berns goldene zeiten

1536 eroberte bern die savoyische waadt, und kam so zu einer erheblichen erweiterung seiner untertanengebiete. nicht nur laupen, aarberg, thun und burgdorf gehörten jetzt zum bernischen staat. plötzlich reichte diese bis an den genfer und an den neuenburgersee. man war jetzt wer!

bern war damals frisch protestantisch. dieser protestantismus war nach den konfessionskriegen zwischen den städten und der innerschweiz, die 1531 mit dem sieg der katholischen partei endet, in bedrängnis geraten. die eroberung der waadt, von frankreich geduldet, um das herzogtum savoyen zu schwächen, hatte eine wichtige konsequenz: der protestantismus bekam neuen aufschwung. denn mit den bernern ging auch jean calvin nach westen, bis nach genf, und begann mit der reformation der stadt. der calvinismus, der die stadt nachhaltig prägen, und von dort aus über frankreich in die halbe welt ausstrahlen sollte, nahm hier seinen anfang.

für die leute in der waadt war die besetzung wenig mit perspektiven verbunden. die savoyische herrschaft wurde gegen die bernische eingetauscht. das südlich-mediterane leben wurde durch das leben des nördlichen nachbarn an der aare eingewechselt. und es sollte viele änderungen bringen.

zu den schwierigen änderungen gehörte die neue sprache: versuchte man damals die zahlreichen regionalsprachen in frankreich von paris aus zu vereinheitlichen, kamen die waadtländer berndeutsch vorgesetzt, ein dialekt aus dem alemannischen. selbst die stadtnamen wurden überall eingedeutscht. so wurde aus echallens, dem ort, zudem die bauernhöfe meiner vorfahren, die jetzt auch bernisch wurden, gehörte, hiess nicht mehr so, sondern bekam vom welsch-säckelmeister, dem finanzminister für die französischsprachigen gebiete, den nach tscherlitz verpasst. und das blieb sich so, bis die berner 1798 auf französischen druck aus der waadt weichen mussten.

1536 entstanden und zum protestantischen staat ausgebaut worden war, der dem kulturellen leben enge grenzen setze. kirchen und schlösser, strassen und brücken sowei eine eigene post waren den patriziern wichtiger als die kultur. zwar gab es schon damals die akademie, doch bildete diese in erster linie die protestantischen pfarrherren aus, während alles andere an bildung hintenan stehen musste. man weiss es, nicht nur zum vorteil bern: die entwicklung ging im 18. jahrhundert mehr und mehr an bern vorbei. das staatsgebiet verringerte sich, die wirtschaftliche entwicklung fand in den kleinstädten ausserhalb berns statt, bis dann der revolutionäre funke übersprang, und die französischen truppen der alten republik ein ende setzten.

die zeit dazwischen wird in einem gestern vorgestellten neuen buch aufgearbeitet. erschienen ist das buch unter dem titel «Berns mächtige Zeit». geleitet wurde das autorenteam vom berner historiker andré holenstein, einem studienkollegen von mir aus den 70er jahren. fortgesetzt wird mit dem werk die reihe des «Vereins Berner Zeiten» (schul/stämpfliverlag), in der schon «Berns mutige Zeit» (13. und 14. Jahrhundert) und «Berns grosse Zeit» (15. Jahrhundert) erschienen sind.

wer die neuerscheinung noch vor dem 1. august kauft, zahlt 86 franken, wer bis zur bundesfeier (und darüber hinaus) waren will, 98 franken. wer mitglied des historischen vereins ist, bekommt den band arg verbilligt.

wer nicht lesen mag, kann auch nur schauen. zum buch gibt es eine ausstellung im kunstmuseaum bern, bis 9. juli,dienstag 10–21 uhr, mittwochs bis sonntag sowie feiertage 10–17 uhr. und auch führungen gibts, jeweils mittwochs, vom 3. mai bis 27. september.

also: lest, schaut und

stadtwandert

mehr über den verein: verein berner zeiten
mehr über den herausgeber: andre holenstein

berns stadtheiliger

was, bern hat einen stadtheiligen? ja, hat-te mal. und das kam so:

die junge stadt bern, im 13. jahrhundert im aufbau begriffen, brauchte, nachdem die zähringer ausgestorben und die staufer nicht mehr stadtherren waren, eine neue herrschaft, und neue geldgeber. das wurde peter von savoyen, und mit ihm kamen auch die juden in die stadt. entstanden ist daraus eine stadtmauer, und die savoyerstadt zwischen zytgloggen- und käfigturm.

die savoyerherrschaft war nicht von dauer, und bern kam danach in habsburgischen einfluss, mit denen die savoyer im sogenannten grafenkrieg lagen. letztlich gewann rudolf von habsburg, und er wurde auch deutscher könig. die anfänglich gute zusammenarbeit mit bern – er verzieh den bernern, dass sie die burg nydegg abgerissen haben, als die savoryerherrschaft aufgehört hatte – wechselte, als der könig die reichsrechte zurückholen wollte. bern schloss sich der burgundischen opposition gegen die könig an, und verweigerte die steuerzahlungen an den könig. dieser griff bern militärisch, versagte jedoch zweimal, schickte aber im folgejahr seinen sohn, rudolf den jüngeren, der neuer herzog von schwaben werden sollte, nochmals vorbei. der schlug dann die überraschten bern auf der schosshalde. bern blieb zwar reichsstadt, musste aber kriegskontributionen zahlen und steuerschulden abbauen. dafür brauchte man wieder geld, das man bei den verblieben juden lieh.

die beiden habsburger sind 1291 verstorben, ruduolf der vater und rudolf der sohn. albrecht, ebenfalls sohn von könig rudolf, zwischenzeitlich herzog von österreich, schaffte den sprung nicht an die spitze des reichs, und an seiner statt wurde adolph, graf von nassau, zum deutschen könig gewählt. dieser hatte wenig rückhalt im adel, stärkte seine position aber, indem er die reichsstädte förderte. so bekam auch bern einen königlicher fürsprecher. der verlangte von bern zwar eine verfassungsreform, denn nach der niederlage auf der schosshalde war man gründlich zerstritten. ulrich von bubenberg trat als schultheiss der stadt ab, und mit jakob von kienberg bestellte der könig einen auswertigen kleinadeligen zum neuen schultheiss. so bekam die junge stadt neue aussichten.

mitten in diesen neuaufbruch hinein platze eine schreckliche nachricht: der kleine rudolf (ruof) wurde tot in berns gassen gefunden! schuld seinen die juden, die rituelle knabenmorde begehen.

die juden hatten nur den schutz des kaisers oder königs, und so hätte adolph eingreifen müssen. die berner waren sich ihrer sache sicher, führten gegen die juden einen prozess durch, verlangten eine saftige busse, und verwiesen sie schliesslich aus der stadt. angenehme nebenfolge: die schuldscheine für das geliehene geld, das man den habsburgern gezahlt hatte, behielt man in bern zurück und vernichtete sie. bis heute ist es umstritten, ob es ein jüdischer knabenmord war, oder ob das nicht willentlich inszeniert wurde, um die juden zu vertreiben.

der kleine rudolf wurde nun zum stadtheiligen, dem retter aus der not, dem befreier vor den juden (geld lieh man sich danach von lombarden und kawertschen, bankiers aus mailand und lyon). er wurde zuerst in der leutkirche beerdigt, später kam er ins münster. immer wieder sollte man an den knabenmord der juden erinnert werden, selbst wenn die kanonisierung des stadtheiligen nie stattfand.

erst die reformation hat dem ein ende gesetzt. der katholische stadtheilige wurde nun aus dem münster entfernt, wie alles andere, das an die alte, deutsch-katholische kirche im münster erinnerte, mit der reformation eliminiert wurde.

die geschichte des knabenmordes der juden behielt sich aber, – wenn auch protestantischer leseweise: der chindlifresserbrunnen – bern berühmster und in seiner symbolik umstrittnester brunner – führte das motiv im 16. jahrhundert weiter und hat es bis heute in unserem gedächtnis aufbewahrt. demgegenüber ist das gedenken an rudolf, den kleinen toten bub aus berns gassen, vergessen gegangen. gefunden wurde er am 17. april 1294, – also vor 712 jahren, dem tag, an dem man im ganz alten bern den stadtheiligen verehrte. früher mal!

(katholischer) stadtwanderer

ab ins pfefferland

zugegeben, so wie es geregnet hat am wochenende, mag man nicht wandern. weder stadt- noch landwandern. also ab ins museum. die interessanteste ausstellung gibts momentan in … murten: histo museum, in der alten mühle, am stadtrand. aber nix hauehaue, von den alten schweizern gegen die burgunder.

die ausstellung ist echt scharf: sie heisst “feurigrot und safrangeld”, und es geht um gewürze.

organisiert wurde sie von dr. susanne ritter-lutz. das material ist zwar auf deutschland ausgerichtet, für die schweiz aber adptiert worden. das caché ist speziell, man wähnt sich auf einem gewürzschiff, überall kisten, einige weltkarten, und schon ist man verzaubert durch farben, düfte und fantasien. gezeigt werden gewürze, zum selber anmachen und probieren (kosten), natu-kultu-histo informationen zu den wichtigsten gewürzen kommen hinzu, sowie heutige herkunftsgebiete und geschichten, wie es dazu kam. ganz schön nützlich, denn wer weiss schon, dass paprika nicht aus ungarn kommt! und kümmel schon die pfahlbauern kannten.

lokalkolorit kommt dort rein, wenn es zum absinth übergeht: aufstieg, ausdehnung der produktion vom vallée de joux nach murten (und nach frankreich), familie petitpierre, exporte in die halbe welt, höhepunkte, doch dann wirtschaftliche krise und schliesslich verbot per volksabstimmung!

den abschluss der ausstellung bilden audiovisuelle aufzeichnungen, von denen mit das märchen von vanillia und chokolati am besten gefallen haben. herzig, diese verführerische kombination …

am schluss noch ein paar nette worte ins gästebuch gesetzt, zu einem gelungenen nachmittag. danke, frau ritter! das essen am 20. august nehm ich gerne mit ein!

toll auch die bücher beim verkaufstisch, hab gleich drei erstanden. am besten gefallen hat mir “streifzüge im pfefferland. geschichten aus der welt der gewürze”, herausgegeben von drei schweizer ethnologinnen (charlotte beck, romana buechel, michele galizia), amazonpreis: eur 19.90. man liesst sich flüssig durch, geordnet nach gewürzen: geschichte und geschichten. weder beim kochen, noch beim essen wird man sich der welthistorischen zusammenhänge bewusst. europa: auf der suche nach gewürzten; geschichte der expansion als geschichte der gewürzsuche! wie schnell man das vergisst.

spannend ist das schlusskapitel, verfasst von einer vietnamesisch-schweizerischen ethnologin, die das berner essen “worscht u brot” erforscht. für sie ist das gar kein essen, maximal noch eine nahrungsmittelzufuhr. denn: essen, das ist essen-ziell, das muss man was erleben, was lernen, was weiter geben! essen ist leben, eben kultur.

da kann ich nur sagen: ab ins pfefferland, und en guete!

tellerwanderer

mehr zur ausstellung: museum murten

osternrituale in der politik, – ein nachtrag zu den berner wahlen

ostern und berner wahlen

ostern, das ist seit jeher ein ritual, – ein übergang kultureller, religiöser und politischer natur.

den vogel abgeschossen hat dabei 2006 die junge svp bern, die mal wieder streit hat, und in kampfwahlen vorstandsmitglieder gestürzt hat. man ist sich des feinstaubs wegen in die haare geraten, hess und koch heissen die beiden jungtürken, die sich gar nicht mögen, und sie haben die dienstagzeitungen mit ihren ab-wahlen reichlich gefüllt.

deutlich würdevoller ging es früher zu und her an ostern. politisch wars allemal, denn an ostern hat man traditionsgemäss eide geleistet, behörden bestellt und untergebene eingesetzt. im alten bern war es der tag des schultheissen

zunächst war der schultheiss ein herrschaftlicher beamter. selber wurde er vom stadtherrn eingesetzt, und bei dessen abwesenheit vom stadtvogt. diese waren für die blutgerichtsbarkeit zuständig, derweil der ursprünglich schultheiss für die niedere gerichtsbarkeit eingesetzt wurde.

ob es schon zu zeiten der zähringer einen stadtherrn gegeben hatte, ist unklar. belegt ist der schultheiss in bern erst seit 1223, – einer zeit, in der man schon königliche reichsstadt war. besetzt wurde das amt in der regel durch einen kleinadeligen aus der region. seit 1224 hatte der schultheiss auch einen rat um sich, der ursprünglich aus 12 stadtbewohnern bestand. vor allem bei steuererhebungen wurde der rat erweitert, um die opposition zu mindern, und so wurde 1249 ein rat der 50 erst- und auch letztmals erwähnt. was mit ihm geschehen war, bleibt sogar bewanderten stadthistorikern unklar. sicher ist aber, dass damit erstmals die städtische einwohnerschaft im kampf gegen die kiburger miteinbezogen worden war, und dass die politische mitsprache, vor allem in der darlehenspolitik vorübergehend erweitert worden war.

1294 wurde der zweiteilige Rat mit der grossen verfassungsreform, die der deutsche König Adolph von Nassau gefördert hatte, institutionalisiert, und er hiess nun kleiner und grosser rat. die grösste und einzig richtige reform der alten ordnung bis zum einmarsch der franzosen 1798 war wegen grossen turbulenzen nötig geworden. möglich wurde sie 1293 durch den rücktritt von schultheiss ulrich von bubenberg, ein nachfahre von cuno von bubenberg, der im auftrag der zähringer die stadt gebaut hatte. in den vorangegangenen heftigen streitigkeiten (siehe junge svp), ausgelöst durch zwei stadtbrände 1285 und 1287 und durch die militärische niederlage von 1289 gegen das haus habsburg, bestimmte man im frühjahr 1293 einen eindeutig auswärtigen adeligen als schultheissen. die wahl fiel auch auf jakob von kienberg, einen dienstmann der grafen von frohburg (konfliktregelung auf schweizerische art!).

am 18. februar 1294, dem todestag von herzog berchtold von zähnringer, trat dann die neue ferfassung in fraft. fast hundert jahre nach der stadtgründung hatte man ein neues kleid! mit diesem akt wurde auch die zahl der kleinräte von 12 auf 24 erhöht, um den rat für die bürgerschaft zu erweitern, ohne dass die regierenden Familien auf ihren einsitz in den rat verzichten mussten. konfliktregelung à la bernoise ..

der grossrat, rat der zweihundert genannt, wurde parallel dazu gebildet. je 50 Personen auf den 4 stadtquartieren bildeten ihn. diese waren damit zu wahlkreisen geworden, und das spiegelte sich auch im dritten gremium, das damals geschaffen wurde: je vier vertreter der 4 quartiere bildeten den 16er, der das vorschlagsrecht für den grossen rat hatte. in den 16er wurde man für ein Jahr gewählt, und die Wahlen in den grossen und kleinen rat erfolgten nun jährlich. im grossen rat dominierten die handwerker und gewerbetreibenden, während die bisherigen adelsfamilien im kleinen rat stärker blieben. bauern, die politik betrieben, gabs damals noch nicht …

der politische kampf ging nun um den 16er los, denn der war auch das faktische sprungbrett für den zugang zum kleinen rat. die adeligen familien der von bubenberg und von aegerten setzten sich dabei(erneut) durch, aber auch die faufmannsfamilie münzer (omen est nomen!), die später auch schultheissen stellte, war stark im kleinrat vertreten. 1344 kam es dann zu einer aenderung im magistrat; man war von der stadt ins land hinaus gewachsen, und man machte sich daran, die stadt ein weiteres mal zu erweitern. nun bildeten nicht mehr nur der schultheiss, der rat und die zweihundert die stadtbehörde, jetzt wurden auch die heimlicher und die venner innerhalb des kleinrates speziell erwähnt. aufwärtung als bernoise! zuständig waren diese für die finanzaufsicht (also eine frühe fiko!, und jene vertraten als jüngstgewählte im kleinen Rat die interessen des grossen rates. venner und heimlicher waren auch für das militärische aufgebot zuständig, und ihnen oblag es auch die fron- und führdienste zu organisieren, die es für den stadtunterhalt brauchte. speziell ausgeschieden wurde jetzt auch der säckelmeister, der ungeldner, der böspfenniger, der einunger, die bauherren, die tellherren und die zollherren (erklär ich später, was das alles heisst).

bis 1417 hatte der grosse rat im dominikanerkloster getagt, heute franzosenkirche, danach hielt man die sitzung in der ratsstube des neu gebauten ratshauses ab. auch der kleine Rat hatte hier seine wirkungsstätte, und die kanzlei gleich nebenan, bezog nach der reformation eine neue bleibe. in der phase, in der bern auf dem land stark wuchs, setzte man auch eine neue herrschaftstechnik ein: volksanfragen, – eine frühform der direkten demokratie. den grossen rat liess man bis auf 400 mitglieder anwachsen, um ihn zu entwerten! versammeln durfte er sich nurmehr auf geheiss des schultheissen …

nachdem die eidgenossen im kaiserreich einen autonomiestatus erhalten hatten (1499), setzte sich bald durch, dass die republik Bern (nach römischem vorbild) zwei schultheissen hatte, die sich abwechselten: jeweils einer war der stillstehende, der andere war der vorangehende. 1536 hatte der kleinrat zudem 25 mitglieder an der spitze standen nebst den beiden schultheissen der säckelmeister, ab 1536 der deutsch- resp. welschsäckelmeister. ihm resp. ihnen folgten die vier venner, welche die stadtquartiere repräsentierten. die 8 männer waren die wichtigsten in der regierung. faktisch wurde der kleine Rat nun von kaufleuten, dandwerkern und gewerbetreibenden, teils als nobilisierte familien beherrscht; die alte Adelsschicht der von bubenberg war ganz verdrängt worden waren und starb (bankrott) auch aus! auch mit dem katholischen zauber der volksanfragen räumte man auf, nachdem sich verschiedene versammlungen auf dem land geweigert hatten, zur reformation überzutreten.

der grosse rat hatte nominell nun noch 299 Mitglieder. ihm oblag es, bündnisse abzuschliessen resp. über frieg und frieden zu entscheiden. er war also für berns aussenpolitik zuständig geworden. die mitgliedschaft im grossen rat war jedoch wichtig, um zu den regierenden familien zu gehören. nur wer das schaffte, konnte kleinrat werden, und nur wer im grossen rat sass, könnte sich chancen auf ein amt als landvogt in den untertanengebieten ausrechnen.

gewählt, pardon, bestätigt wurden gross- und kleinräte an Ostern, – ganz so wie heute (oder vor einer woche). die jährlich wahl wurde jedoch ausgesetzt, denn man liess man die zahl der grossräte kontinuierlich sinken, bis sind minimal noch 200 betrug. die besetzung des grossrates fand somit nur noch alle 8 oder 10 jahre statt! so führte man “legislaturen” ein …

der neue magistrat wurde am ostermontag in sein amt eingeführt. er tagte im wahrsten sinne des wortes: die sitzungen begannen im sommer um sechs, im frühling und herbst um sieben, und nur im winter tagte man erst um acht.

ist es Zufall, dass der regierungs- und grossrat diesmal wieder fast an ostern gewählt wurde? nein, sicher nicht, denn der brauch der eidesleistung lag seit dem 13. Jahrhundert immer an ostern. und das hat auch die demokratisierung von 1831 nicht geändert. klar ein paar Unterschiede gibt es heute schon:

die Parteien machen heute die vorschläge, nicht mehr der 16er.
das Volk wählt regierung und parlament, nicht mehr die regierung wählt das parlament, das dann die regierung wählt.
und beide gremien sind kleiner geworden: rer Regierungsrat und der gemeinderat haben zwischenzeitlich je 7 Mitglieder, statt der 2+25 wie früher. der dtadtrat hat 80 und der grosse rat, erstmals in seiner geschichte nicht mehr 200, sondern nur noch 160 Mitglieder.

das eben macht demokratie rebulik aus; die alte republik war eben aristokratischer natur.

geblieben ist aber, das man grad nach ostern kaum politische programme verkündet, ausser bei der jungen svp (streit) und beim papst benedikt XVI., der mit seiner konservativen familienrhetorik übers osterwochenende angriffslustiger geworden ist.

soviel vom suchen der kleinen eier, welche die geschichte bis heute versteckt hält, grüsse

ostereier-such-wanderer

berner sklavenhandel

Sehr geehrte Frau Aebersold
Ich wende mich mit einem Gruss von Peter Olibet an Sie. Ich habe am 6. Mai in Bern eine Lesung mit meinem Buch “Reise in Schwarz-Weiss”. Da ich die Berner Szene nicht so kenne, wende ich mich von St.Gallen aus einfach an Sie mit der Bitte, diese Veranstaltung etwas zu verbreiten und dieses Mail an interessierte Leute weiterzuleiten. Mit herzlichen Grüssen
Hans Fässler

Samstag, 6. Mai 2006, 20.00 Uhr in der Reitschule, Bern:

Hans Fässler liest im Rahmen des Reitschulfests im Infoladen aus seinem Buch “Reise in Schwarz-Weiss. Schweizer Ortstermine in Sachen Sklaverei”
(Rotpunktverlag Zürich, 2005) und erzählt von seiner Arbeit am Thema. Dabei wird auch das Kapitel “3011 Bern, Rue des Gentilshommes: Nichts Unmenschliches” nicht zu kurz kommen.

Hans Fässler
Cunzstr. 31
CH-9016 St.Gallen
Tel. P 071 288 39 52

sklavenhandel

berner sklavenhandel

einladung nach basel

Lieber Herr Lonchamp: und wie interessiert mich das Stadtwandern. Nehmen Sie auch mal Basel unter die Füsse? Das wäre ganz toll. Wenn
ich etwas dazu beitragen könnte, würde ich das gerne tun. Ich bin stadtinteressierte Basler Grossrätin und kann ev. bei der Vermittlung von Kontakten behilflich sein. Mit freundlichen Grüssen und den besten Osterwünschen, Beatrice Alder

guten tag frau alder!

klaro, interessiert mich das, bern ist für mich einfacher wegen der erreichbarkeit, habe aber verschiedene kundschaft in basel, melde mich, wenn ich mal unterwegs bin! denn basel kenne ich nur aus früher kindheit, ein wenig aus fasnachstperspektive und von gelegentlichen besuchen der uni und der beyeler foundation. da kann man sicher viel ergänzen! mich interessiert natürlich auch hier die kulturgeschichte, die in basel so reichlich ist: magisches basel, keltische spuren, basel als frühe bichofsstadt, basel als burgundisches zentrum, kirchen- und klöstergründungen (kathedrale, st. alban als ableger von cluny), basel als kaiserstadt (heinrich, cunegunde), basel und das grosse erdbeben (gibt es noch spuren), basel als hafen und handelszentrum, basel als sitz des konzils, die basler universität, basel als eidgenössischer ort, basel und die reformation, basel und die französische revolution, basel und seine landschaft, basel und seine intellektuellen (wie euler, plattner, erasmus, bachofen, burckhardt …), und selbstverständlich die fasnacht, die zünfte, die messe, die industrie, die quartiere, das rote basel, bürgermeister wettstein, der 1648 die unabhängigkeit der schweiz verhandelte, kurzum, ich kenne – aus der perspektive des stadtwanderns – vieles nicht!

gruss

bernwanderer

meine prognose zum bürgerlichen sechser!

der bürgerliche sechser liess sich vor dem wahlkampf vor dem berner rathaus ablichten. klaro! man wollte geschlossen dorthin. bin zufällig bei stadtwandern dazu gestossen. habe eva (desarzens) gleich gewarnt. man stehe zu weit rechts, und das komme nicht gut. denn die rechte treppe des berner rathauses symbolisiert die berner untugenden. das wusste der arme fotograf nicht. und die regierungsratskandidatInnen liessen sich von ihm drappieren …

hier der belegt, und wie sich die fdp kandidatInnen grad gewahr werden!

also hol ich nach, was die untugenden sind: erstens, die verführung, zweitens, die eitelkeit, drittens, die ungerechtigkeit und, viertens, die feigheit. die vier statuen an der rechten treppe stehen von oben nach unten dafür, und wer es nicht (mehr) weiss, der sollte wenigstens den dämon erkennen, den die berner auf der rechten seite der rathaustreppe haben. links haben sie in bern übrigens einen engel!

was die tugenden sind, die links stehen, dass lass ich die erfolgreichen regierungratskandidatInnen der linken selber herausfinden. wenn sie es nicht schaffen sollten, werde ich bis in vier jahren für abhilfe sorgen! und sie daran messen, ob sie tugendhaft regiert haben.

so und hier als beleg meinne warnung, die ich eva gleichentags, wie sie die fotos machten, schickte!

der (tugendhafte) stadtwanderer

Liebe Eva

Hier meine erste Hilfe für das Berner Rathaus. Es ist das älteste noch stehende Rathaus auf Schweizer Boden, denn es stammt aus dem frühen 15. Jahrhundert. Der spätgotische Bau wurde durch den grossen Stadtbrand von 1405 ermöglicht. Damals ging fast die halbe Holzstadt in Flammen auf. Man ist danach zum Bau von Steinhäusern übergegangen, und das Rathaus steht in renovierter Form heute noch. Nicht mehr steht, gedanklich links vom Rathaus, die alte Münzstätte. Sie wurde im 18. Jahrhundert als zu baufällig abgerissen. Zu einem Neubau gegen Westen kam es aus Finanznot (!) nicht mehr, weshalb bis heute die Mauer gegen Sonnenuntergang so kahl ist. Renoviert wurde das Rathaus im Zweiten Weltkrieg, als sozialistische Arbeitsbeschaffungsmassnahme unter Röbu Grimm. Hinten an der Fassade sieht man noch klammheimlich die Statue des Helden der Arbeit.

Eingeweiht wurde der Bau 1414 durch König Sigismund, dem zweiten Sohn von Kaiser Karl IV. Das Haus Luxemburg-Böhmen förderte Bern gleich mehrfach: Karl war als amtierender Kaiser in Bern. Er war 1365 im “Dominikaner”, der heutigen Franzosenkirche, zu Gast, und er erteilte der Stadt verschiedene Privilegien. Vor allem sicherte er Bern die lebenswichtigen Wasserübergange, so in Gümmenen, was der Stadt den Vorrang vor Freiburg im Mittelland sicherte. Er anerkannte auch die burgundische Eidgenossenschaft, wie Berns Bündnissystem mit anderen Städten, Bischöfen und Adeligen der damaligen Zeit hiess, als Teil der Kaiserreiches. Sein Sohn hatte noch Grösseres vor mit der Stadt Bern. Er erhob Bern zum königlichen Stand, erteilte der Stadt auch das hohe Gericht, womit der Schultheiss auch Todesurteile fällen durfte.

Angeklagte wurden im unteren Stock des Rathauses eingekerkert, und sie erhielten dort (auf Staatskosten) die letzte Malzeit. Heute gibt dort Apéros. Wenn von der Leutkirche her die Glocke läutete, später “Arme Sünder”-Glocke genannt (die heute noch den Abend in Bern einläutet …), musste der Angeklagte hervortreten, etwa dorthin, wo Ihr Euch abbilden liesst und dann barfuss die Kreuzgasse hoch, bis zur Gerechtigkeitsgasse, gehen. Dort war der 5 Meter hohe Schultheissenstuhl, und von so hoch herab wurde der Angeklagte verurteilt. Die Hinrichtung fand dann ausserhalb der Stadt statt, auf dem Galgenfeld oder beim Hänkerbrünnli. Heute sind das Busstationen.

Bern wurde mit dem Privileg Sigismund auch politischer Partner des deutschen Königs. Es blieb dies bis zum Schwabenkrieg. Sigismund hatte der Stadt schon ein Jahr danach einen Grossauftrag: die Eroberung des Aargaus, der Stammlande der Habsburger Herzöge, mit denen der König man spinnefeind war. Die Berner machten dem stolzen Rathaus volle Ehre und nahmen den Habsburgern ihre Länder bis zur Reuss ab. Das versetzte übrigens die Luzerner und Zürich in Schrecken, und sie eroberten im Gegenzug die habsburgischen Gebiete östlich der Reuss, – um die expandierenden Berner zu stoppen! Das nennt man heute die erste gesamteidgenössische Aktion, und zur Verwaltung der gemeinsamen Beute setzte man die Tagsatzung ein, das Vorläufergremium des Ständerates. Bern brauchte das aber nicht, denn die eigenen Eroberungen verwaltete man via Grossen Rat gleich selber. Aus dem Rathaus heraus.

Bern hatte schon seit 1294, der ersten Privilegierung durch einen deutschen König, einen Grossen Rat. Der wurde eingesetzt, weil die ritterliche Obrigkeit von damals zu viel Geld für umstrittene Acquisitionen ausgab, und man hier einen Riegel schieben musste. Die 200 Mitglieder wurden aus den vier Stadtquartieren rekrutiert, je 50 an der Zahl. Gewählt wurden sie nicht, vielmehr ernannte der Kleine Rat den Grossen. Das war eben die alte, aristokratisch Republik. Schöne Zeiten waren das für Regierungen!

Mit dem Rathausbau musste der grosse Rat nicht mehr im Predigerkloster tagen. Das Rathaus war jetzt Sitz des Kleinen und Grosse Rates, und das ist ja auch heute noch so. Selbst das Berner Stadtparlament tagt im Berner Rathaus. Die Trennung von Stadt und Kanton ist halt unvollendet geblieben! Bern bekam als königlicher Stand auch eine ausgebaute Kanzlei. Der Schreiber von damals, Conrad Justinger, ein Rottweiler!!!, erhielt auch als Erster den Auftrag, die Berner Geschichte zu schreiben. Man war jetzt wer, und man wollte das auch zeigen! Die Justinger-Chronik ist ja bis heute ein Meisterstück der Schweizer Geschichte, und sie hat im 15. Jahrhundert gerade in Bern viele Nachahmer gefunden. Dem armen Justinger nahm man sein Werk aber übel. Er musste das Original der Obrigkeit abliefern, und die veröffentlichte es bis ins 18. Jahrhundert nicht. Es stand einfach zu viel drin! Justinger erhielt dafür eine tolle Pension, machte sich damit aus dem Staub und lebte fortan in Zürich.

Sigismund, der das Rathaus damals einweihte, brachte auch andere Sitte nach Bern. Das Spätmittelalter ist ja für seine Lustbarkeiten bekannt. Die Bäder, die überall aufkamen, waren gleichzeitig auch Bordells. Auch Bern erhielt damals eines, das erste, und es stand am heutigen Ryffligässli. Das ist ja heute noch leicht verrucht. Die Bordellmutter von damals war städtische Angestellte, und sie war von Amtes wegen die Frau des Scharfrichters. Wenn jemand im Bordell die Rechnung nicht bezahlte, dann au weja!

Der Erste, der das Bordell besuchte und nicht bezahlte, war übrigens König Sigismund selber. Der junge königliche Stand musste dann als eine der ersten Amtshandlungen darüber beraten, wer die Zeche begleicht. Es war – natürlich – die Berner Allgemeinheit! Und das ist bis heute im Volksmund bewusst: “Wenn sie mit der grossen Kelle anrichten, dann gibt’s schnell mal ein Bordell, und die Zeche bezahlt dann das Volk!”

So jetzt weißt du, wie der Spruch zustande kam. Das nächste Mal erzähl ich Dir die Bedeutung der acht Figuren am Aufstieg zum Rathaus. So wie Euer Fotograph Euch postiert hat, ist es nämlich gefährlich, denn der rechte Aufgang symbolisiert die negativen Tugenden Berns … doch wie gesagt, davon ein anderes Mal!

Claude

erdrutsch abarbeiten

der erdrutsch vorletzte nacht ist wieder weg; – diese nacht nur noch bäume, die umgefallen sind, und äste, die gekracht haben. echt, wir befinden uns in einer misslichen lage!


quelle: kanton bern

der politische erdrutsch von vorhergehender nacht ist noch gar nicht weg. das ausmass wird erst recht ersichtlich:

verluste für svp und fdp nicht nur bei den regierungsratswahlen, verluste auch bei den grossratswahlen. der rückgang der wählerInnen-anteile ist erheblich. und er findet sich fast überall im kanton. die partei ist mit ihrer unüberlegten aktion an der dv vom letzten november flächendeckend in bedrängnis geraten. aber auch die sp reibt sich die augen: sitzgewinn in der exekutive, aber wählerInnen-verluste in der legislative.

der strahlende sieger heisst grün. grüne freie liste. grünes bündnis. grüne welle. das verstehen wir, die bergwander, die am hang leben …

adi vatter hat “seine” prognose in meinem tagebuch gesehen. er war im ersten moment etwas überrascht, denn so hat er seine habil noch nie zusammengefasst bekommen. aber er war auch ganz erfreut, was man alles daraus machen kann; und “er” hatte gar nicht so unrecht:

1. umstrittener wahlgang: klaro, da brauch ich nichts mehr zu sagen, ausser: siehe svp.
also gute prognose!

2. tiefer anteil, den die regierungsparteien zusammen vertreten: wenn man das als trend versteht, ja, alle regierungsparteien haben verloren, insgesamt 8 prozent, alles in richtung nicht-regierungsparteien. ohne die erweiterung der grünen hätte das regierungslager gerade nich 68 prozent umfasst.
also gute prognose!

3. hohe zahl an regierungsparteien: ne, das ist in bern echt kein grund gewesen!
also: gar keine gute prognose!

4. hoher anteil deutschsprachiger: jupp, das trifft zu (aber auch sonst, wenns keinen wechsel gibt, also doch nicht so entscheidend).
also: beschränkt brauchbare prognose!

5. hohe elektorale volatilität: ja, die ist wieder klar am wachsen, die genauen daten dazu (pedersenindex) folgen noch.
also: gute prognose!

6. höher anteil im tertiären sektor tätig: jawohl, der kanton bern hat eine starke verlagerung vom primären und sekundären sektor hinzu zum teritären erwerbssektor gemacht. diese menschen wählen mehr, sie entscheiden sich freier, sind gestalten politik individualistischer, und sie haben klar und deutlich rot-grün gewählt (siehe erstanalyse). früher hätten sie vielleicht noch die fdp unterstützt!
also: gute prognose!

7. erhöhung der arbeitslosenrate: die wirtschaftslage ist in bern nicht rosig, wenn auch nicht auffällig schlecht, also eher ein beschränkt gültiger indikator.
also: beschränkt gute prognose!

8. polarisierung des parteiensystems: klaro, die konkordanz leitet unter dem schuldenberg, und die finanzpolitischen vorräte unter den regierungsparteien sind kleiner geworden. das hat die 3 regierungsparteien gespalten, und es hat auch die wählenden in verschiedene richtungen getrieben: gar nicht sparen, viel mehr sparen, nur private investitionen, mehr kompensatorisches verhalten durch den staat, alles konnte man in der letzten zeit haben.
also: gute prognose!

9. fraktionalisierung des parteiensystems: jupps, ist ja grösser geworden. die drei grossen lager, konservative, liberale und soziale passen nur mehr bedingt auf die parteien, und keine partei kann es für sich beanspruchen. grün kommt, aber auch evp, obwohl gar kein politisches gewicht ist in, sogar sd steigt wieder, und selber die cvp erobert verlorene positionen im kanton bern sachte wieder zurück. fraktio-index im detail folgt ebenso noch.
also: gute prognose!

10. geringe offenheit der direktdemokratischen instrumente: ne, das finde ich gar nicht, volksabstimmungen sind in bern zugelassen, breit ausgebaut, jüngste sogar erweitert worden, und sie werden eigentlich von allen seiten her genutzt.
also: gar keine gute prognose!

summa summarum: 6 der 10 gründe für erhöhten wechsel in der regierungszusammensetzung haben zugetroffen und war zum teil im voraus bekannt; da kann man nur einen schluss ziehen: nicht zeitungen sollst du lesen im wahlkampf, denn die berichten über berner wahlen, wie wenn eh schon gelaufen wären. aber: politologische habilitationsschriften sollst du dir zu gemüte führen, im grundsatz sehr nützlich und erhellend, – allenfalls ein wenig mehr als üblich auf lokale-aktuelle situationen sollst du es runter brechen. dem überraschenden wahlergebnis wäre man so ganz gut auf die spur gekommen!

selber hats spass gemacht, wieder mal in der gegenwart politikwanderer zu sein. ein wenig vergangenheit schwang ja bei mir auch mit: 1986, bei der historischen wahl gegen die fdp, für die freie liste, waren meine ersten berner wahlen, die ich analysiert. und sie waren auch ein knaller. nach der ersten runde war ich im regi gast, in der montagabend sendung, gemeinsam mit jean-pierre bonny (altes bern) und leni robert (neues bern). diesmal, niemand wusste es, war ich wieder gast, die fdp wurde gar nicht mehr eingeladen, um öffentlich wunden zu lecken, und die grünen, wie die freien heute heissen, waren neu durch bernhard pulver vertreten!


quelle: kanton bern
legend: trotz den guten prognose von adi vatter glaubten die rotgrünen bis am schluss nicht an ihren erfolg, umso überraschter waren sie bei der resultatverkündung …

merke: männer sind in bern wieder im kommen, und für frauen ist es schwerer geworden! das gilt auch für meine beiden ehemaligen mitarbeitenden: eva desarzens wurde nicht gewählt, andreas rickenbacher ist der joungster in der neuen regierung. hätte ich beide ex in der regierung, wäre ich ja schon die zweistärkste partei im kanton …! das sage ich nur eins: übermut tut selten gut! also bleibe ich ein bescheidener

stadtwanderer

http://www.gfsbern.ch/publikationen/vortraege.php?showid=154

erdrutsch

der erdrutsch, so titelte die berner zeitung heute. danke. so viel prominenz für ein “aussenquartier” der stadt hätte ich nicht erwartet. bei uns zu hause kam nämlich, ob dem vielen regen, der berg hinunter. bergrutsch. überschwemmung. nicht nur im hohen norden, nein, auch in hinterkappelen, vor berns türe. und vor unserer türe.
werde mich mit dem politischen erdrutsch in kanton etwas später wieder befassen müssen. momentan eher wanderungen durch pfützen und bäche, die mal gärten und treppen waren.

pfützenwanderer

regierungsratswahlen in bern und anderswo

adrian vatter ist ein fleissiger und zuverlässiger schweizer politologe. er hat 2002 eine habilitationsschrift zu kantonalen demokratien im vergleich vorgelegt. untersucht hat er hierfür kantonale politsysteme (regierung, parlamente, parteien, direkte demokratie), aktuell und historisch, qualitativ und quantitativ. und dafür ist er in konstanz professor geworden, – das heisst im ausland (wenn die schweizer im 15. jahrhundert nicht so antiurban gewesen wären, wären dem heute nicht so!).

das buch gehört zum nützlichsten, was die politikwissenschaft der resp. in der schweiz in den letzten jahren hervorgebracht hat. hab natürlich nochmals dring gelegen, als vorbereitung auf den heutigen wahlsonntag. was gibt mir vatter hierfür auf den weg.

zunächst, dass regierungsratswahlen seit mitte der 70jahren des 20. jahrhunderts wieder unverhersehbarer geworden sind. die zahlen der parteipolitischen wechsel durch kantonale exekutivwahlen hat markant zugenommen. das gilt nicht nur generell, sondern auch für bern, das insgesamt eine mittlere stabilität kennt. instabil waren insbesondere die späten 80er jahre, bedingt durch die staatskrise, welche die schwarzen kassen im zusammenhang mit den jurabstimmungen ausgelöst hatte. und dann kamm es zu den denkwürdigen wahlen von 1986, mit dem totalen sieg der freien liste über die fdp, und von 1990, mit dem verkleinerter regierungsrat und der rückkehr der fdp. regierungs- und parlamentsmehrheit stimmten jetzt wieder überein. die zusammensetzung von 1990, 3 svp, 2 sp und 2 fdp, galt auf jeden fall bis heute.

heute ist vieles unvorhersehbar: totaler svp sieg, pleite für die fdp, gäng wie gäng, oder linke als lachende sieger im jura? 4 rücktritte gibts zu ersetzen. alle bisherigen regierungsparteien müssen neue ins rennen schicken, die fdp nur solche. sie beansprucht auch den jura-sitz nicht mehr. der könnte an die svp oder sp gehen. und die grünen wollen wieder zurück auf die regierungsbank.

was aber wird geschehen? adrian vatter hat sich direkt nicht geäussert, indirekt aber schon. vatter klassiert die berner regierung zu den typisch schweizerischen “surplus coalitions”, das heisst den grossen koaltionen, die rechnerisch nicht nötig sind, um die mehrheit im parlament zu repräsentieren. sie entstehen aus der konkordanzregel, die in bern als freiwilliger proporz bekannt wurde. nachdem bei den regierungsratswahlen 1946 die sp ihre vertretung in der kantonsregierung zu steigern wusste, einige man sich auf eine neue, dauerhaft proportionale vertretung. damit es bei der abgemachten sache nicht stets zwei wahlgänge brauchte, senkte man das absolute mehr: es zählen die ausgefüllten linien, nicht die abgegebenen stimmzettel. sie ist das absolute mehr unter 50 prozent, häufig bei rund 35 prozent der stimmenden, und das macht es blöcken wie der svp/fdp oder der sp/grünen einfacher, ihre personen selber zu bestimmen. das hat aber den wahlcharakter verändert.

solange der freiwillige proporz spielt, vereinfacht es die sache. wenn der aber aufgekündigt wird, macht es die wahlvorhersage unübersichtlich. und genau dem ist heute so. die svp beansprucht neu vier regierungsratssitze, die absolute mehrheit also, obwohl sie als partei nur gerade einen drittel der wählenden repräsentiert. die fdp hat das spiel mitgemacht, weil sie auf die stimmen der svp angewiesen ist. 1986 hat sie gesehen, wie schwer es ist aus eigener kraft regierungsräte bestimmen zu wollen. und so kandidiert nun ein bürgerlicher sechser für sieben sitze. die linke, in bern recht gut in der regierung vertreten und verankert, könnte neu in die juniorrolle verdrängt werden.

vatter hat zahlreiche hypothesen entwickelt, die regierungsstabilität/instabilität auch ausserhalb dieser taktischen überlegungen voraussagen. die instabilität, das heisst die chance auf einen parteipolitschen wechsel, stieg in der nachkriegsgeschichte mit folgenden 10 faktoren systematisch an (s. 108):

1. umstrittener wahlgang
2. tiefer anteil, den die regierungsparteien zusammen vertreten
3. hohe zahl an regierungsparteien
4. hoher anteil deutschsprachiger
5. hohe elektorale volatilität
6. höher anteil im tertiären sektor tätig
7. erhöhung der arbeitslosenrate
8. polarisierung des parteiensystems
9. fraktionalisierung des parteiensystems
10. geringe offenheit der direktdemokratischen instrumente.

einiges davon (wie etwa faktoren 10 und 3, wohl auch 2) kann man mit den heutigen wahlen einideutig nicht in verbindung bringen. anderes jedoch schon.

mal sehen, was wird, und was mit die checkliste heute hilft.

gehe nun stadtwandern, ins regierungsgebäude als

politwanderer!


quelle: espace.ch

zwei generationen hochrechner bei ihrer sonntagsarbeit: gregor lutz, uni-bern, für die hochrechnung 2006 verantwortlich, und claude longchamp, gfs.bern, vor 20 jahren (mit hans hirter) begründer der hochrechnung bei berner wahlen.

blog zu den berner wahlen: Konkordanz-Blog

anna feodorowna und die elfenau

eigentlich hiess sie juliane henriette ulrike von sachsen – coburg – saalfeld. doch unter diesem namen kennt man sie in bern nicht.

wenn man dagegen von anna feodorown spricht, dann machts schnell click: russische grossfürstin, verheiratet mit konstantin pawlowitsch, dem bruder von zar alexander i., und schwester des belgischen königs leopold i. sie kam, nach unglücklicher ehe und mit einem unehelichen kind von oberhofmeister rudolf abraham von schiferli, 1813 nach bern, erwarb 1814 die elfenau, pfelgte und hegte das landgut, das heute die stadtgärtnerei ist, bevor sie nach genf ging. vor ihrem tod kam sie nach bern zürück, wo sie 1860 verstarb.

sie machte aus der elfenau, der sie den namen gab, ein gut im empirestil mit englischem garten, ein zentrum für musik und ein treffenpunkt für die gehobene gesellschaft aus dem in- und ausland. später lebten andere bekannte künstler in der elfenau, so robert walser, bevor es 1928 der sitz der berner stadtgärtner mit eigenem bauernhof wurde.

heute ist die elfenau mit dem Naturschutzgebiet an der Aare eine der beliebtesten naherholungszonen der stadt bern, und seit neuesten auch schauplatz gehässigter kämpfe rund um die aarekorrektur und ihren folgen für die anwohnenden, besucherinnen badelustigen.

das alles nimmt stattland in ihrer neuesten führung durch berns geschichte auf. toll, – ein mutiger schritt an den rand der stadt und auch rand der tradierten geschichte bern! die führung ist stark personenbezogen, erzählt wird das private leben von anna, aber auch, was aus ihrem landsitz geworden ist. die ausführungen reichen bis in die nahe zukunft …

man hätte sich vielleicht ein wenig mehr geschichte gewünscht, was das für eine zeit war, als anna in bern lebte, was ihr schwager alexander für die verkleinerung des kantons bern auf dem wiener kongress getan hat, was der geist der restauration war, aber auch wie sich die stadt erstmals seit dem 30jährigen krieg wieder vergrösserte und wie zum aufstieg der eisenbahnen und die frühe industrialisierung kam, die das leben der adligen in bern und anderswo immer unzeitgemässer erscheinen liess. gerne hätte ich auch etwas vernommen von der geschichte des gutes, das mal das frauenkloser brunnadern war, und das sicher auch weitere zugänge zu den geschichten um die auenwäldern an der aare eröffnet hätte.

die sicherheit im text und auftritt kommt sicher noch, das programm mit dem beiden jungen schauspielerinnen ist aber jetzt schon eine bereicherung des stattland-programms. und wie der aufmarsch bei der prömiere gestern zeigte, auch ein echtes bedürfnis: rund 150 personen liessen sich durch anna feodorowna in der elfenau rumführen!

stadtwanderer

www.stattland.ch
www.bern.ch/stadtverwaltung/tvs/gaertnerei

schloss münchenwiler

also, die saison in münchenwiler ist eröffnet. wunderbare ambiance in historisch wertvoller umgebung, ausgezeichnetes essen von einem kreativen koch, und nette unterhaltung, wie immer, mit frau juri. einen solchen dialekt gibts sonst nirgends!

münchenwiler ist eine der preziosen im bernischen staatsbesitz. 1080 als priorat des klosters cluny gegründet und uim rahmen der expansion nach westen gegründet, kennt es sein besten tage im hochmittelalter. von daher rührt auch der name: villars-les-moines, mönchenwiler. mit der reformation kommt das kloster in bernischen besitz, wird eine der begehrtesten trophäen für das hiesige patriziat, bis es sich niemand mehr leisten kann. dann greift der kanton in der not ein, ohne rübu grimm, dem sozi, historiker und baudirektor in der berner regierung, würden die gebäude heute wohl nicht mehr stehen. er vermachte es der volkshochschule, und heute ist es vorzugliches schlosshotel, besonders geeignet für kongresse und tagung.

ich halte meine retraiten des verwaltungsrates dort ab. was ich dann den anderen mitgliledern ausserhalb der sitzung erzähle, habe ich unter materialien (romandie-tour) dokumentiert. was das schlosshohtel sonst noch an kulturellem bietet, listet die webseite regelmässig auf:

www.schlossmuenchenwiler.ch

der welschlandwander

gespenstergeschichten

also wirklich, eine superführung,welche alfred erismann über spuk-, gespenster- und geistergeschichten über bern anbietet. unterhaltsam, lehrreich, fulminant! ein ingenieur, der sich auszudrücken weiss, ein wasserfall von worten, der sprudelt, und ein erzähler, der behände mit geschichten umgeht.


machen sie eine typische handbewegung: alfred erismann erklärt gerade das strafrecht: kopf ab!
foto: stadtwanderer

klar, geschichten leben von der spannung, und die baut sich im rundgang auch auf. der erste teil ist noch etwas zaghaft, der zweite aber entfesselt. spannend ist die mischung aus geschichten und geschichte. da kommt einiges rüber, so die postgeschichte, so auch die militärgeschichte. vom besten, was ich dazu gehört habe! sehr schön auch, dass berns keltische wurzeln berührt werden, und der geist, die geister, den die helvetier erzeugten, bis heute nachwirkt. anderes wieder überzeugt etwas weniger, historisch gesehen: friedrich II. war nie in bern, und die handfeste ist doch eine verunechtung, und zum kindlifresserbrunnen müsste man doch auch etwas mehr über reformation und fasnacht, und über judenverbannung und gelbe mützen hören. das macht aber keinen abstrich: ein absolut gelungener abend durch die untere altstadt, die beim zytgloggen beginnt und bei der alten wache endet. sympa, dass auch der auftritt gepfelgt ist: fliegen, aus würde gegenüber der stadt.

wer gerne nachts durch bern geht, soll spüren, wie viele geschichten, geister und gespenster auch in einer scheinbar leeren stadt sind. und auf sie rücksicht nehmen.

nachtwanderer

www.gespenster.ch

kein 1. april scherz

am 1. april 1992 gründete ich das heutige forschungsinstitut gfs.bern. was schon damals kein scherz war, kann auch heute keiner sein: am 1. april 2006 hielt ich im bundeshaus gleich drei reden: eine offiziell im nationalratssaal, eine inoffiziell im ständeratssaal und eine ebenso unangekündigte im salon du président, gleich hinter dem bundesratssitzungszimmer.

und das kam so.


bern bundeshaus: der chronist am eingang (foto: stadtwanderer)

erstens, am morgen war ich bei den auslandschweizerInnen. ihre delegiertenrat tagte im nationalratssaal, und ich hielt eine ansprache zum stimmverhalten und einfluss der auslandschweizerInnen bei volksabstimmungen in der schweiz. generelle überlegungen über monarchien, republiken und demokratien eröffneten meine gedanken, dann gings zur erweiterten partizipation in der schweiz bis hin zu jener über 100’000 auslandschweizerInnen. sie sind vergleichsweise eine soziale elite, politisch aktiv, moderner, europaoffener, wettbewerbsorientierter und ausländerfreundlicher als die auslandschweizerInnen. bisher in einem fall haben sie die mehrheiten verschoben: die asylinitiative wurde nur wegen oder dank der stimmen der mitbürgerInnen im ausland abgelehnt. das aber war nicht meine these. vielmehr ging es um die expansion von demokratie, neuerdings auch von direkter demokratie auf flächenstaaten und darüber hinaus. da experimentiert die schweiz momentan erfolgreich, wie man bürgerInnen-beteiligung ausdehnen kann. die auslandschweizerInnen sind das weltweite prioniere, denn sie können nicht nur abgeordnete wählen, sondern auch in sachfragen mitentscheiden, selbst wenn sie in neuseeland, neufundland oder neuguinea leben. das sollte die schweiz vermehrt fördern und zu dieser politischen innovation auch vermehrt sorge tragen.
dann hatte ich durst, im nationalratssaal gabs nix zu trinken. also ging ich kaffeetrinken, nette bedienung, im bundeshaus.

zweitens, kommt doch gleich corina casanova, die vizebundeskanzlerin mit ihrer ganzen verwandtschaft daher. hab für sie vor einem jahr eine stadtwanderung organisiert, und sie involvierte mich gleich in ihre bundeshauswanderung. klar, die bären, die drei eidgenossen, die vier sprachregionen und das schweizer kreuz im boden des ehemaligen bundesratshauses fehlten auf der führung nicht. auch nicht, dass die frauen im bundesrat bis vor kurzem kein eigenes klo hatten. doch dann diskussion über den politischen betrieb im ständeratssaal. alle casanovas und zugewandten orte auf den plätzen der ständeherren und -damen, corina vorne. ich studiere das grosse bild im hintergrund, die jahreszahlen, die schweizergeschichte aus förderalistischer sicht repräsentieren sollen, und merke, was dem staat wichtig ist und was nicht: corina erzählt, dass man im ständerat unvermindert nicht übersetzt. das lässt mich aufhorchen. die tagsatzung war stets ein rein deutschsprachiges gremium. zur mehrsprachigkeit bekennt sich die schweiz erst seit der französischen besatzung von 1798. jetzt gibt es drei vollwärtige amtssprachen und raetoromanisch, eben, die meisten im saal können das. und corina ist die oberste garantin das man darauf auch achtet. in meiner kleinen spontan-rede schweife ich dann aber ab: 1291 lasse ich aus, bei 1393 setze ich ein: sempacher-brief oder die eidegenossenschaft als verteidigungsbündnis, dann 1481: stanser verkommnis, krach um die verteilung der burgunderbeute (1. burgunderteppich, teilweise zerstört, 2. kanonen, feldschlangen genannt: erste artillerie der schweizer armee, 3. 3000 waschfrauen oder die grösste blutauffrischung in schweizer landen), garantie der gleichberechtigung kleiner orte; 1803: es sind 19 kantone, die napoleon geschaffen hat, die jetzt gleichberechtigt sind, aber bloss ein loses ganzen bilden; 1815: klar: kaiserschmarren und wienerkongress bringen anerkennung der landesgrenzen; 1848: liberaler bundesstaat, die schweiz als republik und repräsentative demokratie, und schliesslich: 1874: der übergang zur direkten demokratie. so die schweizer geschichte wäre kurz resümiert. aber warum fehlen ganz andere zahlen. 1307 zum beispiel, der rütli-schwur; 1365, die anerkennung der eidgenossenschaften durch kaiser karl IV.; 1415 die eroberung des aargaus im königlichen auftrag, verwaltet durch die tagsatzung; 1436-1450: bürgerkrieg auf schweizer boden, angezettelt durch zürich; 1513-1515 sieg und niederlage der eidgenossen in norditalien; 1648: unabhängigkeit der schweiz vom HRR, vermittelt durch frankreich und schweden; 1712: gleichstellung der konfessionen nach dem tod von louis XIV.; 1798: einmarsch der franzosen, ende der alten eidgenossenschaft; 1830 liberale bewegung in den regenerierten kantonen; 1918: soziale bewegung bringt landesstreik, proporzwahlrecht und ahv; 1971 frauenstimmrecht; 2002 beitritt zur uno. an all das sollte der ständerat doch auch denken!

drittens, nun es ging weiter mit unserer reise durchs bundeshaus: bundesratssitzungszimmer, zu besichtigen nur dank corina casanova. weibel angern macht das super! auch anektodisch: die kleinen dinger rechts an den pulten sind keine aschenbecher, sondern wasserglashalter, sie wurden eingeführt, weil ein bundesrat, heute pensioniert, immer sein mineralwasser verschüttete und so die gesetzessammlung unter dem deckel des pultes im nun zu pape wurde. herzig! schliesslich noch eine diskussion im salon du président, gleich nebenan. ich muss noch einmal sprechen, ausführungen zu integrationsmechanismen im bundesrat machen; also: 1. bundeskanzlei, älter als der bundesrat, von napoléon verordnet, 2. nur freisinnige im bundesrat von 1848, 7 männer, 2 welsche, 2 katholiken, das einigt, 3. sukzessive beteiligung der konservativen, der bauern und bürger und schliesslich auch der arbeiterschaft, 4. zauberformel durchgesetzt von kk (cvp) und sp, gegen fdp und bgb (svp), 5. frauen im bundesrat, das war schon gefährlich und ende mit einem bruch: abwahl von ruth metzler-arnold und wahl von bundesrat christoph blocher, 9. dezember 2003. anschliessend lange diskussion im publikum über konkordanz, sprachenvielfalt, minderheitsbeteiligung, blockierung, stabilität, ärztedemos und neue landesregierung von 2007. mehr davon aber erst in einem jahr …


bern bundeshaus: der historiker am eingang (foto: stadtwanderer)

kein scherz, hat sich alles zugetragen, am 1. april 2006, dem 14. geburtstag meiner firma. spannend, so ein bundeshaus!

bundeshauswanderer

das offizielle referat des tages: botschfterInnen der direkten demokratie

vogelgrippe und mehrsprachigkeit der schweiz

wer massenmedien nutzt, hatte 2006 ein dominantes thema zu verarbeiten: vogelgrippe. sterbende tiere sind zu unserem schrecken geworden, denn wir wisse nicht so recht, ob wir als menschen, die vögel mögen, auch betroffen sein könnten. das bisherige wort des jahres ist denn auch pandemie.

wer nicht nur medienkonsument ist, sondern auch geschichte studiert hat, fühlt sich sofort ist späte mittelalter versetzt: die grosse pest, 1346 auf der krim ausbrach, sich rasch übers mittelmeer verbreitete, die grossen ströme hinauf aufs land kam und bis 1349 fast das ganze festland erfasst hatte. gerne vergisst man selbst unter historikern, dass es schon im 6. jahrhundert eine vergleichbare pandemie gab: die justinian-pest.

eigentlich hatte alle gut begonnen. das durch hunnen und germanen zerfallene weströmische reich sollte vom oströmischen wieder aufgebaut werden. kaiser justinian und kaiserin theodora, zwei mustergültige christen, hatten die hagia sofia, die heilige weisheit, gebaut, und sich daran gemacht, die reiche der vandalen in afrika und der ostgoten rund ums adriatische meer zurückzuerobern und und die länderein in den römisch-christlichen staat zu integrieren. nur die franken wussten darauf zu antworteten, und dehnten ihren herrschaftsbereich nach südosten vor, bis man nachbarn geworden war. die schweiz wurde damals fränkisch: zuerst das der burgundische teil, dann auch der rätoromanische bereich.

die bedrohung für byzanz kam jedoch nicht von den fränkischen königshöfen in der nordwestlichen provinz, sie kam vom süden her. es breite sich mach 540 die pest aus, die alle damals wichtigen zentren erfasste. die schlimmste zeit soll in byzanz bis zu 10’000 menschen im tag das leben gekostet haben. selbst in unserer gegend gibt es hinweise für das wüten der pest im 6. jahrhundert.

diese zeit muss fürchterlich gewesen sein. es begann mit einer mysteriösen weltverdunkelung, von der die quellen mitten im 6. jahrhundert sprechen und die heute noch ungeklärt ist, und es stürzte im unterwallis der berg ins tal; er soll den rotten vorübergehend gestaut haben, und als sich das entlud, eine flutwelle ausgelöst haben, die man bis nach lausanne bemerkte. bischof marius, der wichtigste gewährsmann dieser zeit, der im westlichen mittelland lebte, berichtet davon.

das selbständige königreich burgund, aus der völkerwanderung hervorgegangen, war, als die katastrophen einbrachen, soeben von den expandierenden franken besetzt und geteilt worden, und die reimser könige, die sich des mittellandes bemächtigten, vertrieben die nördlich davon sesshaften alamannen, die sie unterworfen hatten, nach süden. so kamen sie über den rhein, aber nicht ins saone- oder doubstal, sondern bei zurzach, und dehnten sich im oberen aare-, reuss- und limmattal aus.

man weiss es, die spätantike gesellschaft, die als mischung aus römischem erbe und germanischer erneuerung erlebt hatte, stürzt in die tieste kriese. die galloromanische einheit, die mittelland noch dominiert und die die eingewanderten burgunden noch assimiliert hatte, zerfiel. zuerst setzten sich nördlich der alten die alamannen fest, und dann südlich davon die langobarden. beide hatten es auf die burgunden abgesehen, die es immer noch gab, aber unter fränkischen königen standen. zuerst kommt es in bex, in der nähe des felssturzes, zum kampf zwischen vorstossenden langobarden und burgunden, den diese gewannen, und dann traffen die vorrückenden alamannen in wangas (wangen an der aare?) auf die burgunden, die diesmal verloren. das führte dazu, dass der einfluss der langobarden nördlich der alpen beschränkt blieb, die lombardis bis heute im tessin und in monaco wohnen, während die alemanns bis heute auch links der aare, beispielsweise in der vogelstation la sauge neuenburgersee, anzutreffen sind.

leider weiss man so wenig über die ökologische, herrschaftliche und kulturelle katastrophen des 6. jahrhunderts im mittelland, obwohl sie für die fundierung der schweiz als ethnisch-plurale gesellschaft bis heute existenziell nachwirken. wer weiss darüber mehr?

war sind die longchamps katholisch?

der heimatort der familie longchamp ist malapalud, – ein verträumtes nest, mitten in der waadt. unter bernischer herrschaft (1536 bis1798) gehörte malapalud zu echallens. zwischen 1476 und 1536 war echallens eine bernisch-freiburgische vogtei („gemein(sam)e herrschaft“). 1475 war es durch bernische truppen erobert und im zentrum arg zerstört worden. vor 1475 war man in echallens burgundisch, gehörte den grafen von chalons, die sich ab 1407 über den jura hin ausdehnten. denn man strebte nach oberitalien, und der weg über den jura führt schnurgerade über echallens.

die katholische kirche war damals in einem fürchterlichen zustand. den papst in rom gab es seit 1307 nicht mehr, als bonifatius VIII. nach der ganzen macht in europa gegriffen hatte und einem attentat zum opfer gefallen war. der neue papst wohnte danach in französischer obhut im südburgundischen avignon. die grosse pest von 1347 tat das ihrige, denn die vielen toten liessen den glauben in die schutzmächte aller art schwinden. und als der papst von avignon 1378 wieder nach rom ging, kam es zu eklat: der genfer graf wurde zum gegenpapst und ging seinerseits wieder nach avignon, – und die christenheit war ab jetzt zerrissen zwischen der französischen und der deutschen variante der katholischen kirche. bis 1417 dauerte die spaltung, das grosse abendländische schisma der katholischen kirche, und das kirchenleben zerfiel in dieser Zeit vielerorts. Vollends verwirrlich wurde die situation 1439, als man den damaligen herzog von savoyen, amadeus VIII., ein vater vieler Kinder, in basel zum gegenpapst Felix V. kürte. glücklich wurde dadurch niemand!

eern eroberte 1475 gemeinsam mit freiburg das burgundische echallens. ss ein präventivschlag, wollte man doch dem drohenden karl dem kühnen seine bastion in der waadt wegnehmen. im grossen burgunderkrieg schlugen die vereinten eidgenossen den burgunder herzog in grandson und murten. 1477 starb er in der schlacht von nancy, und burgund kam per erbschaft ans haus habsburg. erzherzog maximilian hatte noch rechtzeitig marie von burgund, die tochter des kühnen, geheiratet. bern und freiburg, welche die ganze Waadt erobert hatten, durften diese jedoch nicht behalten, doch die savoyische herrschaft, die danach entstand, war eher formeller natur. 1536, als bern und freiburg unter oberst jean-françois naegeli mit segen von francois I. in den französisch-habsburgischen krieg eingriffen und die savoyische waadt besetzten, leistete diese kaum mehr widerstand.

doch es machte einen grossen Unterschied, ob man 1475 oder 1536 von bern und freiburg erobert worden war. die waadt wurde reformiert, mit ausnahme der vogteien, die bern und freiburg direkt aus den burgunder-kriegen behalten hatten. in diesen war es 1532, als sich reformierte und katholiken im zürcherischen kappel die köpfe einschlugen und die katholiken die oberhand behielten, folgendes beschlossen worden: die Untertanengebiete, die von mehreren eidgenössischen orten gemeinsam regiert werden, können selber bestimmen, welcher konfession sie angehören wollen. und so entschied man sich in echallens, katholisch zu bleiben, das heisst unvermindert zum (letzten) bischof von lausanne, sébastien de montfalcon, zu gehören. diesen gab es kurz darauf nicht mehr, am 21. März 1536 verliess er seinen sitz st. maire in lausanne, und er kehrte nie mehr dorthin zurück.

so blieben die leute von echallens katholisch. auch die leute von malapalud, die von echallens abhingen. und so auch die longchamps. eigentlich sind wir also unvermindert katholische burgunder! genauso wie adrian von bubenberg, vor meinem büro! habe selber 47 Jahre gebraucht, und zu verstehen, warum meine familie katholisch (geblieben) ist, obwohl wir waadtländer sind.

werde möglicherweise noch 47 brauchen, um zu verstehen, warum ich katholisch (geblieben) bin, obwohl ich in bern lebe. a suivre, à l’an 2053!

gesellschaftsspiele in und über bern

als ich nach bern kam, gabs ein gesellschaftsspiel, das “sherlock holmes in bern” hiess. ich habe das gerne gespielt. damals, in den frühen 80ern, kannte ich bern noch kaum. so schlecht, dass ich bei meinem ersten date eine gasse verschoben gestanden bin, und den termin und die auserwählte verpasst habe. sherlo spielen hat mir dann geholfen, bern und bernerinnen besser kennen zu lernen.
seither gibts verschiedenste spiele über bern. meine mitarbeiterInnen haben mit zum 49. geburtstag, dem 127. von altert einstein …, “wer kennt bern. spielen, entdecken, wissen” geschenkt; ganz schön knifflig, die fragen, hab bei weitem nicht alles gekonnt. werde also wandern und spielen.
jetzt gibts sogar ein brettspiel von “glückschmiede”. geht über bern, und biel/bienne, der zweiten stadt des kantons. werde mir das ansehen müssen, auch wenn die berner zeitung eher kühl reagiert hat, denn das spiel sei zu ereignisarm, genauso wie bern: wie kann man nur so was schreiben: die stadtgeschichte ist ereignisreich, jedenfalls im tollen 15. jahrhundert. erst dann sind die sittenmandate gekommen, die das würfeln, tanzen und dönkle der weiber in den brunnen verboten haben. seither ist es etwas ereignisarmer geworden, muss aber nicht so bleiben. selbst die fasnacht kehrt, seit den 68er unruhen wieder ins protestantische bern zurück.

www.glueckschmiede.ch

nachtwandern

bin ja wie ein wilder dran, eine kurzfassung der stadtwanderung zu machen. das ganze auf zwei stunden zu komprimieren. es gibt halt kundschaft, die nicht einen ganzen tag kann.
es ist aber fast nicht möglich. soviel geht verloren, und man muss wohl im wandern erzählen. für kleine gruppen mag das gehen.
habe das gestern erstmals als nachtwandern versucht, zugegeben, eher etwas kalt im moment, aber super schön! die gebäude der altstadt sind teilweise spektakulär beleutet, viel spannnender anzusehen als am tag. ich muss das nächste mal unbedingt bilder machen. die architektur lebt viel mehr, wenn sie vor schwarzem hintergrund erscheint, und gelb ausgeleuchtet wird.
eigentlich sollte ich auch eine nachtwanderung anbieten. mit einem mitternachtsumtrunk, wenn alles vorbei ist. so einem wirklich guten whisky!
das wäre schon was

ins – ein dorf mit bewegter geschichte

bis jetzt war ins das dorf, aus dem monia kam. ich habe es am sonntag erstmals bewusst besucht – und gleich mit der recherche begonnen: ganz schön spannend!

für die einwohner ist ins “eiss”, und weil man hart an der sprachgrenze ist welsch “anet”. besiedelt ist der ort seit der steinzeit. bekannt sind vor allem die keltischen fürstengräber auf dem schaltenrain. der kirchberg war sicher schon in keltischer zeit eine kultstätte. aus römischer zeit ist eine strasse direkt ins broyetal nachweisbar, damit war man angeschlossen an den transit von süden nach norden. in der folge gabs, wie überall in der westschweiz, einwanderungen, – hier durch die burgunder. dass die alemannen zuerst waren, wie man in der kirche nachlesen kann, ist wohl ein mythos. christianisiert wurde die gegend im 7. jahrhundert, wahrscheinlich durch wandermönche aus luxeuil. alle das spricht für burgundische wurzeln.

das spannende an der eisser geschichte beginnt jedoch danach: beim zerfall des fränksich-burgundischen kaiserreiches kommt es im jahre 851 zum grossen eklat in ins, – gleichzeitig dem ersten, aus ins bekannten ereignis: bischof david von lausanne wird hier in den wirren des zerfallenden fränkischen kaiserreiches ermordet, und der rote findling aus der eiszeit in der müntschemiergasse heisst seither blutstein. verraten worden sei er von bauern aus treiten; der name des ortes leite sich daher vom französischen trahison. mehr weiss man leider nicht.

mit dem zerfall des nachfolgenden burgundischen königreiches reiches kommt ins im 11. jahrhundert zum bargengau. man ist jetzt kaiserlich-imperial, auch bei den bauern von anestre, wie man ins nennt. der verwalter an der aare in bargen kann sich jedoch nicht halten, denn es steigt im 11. jahrhundert das geschlecht der grafen von fenis zur führenden kraft in der region auf. sie haben das vertrauen von kaiser heinrich iv., den sie im investitursteit treu unterstützt haben. der stammsitz der grafen von fenis ist die hasenburg in der nähe von ins, und von hier aus entwickeln sie im aaretal ihre herrschaft, in konkurrenz zu den papsttreuen zähringern, die nach süden drängen.

1117 kommt es zum grossen erdbeben im juragebiet, das auch in ins bemerkt wurde. fenis, der alte burgundische namen geht verloren; neu erbaut wird cerlier, das heutige erlach, und das grafengeschlecht von fenis teilt sich in der folge in die grafen von neuenburg, von valangin, von nidau und von strassberg. damit verliert es auch seine hegemoniale stellung in der region, und so kommt es 1375 zur grossen krise, als die gugler, arbeitslose söldner aus dem englisch-französischen krieg, das westliche mittelland plündern. in der folge geht die ganze region an die grafen von savoyen, 1407 gar an die grafen von chalons im heutigen burgund.

1474 dringen die berner vor, erobern erlach, und sie setzen dort einen landvogt ein. 1476 beteiligt sich die ganze region auf eidgenössischer seite an der schlacht von murten. dabei zeichnen sich die frauen von ins als besonders tapfer aus, die in der folge das privileg erhalten, am sonntag stets vor ihren männern in die kirche einziehen zu dürfen.

überhaupt, die wende zur neuzeit bringt auch in ins einen einschnitt: 1491 wird die leibeigenschaft durch eine zahlung von 299 pfund an den staat bern abgelöst. 1499 wird ins mit bern und der eidgenossenschaft vom kaiserreich ausgeschlossen. man will sich dem reichskammergericht nicht unterstellen, und den kaiserlichen beamtenstaat, der entstehen soll, ist den eidgenossen ein gräuel. man ist jetzt schweizerisch in ins.

gleichzeitig mit dem umbruch zerfiel auch das kirchliche leben, bis dahin streng katholisch, ; im 15. jahrhundert es mehren sich die klagen über unsittliches verhalten des pfarrers und unsachgemässe behandlung der kirche und seiner gegenstände. vorerst wird die kirche der pfarrei gampelen unterstellt, 1484 kommt sie unter die schirmherrschaft des st. vinzenstiftes in bern. 1528 wird die ganze region durch pfarrer kaspar künzi reformiert, selbst wenn die konservativen bauern sich wehren vorerst.

1541 beginnt bern mit der aufrüstung, die kirche wird erneuert, indem sie den stolzen trum erhält, und die pfarrstelle zu einer der begehrten in der bernischen republik aufsteigt. 1653 sind die bauern aus ins regierungstreu, sie beteiligt sich nicht am bauernkrieg der emmentaler.

mehrfach brennt das dorf in dieser zeit aus: 1562 die ganze siedling, 1655 gampelenstrasse, 1677 erneut das ganze dorf. danach kehrt wieder mehr ruhe ein. im 18. Jahrhundert ist das leben friedlich, und die berner patrizier begeistern sich immer mehr für das landleben, auch in ins, wo die familien von werdt, von fischer, von tascherner und jenner gutsherren werden.

1798 wird diese idylle wieder zerstört, die französischen truppen besetzen bern und die umgebung, und es brennt das dorf gleich zweimal. die dorfjugend wehrt sich gegen die fremden truppen, und sie kippt mehrfach den französischen freiheitsbaum, unter dessen herrschaft vorübergehend auch die trauungen stattfanden. jetzt ist man oppositionell, antimodernistisch und antiliberal. 1848 brennt das rathaus mit dem chorgericht, und 1849 kommt es gleich nochmals zum dorfbrand.

die zahlen für die dorfbrände sind auffällig: immer wenns in europa und der eidgenossenschaft in der neuzeit brennt, brennt auch ins. auch das macht ins spannend für weitere recherchen, genau so wie der blutstein, da gibt sicher noch viele sagen und geschichte. wer weiss weiter?

einstein führungen

also, das war eine super führung zu albert einstein in bern, realisiert durch stattland. zwei junge frauen, die eine als biografin, die andere als schauspielerin, machten die führung. zur sprache kamen alberts studentenbude, seine familienwohnung, seine experimente im progymnasium, sein wirken am patentamt und sein stammlokal “brasserie bollwerk”. informationsreich und spannend, besonders die einlagen zu einsteins frau mileva maric, zu seiner schwester marie (genannt maja) und zu alberts disputierfreund maurice solovine. wohl nicht ganz geklappt hat die erklärung der speziellen relativitätstheorie. da kann man noch daran feilen, auch ohne ambitionen auf den nobelpreis.

habe selber ein paar anregungen erhalten, mehr mit bildern und dokumenten arbeiten, das ist gut; geschichten einflechten, das ist noch besser; und zwei personen, die sich in der präsentation abwechseln, ist das beste. sprechen im stadtlärm ist jedoch ein generelles problem, für stadtführerinnen wie für teilnehmende. da braucht es noch gedankenarbeit.

nach der führung ein kleiner, wärmender besucht in der ehemaligen brasserie bollwerk, heute restaurant-pizzeria “l’aragosta”, das ich aus den frühern 80er jahren kenne. hat sich ein wenig verändert. neu ist aber die kleine einstein-ausstellung von ingenieur thomas foppa. der ist stammgast im lokal, und er hat im einstein-jahr begonnen, das stammlokal von albert einstein mit seinem wirken im quartier auszukleiden.

der zufall wollte es, dass er gleich selber im lokal war, und wir uns angeregt über einstein unterhalten konnten. er will ein buch schreiben zu einsteins berner jahren, und er sucht unterlagen zum leben in bern während der jahrhundertwende. werde mich bemühen!

www.stattland.ch/home.html
www.espace.ch/artikel_104136.html
www.aragosta.ch