#Beizentour: Rückblick mit allen Stationen

Das ist keine neue Station, aber die Uebersicht über die 14 vorangegangenen Stationen mit Stadtplan..

1 Kreuzgassbrunnen
2 Rathaus/Vennerbrunnen
3 Gesellschaftshaus zum Distelzwang
4 Restaurant Krone
5 Klötzlikeller (Apéro)
6 Münsterplatz
7 Hotel de Musique
8 Kramgasse
9 Restaurant Zimmermania (Essen)
10 Hotel Glocke
11 Restaurant zum Aeusseren Stand
12 Volkshaus 1914
13 Café des Pyrenées
14 Progr/Lehrerzimmer (Drink)

Die Wiederholung ist am 8. Juni, 18-22 Uhr). Platzzahl limitiert. Anmeldung (via messenger) erforderlich. Die Kosten betragen rund 100 CHF pro Person, Führung, Essen und Trinken alles inklusive.

#Beizentour, 14. Station: Progr, Kultur und Helvetia ruft!

Wir sind im Kulturzentrum Progr angekommen. Progr leitet sich aus der berndeutschen Abkürzung für ProGymnasium ab.

Hier war einst sogar das Gymnasium, dann die Vorstufe dazu. Als auch das Progymnasium auszog, schlug die Stadt eine Verbindung mit dem Kunstmuseum vor. Und als das zu teuer war, wurde eine kommerzielle Nutzung als Gesundheitszentrum erwogen. Das rief eine Gruppe von KünstlerInnen auf den Plan, die hier eine Kulturzentrum realisieren wollten.

In der Volksabstimmung vom 15. Mai 2009 entschied sich die Stadt mit über 60 Prozent Ja-Stimmen zugunsten des Kulturzentrums. Die Stiftung dazu hat einen Pachtvertrag erhalten, der bis 2030 dauert. Betrieben werden nicht nur Ateliers, sondern auch zwei Bars, eine in der Turnhallte, die andere im Lehrerzimmer.

Vor allem die Turnhalle ist politisch beliebt. 2022 lancierte die Frauenorganisation «Helvetia ruft!» hier ihr Wahljahr 2023. Dabei will sie an den Grosserfolg anknüpfen, den die Frauen 2019 mit historisch einmaligen Anteilen im National- und Ständerat errungen haben.

Was am 20. Oktober 2023 aus dem Sturm der Frauen wird, werden wir noch sehen. Die Zeichen in den Kantonen stehen jedenfalls auf mehr violett für mehr Frauen!

Davor geht’s auf einen Drink im Lehrerzimmer. Das ist nach der anstrengenden und hoffentlich lehrreichen Wanderung mehr als verdient!

Stadtwanderer

Mein Stadtwandern

Ich bin in den letzten Tage mehrfach gefragt worden, wo man mein Programm als Stadtwanderer finde. Die einfachste Antwort ist auf hier facebook auf Twitter unter www.stadtwanderer.net.

Zwei Präzisierungen dazu.

Beizentour
Die Nachfrage nach der Beizentour ist seit dem Artikel in Bund/BZ klar gestiegen. Am 8. Juni gibt es eine offene Wanderung.ImDa hat es noch Plätze frei. Eine Anmeldung ist erforderlich.
Wir machen eine Zeitreise vom 15. bis ins 21. Jahrhundert durch Bern. Wir lernen verschiedene Typen von Gastwirtschaften dieser Zeit kennen. Dreimal kehren wir auch ein.
Konkret besuchen wir das Gesellschaftshaus zum Distelzwang, das Hotel Krone, den Klötzlikeller (Apéro), das Hotel de Musique, das Zimmermania (Abendessen), das Restaurant zum Aeusseren Stand, das Volkshaus 1914, das Café de Pyrenées und das Lehrerzimmer/Progr (Nachtbier).
Zudem machen wir an einigen Plätzen einen Zwischenstop, die für die Entwicklung der Gastwirtschaften in Bern von erhellender Bedeutung sind.
Die Führung beginnt um 18 Uhr und endet um 22 Uhr (wenn alles klappt!). Sie startet beim Zähringerbrunnen in der Altstadt und sie ist im Progr fertig.

InteressentInnen für die Beizentour melden sich per Twitter DM oder Messenger bei mir.

Programm
Das sind meine weiteren Führungen in Bern vor der Sommerpause. Das Programm ist praktisch voll!

20.4. «Jugend und Politik», geschlossene Führung für Feierabendtreff
29.4. «Ochsentour», geschlossene Führung für Rotary Club Zürich
4.5. «Burger, Barock und Bourbonen», geschlossene Führung für Polizei Bern
17.5. «Lobbying in Bundesbern», geschlossene Führung für Staatslabor
23.5. «Demokratie Schweiz», geschlossene Führung für Prosperita Bern
29.5. «Demokratie Schweiz», geschlossene Führung für Freidenker Schweiz
8.6. «Beizentour», offene Stadtwanderung
29.6. «Beizentour», geschlossene, private Gruppe
1.7. «Ochsentour» (zur 175 Jahr-Feier der Bundesverfassung), offene Stadtwanderung

Bei geschlossenen Wanderungen besteht keine Möglichkeit, sich individuell anzuschliessen, da sie für bestimmte Gruppen durchgeführt werden.

Stadtwanderer

#beizentour: 13. Station: Pyri, Polo Hofer und die neue Politik

Das «Pyri», mit vollem Namen «Café des Pyrenées», ist der wohl legendärste Spunten der Stadt Bern. Er war die Stammbeiz von Polo Hofer. In einem Nachruf über ihn steht, er habe es als seine Berner Heimat bezeichnet, deren Bar seine Universität war.

Hier entstanden 1971 rund um Polo die «Härdlütli». Das waren vier Gäste aus dem Pyri, welche die Stadtpolitik aufmischen wollten. Mit einem Plakat, auf dem sich alle vier nur mit etwas Efeu bekleidet zeigten, sorgten sie damals noch für ungewohnte Aufmerksamkeit.

Die drei Männer wurden nicht gewählt. Erfolg hatte Margrit Probst, die einzige Frau auf der Liste. Doch als sie die erste Traktandenliste zum Parlamentsbetrieb sah, verging ihr die Lust an der institutionellen Politik schnell einmal. Ihr Nachfolger war der Künstler Carlo Liscetti. Polo Hofer hatte sich von der Politik schon verabschiedet.

Die Kobolde der «Härdlütli» gingen später in der alternativen Bewegung der 68er auf. Margrit Probst lebte lange im Ausland. Nach Bern zurückgekehrt, meinte sie kürzlich, die Freiheit der nächtlichen Beizenszene von heute sei etwas das, was sie sich von der Politik erwartet habe.

Für Aufsehen sorgte das Pyri noch einmal, als man sich vorübergehend weigerte, das Rauchverbot in Gastwirtschaften umzusetzen. Heute wir vor und neben dem Kaffeehaus geraucht, im Innern ist es untersagt.

Nun wird das «Pyri» der «taBerna Kultur-Gastro» betrieben. Sie hat es mit drei weiteren Szenencafés und Restaurants von der Weinhandlung Hess in Köniz gepachtet. Man verteidigt die eigene Lebenswelt gegen die Kolonisierung der Gastrolandschaft durch den Kommerz. Denn fast alles am Kornhausplatz gehört heute der Bindella-Gruppe, die aus dem Weinimport von Chianti in die Schweiz entstanden ist, und sich an ein gehobenes und etabliertes Publikum wendet.

Stadtwanderer

Der Umsturz von 1798, der zur Helvetischen Republik führte

Heute gibt es keinen neuen Beitrag zur #Beizentour. Denn es ist der Tag der Republik. Vor genau 225 Jahren wurde die Helvetische Republik in Aarau gegründet. Es war der Anfang der modernen Schweiz mit Verfassung, Gewaltenteilung, Menschenrechten und repräsentativer Demokratie. Bin heute in Aarau und mache eine Führung durch historische Orte. Hier die Chronologie der entscheidenden vier Monate 1797/8.

Der Umsturz von 1798 – aus Aarauer Sicht

1797, Dezember

27. a.o. Tagsatzung in Aarau der 13 Orte und verschiedenen zugewandten versucht, angesichts der bedrohlichen Lage im Westen, die gespaltene Eidgenossenschaft zu einen.

1798, Januar

9. Der Geschäftsträger Frankreichs, Joseph Mengaud, trifft in Aarau ein. Er will eine friedliche Revolution statt einer militärischen Eroberung.

20. Oberzunftmeister Peter Ochs legt einen Verfassungsentwurf vor, der sich an die französische Verfassung anlehnt.

25. Förmlicher Bundesschwur der Tagsatzung im Aarauer Schachen vor 25’000 Zuschauern

28. Bern aktiviert die Deputiertenversammlung, die 51 “Ausgeschossene” aus den Untertanengebieten zu neuen Berner Grossräten machen soll. Auch Aarau soll einen “Ausgeschossenen” erhalten.

29. Die Gemeindeversammlung in Aarau soll den «Ausgeschossenen» bestimmen, entzieht jedoch dem amtierenden Schultheiss das Vertrauen. Sie bestimmt Oberst Daniel Seiler als „Ausgeschossener“ und Präsident einer neuen Sicherheitskommission.

30. Aufstand in Aarau. Die Sicherheitskommission weigert sich, Bern Truppen gegen Frankreich zu stellen. Sie stattet Seiler mit uneingeschränkter Gewalt aus. Der koordiniert sich mit den „Ausgeschossenen“ von Brugg, Lenzburg und Zofingen.

1798, Februar

1. Ende der Tagsatzung in Aarau, unmittelbar danach wird der Freiheitsbaum vor dem Aarauer Rathaus aufgestellt, ein Volksfest zur Befreiung von Bern beginnt. Mengaud und Basler nehmen ebenso wie wie viele Aarauer RevolutionärInnen teil.

2. Die „Ausgeschossenen“ treten angeführt vom Brugger Arzt Albrecht Rengger in den Berner Grossen Rat ein. Der Rat beschliesst anderntags Reformen einzuleiten, über die innert Jahresfrist abgestimmt werden soll.

3. Oberst von Büren, Schutzherr über Solothurn, besetzt auf eigene Faust Aarau. Der Freiheitsbaum wird gefällt. Die Aarauer Revolutionäre fliehen nach Liestal, der verärgerte Mengaud nach Basel.

7. Eine Delegation des Berner Grossen Rates unter Rengger spricht bei Mengaud vor.

13. Mengaud fordert schriftlich die Absetzung der Berner Regierung und die Entschädigung der Revolutionäre.

24. Bern beschliesst, die Verhandlungen mit Mengaud abzubrechen. Der Einsatz militärischer Mittel wird unvermeidlich.

1798, März

2. General Schauenburg aus dem Jura rückt ohne nennenswerte Gegenwehr in Solothurn ein.

4. Die Berner Regierung kapituliert, Schultheiss von Steiger bereitet dennoch den Kampf vor.

5. Militärische Niederlage der Berner in Fraubrunnen und auf dem Grauholz gegen General Schauenburg, in Neuenegg widerstehen ihre Truppen General Brune.
Untergang von Stadt und Republik Bern

15. Frankreich besetzt Aarau und beruft eine Nationalversammlung ein.

1798, April

10. Die Nationalversammlung konstituiert sich in Aarau und nimmt die Arbeit auf.

12. Senatspräsident Peter Ochs verkündet die Gründung der unteilbaren Helvetischen Republik.

Quelle: Revolution im Aargau. Umsturz-Aufbruch-Widerstand 1798-1803, AT Verlag 1997

#Beizentour 12. Station: Volkshaus, Arbeiterhotel und der (unbekannte) Redner

Die 1890er Jahre waren aus bürgerlicher Sicht die Belle Epoque. Aus der Perspektive der Arbeiterschaft war es die Zeit des Klassenkampfs. Zwischen beiden gesellschaftlichen Gruppen entwickelte sich in Bern ein Zwist zur Benutzung der Heilig-Geist-Kirche als Versammlungsraum.

1893 hatten die Berner Arbeiter genug. Sie eröffneten an der Zeughausgasse das erste Volkshaus der Schweiz. 1914 baute man das heutige Gebäude an gleicher Stelle. Genannt wird es ein „Palast aus Dreck und Eisen“. Seither wurde es mehrmals renoviert. Doch es ist der Treffpunkt der gewerkschaftlichen Linken geblieben.

Im Ersten Weltkrieg war es ein Zentrum der internationalen SozialistInnen. Lenin war da, auch Leo Trotzky und Carla Zetkin kamen. Man bereitete die Weltrevolution vor, die in Russland beginnen sollte.
Die Berner Sozialdemokraten unter Robert Grimm bevorzugten einen anderen Weg. Sie waren reformorientiert. Sie wollten die bürgerliche Demokratie erweitern. 1918, mitten in der Spanischen Grippe, wurde ihre Volksinitiativen für das Proporzwahlrecht angenommen.
1919, war es soweit. Die FDP verlor ihr absolute Mehrheit im Nationalrat. Die Konservativen, die Sozialdemokratie und die Bauern&Gewerbepartei erstarkten und bereiteten so den Systemwechsel von der freisinnigen Mehrheits- zur Konkordanzdemokratie vor.

Das Volkshaus eröffnete seine Tore nach einer finanziellen Krise am Ende des Zweiten Weltkriegs erneut. Ein Hotel mit Hallenbad und Kino entstand. Alles für das Wohl der Arbeiter, Volkshaus zu Volkspreisen, war das Motto!
Verschiedene SP-BundesrätInnen gingen hier ein uns aus. Micheline Calmy-Rey wohnte im Volkshaus, als sie Aussenministerin war. Otto Stich jasste mit seinen Getreuen aus der SP-Fraktion in der Kurrierstube, egal was politisch gerade anbrannte.

Berühmt ist das Bild des Redners vor dem (Männer)Volk im Innern des Hauses. Ich habe Volkshaus-Verwaltungsrat Corrado Pardini gefragt, wen es darstelle. Er wusste es nicht, meinte aber, die Wetten lauteten auf Lenin, Grimm und Pardini!

Stadtwanderer

#Beizentour, 11. Station: Aeusserer Stand, Bundesstaat und Jugendparlament

848 wird der Bundesstaat gegründet. Er brachte der Schweiz demokratische Institution. Ersonnen wurden sie hier im ersten Stock des Rathauses zum äusseren Stand, heute Restaurant zum äusseren Stand genannt. Entscheidend waren 23 Freisinnigen, welche die Verfassungskommission bildeten. Vorausgegangen war ein Bürgerkrieg, den die katholisch-konservativen Kantone verloren.

Die Verfassung war ein Kompromiss aus Demokratie- und Föderalismus-Prinzip. Das Demokratie-Prinzip besagte, alle erwachsenen Männer haben die gleich Stimmkraft. Gemäss dem Föderalismus-Prinzip konstituierte sich der Bund aus souveränen Kantonen, der nur dort aktiv werden durfte, wo ihn die Verfassung dazu ermächtigte.

Der Ausgleich wurde der amerikanischen Bundesverfassung entlehnt. Verlangt haben ihn die katholische Freisinnigen. Sie misstrauten den Radikalen in Zürich, Bern und der Waadt, die einen Zentralstaat mit ausgebauter Volksherrschaft wollten.

Die katholische Freisinnigen organisierten sich unter Joseph Munzinger separat. Regelmässig trafen sie sich in der benachbarten Schmiedstube zur informellen Vorbesprechung. So setzten sie auch ihr Gegenmodell zu den Radikalen mit einem Bundesstaat und zwei gleichwertigen Parlamentskammern durch. Das gilt im wesentlichen bis heute.

Ironie der Geschichte: Der Aeussere Stand war bis 1798 Parlament der jungen Bernburger, welches das rückwärtsgewandte Ancien Regimes sichern sollte. Nun wurde es zur Geburtsstätte für den vorwärtsgewandten Bundesstaat.

Stadtwanderer

#Beizentour, Nr. 10: Bier, Bügelverschluss und Volksgetränk

Mit der Schliessung der Klöster nach der Reformation verschwand auch das Bier weitgehend. Es kam im Kanton Bern erst im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts wieder richtig auf.

Das Egger-Bier ging voraus. 1863 pröbelte man in Worb mit einer neuen Produktion. Ein Jahr später wurde das Bier nach der Messe auf dem Dorfplatz ausgeschenkt – und war ein Erfolg! Es folgten weitere lokale Biere wie das Gurten-Bier aus Köniz oder das Felsenau-Bier aus der Stadt Bern.

Aelter noch wäre das Reichenbach-Bier gewesen. Begründet hatte es Beat Fischer. Der Erfinder der Berner Post und der Gazette de Berne war auch der Bierpionier in Reichenbach an der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert. Doch fusionierte die Kantonalbank seine Fabrik mit dem Indermühle-Bier in Interlaken zum Rugenbräu. Sie setzte auch die Familie Hofweber aus Bayern als neue Brauer ein, die noch heute den grössten Familienbetrieb der Branche im Kanton führt.

Der damalige Strukturwandel in der Brauerei-Szene war typisch. Bier galt lange als nicht haltbar und auch nicht transportierbar. Die Erfindungen von Louis Pasteur ermöglichten das eine. Der Bügelverschluss an der Flasche das andere. Beides führte zum Anstieg von Produktion und Konsumation, bis das Bier im 20. Jahrhundert den Wein überholte und zum Volksgetränk Nr. 1 avancierte. In Bern besiegelte das auch das Ende der legendären Weinkellereien.

In den 1990er Jahre kam der globale Strukturwandel der Bierproduktion auf. Fast alles gehört nun der dänischen Marke Carlsberg.
Doch öffnete sich auch neue Nischen für lokale Biere, wie heute das spezielle Bernermüntschi oder das leckere Bier, das im alten Tramdepot mitten im Restaurant gebraut wird.

Stadtwanderer

#Beizentour 9. Station: Das Zimmermania, die Radikalen und die neue Politik

Das Zimmermania ist wohl das älteste Restaurant à la française in der Stadt Bern. Noch heute weht die Trikolore auf dem Dach.
“Restaurer” meint “Wiederherstellung”! Das Restaurant entstand in Paris, als es ihre Wirte propagierten, um sich vom ungesunden Essen ihrer Konkurrenten abzugrenzen.
Im Restaurant wählte man auf der Menu-Karte mehrere Gänge nach individuellem Geschmack aus und ass in aller Ruhe am weiss gedeckte Tisch für 2 oder 4 Personen.

In Bern markierte das Jahr 1831 der Auftakt. Die Liberalen übernahmen die Macht. Sichtbarste Auswirkung in der Gastronomie war das Restaurant Zimmermania. Als es 1842 aufging, lag es am Stadtrand mit in Schrebergärten.
Die leicht abgelegene Lage zog vor allem die jungen und lauten Studenten der neuen Hochschule an. Zudem mochten sie das Bier, das hier fast exklusiv angeboten wurde.

Ihre Verbindung nannten die radikalen Studenten “Helvetia”. Radikale wollten einen Nationalstaat gründen, notfalls mit Gewalt gegen die katholische Kirche.
Inspiriert von ihren deutschen Professoren sollen die Studenten hier die Verfassung am Stammtisch diskutiert und entworfen haben, die nach 1846 das politische Programm des Kantons wurde.
Vorausgegangen war ein überwältigender Sieg der Radikalen, als erstmal ohne Zensusbeschränkungen gewählt wurde. Der brachte ihnen die Mehrheit im Grossen Rat und alle neun Sitze in der Regierung.
Der politische Aufbruch aus dem Zimmemania war perfekt!

Stadtwanderer

#Beizentour, 8. Station: Der Zytgloggenturm, Bern auf Wein und die Gastronomie im Jura

Mit der Helvetischen Republik von 1798 wurde das Gasthauswesen der ganzen Schweiz liberalisiert.
Spektakulär war in der Stadt Bern der Anstieg der Weinkeller. Mit dem Fall des Privilegs für Patrizierfamilien wuchs deren Zahl östlich und westlich des Zytgloggenturm auf der Hauptverkehrsachse auf bis zu 200 an.
Zum Zustand der Stadt gab es bald ein geflügeltes Wort: Venedig schwimme auf Wasser, Bern auf Wein!
Nur ein Jahr später erhob der klamme Staat eine Steuer auf Gastwirtschaften. Die war für die neuen Gasthäuser höher als für die alten. Das leite eine Selektion ein.

1803 entstand der Kanton Bern getrennt von der Stadt Bern. Im Kanton zählte man im Folgejahr 450 Wirtshäuser. Wie die reformierte Tradition noch war, merkte man 1815, als auf dem Wiener Kongress das ehemalige Fürstbistum Basel zum Kanton Bern geschlagen wurde. Das war selbstredend katholisch und hatte trotz vierfach kleinerer Fläche und Bevölkerungszahl mit 540 Gastwirtschaften einiges mehr als der alte Kantonsteil zu bieten.

Doch die Berner Administration griff durch: Die auberges wurden zu Herbergen, die cabarets zu Weinkellern, die bains zu Badhäuser. Die zahlreichen cafes belebten das junge Geschäft mit den Kaffeehäuser, wurden aber zu den Pinten gezählt. Für die Berner ganz neu waren die buchons. Das waren Vorläufer der Restaurants à la française. In der Hauptstadt kannte man nur Speisewirtschaften.
Bei Weitem nicht alle Gastwirtschaften überlebten die neue Einteilung ins bernische Verwaltungsdenken. Denn der Freistaat Bern, wie er sich nun nannte, schloss gleich die aller Hälfte der Gasthäuser im Jura.

Mit bleibendem Schaden für sein Ansehen!

Stadtwanderer

#Beizentour, 7. Station: Hotel de Musique, Maison du peuple und Kaffeetrinken

Man bezeichnet die zweite Hälfte des 18. und die erste des 19. Jahrhunderts als Sattelzeit, während der sich die Ständegesellschaft zur Bürgergesellschaft wandelt. In Bern kann man das an der Einführung von Kaffeehäusern und Theatersälen sehen.

Die erste Aktiengesellschaft Berns baute 1766 das repräsentative Hotel de Musique. Es sollte als Konzert- und Theaterhaus dienen. Die Stadtobrigkeit bewilligte Bau und Konzerte, nicht aber das Theaterspiel. Zu aufrührerisch!

Dafür wurde aus dem Konzertsaal das erste bernische Kaffeehaus, das Bestand hielt. An der Hotelgasse Nr. 10 schlürften nun Kulturbefliessene das fremde Getränk, um angeregt parlieren zu können, bevor sie sich der Musik zuwandten.

Derweil wurde im ersten Stock des Hotels politisiert. Da hatte sich der Cercle de la Grande Societe einquartiert. Partrizier und Bürgerliche erörterten nach niederländischem Vorbild gemeinsam, was die Weltlage für Bern bedeuten könnte – als Herrenclub hinter verschlossenen Türen.

1798 wollten die revolutionären Franzosen aus dem vornehmen Hotel eine Maison du peuple machen. Doch scheiterten sie grandios.
Der Cercle beharrte darauf, eine geschlossene Gesellschaft zu bleiben. Und das Cafe blieb erst einmal ein Ort für Künstler.
Nur das bürgerliche Theaterspielen kennt man seit der französischen Besatzung in Bern.

Stadtwanderer

12. April: Der Tag der Republik

1798. In verschiedenen Schweizer Städten gärt es. Die alte Eidgenossenschaft soll über Bord geworfen werden. Am 1. Februar tanzen die Revolutionäre in Aarau um nach französischem Vorbild um den Freiheitsbaum.

Nur Revolutionäre? Nein, auch eine Revolutionärin!

Francesca Romana von Hallwil, Adelige aus dem Aargauer Seetal, lebte am Hof des Kaisers in Wien, wurde von ihrem Cousin geschwängert, floh in die Schweiz, verzichtete auf ihre Privilegien als Bernburgerin und bekam die erzwungene Unselbständigkeit einer normalen Frau in der alten Eidgenossenschaft zu spüren. Sie radikalisiert sich und schliesst sich dem Kreis um den Industriellem Johann Jakob Meyer in Aarau an, lernt den Schulreformer Heinrich Pestalozzi kennen, der da eine Schule für die neue Republik gründen will und entscheidet sich, ihn bei seinen Bestrebungen für einen neuen Staat in einer neuen Gesellschaft zu unterstützen.
Am 12. April 2023, 225 Jahre nachdem die Helvetische Republik in Aarau proklamiert wurde, mache ich eine Stadtwanderung am historischen Ort. Wir besuchen den Treffpunkt des Kreises von Meyer, die Stelle, wo der Freiheitsbaum stand und sehen, was aus dem Traum entstand, eine neues Washington zu gründen. Wir besuchen auch die Stätten der Helvetischen Regierung, der ersten Verwaltung und des Parlaments, und würdigen die bleibende Leistung der Revolution in Aarau, die erstmalige Etablierung der heute so selbstverständlichen Gewaltenteilung.

Die Führung “Helvetiopolis” ist für alle Interessierten offen, beginnt um 15 Uhr, dauert 1 3/4 Stunden und wird bei jeder Witterung durchgeführt. Treffpunkt ist der Eingang zur Alten Kanti Aarau, 5 Gehminuten vom Bahnhof entfernt.

Das ist übrigens die Schule, die aus den Ideen von Pestalozzi entstand – und an der ich fast 180 Jahren danach die Maturitätsprüfung bestand.

Claude Longchamp

Das Programm des Tages der Republik: https://weloveaarau.ch/tagderrepublik2023/

Beizentour, 6. Station: Reformation, Hugenotten und Drogen

Station meiner 15teiligen #beizentour

Reformation, Hugenotten und Drogen

Die Reformation 1528 brachte das Ende der spätmittelalterlichen Gastwirtschaft. Sie galt den Reformatoren als Ort des Lasters, wo Männer das Geld verspielen, während Frau und Kind Hunger leiden. Entsprechend setzte in Bern eine lang anhaltende Phase der Regulierung ein.

Bis 1798 führte das reformierte Regime zwei grosse Reorganisationen auf dem Land und fünf in der Stadt durch. Ziel war es, die zahlreichen Gastnebenbetriebe bei Bauern und Gewerblern zu schliessen. In jedem Dorf sollte es ein gut geregeltes Gasthaus geben, und in der Stadt einige Gesellschaftsstuben, Tavernen, Pinten, Weinkeller und Bäder mit Getränkeausschank.

Einen Einschnitt in das wohlgeordnete Gasthauswesen Berns brachten die Hugenotten, Flüchtlinge aus Frankreich seit den 1680er Jahren. Auch sie waren reformiert, aber anders als in Bern. Vor allem waren sie geschäftstüchtiger und weniger autoritätsgläubig.
Ihnen gestand die Obrigkeit ein eigenes Gasthaus zu. Da schenkten sie erstmals in Bern Kaffee aus, was in Bern noch unüblich war. Das fremde Getränk galt wie Tee, Schokolade und Tabak bis in die Mitte des 18. Jahrhunderts als Droge.
Schlimmer noch, die Flüchtlinge erörterten im Kaffeehaus angeregt die Weltlage. Politisieren war in Bern nur den Familien erlaubt, die regimentsfähig waren und im Grossen Rat waren.

Nach 12 Jahren wurden die Hugenotten ausgeschafft und ihr Kaffeehaus verschwand. Ich weiss bis heute nicht wo es stand. Auf dem Münsterplatz sicher nicht!

Beizentour, 5. Station: Weinkeller, Rebberge und Stadtadel

Die Gesellschaften hatten ihre Stuben, für die auswärtigen Gäste gab’s Herbergen. Und die einfachen Stadtleute kehrten in Pinten oder Schenken ein. Das waren Wirtshäuser ohne Beherbergungsrechte. Aber Essen und Trinken konnte man da.

Gesellschaftshäuser und Tavernen hatten meistens ein Schild, Pinten und Schenken höchsten einen Blätterkranz. Bisweilen unterschieden sie sich kaum von Privathäusern.
Beliebt war die Lagerung von Wein aus dem Aaretal in den Kellern der Pinten. Da wurde er mehr und mehr auch direkt ausgeschenkt, woraus die legendären Berner Weinkeller entstanden.

Einen grossen Aufschwung erlebten die Weinkeller nach der Reformation 1528. Bern übernahm am Bieler- resp. Genfersee zahlreiche Rebbaugebiete der aufgehobenen Klöster. Adelige Stadtfamilien hatten nun ihren eigenen Wein aus den Untertanengebieten. Mit ihren Stadtkellern buhlten sie um die Wette.

Weinkeller waren eine beliebte Einnahmequelle, die gut geschützt wurde. Ohne Klöster ging die Bierproduktion zurück und wurde gar ganz verboten. Auch der Weinimport aus nicht-bernischen Gebieten war untersagt.

Die meisten Weinkeller vom 16. bis 18. Jahrhundert sind heute zu. Nur zwei sind geblieben: der Kornhauskeller und der Klötzlikeller. Der erster gleicht dem traditionellen Weinkeller überhaupt nicht mehr. Aus ihm ist ein Nobelrestaurant in eindrücklicher Hülle geworden. Der zweite lässt noch erahnen, wie man an langen Bänken sass, Wein trank und in kalten Platten schnauste.

Ein guter Moment, um einzukehren!

Stadtwanderer

#Beizentour 4. Station: Tavernen, Soldhandel und Notable

Herbergen oder Tavernen, wie man sie damals nannte, sind der zweite Ursprung der Berner Gaststätten. Sie hatten das Recht, Uebernachtungen für Ross und Reiter in Ställen und Schlafsälen anzubieten resp. Speis und Trank in einer Gaststube auszugeben.

An der zentrale Märitgasse war die Krone die erste Taverne. Sie ist seit 1454 bezeugt. Die Eigenossenschaft war eben im Frieden von Einsiedeln neue begründet worden, um vermehrt zusammenzuwachsen. In den 1490er Jahren entsteht typischerweise das Weisse Kreuz, heute Hotel Adler, am östlichen Stadteingang.

Schneller noch als für den Fremdenverkehr wurden Tavernen für die militärische Rekrutierung eingesetzt. Dabei diente die Krone als wichtigster Ort.
Kronen-Wirt Hans-Jakob Lombach war darin besonders erfolgreich. In kurzer Zeit stieg er so zu einem der reichsten Berner auf. Ein Stadtadeliger wie die von Bubenbergs wurde er nicht, aber ein Notabler war er schon. So nannte man wohlhabende und angesehene Gewerbler, die in die Politik drängten.

Wirt Lombach war auch zu einem der ersten Bankiers in Bern, der nun Geld verlieh, um weitere Söldner anzuwerben. Erst als sich die Eidgenossen ab den 1490 Jahren in Italien engagierten, verlagerte sich das grosse Geschäft nach Zürich.

Tavernen waren Ehaften. So bezeichnete man bis ins 19. Jahrhundert konzessionierte Betrieb der Stadt für öffentliche Dienste. Wie es einen Stadtbäcker oder –metzger gab, so hatte man auch städtische Wirte. Sie sorgte in eigenen Revier für Ordnung, war aber auch seinen Gästen verpflichtet. Denn lange galt: eine Durchgangsstrasse und ein populärer Wirt sind die beiden wichtigsten Erfolgsgarantien.

Stadtwanderer

#Beizentour 3. Station: Märitstrasse, Gesellschaftshäuser und Männerrunden

Ihren ersten Ursprung haben die Berner Gasthäuser in den Stuben der Gesellschaften. Die trafen sich zuerst beim angesehensten Vertreter ihres Berufszweiges – in der Stube!
Seit den 1420er Jahren wurde es üblich, ein Gesellschaftshaus an der zentralen Märitgasse zu haben – mit einer separaten TrinkSTUBE!

Die Gesellschaft zum Distelzwang war – und ist – die vornehmste Gesellschaft in Bern. Hier wurde – und wird – man nur aufgenommen, wenn man zur Elite gehört(e).
Früher war das der Kleine Rat, Münsterpfarrer und erfolgreichen Soldhändler. Heute sind es ehemalige und amtierende Stadtpräsidenten.

Alle anderen Gesellschaften vertraten je ein Handwerk. Zünfte, die wie in Zürich existierten und Politik betrieben, waren in Bern untersagt. Sie galten als aufrührerisch.

Vier Gesellschaften schafften dennoch den Weg in die Stadtverwaltung. Die Bäcker, Metzger, Gerber und Schmiede übernahmen in den vier Stadtquartieren die Feuerwehr. So wurde meist einer von ihnen Venner und damit Mitglied im Kleinen Rat.

Einige Gesellschaften haben heute noch ihr Haus im Zentrum. Ihre Trinkstuben sind allerdings verschwunden. Die waren frühe Orte der Halb-Oeffentlichkeit. Zugelassen waren nur Mitglieder. Und der Chef des Hauses musste sich gegenüber den Anweisungen der Obrigkeit loyal verhalten.

In den Stuben trafen sich Männerrunden. Fesche Mädchen mit gebundenen Zöpfen servierten. Gab es eine Klapps auf den Po, lachten alle mit. Getrunken wurde viel, denn Kampftrinken war beliebt und vorzeitiges Ausscheiden verpönt.

Aus Berichten zu grossen Festen im Distelzwang im 17. Jahrhundert weiss man, dass die Gelage mehrere Tage dauern konnten. Und: Pro Festbruder rechnete man mit bis zu 4 Liter Weinkonsum.

Porst!

Stadtwanderer

#Beizentour: Märitgasse, Gesellschaftshäuser und Männerrunden

Ihren ersten Ursprung haben die Berner Gasthäuser in den Stuben der Gesellschaften. Die trafen sich zuerst beim angesehensten Vertreter ihres Berufszweiges – in der Stube!
Seit den 1420er Jahren wurde es üblich, ein Gesellschaftshaus an der zentralen Märitgasse zu haben – mit einer separaten TrinkSTUBE!

Die Gesellschaft zum Distelzwang war – und ist – die vornehmste Gesellschaft in Bern. Hier wurde – und wird – man nur aufgenommen, wenn man zur Elite gehört(e).
Früher war das der Kleine Rat, Münsterpfarrer und erfolgreichen Soldhändler. Heute sind es ehemalige und amtierende Stadtpräsidenten.

Alle anderen Gesellschaften vertraten je ein Handwerk. Zünfte, die wie in Zürich existierten und Politik betrieben, waren in Bern untersagt. Sie galten als aufrührerisch.

Vier Gesellschaften schafften dennoch den Weg in die Stadtverwaltung. Die Bäcker, Metzger, Gerber und Schmiede übernahmen in den vier Stadtquartieren die Feuerwehr. So wurde meist einer von ihnen Venner und damit Mitglied im Kleinen Rat.

Einige Gesellschaften haben heute noch ihr Haus im Zentrum. Ihre Trinkstuben sind allerdings verschwunden. Die waren frühe Orte der Halb-Oeffentlichkeit. Zugelassen waren nur Mitglieder. Und der Chef des Hauses musste sich gegenüber den Anweisungen der Obrigkeit loyal verhalten.

In den Stuben trafen sich Männerrunden. Fesche Mädchen mit gebundenen Zöpfen servierten. Gab es eine Klapps auf den Po, lachten alle mit. Getrunken wurde viel, denn Kampftrinken war beliebt und vorzeitiges Ausscheiden verpönt.

Aus Berichten zu grossen Festen im Distelzwang im 17. Jahrhundert weiss man, dass die Gelage mehrere Tage dauern konnten. Und: Pro Festbruder rechnete man mit bis zu 4 Liter Weinkonsum.

Porst!

Stadtwanderer

#Beizentour 2. Station: Der Kaiseranwärter, erste Trinkgläser und das Stadtregiment


Vennerbrunner. Venner waren die Quartiermeister im Kleinen Rat, der nebenan im Rathaus tagte.

1414 besuchte König Sigismund von Ungarn die Stadt Bern. Er war Kaiseranwärter und kam, und das neue Rathaus einzuweihen.
Im königlichen Gefolge sollen je 1400 Ritter und Ross gewesen sein. Und Bern hatte noch keine einzige Herberge! Denn in der Stadt sorgten damals im wesentlichen die Klöster für Möglichkeiten der Uebernachtung. Oder Private.

Das Dominikanerkloster schaffte für den hohen Besuch extra Gläser an, wie sie in Frankreich bereits üblich waren. Besteck brauchte es keines. Messer brachten die Gäste selber mit, Gabel und Löffel kannte man noch nicht.
Gegessen und getrunken wurde an langen Tischen in den Sälen der Klöster. Danach ging die Mannen ins Bordell, am heutigen Ryffligässlein gelegen.

Sigismund zahlte gut und machte aus Bern eine Reichsstadt. Nun durfte man selber über Krieg und Frieden entscheiden, und über Leben und Tod!
An der Spitze der Stadt stand ein Schultheiss, unterstützt von einem Säckelmeister und einem Stadtschreiber. Vier Venner kamen hinzu, die als Quartiermeister je ein Stadtquartier vertraten. Sie geboten über die Feuerwehr und erledigten die militärischen Aufgebote.
Sie bildeten mit anderen den Kleinen Rat. Dem stand der Grosse gegenüber. Er versammelte die Burgerschaft. Maximal je 100 aus jedem Quartier waren zugelassen.

Bis zur Reformation sollten sie aber im Schatten der Stadtklöster stehen. Doch der Bedarf für Gasthäuser war durch den hohen Besuch geweckt worden. Mehr dazu das nächste Mal!

Stadtwanderer

#Beizentour, 1. Station: Die Angeklagten, der Richtstuhl und das Besäufnis

Es folgt eine 15teilige Serie zu meiner Beizentour durch Berns Gastronomie

Wer hier stillstehen musste, riskierte zum Tode verurteilt zu werden. Denn Mitten auf der damaligen Märitgasse stand vom 16. bis zum 18. Jahrhundert ein steinerner Richtstuhl für den Schultheissen.

Auf Mord stand Rädern.
Für Diebstahl wurde man gehängt.
Ketzer kamen im brennenden Scheiterhaufen um.

Bei Frauen wandte man am häufigsten das sog. Säcken an. Verurteilte wurden in einen Sack gesteckt und in die Aare geworfen. Oder frau wurde lebendig begraben.

Im 18. Jahrhundert kam meist nur noch das Richten durch das Schwert zum Einsatz. Erst 1866 wurde die Todesstrafe im Kanton Bern als barbarische Strafe ganz abgeschafft.

Angeklagte wurden seit dem Spätmittelalter aus dem Erdgeschoss des Rathauses geführt, das noch lange Richthaus hiess. Dort hatten sie die letzte Mahlzeit bekommen. Die Totenglocke kündigte das fürchterliche Schicksal an.

Es folgte der Richterspruch mitten in der Stadt.

Verurteilte wurden vor der Reformation noch ins Münster geführt, wo sie ein letztes Mal beichten konnten. Mit der Reformation ging man direkt zu einer der drei Richtstellen ausserhalb der Stadt. Der Henker waltete seines Amts. Er hiess übrigens Nachrichter.

Die Richter wiederum zogen sich in die Gesellschaft zum Narren an der Junkergasse zurück, wo das amtliche Besäufnis stattfand. Mit viel Alkohol gedachte man der verlorenen Seele ein letztes Mal!

Stadtwanderer

#Stadtführung: Hoher Besuch aus der Ostschweiz

Morgen steht eine Stadtführung der besonderen Art. Die Ostschweizer Regierungskonferenz ist in Bundesbern zu Gast. Ich habe die Ehre, 18 RegierungsrätInnen und zweimal so viele Personen aus der Bundesverwaltung resp. der Administration der Ostschweizer Kantone durch Bern führen zu dürfen.

Wir haben drei Schwerpunkte gebildet, welche die Beziehungen zwischen Bern und der Ostschweiz beleuchten:
. Zuerst ist da das Bundeshaus.
. Dann sie wir auf dem Areal der UniTobler in derLänggasse.
. Schliesslich besuchen wird das Diesbachhaus in der Altstadt.
Warum? – Alle drei Orte stehen für eine Epoche und die Verbindungen Berns mit der Ostschweiz.

Diesbachhaus
Im Vorläufergebäude des Diesbach-Hauses war Mitte des 15. Jahrhunderts die Diesbach/Watt-Gesellschaft einquartiert. Sie war das führende Handelshaus ihrer Zeit, das mit Leinwand und Artverwandten von Valencia bis Warschau handelte und eine Reihe von Bergwerken besass. Gründer waren Niklaus von Diesbach aus Bern und Hug von Watt aus St. Gallen. Beide Familien wurden damit reich und etablierten sich in der städtischen, eidgenössischen resp. europäischen Elite. Heute residiert die Berner Direktion für Inneres und Justiz im Stadtpalais. Regierungsrätin Evi Allemann wird uns persönlich empfangen.

Uni Tobler
Der Name der Uni Tobler geht auf Jean Tobler und seinen Sohn Theodor Tobler zurück. Jean hiess eigentlich Johann-Jakob und kam aus Lutzenberg, Appenzell-Ausserhoden. Vater und Sohn gründeten im Berner Länggass-Quartier die Firma, die 1908 die legendäre Toblerone erfand. Das Produkt repräsentiert die Belle epoque, gehörte bis 1993 den Tobler und stellte bis 1970 her in der Länggasse Schokolade her. Dann wechselte die Firma mehrfach die Eigentümerin, bis sie heute beim US-Konzern Mondelez landete. Jüngst wurde angekündigt, dass die Produktion teilweise in die Slowakei verlagert wird und der Schweiz-Bezug leider fallen muss.

Bernerhof
Der Bernerhof war im 19. Jahrhundert ein Nobelhotel der europäischen Spitzenklasse. Der Fremdenverkehr brach im Ersten Weltkrieg ein und das Hotel wurde eingestellt. Seit 1924 ist da das Eidg. Finanzdepartement einquartiert. Hausherrin ist gegenwärtig die Ostschweizer Vertreterin im Bundesrat, Karin Keller-Sutter. Weniger als 100 Tage nach ihrem Departementswechsel ins EFD musste sie das Ende der Credit Suisse besiegeln. – Bisher hatte die Ostschweiz 15 Bundesräte und drei Bundesrätinnen. Gemessen an der Bevölkerungszahl ist sie damit im Schnitt vertreten. Bei den Frauen stellt(e) die Region gar 3 von 10 VerteterInnen (Ruth Metzler, Eveline Widmer-Schlumpf und eben KKS). Das sind, doppelt so viele wie der Prozentansatz Einwohnerinnen beträgt, womit die Ostschweiz gar an der Spitze liegt.

Kleine Bilanz
Die Ostschweiz ist keine Sprachregion wie die Suisse romande, in der es ein gemeinsames Minderheitsgefühl gibt. Sie kennt auch keine eindeutigen Grenzen (gehört Graubünden dazu oder nicht) und hat kein unumstrittenes Zentrum. Daran arbeitet die Ostschweizer Regierungskonferenz, die als Testlauf für weitere Netzwerkanlässe morgen erstmals gemeinsam Bundesbern besucht.
Ich freue mich sehr, die Regierungskonferenz durch Geschichte und Gegenwart Berns führen zu können und exemplarisch zu zeigen, was aus der wirtschaftlichen Kooperation und politischen Vertretung wurde.

Stadtwanderer