die geschichte muss sich nicht immer wiederholen

es ist ein interessanter dokumentarfilm, den srf zu 20 jahre nach dem ewr gestern abend zur hauptsendezeit zeigte. die geschichte ist informativ, gelegentlich allerdings zu schematisch. zu stark wiederholt sich die geschichte für die autoren, zu viel wird dabei ausgeblendet. eine besprechung.

DOK vom 06.12.2012

zwischenzeitlich merkt man, dass einem nicht mehr alles präsent ist, was 1992 betrifft. bei den ereignissen ist das noch weniger der fall, bei den zusammenhängen schon. genau das liegt der wert des dok-filmes “der rechte weg”, der srf gestern zum anlass der ablehnung des ewr-beitritts am 6. dezember 1992 zeigte.

gut herausgearbeitet wird, wie es zum zum ewr kaum und welche rolle dabei das eu-beitrittsgesuch spielte. denn bei der verkündung des europäischen binnenmarktprogrammes durch jacques delors bestand die eu aus 12 mitgliedstaaten, die efta aus 7. der ewr sollte beide wirtschaftsbündnisse zusammenschliessen. die schweiz entschied sich mitzumachen, voll von hoffnungen, es werden gleichwertigen mitsprachemöglichkeiten entstehen, die diesen namen verdienten. der film zeigt auf, wie genau das zum problem für die schweizer verhandlungsdelegation wurde. denn die eu buchstabierte zurück, die efta wurde dadurch gespalten. schliesslich musste der politische isolierte bundesrat kleinlaut nachgeben. er entschied sich dafür, einem ewr-beitritt ein gesuch folgen zu lassen, das den eu-beitritt anstrebte.

am 18. mai 1992 war es soweit. der bundespräsident war krank, musste an diesem tag noch ins spital, fiel für mehrere monate aus. früh am morgen hielt man im bundesrat noch eine sitzung ab, und beschloss manh, das gesuch abzuschicken. entscheidend war die position von bundesrat ogi, damals vizepräsident, der auch die präsidiumsaufgaben interimistisch übernahm. denn er stimmte dem gesuch zu.

im film verteidigt sich ogi geschickt und wortreich: er habe gewollt, dass die schweiz einen plan b bekommen, für den fall, dass der ewr scheitern würde. das beitrittsgesuch habe bei den vorbereitungen der bilateralen genützt. denn die eu sei zu mehr entgegenkommen bereit gewesen, weil sie die bilateralen als vorstufe für einen späteren eu-beitritt betrachtet habe.

genau das ist zwischenzeitlich anders: der wille der schweiz, der eu-beitritt beizutreten, ist weit verbreitet gesunken. das weiss zwischenzeitlich auch die eu, weshalb sie darauf drängt, die verhältnisse mit der schweiz zu vereinfachen und im ewr zu parkieren. “ja zum ewr, nein zum eu-beitritt” ist denn auch die losung, die christophe darbellay im film vertritt und damit die minderheitsposition im bundesrat von 1992 aufwärmt. selbstredend sehen das die gegnern von damals anders. für sie wiederholt sich die geschichte, jeder integrationsschritt des bundesrates ist ein schleichender eu-beitritt, klagten sie am vergangenen wochende an, was im film ebenfalls verarbeitet wurde.

der zweite teil des streifens beschäftigt sich nicht nur mit der erinnerungsgeschichte, er bezieht auch stellung zur gegenwart. im zentrum steht dabei das stromabkommen zwischen der eu und der schweiz. hierzulande bereite man sich vor, die funktion der stromdrehscheibe für die energiewende einnehmen zu können. daran ist ganz europa interessiert – die eu und die schweiz. das hat bewegung ins spiel gebracht. der bundesrat will das abkommen zum testfall aufwerten: denn mit diesem abkommen sollen neue institutionelle regelungen eingeführt werden, welche die dynamische übernahme von eu-recht im strombereich beinhalten sollen. das wäre ein schritt mehr als bisher, und es könnte zum modell werden für spätere abkommen. die eu hat eine vorläufige position eingenommen; aus kommissionkreise verströmt prinzipielle skepsis, seitens der mitgliedstaaten ist man zu mehr pragmatismus bereit.

der punkt wird im beitrag klug aufgebaut und klar gesetzt. hingegen fehlt mit die einordnung in die grössere politische landschaft. zu stur lässt man da das schema von damals neu aufleben. hier ein wirtschaftsvertrag, da die staatspolitischen implikation. da der ewr, hier das stromabkommen.

meines erachtens hat sich seit 1992 zu viel geändert, um so einfache gleichungen machen zu können. damals gabe es nur den multilateralismus zwischen eg und efta. der bilateralismus war out. doch ist dieser 1999 zwischen der schweiz und der eu neu verankert worden. auch der ewr ist nicht mehr das gleich wie damals, verschiedene efta staaten sind der eu beigetreten, andere sind im ewr verblieben, und sind damit, wie das norwegische beispiel zeigt, gut gefahren. schliesslich ist die eu heute alles andere als das zukunftsprojekt europas, vielmehr haben sie sich zur reparaturwerkstatt gewandelt. die nicht einfach als magnet wird, sondern als ort der instrumente, die man für die wiederbelegung der europäischen idee braucht.

gerne hätte man dazu mehr gehabt, mehr auch zum feld der steuerbeziehungen, auf das sich die aktuelle debatte weitgehend verlagert hat. denn zwischenzeitlich agiert die eu nicht einfach anführend und geschlossen, die mitgliedstaaten sind wieder eigenständiger geworden, und kümmern sich um ihre interessen durchaus auch wieder auf bilateraler ebene.

das alles lässt den schluss zu, dass die handlungsfelder und -optionen vielfältiger, wenn auch komplizierter sind als 1992. wenn das stimmt, wäre das ander, als es im dok-film suggeriert wird.

denn es gilt ganz allgemein: die geschichte muss sich nicht einfach wiederholen!

stadtwanderer

der abstimmungskampf des jahrhunderts: wie es zur ewr-entscheidung kam

6. dezember 1992: die schweiz sagt nein zum ewr-beitritt. (m)eine rückerinnerung an den denkwürdigsten abstimmungskampf der letzten 20 jahre.


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die wahlen 1991 machten die fdp in beiden parlamentskammern zur führenden partei der schweiz. 21 prozent der wählenden votierten für sie, 18,5 prozent für die sp und 18 für die cvp, während die svp mit 11,9 prozent die kleinste partei blieb. zusammen brachten es die vier regierungsparteien auf knapp 70 prozent der stimmen, was ihnen 145 der 200 sitze im nationalrat garantierte. im ständerat gab es fast nur zwei parteien: die aufstrebende fdp mit 18, die leicht sinkende cvp mit 16 mandaten. die svp errang gerade mal 4 sitze, die sp und die lps je 3, während ldu und lega je eine vertretung hatten.

die geburt des ewr
das alles war am 21. oktober 1991. vorangegangen war ein typisch-schweizerischer wahlkampf. die regierungsparteien dominierten mit innenpolitischen themen, grüne und recht kleinparteien störten das rutual nur mässig.

mit dem 22. oktober schien einiges davon makulatur geworden zu sein. denn an diesem tag einigten sich die vertreter der eg und der efta grundsätzlich auf den “europäischen wirtschaftsraum” (ewr); ein halbes jahr später, am 2. mai 1992, war er realität und bildet seither die basis der wirtschaftskooperation in europa. gleichentags entschied der bundesrat, die schweiz am ewr zu beteiligen, und er verkündete dies unmittelbar nach der wahl der staunenden öffentlichkeit.

ganz überraschend kam sie für interessierte nicht. denn schon im vorangegangeen frühling hatte der bundesrat eine arbeitsgruppe rund um den politiserenden berner juristen urlich zimmerli eingesetzt, um vorschläge zu erhalten, wie man eg-normen im schweizerischen recht umsetzen könnte. bald schon wurde klar, dies sei möglich, allerdings nicht ohne nebenwirkungen. denn die mitbestimmungsmöglichkeiten der ewr-mitglieder aus dem efta-verbund waren gering. um das kompensieren zu können, legte der bundesrat den eg-beitritt als ziel der schweizerischen aussenpolitik fest, genauso wie es die meisten regierungen der anderen efta-mitgliedstaaten das für ihr land gemacht hatten.

die kurze innenpolitischen willensbildung
im vorfeld des abstimmungskampfes positionierten sich die wirtschaftskreise als erstes. die swissair-spitze plädierte für einen eg-beitritt, die maschinen- resp. die papierinstustrie machten sich für den ewr stark. der mächtige vorort des handels- und industrievereins unterstützte den bundesrat in seinen europapolitischen schritten. und die spitzenvertretern des schweizer diplomatie, allen voran jakob kellenberger, propagierten stück für stück den eg-beitritt.

ewr-trend: rollende mittel der wochebefragungen zu den stimmabsichten beim ewr-beitritt

quelle: vox-analyse, 6.12.1992 (Grafik anclicken, um sie zu vergrössern)

einschneidendes datum für alles, was 1992 geschehen sollte, war der 18.mai. tags zuvor hatte die schweiz in einer volksabstimmung ja zum beitritt zu weltbank und iwf gesagt. die mehrheit für mehr kooperation nutze der bundesrat, um auch in der eu-frage das massgebliche zeichen zu setzen. in einer ausserordentlichen morgensitzung beschloss er, ein gesuch um beitrittsverhandlungen mit der eg in brüssel abzuschicken.

damit war der abstimmungskampf um den ewr lanciert – schlecht, wie man heute weiss. im gegnerischen lager hatten sich die zürcher svp unter christoph blocher, die grünen unter verena diener und die schweizer demokraten unter rudolf keller installiert. hinzu kamen die edu, die freiheitspartei und die lega dei ticinesi auf der nein-seite. für den ewr warben alle anderen parteien: fdp, sp, cvp, lps, ldu, evp, csp und pda. doch nicht alle konnten parteiinterne widerstände verhindern. so wandten sich sechs kantonalparteien der gps gegen die nein-parole der mutterpartei, drei der svp machten das gleiche. auch im lager der befürworter rumorte es. 3 evp kantonalparteien standen, anders als die schweizerische evp empfahl, für ein nein ein, ebenso je 2 der fdp und cvp. im hintergrund zog otto fischer, gewesener direktor des gewerbeverbandes und ewr-kritiker der ersten stunde, die fäden gegen den europapolitischen bundesratsentscheid.

die abstimmungskampf zwischen handelsdiplomatie und populismus
richtig heftig wurde die kontroverse bei der parolenfassung der zürcher svp. im “albisgütli” trafen unternehmer und nationalrat christoph blocher und ewr-chefunterhändlicher franz blankart aufeinander. was dabei heraus kommen würde, stand schon vor fest. die prominente besetzung verschaffte dem ereignis grosse aufmerksamkeit in den medien. so titelte der “blick”, der herr staatssekretär habe hochdeutsch gesprochen und diskredierte den diplomaten in noch wenig bekannter, aber schnell aufkommender populistischen manier.

noch einmal sollten sich die befürworterInnen auffangen. die erste phase nach der sommerpause war zu ihren gunsten. am 27. september gab es ein ja zum bau der neat, einer massgeblichen voraussetzung für den ewr-beitritt der schweiz. parallel zu diesem vernunftentscheid, von grünen und schweizer demokraten, nicht aber von der svp bekämpft, machten sich emotionen breit. denn gleichentags verwarfen die stimmenden drei weitere vorlagen, welche das parlament stärken und auf die arbeit im in europa vorbereiten sollten – und das mit empfehlung der opponierenden svp.

die aufgeheizte stimmung suchte bundespräsident rené felber zu beruhigen. sein medienauftritt kam in der französischsprachigen schweiz gut an, nicht aber in der deutschsprachigen schweiz. denn die emotionen waren bereits geteilt: so war man jenseits der saane fast ausnahmslos für die ouverture, diesseits fürchte man sich aber vor eben dieser öffnung.

geradezu sympbolisch hierfür war die grosse abstimmungssendung von schweizer fernsehen im schwyzer bundesbriefarchiv. nicht die anwesenden bundesräte adolf ogi von der svp und arnold koller von der cvp hatten das sagen, sondern ein einfacher urschweizer, der mit einem wutausbruch, wie man ihn zuvor am bildschirm kaum je gesehen hatte, setzte den akzent für die schlussmobilisierung – gegen die classe politique.

die aussicht auf die niederlage der classe politique.
manchem war klar geworden, der ewr-beitritt könnte am ständemehr scheitern. drei wochen vor dem abstimmungstag wollte es der sonntagsblick genauer wissen; er veröffentlichte eine grosse umfrage, mit werten für jeden kanton. mit grossen lettern kündigte die frontseite am sonntag morgen die nachricht an: “aus für ewr!”

der ewr-beitritt in den printmedien: index-werte für pro-/kontra-berichte resp. pro-/kontra-werbung

quelle: vox-analyse, 6.12.1992 (Grafik anclicken, um sie zu vergrössern)

die medien waren im abstimmungskampf fast ausnahmslos für den ewr gewesen. persönlichkeiten aus kultur und wissenschaft gaben ihre empfehlungen ab, und komitees aller art waren hüben und drüben aktiv. selbst wirtschaftsführer sah man auf der strasse ihre botschaft verbreiten. und es floss reichlich geld, denn beide seiten mobilisierten ihre letzten reserven, um die mehrheit zu gewinnen.

am 6. dezember 1992 gaben 78,7 prozent der stimmberechtigten ihre stimme ab. 1 786 708 bulletins enthielten ein gültiges nein, 1 762 872 ein ja, das zählte. das volksmehr fiel damit knapp aus: das ständemehr war mit 16 von 23 negativen stimmen dagegen deutlich.

stilbildende elemente des abstimmungskampfes von 1992
rückblickend erkennt man im ewr-abstimmungskampf zahlreiche elemente, die heute gängig sind: die spaltung der elite mit herausfordernden volkstribunen, der populismus der boulevard-medien, die eigenständigkeit der diskurse in den sprachregionen, die spaltung zwischen werthaltungen der öffnung und der abkapselung, die skepsis der schweizerInnen gegenüber europäischen grossprojekten und der zorn der landbewohnerInnen, die sich angesichts gemütlicher konstanz in der vergangenheit von der rasanz der aufschimmernden veränderungen überfahren fühlten.

die folgen sind bekannt:
der umbau der sprichwörtlich stabilen parteienlandschaft mit dem aufstieg der europakritischen svp nach zürcher vorbild zur stärksten schweizerischen partei, und der wechsel in der zusammensetzung des bundesrates mit vorübergehend 2 svp-vertretern, dann 2 der abgespaltenen bdp und heute je einem von svp und bdp, um nur die wichtigsten veränderungen des politischen system zu nennen;
die umkrempelung der kartellisierten wirtschaft und ihre integration in den eg-binnenmarkt, heute dank eigenen liberalisierungsprogrammen eine wettbewerbsfähige vorzeigeökonomie, selbst wenn flaggschiffe wie swissair und wahrzeichen wie feldschlösschen verschwunden sind;
die öffnung der grenzen, die arbeitskräfte gebracht hat, welche das wirtschaftswachstum ankurbelten, aber auch eine neue gesellschaft entstehen liessen, mit vor- und nachteilen.

nach 1992 hat sich vor allem die politsiche kultur geändert. die streitkultur von damals liess kontroverse sendegefässe wie die arena am schweizer fernsehen aufkommen, die medien mutieren vom braven vermittler unter der woche zum kritischen treiber am sonntag, die personalisierung der parteienpolitik liess programmatische arbeit in den hintergrund treten, sodass man als beobachter der schweizer politik bisweilen kaum glauben mag, in einem auf konkordanz ausgerichteten gemeinwesen zu leben.

am sichtbarsten geworden ist das mit der wiederkehrenden aufwallung der emotionen als element der mobilisierung, ganz auf freindbilder im aus- und inland setzend, die so in den letzten 20 jahren zum festen bestandteil der schweizer öffentlichkeit geworden sind.

stadtwanderer

ein klares bekenntnis zum bilateralismus

gestern erschien unsere grosse umfrage 20 jahre nach dem ewr-nein in den srg medien. quintessenz ist das klare bekenntnis zum bilateralismus. eine kleine auslegeordnung zu speziellen reaktionen.

selten hat eine volksabstimmung der gegenwart den zusammenhalt der schweiz so strapaziert wie der volksentscheid zum schweizerischen ewr-beitritt. tiefe gräben sind mit dem votum entstanden, so das urteil der zeitgenossen. polarisiert wurde die schweiz, sagt man heute.

Tagesschau vom 30.11.2012
der gestrige tagesschau-beitrag zur umfragen “20 jahre nach dem ewr-nein”

7 jahre brauchte die schweiz, um das trauma zu verarbeiten, welches das nein von volk und ständen am 6. dezember 1992 ausgelöst hatte. danach standen die bilaterale verträge mit der europäischen union fest, welche der wirtschaft den entgangenen zutritt zum binnenmarktprogramm verschafften, der politik den gewünschten autonomieraum bewahrten, die mitsprachemöglichkeiten der schweiz aber beschränkten. Die eu verstand die bilateralen eher als übergangslösung, die schweiz als ansatz für eine andauernde beziehung.

zwischenzeitlich haben wir sechs mal über bilaterale verträge angestimmt. sechs mal war das ergebnis umgekehrt als 1992. sechs mal setzten sich bundesrat und parlamentsmehrheit durch, stets unterstützt von sp, fdp, cvp und gps, manchmal auch mit dem support der svp, bisweilen auch gegen die opposition dieser partei.

die gestern publizierte umfrage bei 1206 repräsentativ ausgewählte stimmberechtigten den schweiz sprichtgerade hierzu eine deutliche sprache: 62 prozent halten das ergebnisse der ersten abstimmung über die bilateralen im jahre 2000 für einen guten entscheid. 63 prozent wollen, dass die schweiz die bilateralen fortsetzt; alle andere prioritäten sind nicht mehrheitsfähig. die personenfreizügigkeit, das zentrale dossier für die wirtschaft, wird durch 3 von 5 befragten mehrheitlich positiv bewertet, teils aus ökonomischen überlegungen, teils aus prinzipiellen gründen, zu denen sich bedenken wegen lohndumpingt, mietpreisen und bodenknappheit für einwanderer und einheimische gesellen.

ich habe mir erlaubt, diese quintessenz der studie „ein klares bekenntnis zum bilateralismus“ zu nennen. die mehrheit der schweizerInnen hat zwischenzeitlich eine klare europa-politische präferenz und drückt diese mehr oder minder konsequent aus. nicht ganz im bilateralismus angekommen sind teile der politischen linken; sie begrüssen (unverändert) eine weiterentwicklung der integration. ebenfalls nicht ganz angekommen sind die isolationistischen teile der svp-wählerschaft, die den alleingang bevorzugen. “sackgasse bilaterale” und “kolonie der eu” sind die stichworte der rechtfertigung.

das habe ich nach der gestrigen „arena“-sendung auch von christoph blocher gehört. selber ein befürworter der zweiseitigen beziehungen zwischen der schweiz und der europäischen union, ebenfalls ein supporter der persoenfreizügigkeit, gleichzeitig aber ein hüter der svp-vorherrschaft im nationalkonservativen lager, meinte er zu mir: den bilateralmus gäbe es gar nicht. es würde nur bilaterale verträge geben, welche man einzeln ansehen und über die man schritt für schritt entscheiden müsse.

bei der zweiten abendlichen belehrung, die ich gestern vom meister aus den reihen der ewr-opposition erhielt, erlaubte ich mir zu widersprechen. denn nach meiner analyse hat sich sehr wohl eine gestigte haltung herausgebildet, die nicht jedesmal auf aktenstudium zurückgreifen muss, um zu einer antwort zu neuen verträgen zu kommen. vielmehr beinhaltet die haltung die absicht, eine stabile beziehung zwischen der schweiz und der eu aufbauen zu können, mit spielraum, der das nein von 1992 respektiert.

das akute problem der schweizerischen europa-politik ist wohl umgekehrt. nicht dass wir mit den bilateralen etwas zu viel preisgeben würden, sondern dass wir vergessen, dass es sich um den von uns vorgeschlagenen weg in den beziehungen handelt. aus gemeinsam aufgebauten interessenlagen kann man nachträglich nicht einfach jene teile herausnehmen , die einem passen, um den rest gleich wieder abzulehnen.

denn genau das erschwert es, der eu die bilateralen mehr als eine blosse übergangslösung zu verkaufen. wenn rosinenpicker und ewr-protagnisten selber an der glaubwürdigkeit der schweizerischen entscheidungen kratzen, sie befördern die auffassung, die schweiz wie liechtenstein, norwegen und island im ewr zu parkieren, um rechtsfragen einfacher regeln zu können, egal, was die stimmbürgerInnen mehrfach gesagt haben. mit ihrem taktieren schwächen sie die zentrale voraussetzung jeder europa-politik in einer direkten demokratie, die mehrheitliche abstützung in der bevölkerung nämlich, gedeihen zu lassen.

wir tun gut daran, den schritt zurück zur polarisierung zu vermeiden, der unweigerlich die gräben, die man 1992 aufgerissen und seither stück für stück wieder zugeschüttet hat, von neuem auftun würde.

stadtwanderer