“Der General” im Jegenstorfer Schlosspark.

Jegenstorf, Schlosspark. Lauer Samstagabend. Die örtlichen Schlossparkspiele führen das Stück “Der General” vor. Eine gelungene Veranstaltung, wie ich meine.

0_86872400_1467652573 Bild:Schlossspiele Jegenstorf 2016

Ehrlich gesagt, als ich eingeladen wurde, zögerte ich innerlich einen kleinen Moment. Nicht des Schlosses wegen. Ich mag es sehr, habe schon Strategieretraiten in seinen Sälen durchgeführt. Den Zweiten Weltkrieg in der Schweiz aufleben zu lassen, war mit allerdings ein wenig suspekt. Vielleicht wegen der Biografie von Henri Guisan, verfasst von Markus Somm. Zu gerne hätte ich mit ihm über Geschichtsschreibung, Kritik und Verklärung gestritten. Und das im Schloss Jegenstorf. Der Historiker, Verleger und Journalist in Basel sagte leider ab. Seine Ortskenntnisse seien ungenügend.
Als uns ein wunderbarer Sommerabend nach Jegenstorf lud, waren meine Bedenken sowieso verflogen. Die Sonne erwärmte den lauschigen Park, das Abendlicht spielte mit dem mächtigen Schlossturm. Und ein Lüftchen um die Ohren sorgte für angenehme Atmosphäre. So richtig in Stimmung brachte uns die die Küche. Zwar erinnerte sie mich ein wenig an die Rekrutenschule in Murten. Suppe. Käseschnitte. Burehamme. Zu meiner Freude schmeckte alles jedoch viel besser, als es in meiner Erinnerung geblieben war.
“Der General” hätte nirgends besser aufgeführt werden können. 1944 bezog Henri Guisan, Oberbefehlshaber der Schweizer Armee, das Schloss, um seinen neuen Kommandoposten hier zu errichten. Das war eine Ansage. 1941 hatte er seinen Plan für das Reduit verkündet und Interlaken zu seinem Standort gemacht. Die Diskussionen fielen alles andere als einhellig aus, denn im Kriegsfall hätte man das bevölkerungsreiche Mittelland aufgegeben und die alleine die Alpen verteidigt. Mit der Wahl von Jegenstorf als neuem Sitz des Generalstabs signalisierte der General, von einer möglichen militärischen Herrschaft über das Gebiet zwischen Alpen und Jura auszugehen. Das alleine war schon eine halbe Friedenbotschaft.
Das Stück selber kreist um den realen Absturz eines US-Bombers in Jegenstorf. Die Geschichte darum herum ist aber ausgeschmückt. So wurde der Pilot beim Bauern in Schlossnähe interniert, ist aber flüchtig. Im Hauptquartier sorgt das für mächtige Unruhe – nicht zuletzt, weil der Oberbefehlshaber im Jura an der Grenze weilt, an der eine Bombe nieder gegangen sei und das Schicksal des Generals im Ungewissen liegt. Im Schloss hat es unter der Leitung des Generalstabschefs allerei Gäste: Zuerst die Gruppe Schwertfeger mit 5 FHD-Frauen, die den General unterstützen soll. Dann den Zürcher Oberkorpskommandant Brülhart, der konstant gegen die Romands an der Armeespitze lästert. Schliesslich ein paar Soldaten, die in ihrer Tollpatschigkeit stark an den legendären HD Läppli erinnern. Nicht übersehen sei, dass auch der Frauenchor von Jegenstorf unter der chächen Kreuz-Wirtin im Schlossgarten probt, denn der 70. Geburtstag des Generals steht an.
Das ganze ist gutes Theater: Der flüchtige Pilot erweist sich bald als Liebhaber der jungen Bauersfrau von nebenan, der schnellstmöglich nach Frankreich zu seiner Truppe zurück möchte. Die FHDlerinnen verkleiden ihn in einen Zivilisten, doch aus Versehen nimmt er die Aktentasche von Oberstkorpskommandant Brülhart mit. In der sind geheime Unterlagen für die gewünschte Truppenaufstellung im Osten, die im Hauptquartier von Major Pfander heimlich fotografiert worden waren. Das wiederum weiss der General, der im dritten Bild überraschend nach ins Hauptquartier zurückkommt, um den Spionageverdacht zu regeln. Der Rest ergibt sich: Bösewicht Brülhart wird zuerst des Landesverrats verdächtigt, vom General aber gestützt. Dem Piloten vergibt der oberste Militär – alles sei eine harmlose “une historie d’amour”. So fällt der Verdacht zurecht auf Major, erst seit kurzem in Jegenstorf. In Handschellen wird er abgeführt, sodass die Szenerie für den singende Frauenchor und die belebte Geburtstagsparty frei wird.
Das Stück von Daniel Ludwig, aufgeführt von Reto Lang, hat Fluss, Schalk und Charme. Die zweistündige Spielzeit ist im Nu vorbei. Die gebotene Spielleistung überzeugt, diverse Anspielungen auf die Gegenwart nehmen dem historischen Stoff seine mögliche Schwere. So hauen die FHDlerinnen kräftig auf den Putz, als die Männergesellschaft frauenfeindlich lästert, und sie sind in der Flugzeugerkennung besser als alle andern im Hauptquartier. Klar doch, die ambitioniertes unter ihnen will Flugzeugmechanikerin werden, ja Pilotin. Am Ende wollen sie noch das Stimmrecht lästert die Männerrunde, aber auch der Frauenchor mag sich ob den Mannsfrauen nicht erwärmen. 70 Jahre nach dem Geschehen mag man ob dieser Prophetie nur schmunzeln.
Ein Gefühl von reenactment – inszenierter Geschichte – kommt vor allem mit dem Soundeffekt auf, der überfliegende Kampfbomber so echt simuliert, dass man sich sitzend unweigerlich umdrehen möchte, um nach dem Geschehen hinter einem zu schauen. Dennoch, um Geschichte als gesicherte und gedeutete Vergangenheit, geht es in diesem Theater nicht. Dafür hätte man sich kritischer mit dem Stoff auseinander setzen müssen. Das ist auch diesmal nicht geschehen, kann man Somm nachsagen. An einem Sommerabend wie diesem wäre es kaum gut aufgenommen worden. Denn man dürstete nach guter Unterhalten und frischem Getränk. Beides bekommt reichlich geboten. (M)eine Empfehlung!

Stadtwanderer

Karl&Co.

Nein, es geht es nicht um Karl den Grossen und seine Enkel. Vielmehr dreht sich diese Geschichte um Kaiser Karl IV. und seine Dynastie. Denn Karl&Co in der Berner Altstadt ist ihm direkt gewidmet.

Die Stadt Bern ist älter als die Eidgenossenschaft. Zu Zeiten der Stadtgründung, 1191 also, gehörte das ganze Gebiet der heutigen Schweiz zum Kaiserreich, für das in der damaligen Zeit der Titel “HRR”, “Heiliges Römisches Reich”, aufkam. Gebaut wurde Bern auf imperialem Boden, weshalb die Stadt nach dem Tod des letzten Zähringers Königsstadt wurde. Des Königs Stellvertreter war der Schultheiss, was sich von Schuldheischer oder Steuereintreiber ableitete. Denn als Königsstadt zahlte man ausschliesslich der Krone Steuern, keinem Adeligen aus der Umgebung. Spätestens 1298 verhielt sich Bern als Reichsstadt, das heisst als Teil des Reichs, ohne dem jeweiligen König speziell zu huldigen. Hintergrund dieser Auslegung war die Rivalität der führenden Adelhäuser im Reich. Könige aus der Dynastie der “Luxemburger” waren der Stadt traditionell gut gesinnt, was man von Vertretern der Habsburgern und Wittelsbacher weniger sagen konnte.
Historische_Karte_CH_1385
Historische_Karte_CH_1416

Der erste “Luxemburger” (genau “Luxemburg-Böhmen”), der Bern förderte, war König Heinrich VII. Er verpfändete 1310 der Stadt und nicht den Kyburgern Laupen, sodass Bern hier bald schon den ersten Landvogt einsetzen konnte. Der letzte Förderer in dieser Reihe war Sigismund, König von Ungarn. Er weilt 1414 in Bern, wo er das neu erbaute Rathaus einweihte und die Stadt in den Reichsstand erhob.
Dazwischen war Karl IV. Der Enkel von Heinrich und Vater von Sigismund begann seinen Aufstieg unter widrigen Umständen. Denn 1346 wurde er bloss zum Gegenkönig gekrönt, musste sich also erst gegen andere durchsetzen. Sein Gegenspieler war König Ludwig der Baier, der in Laupen mit den Freiburgern und gegen die Berner gekämpft und verloren hatte – mitunter auch wegen der Allianz der Berner mit den Innerschweizern.
Mit Karl, der von Prag aus regierte, sollte sich das Blatt definitiv wenden. Sein Durchbruch kam mit der Goldenen Bulle von 1356. Mit dieser ordnete er das Reichsrecht nach dem Durcheinander durch die grosse Pest neu. Dabei kaum seine vorläufige Skepsis gegen Eidgenossenschaften mit Reichstädten mit gewöhnlichen Städten und Ländern noch zum Ausdruck
Seine neue Bern-Politik setze 1360 ein. Nur fünf Jahre später weilte der Kaiser gar in Bern. Er bahnte sich einen Weg von Prag nach Avignon, dem damaligen Papstsitz. Sein Berner Zuhause war das Hotel Adler. Mit dem wichtigste Dokument aus dieser Zeit privilegierte er die Stadt Bern. Von nun an sollte sie Reichslehen erwerben können. Damit wurde die Stadt dem Landadel gleichgestellt, denn normalerweise wäre das nur den Grafen von Kyburg oder von Savoyen in unserer Gegend zugestanden. Hinzu kam das Recht, in der Stadt ein Kaufhaus zu führen, was dem Handel in Bern einen Aufschwung verschaffte. Voraussetzung hierfür war allerdings, dass die Familie von Bubenberg, nach der Grossen Pest ins Könizer Exil verbannt, wieder zurück kommen und das Amt des Schultheissen erneut übernehmen durfte. Dies geschah zum internen Preis, dass die Matte, ein Dorf ausserhalb der Stadt, von den Bubenbergs an die Stadt überging.

Betrachtet man die Privilegien Karls für Bern, sind sie ein gewichtiger Meilenstein im Aufstieg der Stadt vom der Königs- und Reichsstadt hin zum vollwertigen Reichsstand. Ein zentraler Grund hierfür war, dass Bern ein weitreichendes Territorium rund um die Stadt zu beherrschen begann. Das prägt Städte wie Bern, Luzern und Zürich bis heute. Denn im Mittelalter war es unüblich, das Städte grosse Landbesitzer waren. Schaffhausen weiss das bestens. Letztlich ist das ein Phänomen des Schweizer Mittellandes – als Folge der Krise, die den Landadel im 14. Jahrhundert erfasst hatte. Im Osten drängte Bern so den kyburgischen Einfluss zurück, im Westen wurde man Erbin des zerfallenden burgundischen Königreichs.
Nagelprobe der bernischen Expansionspolitik war der sogenannte Burgdorfer-Krieg von 1382 bis 1384. Er reihte sich in die grossen Auseinandersetzungen zwischen aufstrebenden Städten niedergehendem Adel ein. Auf der anderen Seite des Rheins setzte sich dabei der Adel gegen die Städte durch. Auf unserer Seite war es umgekehrt. Denn Zürich gewann gegen Habsburg und übernahm Zug und Glarus.
Während dem “Burgdorfer” belagerte Bern die Kyburgerstädte Burgdorf und Thun. Das war die Rache dafür, dass die Kyburger das befreundete Solothurn angegriffen hatten. Erstmals setzten die Berner dabei Kanonen ein, eine willkommene Verstärkung der bisherigen Wurfmaschinen. Ein grosser Erfolg war dem Angriff auf die Nachbarstädte allerdings nicht beschieden. Denn beide Attacken endeten militärisch im Patt. Schliesslich musste die Bern die beiden Städte gegen viel Bares kaufen. Die Kyburger kam so zu ersehnten Geld und Bern zu wichtigen Märkten in Ober- und ist Mittelland. Bern legte damit nicht nur den Grundstein zur Herrschaftsstruktur, aus der zuerst die Republik, dann der Kanton hervorgehen sollte. Die Stadt schuf so auch eine wichtige Voraussetzung, um vorherrschende Macht im Aaretal zu werden. 1415, bei der Eroberung des Aargaus, sollte sich der Burgdorfer ausbezahlen. Das versetzte im übrigen den Kyburgern den definitiven Schlag. Denn nur kurze Zeit später verschwanden sie in der Bedeutungslosigkeit. Karl hat die Voraussetzung für das alles geschaffen. Letztlich begründete er trotz Bedenken den Aufstieg von Städten wie Zürich und Bern, die miteinander verbunden, nebst den Waldstätten den mittelalterlichen Kern der Eidgenossenschaft bilden sollten.
Bis vor kurzer Zeit gab es gar nichts, das in Bern an Karl erinnert hätte. Jetzt ist es Karl&Co. Versehen mit dem Zusatz “1383”, dem Datum des Angriffs auf die Kyburger Städte.

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