fondue – fasnacht – fribourg

jahre habe ich mich nicht mehr darum gekümmert. das bunte treiben habe ich den andern überlassen. doch dieses jahr packt mit die freude wieder mehr. am samstag war ich sogar mitten drin. und am Sonntag las ich nach, beim volkskundler paul hugger, und merkte, wie schräg mein bild der fasnacht ist!


rathaus von fribourg, hoch über der unterstadt

fondue im restaurant gotthard, tilleul, fribourg

nach einer ausgiebigen stadtwanderung steht ein feines fondue an. wir sind 13! es ist also ein grosser tisch nötig. und wir erhalten ihn. im restaurant gotthard.

macht schnell, sagt man uns, denn wenn die fasnächtlicher kommen, sitzt, wer sitzt. und als wir sitzen kommt die strenge wirtin und fragt, ob wir reserviert hätten. heute sei das haus voll, sie müsse zuerst den koch fragen. der wiederum freut sich, vor dem grossen sturm eine runde richtige fondue in ruhe machen zu machen. also werden wir serviert.

“moitié-moitié” à la fribourgeoise ist einfach anders! es kocht nicht, es schmilzt nur. es ist nicht dünn, es ist wie double-crème. so isst man weniger brot, dafür gibt es kleine kartoffeln dazu. und im gotthard ist die vorspeise kondition: vor jeder fondue gibt es eine kleine platte mit einem knäckebrot, etwas butter, einem stück schinken, gurken und silverzwiebeln.

dann ist es soweit: 4 caquelons (nicht: gagglons!) werden aufgetischt, währschafte pfannen aus gusseisen, die so dick sind, dass die fondue (ausser ganz am schluss) nicht anbrennt, werden auf die rechauds stellt, um bei kleinem feuer warm gehalten zu werden. es mundet allen …


fondue im gotthard: unübertreffliche spezialität

fasnacht: zurück zum kollektiv

draussen in der stadt haben sich die fasnächtler versammelt. unzählige musiken sind hier: die einen mehr klassisch, mit paucken und trompeten, die andern ganz individualistisch: das spektrum reicht da von arabischer karavane bis künstlischer avantgarde.

dann kommt die erste gruppe ins gotthard. das restaurant ist an sich schon bumsvoll. doch mit der musik kommen 40 weitere personen samt ihren instrumente. der saal scheint zu bersten. die musikerInnen stellen sich auf, wo es keinen platz mehr hat, – in den engen gängen, auf der treppe, und einer gar auf dem tisch: der gibt das zeichen zum auftakt!

die töne erfassen in sekundenschnelle alle. Wer meint, er sei allein, spürt wieder einmal, was es heisst, zum kollektiv zu gehört. Die musik verbindet. Die fasnacht vereint. alles schaut nach den fasnächtlern, die sich ob ihrem streich sichtbar freuen. sogar jean tinguely, früher gern gesehener gast im gotthard, scheint sich auf dem bild an der wand zu drehen.

vorerst geht es noch gesittet zu und her. doch bald wird die stimmung locker; es tanzen die ersten. der fantasie sind keine grenzen mehr gesetzt, obwohl es erst abends um 8 ist …


buntes treiben im gotthard, schon vor den fasnächtlern

das fleisch weglegen …

bei meinen nachbereitungen zur fasnacht habe ich wieder mal in volkskundebüchern gekramt. bei paul hugger zum beispiel. und gestaunt! mein bild der fasnacht ist immer wieder falsch: nichts urtümlich alemannisches ist an der fasnacht, und kein heidnischer brauch steckt dahinter. fasnacht schreibt man auch nicht mit zwei “s”, denn es hat nicht mit der “nacht des fasses” zu tun. Selbst wenn viel getrunken wird. und wenn man es mit einem “s” schreibt, meint man nicht “faseln”, schlecht und töricht reden. Selbst wenn auch das an der fasnacht vorkommt …

vielmehr ist carneval der moment, an dem man das fleisch wegräumt. es kommt von “carne(m) levare”. bezeugt ist das wort in rom seit dem 13. jahrhundert. in frankreich wird carnaval daraus. Und in der schweiz ist es seit 1283 bezeugt. ob das, was man damit meint, mit dem heutigen verständnis von fasnacht in verbindung steht, kann man bezweifeln: gemeint ist nicht das bunte treiben, sondern die fastenzeit vor ostern, die 40 tage der reinigung oder die quarantäne der entsagung und enthaltsamkeit.


es geht los!

der siegeszug des volksbrauches

das volk hat sich um solche vorstellungen wenig gekümmert. der siegeszug der fasnacht beginnt in der deutschsprachigen schweiz im spätmittelalter in stadt und land. ursprünglich eher ein männerbrauch, scheint er sich schnell für beide geschlechter geöffnet zu haben.

überall wird die fasnacht die zeit des überschwangs: das grosse mahl gehört genauso wie der gegenseitig besuch dazu. vielerorts findet man wettkämpfe, überall eigentlich schaubräuche.

seit es fasnachten in der eidgenossenschaft gibt, versuchen die obrigkeiten sie zu unterdrücken. in basel spricht man schon im 15. jahrhundert vom “unfug des gemeinen volkes”. den reformatoren ist fasnacht “papistisches treiben”. und selbst die jesuiten bekämpften mit der gegenreformation gemeinsam mit der weltlichen herrschaft die fasnacht.

die blüte der fasnacht setzt an den meisten orten erst im 18. jahrhundert ein, als die patrizische jugend, die in ausländischen diensten war, das strenge leben zuhause aufbricht. fasnacht entwickelt sich danach zum mehrtätigen treiben, das die säle verlässt und die strassen erobert. Vereine, comitees organisieren jetzt die fasnacht und ziehen guggenmusiken von nah und fern an. mit der alternativbewegung bricht das fasnachtstabu überall. seit 1982 hat sogar bern seine fasnacht!


sogar jean tinguely erwacht während des fasnacht wieder

und mich hats wieder einmal gepackt, das fasnächtlen …

stadtwanderer

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

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