exzerpten aus der zeit des jungen bundesstaates, die den aufbau und zerfall zeitgenössischer eidgenössischer kultur am beispiel des frankens positiv und des ersten weltkrieges negativ aufzeigen, und
. und schliesslich mit archäologischer funden aus der zeit vor der kartoffel, die sich speziell mit der regionalen verbreitung von töpferwaren, alltagskleidern und beschäftigen.

momentan zu sehen ist die wanderausstellung, die auf dem buch flütschs basiert, in der zweisprachigen stadt biel/bienne, genauer gesagt im dortigen museum schwab. sie wurde am wochenende eröffnet und bietet den interessierten verschiedene zugänge zum gleichlautenden polit-kulinarischen thema: einmal als quiz im eingang, das sich mit der entwicklung des bilinguaalismus in der uhrenmetropole beschäftigt, vor allem aber als führung durch den (engen) röschtigraben, sinnbildlich als furche in der landschaft dargestellt: links bekommt man jeweils die französischsprachige perspektive vorgeführt, und rechts kann man sich das gleiche aus deutschschweizericher optik ansehen. der trick der ausstellung dabei ist verblüffend: es beginnt nur vordergründig mit den verschiedenen sprachen, es endet am schluss einer jede erläuterung bei der sichtweise der anderen sprachregion. das verbindet, wo auch immer man anfängt!

selber habe ich mich als freiburger mehrfach in dieser ausstellung wieder gefunden. manchmal habe ich mit über meine eigenen unkenntnissen gewundert. so beim alemannischen grittibänz, den es bis in die frühe nachkriegszeit in der romandie nicht gab, und der als beleg für eine eher barbarische kultur der alemannen vorgeführt wird; so beim arbeitsverkehr, der in der lateinischen schweiz signifikant höher mit dem privatwagen geleistet wird, und als zeichen des materialistischen bewusstseins in der romandie gilt; und so bei der nusstorte und dem birewegge, die, wie mir nicht präsent war, ihre ursprünge in den verschiedenen sprachregionen haben. besonders angesprochen gefühlt habe ich mich als historiker aber, als es in der ausstellung die vorgeschichte der sprachregionen ging, den zahlreichen wanderbewegungen, aus denen im schweizerischen mittelland seit langem ein gemisch aus verbindenden und trennenden alltagskulturen entstanden sind.


perfekt bilingue: der ausstellungskatalog der edition infolio

die bewertung

trotz diesem lob für das spezielle projekt, sei mir eine enttäuschung am ende der ausstellung und der buchlektüre erlaubt: eine durchgehende geschichte der beziehungen zwischen den räumen, die heute zentral zur schweiz, europäisch gesehen aber immer zu den rändern verschiedener grosskulturen gehörten, bekommt man leider nicht. nur zu gerne hätte man am schluss der vorführung eine erläuternde übersicht über die 7500 jahren nachbarschaft, die in der ausstellung und im buch angesprochen werden, die einem die wechselhaften phasen des zusammenlebens mit höhen und tiefen sichtbar gemacht hätte.

sicher wäre es hierfür nötig gewesen, die zeit vom 8. bis 18. jahrhundert nach christus, die weitgehend ausgeblendet wird, mehr informationen und eindrücke vermittelt zu erhalten. denn genau in dieser zeit vollzieht sich die unterschiedliche ethnisierung der mittellandgesellschaft, beginnt die ausbildung der sprachgebiete und setzt ihre verfestigung durch kirchen, staat, schulen und medien ein, bis napoléon dem anachronimus der deutschschweizerischen herrschaft über „die lateiner“ ein jähes ende bereitete.

damit bleibt die zentrale frage offen, was denn, trotz des evidenten röschtigrabens, die schweiz bis heute zusammenhält? ist es die immerwährende herrschaft über die alpen? sind es die verdienstmöglichkeiten vom soldwesen von damals bis zum bankenplatz von heute? oder ist es die drohende marginalisierung der drei randregionen, wenn sie in ihren umliegenden sprachkulturen aufgehen würden?

vielleicht ergibt sich die antwort hierauf auch nicht intellektuell. dann wäre die ausstellung nur der magnet, um anschliessend in die stadt biel/bienne zu gehen, gleihc zwei restaurants zu besuchen, das eine mal eine rösti, angerührt mit öl, das andere mal eine röschti, gemacht mit butter, zu bestellen, und sich mit der jeweiligen bevölkerung in seiner und ihrer sprache über das zusammenleben am berühmten vorhang/graben zu unterhalten. denn auch das bildet!

stadtwanderer

biel/bienner ausstellung

ausstellungskatalog:
laurent flütsch: rideau de rösti – röschtigraben. infolio édition CH, gollion 2006, 2. auflage.

bestelladresse

war sind die longchamps katholisch?

der heimatort der familie longchamp ist malapalud, – ein verträumtes nest, mitten in der waadt. unter bernischer herrschaft (1536 bis1798) gehörte malapalud zu echallens. zwischen 1476 und 1536 war echallens eine bernisch-freiburgische vogtei („gemein(sam)e herrschaft“). 1475 war es durch bernische truppen erobert und im zentrum arg zerstört worden. vor 1475 war man in echallens burgundisch, gehörte den grafen von chalons, die sich ab 1407 über den jura hin ausdehnten. denn man strebte nach oberitalien, und der weg über den jura führt schnurgerade über echallens.

die katholische kirche war damals in einem fürchterlichen zustand. den papst in rom gab es seit 1307 nicht mehr, als bonifatius VIII. nach der ganzen macht in europa gegriffen hatte und einem attentat zum opfer gefallen war. der neue papst wohnte danach in französischer obhut im südburgundischen avignon. die grosse pest von 1347 tat das ihrige, denn die vielen toten liessen den glauben in die schutzmächte aller art schwinden. und als der papst von avignon 1378 wieder nach rom ging, kam es zu eklat: der genfer graf wurde zum gegenpapst und ging seinerseits wieder nach avignon, – und die christenheit war ab jetzt zerrissen zwischen der französischen und der deutschen variante der katholischen kirche. bis 1417 dauerte die spaltung, das grosse abendländische schisma der katholischen kirche, und das kirchenleben zerfiel in dieser Zeit vielerorts. Vollends verwirrlich wurde die situation 1439, als man den damaligen herzog von savoyen, amadeus VIII., ein vater vieler Kinder, in basel zum gegenpapst Felix V. kürte. glücklich wurde dadurch niemand!

eern eroberte 1475 gemeinsam mit freiburg das burgundische echallens. ss ein präventivschlag, wollte man doch dem drohenden karl dem kühnen seine bastion in der waadt wegnehmen. im grossen burgunderkrieg schlugen die vereinten eidgenossen den burgunder herzog in grandson und murten. 1477 starb er in der schlacht von nancy, und burgund kam per erbschaft ans haus habsburg. erzherzog maximilian hatte noch rechtzeitig marie von burgund, die tochter des kühnen, geheiratet. bern und freiburg, welche die ganze Waadt erobert hatten, durften diese jedoch nicht behalten, doch die savoyische herrschaft, die danach entstand, war eher formeller natur. 1536, als bern und freiburg unter oberst jean-françois naegeli mit segen von francois I. in den französisch-habsburgischen krieg eingriffen und die savoyische waadt besetzten, leistete diese kaum mehr widerstand.

doch es machte einen grossen Unterschied, ob man 1475 oder 1536 von bern und freiburg erobert worden war. die waadt wurde reformiert, mit ausnahme der vogteien, die bern und freiburg direkt aus den burgunder-kriegen behalten hatten. in diesen war es 1532, als sich reformierte und katholiken im zürcherischen kappel die köpfe einschlugen und die katholiken die oberhand behielten, folgendes beschlossen worden: die Untertanengebiete, die von mehreren eidgenössischen orten gemeinsam regiert werden, können selber bestimmen, welcher konfession sie angehören wollen. und so entschied man sich in echallens, katholisch zu bleiben, das heisst unvermindert zum (letzten) bischof von lausanne, sébastien de montfalcon, zu gehören. diesen gab es kurz darauf nicht mehr, am 21. März 1536 verliess er seinen sitz st. maire in lausanne, und er kehrte nie mehr dorthin zurück.

so blieben die leute von echallens katholisch. auch die leute von malapalud, die von echallens abhingen. und so auch die longchamps. eigentlich sind wir also unvermindert katholische burgunder! genauso wie adrian von bubenberg, vor meinem büro! habe selber 47 Jahre gebraucht, und zu verstehen, warum meine familie katholisch (geblieben) ist, obwohl wir waadtländer sind.

werde möglicherweise noch 47 brauchen, um zu verstehen, warum ich katholisch (geblieben) bin, obwohl ich in bern lebe. a suivre, à l’an 2053!

nachtwandern

bin ja wie ein wilder dran, eine kurzfassung der stadtwanderung zu machen. das ganze auf zwei stunden zu komprimieren. es gibt halt kundschaft, die nicht einen ganzen tag kann.
es ist aber fast nicht möglich. soviel geht verloren, und man muss wohl im wandern erzählen. für kleine gruppen mag das gehen.
habe das gestern erstmals als nachtwandern versucht, zugegeben, eher etwas kalt im moment, aber super schön! die gebäude der altstadt sind teilweise spektakulär beleutet, viel spannnender anzusehen als am tag. ich muss das nächste mal unbedingt bilder machen. die architektur lebt viel mehr, wenn sie vor schwarzem hintergrund erscheint, und gelb ausgeleuchtet wird.
eigentlich sollte ich auch eine nachtwanderung anbieten. mit einem mitternachtsumtrunk, wenn alles vorbei ist. so einem wirklich guten whisky!
das wäre schon was

ins – ein dorf mit bewegter geschichte

bis jetzt war ins das dorf, aus dem monia kam. ich habe es am sonntag erstmals bewusst besucht – und gleich mit der recherche begonnen: ganz schön spannend!

für die einwohner ist ins “eiss”, und weil man hart an der sprachgrenze ist welsch “anet”. besiedelt ist der ort seit der steinzeit. bekannt sind vor allem die keltischen fürstengräber auf dem schaltenrain. der kirchberg war sicher schon in keltischer zeit eine kultstätte. aus römischer zeit ist eine strasse direkt ins broyetal nachweisbar, damit war man angeschlossen an den transit von süden nach norden. in der folge gabs, wie überall in der westschweiz, einwanderungen, – hier durch die burgunder. dass die alemannen zuerst waren, wie man in der kirche nachlesen kann, ist wohl ein mythos. christianisiert wurde die gegend im 7. jahrhundert, wahrscheinlich durch wandermönche aus luxeuil. alle das spricht für burgundische wurzeln.

das spannende an der eisser geschichte beginnt jedoch danach: beim zerfall des fränksich-burgundischen kaiserreiches kommt es im jahre 851 zum grossen eklat in ins, – gleichzeitig dem ersten, aus ins bekannten ereignis: bischof david von lausanne wird hier in den wirren des zerfallenden fränkischen kaiserreiches ermordet, und der rote findling aus der eiszeit in der müntschemiergasse heisst seither blutstein. verraten worden sei er von bauern aus treiten; der name des ortes leite sich daher vom französischen trahison. mehr weiss man leider nicht.

mit dem zerfall des nachfolgenden burgundischen königreiches reiches kommt ins im 11. jahrhundert zum bargengau. man ist jetzt kaiserlich-imperial, auch bei den bauern von anestre, wie man ins nennt. der verwalter an der aare in bargen kann sich jedoch nicht halten, denn es steigt im 11. jahrhundert das geschlecht der grafen von fenis zur führenden kraft in der region auf. sie haben das vertrauen von kaiser heinrich iv., den sie im investitursteit treu unterstützt haben. der stammsitz der grafen von fenis ist die hasenburg in der nähe von ins, und von hier aus entwickeln sie im aaretal ihre herrschaft, in konkurrenz zu den papsttreuen zähringern, die nach süden drängen.

1117 kommt es zum grossen erdbeben im juragebiet, das auch in ins bemerkt wurde. fenis, der alte burgundische namen geht verloren; neu erbaut wird cerlier, das heutige erlach, und das grafengeschlecht von fenis teilt sich in der folge in die grafen von neuenburg, von valangin, von nidau und von strassberg. damit verliert es auch seine hegemoniale stellung in der region, und so kommt es 1375 zur grossen krise, als die gugler, arbeitslose söldner aus dem englisch-französischen krieg, das westliche mittelland plündern. in der folge geht die ganze region an die grafen von savoyen, 1407 gar an die grafen von chalons im heutigen burgund.

1474 dringen die berner vor, erobern erlach, und sie setzen dort einen landvogt ein. 1476 beteiligt sich die ganze region auf eidgenössischer seite an der schlacht von murten. dabei zeichnen sich die frauen von ins als besonders tapfer aus, die in der folge das privileg erhalten, am sonntag stets vor ihren männern in die kirche einziehen zu dürfen.

überhaupt, die wende zur neuzeit bringt auch in ins einen einschnitt: 1491 wird die leibeigenschaft durch eine zahlung von 299 pfund an den staat bern abgelöst. 1499 wird ins mit bern und der eidgenossenschaft vom kaiserreich ausgeschlossen. man will sich dem reichskammergericht nicht unterstellen, und den kaiserlichen beamtenstaat, der entstehen soll, ist den eidgenossen ein gräuel. man ist jetzt schweizerisch in ins.

gleichzeitig mit dem umbruch zerfiel auch das kirchliche leben, bis dahin streng katholisch, ; im 15. jahrhundert es mehren sich die klagen über unsittliches verhalten des pfarrers und unsachgemässe behandlung der kirche und seiner gegenstände. vorerst wird die kirche der pfarrei gampelen unterstellt, 1484 kommt sie unter die schirmherrschaft des st. vinzenstiftes in bern. 1528 wird die ganze region durch pfarrer kaspar künzi reformiert, selbst wenn die konservativen bauern sich wehren vorerst.

1541 beginnt bern mit der aufrüstung, die kirche wird erneuert, indem sie den stolzen trum erhält, und die pfarrstelle zu einer der begehrten in der bernischen republik aufsteigt. 1653 sind die bauern aus ins regierungstreu, sie beteiligt sich nicht am bauernkrieg der emmentaler.

mehrfach brennt das dorf in dieser zeit aus: 1562 die ganze siedling, 1655 gampelenstrasse, 1677 erneut das ganze dorf. danach kehrt wieder mehr ruhe ein. im 18. Jahrhundert ist das leben friedlich, und die berner patrizier begeistern sich immer mehr für das landleben, auch in ins, wo die familien von werdt, von fischer, von tascherner und jenner gutsherren werden.

1798 wird diese idylle wieder zerstört, die französischen truppen besetzen bern und die umgebung, und es brennt das dorf gleich zweimal. die dorfjugend wehrt sich gegen die fremden truppen, und sie kippt mehrfach den französischen freiheitsbaum, unter dessen herrschaft vorübergehend auch die trauungen stattfanden. jetzt ist man oppositionell, antimodernistisch und antiliberal. 1848 brennt das rathaus mit dem chorgericht, und 1849 kommt es gleich nochmals zum dorfbrand.

die zahlen für die dorfbrände sind auffällig: immer wenns in europa und der eidgenossenschaft in der neuzeit brennt, brennt auch ins. auch das macht ins spannend für weitere recherchen, genau so wie der blutstein, da gibt sicher noch viele sagen und geschichte. wer weiss weiter?