aarberg – das stedtli auf der aareinsel

heute beginnt die stadtwanderersaison 2011 – mit einem rundgang im seeland und einer ausführung von mir zur stadtgeschichte.

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ansicht auf aarberg im 19. jahrhundert – noch vor der aarekorrektion

im statistischen sinne ist arberg keine stadt. die leute nennen es auch stedtli. 4000 einwohner hat es heute. viele bekannte sind weggezogen, wie ernst wüthrich, der nobelpreisträger, kuno lauener, der frontmann von züriwest, tanja gutmann, die ex-miss-schweiz, oder cécile bähler, eine unserer tv-wetterfeen.

historisch gesehen ist aarberg sehr wohl eine stadt. ursprünglich burgundisch, kam sie zu bern, erlebte nach der reformation ihre blütezeit als marktort, stagniert aber seit dem eisenbahnzeitalter. als regionales verwaltungszentrum sucht es heute neue wege.

die burgundische stadtgründung
am anfang der aarberger stadtgeschichte steht ulrich, graf von neuenburg. seine vorfahren waren burgundische adelige gewesen. bekannt waren sie als herren von fenis, dem heutigen vinelz am bielersee. nach einem schweren erdbeben, das die hasenburg, den stammsitz der familie, verwüstete, verteilten sie sich auf das dreiseengebiet mit zentrum in neuenburg. ulrichs vater, rudolf, beherrschte mehrere sprachen und wirkte als kulturvermittler zwischen burgundern und schwaben. er war minnesänger im gefolge des kaisers.

zu beginn des 13. jahrhunderts übernahm ulrich die nördlichen ländereien der familie. büren an der aare und valangin im val de ruz waren seine ersten herrschaftszentreum. ulrich gründete auch zwei städte: nidau und aarberg. mit dem bau von aarberg begann er, nachdem die zähringer ausgestorben waren. als ulrich 1225 verstarb, hinterliess er nachkommen und in aarberg eine kleine siedlung mit stadtmauer, zwei eng aufeinander ausgerichteten häuserzeilen und einem gassenmarkt.

die aare hatte zu dieser zeit noch den alten verlauf. sie mündete verlief durch die ebene zwischen frienisberg und dem bergrücken am bielersee. sie war ein wilder fluss, in vielem auch eine grenze. wenige inseln erleichterten den übergang, und auf einer solchen stand alt-aarberg. die frühen quellen nennen den namen in verwandter form, arberc, während die siedlung „opidum“ hiess. das deutet auf eine vorform der mittelalterlichen stadt, mit befestigungen und wasserschutz.

am 1. mai 1271 bestätigte rudolf von aarberg, ein enkel des stadtgründers, aarberg das stadtrecht erstmals schriftlich. der stadt und ihren burgern wurden wald, wiesen und gewässer der umgebung geschenkt. zur herrschaft zählten die dörfer lyss, busswil, bargen und kappelen. man war wer an der aare im seeland!

aarberg wird bernisch
die zeit der stadtgründung war unsicher. das königreich burgund kam 1034 ins kaiserreich integriert worden. das bestand damals aus italien, wo der papst das sagen hatte, und dem kaiser, der nördlich der alpen regierte.

einen wirklichen kaiser gab es seit dem tod von friedrich II. 1250 nicht mehr. dafür erstarkten adelige: in unserem gebiet nebst den neuenburgern die kyburger mit stammsitz bei winterthur. nach deren aussterben 1264 setzten sich die habsburger durch. 1273 wurden sie deutsche könige und kaiseranwärter, die sich daran machten, die verselbständigten burgundischen barone, wie man den burgundischen adel verächtlich nannten, zu unterwerfen. das gelang könig rudolf von habsburg noch kurz vor seinem tod 1291 teilweise.

wirtschaftlich gehören das 12. und 13. jahrhundert jedoch zu den guten. das klima erwärmte sich, die bevölkerung wuchs. das erlaubte es, neue siedlungen zu gründen: aus der regionen erwähnt seien das kloster frienisberg, 1133 entstanden, und aarberg.

ebenfalls aufstrebend war die aarestadt bern, 1191 gegründet. 1293 befreite könig rudolf von nassau, kein habsburger, die stadt vor adeligen übergriffen. er gab ihr eine eigene verfassung und verlieht ihr königliche aufgaben im aaretal. seit 1324 hatte die stadt bern mit laupen ein eigenes untertanengebiet. in den 1330er jahren eskalierte der zwist mit den burgundern. aarberg stellte sich auf ihre seite. 1339 kam es zur entscheidung. bern belagerte aarberg vergebens, gewann aber in laupen.

stadtherr war damals peter von aarberg – ein veritabler raubritter. ihn besiegte schliesslich die pest, die über die rhone nach norden kam und das mittelland 1348 erfasste. man verarmte. das kloster frienisberg verkaufte seine herberge in aarberg, woraus das restaurant krone als gasthof entstand. stadtherr peter wiederum geriet 1351 in finanzielle schwierigkeiten. er verpfändete die stadt an bern, dann verkaufte man sie nach nidau. 1375, nach dem aussterben der neuenburger in nidau, zahlte bern die neukyburgischen erben aus, und nahm so das ursprünglich burgundische städtchen in besitz. kaiser karl iv., der letzte könig von burgund, bestätigte den seitenwechsel. peters sohn, ebenfalls peter genannt, der nichts mehr zu erben hatte, schloss sich den habsburgern an. er war in der schlacht von sempach bannerträger – gegen die eidgenossen. mit herzog leopold verstarb er auf dem schlachtfeld.

1414 regelt könig sigismund von ungarn, kein freund der habsburger und kyburger, auf seinem weg zur kaiserkrönung mit grossen federstrichen neu. den savoyern im süden wies er die alpenpässe zu, den bernern das aaretal. die herrschaft aarberg, erweitert durch affoltern, kallnach, niederried und radelfingen, vermachte er definitiv der stadt, wenn auch als königliches lehen. insbesondere übertrug er den bernern die hoheitlichen zollrechte und damit die verfügung über die einfachen brücken aarbergs.

gleich zweimal brannte die holzstadt aarberg in der folge nieder – 1419 ein erstes, 1477 ein zweites mal. denn man war in die zwistigkeiten zwischen der stadt bern und den burgundischen herzögen in dijon geraten. wie man weiss, gewannen bern und die eidgenossen diese auseinandersetzung auf den schlachtfeldern. in grandson und murten.

die blütezeit des marktortes
der zweite brand blieb nicht ohne weitreichende folgen. aarberg wurde neu gebaut: nun versetzte man die häuserzeilen um je 10 meter nach hinten, sodass in der mitte ein grosser platz entstand. aarberg wandelte sich zum bernischen landstädtchen, wie man es heute noch kennt. zudem wurde der markt aufgewertet, denn aarberg wurde nun zum zentralen handelsplatz im seeland für salz-, eisen- und tuchwaren aus dem burgundischen.

es war eine zeit des aufstiegs, wie man bis heute am ortsbild erkennen kann. 1496 wird erstmals ein rathaus gebaut, das den burgerrat unter dem bernischen landvogt beherbergte. 1526 schloss man das mittelalterliche bargenspitel vor der stadt; dafür baute man den jetzigen kirchturm, das spital und die erste schule. mitten drin trat man zur reformation über, wagte sogar einen aufstand. 1529 hatte aarberg für einen jahr einen schultheissen. bern wusste das in der folge zu unterbinden, und entsandte wieder landvögte. die mehrten das stadtbild durch eine neue brücke und eine neue kirche. zum abschluss der stedtlierneuerung eröffnete man 1610 den neuen sitz des landvogts, das heutige amtshaus.

bis zum ende des 18. jahrhunderts kannte aarberg seine blütezeit. die grossen umwälzungen begannen erst 1798 mit dem überfall der revolutionären französischen truppen, deren besatzung das stedtli in mitleidenschaft zog. 1815, nach der konservativen neuordnung europas durch den wiener kongress, rüstete man in Aarberg auf. rund um die stadt wurden schanzen gebaut. 1830 legt man noch einen zacken zu, unterstützt von konservativen kräften in der schweizerischen armee.

doch sprang der revolutionäre funke aus frankreich auch auf die berner landschaft über. mit den privilegien der patrizier in bern wurde jetzt aufgeräumt. die liberalen wie sie sich nannten, wollten freiheit und gleichheit für alle. um die alte macht zu brechen, gründete man nun überall politische gemeinden, welche die verwaltung in die eigenen hände legte.

die herausforderungen der gegenwart
seit 1801 war aarberg hauptort eines amtsbezirkes. 1832 wurde man auch bernische gemeinde; 1834 kam eine skundarschule hinzu, und 1843 die ersparniskasse. aus untertanen wurden bürger, mit bildung, befähigt zum geschäften und politisieren in den wirtschaften.

das 19. jahrhundert sollte in vielem die wende aarbergs bringen: zum guten und zum schlechten. zuerst baut die junge eidgenossenschaft den hagneck-kanal. mit ihm wurde die aare gebändigt. aarberg ist seither keine insel mehr, und es kann auf die wasserwehr verzichten. fast gleichzeitig wurde die erste eisenbahnlinie im seeland eröffnet. von bern nach biel/bienne. doch machte die nicht in aarberg halt, sondern im bauerndorf lyss, das sich schrittweise zu konkurrenzstadt entwickelte. die verlagerung des waren- und personenverkehr vom wasser auf die schiene verkraftete aarberg nie ganz.

verbesserungen suchte man zur wende vom 19. zum 20. jahrhundert in der industrialisierung der landwirtschaft; die zuckerfabrik steht hierfür. erweitert hat man auch die arbeitsmöglichkeiten, von der traditionellen ziegelei zur modernen betonfabrikation. in aarberg wächst die bevölkerungszahl, und seit neustem besinnt man sich einer langen tradition in aarberg: der führung der verwaltung für den verwaltungskreis seeland.

zwei politische höhepunkte hatte aarberg in jüngster zeit. 2008 feierte die feuerwehr jubiläum, und bundesrat samuel schmid, damals schon bdp bundesrat, höchstpersönlich lobte die tatkraft der liberalen bürger in aarberg, für ihre sicherheit selber zu sorgen. 2010 kam dann auch sein gegenspieler, alt-christoph blocher nach aarberg, um mit einer viel gehörten rede über berühmte seeländer, den wahlkampf der konservativen svp für regierung und parlament zu eröffnen.

selber habe ich meinen weg nach aarberg aus anderen gründen gefunden. 2006 feierte man mit grössen wie moritz leuenberger und benedikt weibel “100 jahre postauto” in aarberg. 1906 eröffnete man nämlich von bern via detligen nach aarberg die erste schweizerische autolinie des gelben riesen. bis heute ist sie eine meistbefahrenen. und auch ich gehörte zu den regelmässigen fahrgästen.

und wir steigen nun in eben dieses postauto, um unserer jubilarin, regula baumgartner, zu ihrem 50. geburtstag alle ehre zu erweisen: irgendwo in bernwest werden wir wieder aussteigen, wenn die wetterfee es erlaubt. machen sie dann einen schönen eindruck, damit die chemie beim feiern stimmt!

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die virtuelle auferstehung der kirche von cluny

cluny steht für so vieles, selbst wenn nur noch weniges davon steht. jetzt zeigt eine virtuelle 3d-rekonstruktion die einst grösste katholische kirche der welt.

Tagesschau vom 27.12.2010

bei der datierung der klostergründung ist man etwas unsicher. gefeiert wurde sie am 11. september 2010, erinnernd an das jahr 910. herzog wilhelm I. von acquitanien stiftete damals im hintersten teil seines reiches, nahe einem seitenfluss der saone, ein kloster. dem frieden sollte es dienen, der im frankenreich durch adelfehden und magyarenstürme arg in bedrängnis geraten war. deshalb unterstellte der edle spender das kloster nicht einem lokalen vasallen, sondern dem papst in rom. nur er sollte über das schicksal des abtes von cluny und seine möchne bestimmen können.

entstanden ist so, ausgehend vom 10. jahrhundert das zentrum eines zukünftigen gottesstaates ohne vergleich, das in seiner besten zeit aus mehr als 1400 klöstern und über 20’000 mönchen bestand. erneurt wurde so die regel des heiligen benedikts, aus dem 6. jahrhundert stammend, die in vielen klöstern der fränkischen christenheit aber in vergessenheit geraten war. gebetet und gearbeitet wurde nun für den papst, der danach trachtete, sich selber über den kaiser zu stellen, um eine unverselle schirmherrschaft über alle christen im und ausserhalb des reiches zu gewährleisten.

die adeligen bis in die heutige westschweiz animierte man tag für tag, schenkungen zu machen, gelobte dafür, die betuchten pensionäre aufzunehmen, um sie auf den weg zum ewigen leben in den himmel vorzubereiten. die nachfahren hielt man an, ihnen gutmütig zu gedenken, um sich so als teil einer väterlich bestimmten familie zu sehen. vorangetrieben wurde in der zeit, als das patriachale rückgrat der christlichen kirchen entstand, auch der kreuzzugsgedanke, vordergründig der befreiung jerusalems gewidmet, faktisch als krieg gegen den sich ausbreitenden islam. mit diesem kampf wollte man die unabdingbare vorherrschaft der christlichen kirche im europäischen festland, aber auch im mittelmeerraum sichern.

symbolisiert wurde das alles durch den bau des damals grössten christlichen gottenshauses in der verlassenen gegend am rande burgunds. im 12. jahrhundert war man damit fertig, und zeigte so sowohl treunen gläubigern in der gegend wie auch den staunenden pilgern aus allen herren ländern, wo man gott am nächsten kam. bis in die zeit der überschäumenden renaissance, als man in rom die st. peter-kirche baute, war cluny der grösste sakrale bau in christlichen abendland.

die französische revolution machte dem prunkbau ein ende. die wut auf die feudale kirche liess man freien lauf. die revolutionäre plünderten die kostbaren werke, brandschatzten das kircheninnere und rissen zwei drittel des monumentalen werken ab. wer selber nach cluny ging, konnte nur noch die überreste sehen und sich anhand von plänen eine vorstellung machen, wie es einst ausgesehen haben mochte.

rechtzeitig zum 1100. geburtstag wartet das weltkulturerbe in der französischen provinz mit einer neuerung auf. aufgrund von modellen und plänen aus dem 18. jahrhundert, erstellt unmittelbar vor der zerstörung des baus, wurde die kirche neu erstellt. nicht reel, aber virtuell. so kann man dank modernster filmtechnik, vermittelt durch 3d-flachbildschirme, einen eindruck bekommen, wie cluny aus romanischer zeit seinerzeit aussah, wie das gotteshaus ausgestaltet war und wie es auf die zeitgenossen gewirkt haben mag.

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der 11. september in baume-les-messieurs

baume-les-messieurs im südwesten der franche-comté ist einer der spektakulärsten orte frankreichs. am 11. september 2009 wird an diesem stillen ort mächtig was los sein!

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(foto: stadtwanderer)

baume-les-messieurs heisst der ort in der franche-comté erst seit der französischen revolution. denn mit dieser wurde das damalige kloster im kerbtal der seille geschlossen, und es verschwand der name baume-les-moines.

heute sind verschiedene teile der gotischen kirche und der angrenzenden gebäude baufällig; doch sie werden stück für stück renoviert, sodass der klosterkomplex unverändert gut erkennbar ist.

viel platz hatten die mönche in baume nie. denn das tal fällt mehr als 100 meter schroffen feldswänden entlang in die tiefe, und es bietet gerade mal dem fluss, einer durchgangsstrasse und eben dem kloster platz.

vielleicht 200 menschen leben das ganze jahre in der ehemaligen klostersiedlung, heute ein dorf in der südwestlichen ecke der franche-comté. an so schönen sommertagen wie gestern hat es aber ein mehrfaches an fremden in baume, denn der ort zieht camperInnen und touristInnen an.

wir sind gestern ein wenig gewandert, um das magische des ortes zu spüren. in der talschlucht kommt es einem wie ein wunder vor, wenn man von sonnenstrahl direkt gewärmt wird, und es wirkt ungemein beruhigend, wenn die seille leise unprätentös durch den spektakulären kessel fliesst.

bewohnt sei der ort seit gallischen zeiten, sagen archäologInnen. kirchenhistoriker schreiben die klostergründung dem wandermönch columban zu, der ein keltisch geprägtes christentum aus irland auf den kontinent brachte. und die herrschaftsgeschichte der franken weiss, dass baume-les-moines mehrfach geplündert, aber auch immer wieder auferstanden ist.

am 11. september wird in baume-les-messieurs übrigens mächtig was los sein. man feiert die trennung des hiesigen klosters; denn mit diesem datum ging abt bernon nach cluny bei macon, um dort ein neues kloster zu gründen, das im hochmittelalter zum einflussreichsten der katholischen kirche werden sollte.

die annalen sind allerdings nur beim tag genau. ob das 910 oder 909 war, weiss man nicht so genau. doch dieses jahr entschied man sich, schon mal den 11. september 909 zu feiern.

es kann gut sein, dass ich dann wieder in baume-les-messieurs sein werden, und auf dem hin- oder rückweg auch baume-les-dames am doubs besuche!

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geisterort arlay

arlay ist ein gottverlassener ort im burgundischen, bei dem man sich fragt: warum denn nur? der bericht von der spurensuche.

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das moderne arlay
für die wenigen einwohnerInnen, die im burgundischen arlay geblieben sind, gibt auf dem dorfplatz keinen teer, aber platanen, die eine allee skizzieren! la mairie, das haus der bürgermeisters, befindet sich da. im gleichen gebäude ist die schule untergebracht. auf der andern seite des staubigen paradeplatzes sieht man, wo das alles endet. im krieg, der von 14-19, der auch in arlay viele tote brachte.

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das spätmittelalterliche arlay

eigentlich gibt es ein zweites arlay, knapp einen kilometer weiter ostwärts befindet sich, umfahren von der landstrasse, “le vieux bourg” aus dem 15. jahrhundert. “stadt” nannte man das sogar im mittelalter. sichtbar sind nur zwei häuserzeilen, mittendurch geht ein weg, wo kaum ein peugeot durchkommen würde, wenn es ihn gäbe. das “quartier au dessus” wird noch von alten menschen bewohnt, “au dessous” ist eigentlich alles ruhig.

das paulanerkloster, das zwischen dem alten und neuen arlay steht, ist längst geschlossen. schwer verriegelt ist die eingangstür; die fenster sind vermacht. bier wird hier keines mehr gebraut. mönche hört und sieht man nicht mehr. ein weingut ist das einzige, was geblieben ist, – und das wird ausgerechnet hermetisch abgeriegelt.

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das herrschaftliche arlay

einst war arlay ein stolzes zentrum. auf dem hügel über dem ort residierte seit dem 11. jahrhundert der seigneur. der herr von arlay wurde graf von chalons, bis er im 13. jahrhundert half, die tiroler günstlinge des kaisers, die pfalzgrafen in der franche-comté geworden waren, zu vertreiben. danach war man in der freigrafschaft selber begütert; der einfluss reichte über den jura bis nach neuenburg. ja, selbst mit den kiburgern ob wintherthur war man verheiratet.

die grafen von chalon-arlay kämpften in den burgunderkriegen selbstverständlich auf burgundischer seite. sie sollten ihr engagement teuer bezahlen. denn nach dem tod des herzogs, der ohne männlichen nachfolger gestorben war, heiratete erzherzog maximilian, der habsburger thronanwärter, dessen tochter marie von burgund. louis xi., könig von frankreich, griff nun militärisch nach den burgundischen ländereien. das herzogtum burgund ging an die krone. die freigrafschaft wurde verwüstet.

die katastrophe von arlay
dieses schicksal wiederfuhr auch arlay, dem stammsitz der grafen von chalon-arlay. die burg auf dem berg wurde 1479 weitgehend zerstört. niemand hatte mehr die kraft, sie wieder aufzurichten.

auch das republikanische frankreich, das die neue kleine siedlung mit der plantanen-allee hervorbrachte, konnte das schicksal nicht mehr wenden. arlay ein dreifacher geisterort: oben, auf dem berg, unten im vieux bourg, und weiter vorne, bei den platanen.

als ich den chef der einzigen auberge frage, ob ich ein glas des hiesigen wein bekomme, winkt er ab. er dürfte nur gäste bewirten, die übernachten. und das wolle niemand mehr, deshalb reiche das geld für eine lizenz für einen offenen barbetrieb nicht mehr.

so wolle es der französische staat, der arlay nicht gut gesinnt ist.

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die andere seite des krieges

wir alle wissen um den sieg der eidgenossen in den burgunderkriegen. in den geschichsstunden bekommt man die nötige portion stolz eingeimpft. doch kriege haben immer zwei seiten: in dole kann man die der verlierer sehen.

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der malerische blick auf das heutige dole lässt einen nicht erwarten, dass die stadt 1479 dem erdboden gleich war

ich war über pfingsten stadtwanderern. die frisch geprüften exkursionsleiterInnen des bernischen vogelschutzes haben in der franche-comté ihre abschlussreise unternommen. während sie die feuchtgebiete in entlegenen flussarmen studierten, habe ich eine führung durch die ehemalige hauptstadt der burgundischen freigrafschaft vorbereitet.

am eindrücklichsten sind die folgen der burgunderkriege in dole. aus schweizerischer sicht weiss man recht klar, worum es geht. aus burgundischer sicht zeigt sich einem aber eine ganz andere perspektive.

1422 erhoben die herzöge von burgund dole zur eigentlichen kapitale der grafschaft. in dole tagten der rat der freigrafschaft und das parlament. und die kleinstadt am doubs erhielt eine eigene universität. die freigrafschaft sollte so zu einem möglichst einheitlich verwalteten gebiet im wachsenden burgundischen staatswesen werden.

in den burgunderkriegen war man selbstverständlich auf der seite der herzöge. das französische königshaus unter louis xi. war der feind. denn der strebte wie die burgunder einen einheitlichen flächenstaat an.

doch der französische könig hielt sich in den kampfhandlungen zurück. die eidgenossen und der herzog von lothringen leisten die schlachtenarbeit. als herzog karl (in frankreich der tollkühne genant) mehrfach besiegt in nancy das leben liess, zogen sich seine truppen in den jura zurück.

1477 besetzten die truppen des französischen königs kurzfristig dole, wurde aber wieder vertrieben. sie kamen 1479 zurück. dole wurde belagert, überwältigt und zerstört.

die letzten widerständler verschanzten sich am 14 mai im strassenkampf in ihren kellern: “cave d’enfer” heisst der berühmteste unter ihnen unmittelbar vor der grossen stadtkirche. ein einfaches schild erinnert daran, dass hier das allerletzte aufbäumen der dolois stattfand. bevor die königlichen truppen zuschlugen.

die stadt wurde in der folge ganz niedergebrannt. ihre männer wurden umgebracht, und den frauen verbot könig louis xi. die stadt wieder aufzubauen. 1481 erlaubte man 50 der vormals 1000 familien in ihre keller zurückzukehren; innert 10 jahren normalisierte sich das leben in der stadt wieder.

als ich am samstag für meine stadtführung recherchierte, musste ich auf ein bier halten. ich machte das im zentrum, um mir ein bier zu gönnen. so müde wie ich war, merkte ich nicht einmal, dass im restaurant cave d’enfer abgestiegen war. erst als ich ging, realisierte ich, an welch geschichtsträchtigem ort ich mich erholt hatte.

jetzt wurde es höchste zeit, noch einen gedanken über die andere seite des krieges zu verwenden.

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dole ruft – der stadtwanderer kommt

einst war dole die hauptstadt der franche-comté. die burgundische stadt am doubs schmiegt sich rund um einen hügel in der ebene, auf dessen spitze die ehrwürdige stiftskirche steht. zu ihrem 500. geburtstag wird sie am sonntag neu eröffnet – mit volksfest und einer stadtführung durch den berner stadtwanderer.

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dole ist eine schmucke kleinstadt in der französischen provinz. 25’000 einwohnerInnen leben hier. die mündung des neuzeitlichen rhone-rhein-kanals in den doubs ist die attraktion des ortes.

die besten tage hat dole hinter sich. dreimal griffen die französische könige nach der burgundischen stadt, bis sie sie hatten: philipp le bel am ende des 13. jahrhundert mit geld und fast ohne folgen; zum schluss des 15. jahrhunderts louis xi. mit gewalt, die den mittelalterlichen kern zerstörte; und im 17. jahrhundert louix xiv. mit besatzungstruppen, welche die stadt definitiv zu frankreich brachten.

seither ist dole nicht mehr die hauptstadt der eigenwilligen freigrafschaft, wie unser westlicher nachbar auf der anderen seite des juras seit dem 14. jahrhundert heisst. die stadtuniversität mit der juristenausbildung für die lokale (selbst)verwaltung ging damals nach besançon, was aus dole eine provinzstadt machte, trotz dem weltbekannten forscher louis pasteur, der in dole aufwuchs!.

vor allem die festigungsbauten, die teilweise noch stehen, zeigen, welch hohen stellenwert dole vor der französischen zeit hatte. die kaiser karl v. und philipp ii., beides spanier in der habsburgischen linie, bauten als erben der burgunder dole schnell und kräftig aus, denn die stadt war wie ein anker der habsburger in den ländern frankreichs, was ihr schliesslich zum verhängnis werden sollte.

die habsburgische förderung hat das stadtbild bis heute geprägt. mitten drin ist die ehrwürdige stiftkirche notre-dame. 3 jahre war die collégiale zu renovationszwecken zu. am sonntag geht sie wieder auf, gerade richtig zu ihrem 500jährigen bestehen. ein grosses volksfest ist in der kleinstadt der freigrafschaft angesagt, mit einem gewagten experiment des stadtwanderers: erstmals unternimmt er in einer burgundischen stadt eine eigentliche stadtwanderung mit gästen!

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le malheure de bonneville

le seyon, der fluss im val-de-ruz, wirkt in diesen frühlingstagen friedlich. fast nicht erinnert einen an die katastrophe von 1301, als die siedlungsstadt bonneville im neuenburgischen tal abging.

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die arche von bonneville im neuenburgischen val-de-ruz

wer die alte kantonsstrasse von valangin nach engollon durchwandert, stösst vor einer krete auf ein merkwürdiges denkmal voller symbolik. unbeschriftet ist es heute, doch man erkennt ritter als teile des universums, die unter sich ein nichts haben.

die geschichte erinnert einen, dass es das denkmal an einem eingangsort einer untergegangenen stadt steht. ausgerechnet “bonneville” hiess die gründung der herren von valangin, die im hochmittelalter unweitüber die enge talschlucht wachten, die von den jurahügeln hinunter an den see führt. sie legten den flecken von 200 mal 80 meter fläche im 13. jahrhundert an, um das tal zu roden und zu besiedeln.

die expansionspläne der seignieurs in halber höhe der bergzüge missfielen den grafen auf der neuenburg gründlich. sie kontrollierten die see- und landwege im 13. jahrhundert der region nach belieben, und die herren von valangin betrachteten sie als ihre eigenen untertanen.

diese wiederum machten, was man damals immer tat, wenn man sich luft verschaffen wollte. sie verbündeten sich 1295 mit dem noch mächtigeren, aber entfernteren bischof von basel, der in den jurabergen reich begütert war. sie vermachten ihm die werdende stadt, um sie von ihm als lehen zurück zu erhalten. der preis des schutzes: sollte die gründung innrt viere jahren gelingen, wollte der bischof sie ab 1299 sein eigen nennen dürfen.

doch das liessen die die neuenburger grafen nicht zu. im frühling 1296 griff rudolf iv. aus ihrem geschlecht valangin und bonneville an. beim heutigen dorf coffrane kam es zur schlacht, bei der sich die neuenburger durchsetzten. den versuch der bischöflichen truppen, den gräflichen einfluss auf das tal dennoch zu beschneiden, vereitelten die neuenburger, indem sie 1301 bonneville direkt angriffen und nun dem erdboden gleich machten.

die chroniken berichten, dass nur frauen und kinder den überfall überlebten und die kleine gemeinde engollon gründeten. der basler bischof liess in der folge die finger vom versuch, das “tal des rudolfs”, le val-du-ruz, nochmals beherrschen zu wollen. dafür gründet er 1318 unten in der ebene am ende des bielersees la neuveville, die neue stadt, das es heute noch gibt.

im val-de-ruz erinnert nur noch das denkmal, an den unheilvollen herrschaftlichen versuch, das tal dem menschen zu erschliessen. die ritter in der kuppel des mahnmals haben bis heute nur gras unter sich.

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nun bin ich bürger von assens

mein heimatort malapalud in der waadt hat am 1. januar 2009 mit der nachbargemeinde fusioniert. nun bin ich bürger von assens, auch wenn ich das bis heute mir keinen schriftlichen dokument bestätigt erhalten habe. doch das macht nichts, denn im gros-de-vaud funktioniert die kleine welt bis in die heutigen tage weitgehend auf mündlicher überlieferung.


die alte kirche von assens, vormals für die katholiken, heute für die reformierten.

in assens war ich nur zweimal in meinem leben. einen bleibenden eindruck habe ich dennoch mitgenommen. das dorf ausserhalb von echallens hat keine 1000 einwohnerInnen, eine beiz, aber zwei kirchen! das reizt zu nachfragen.

1978 habe ich während meinen recherchen für die familiengeschichte im pfarrhaus in assens übernachtet. keine geld dürfe ich dafür bezahlen, bedeutete mir die verwalterin. der student, der ich damals noch war, zeigte sich hoch erfreut, aber auch interessiert, wieso dem so sei. der herr pfarrer habe mal flüchtlinge aufgenommen, und fünf franken pro tag verlangt. das geld habe er dann dem staat, sprich dem kanton waadt, nicht abgegeben. dem aber gehöre das pfarrhaus, was den skandal auslöste.

natürlich hatte das ganze einen konfessionellen hintergrund. der pfarrer war katholisch. in der umgebung echallens ist das nichts besonderes, denn ein erheblicher teil der bevölkerung hat die reformation nie angenommen. der kanton waadt aber ist seit 1803 ein ausgesprochen reformiert ausgerichteter kanton. und der mochte es dem mieter-pfarrer nicht gönnen, dass er für seine umtriebe geld nahm.

angefangen hatte das zerwürfnis der konfessionsgemeinschaften in assens mit der reformation. 1536 offiziell von der berner herrschaft eingeführt, fand sie vorerst nur bei den bürgern in lausanne unterstützung. die traditionelle bauerngesellschaft auf dem land lehnte sie ab. der erster reformierte pfarrherr in assens wurde erst 1585 eingesetzt. offiziell hielt er nun den reformierten culte ab, die katholische messe wurde aber im geheimen weiter gefeiert.

1619 entschied sich die gemeinde, einen paritätischen vorstand anzunehmen. reformierte und katholiken waren nun gleichberechtigte “parteien”. je 6 mitglieder stellten sie in der gemeindeadministration. die kirche saint-germain, schon 1228 als teil des bistums lausanne erwähnt, wurde in der folge abwechslungsweise von reformierten und katholiken gemeinsam besucht.

dieses unikum auf dem plateau war selbst in lausanne bekannt. als der junge jean-jacques rousseau, aus reformiertem haus, selber aber zum katholizismus übergetreten, um 1730 vorübergehend in lausanne lebte, besuchte er die sonntägliche messe seines glaubens jeweils in assens!

der religionsfriede in der kleinen waadtländergemeinde wurde 1803 mit der kantonsgründung aufgekündigt. die kirche, das pfarrhaus und der garten rund herum gingen an der neu gegründeten canton. die katholiken in assens gerieten in die defensive.

wie ich beim meinem besuch in assens erfuhr, setzten die katholiken in der disaspora voll und ganz auf die unterstützung ihrer sache durch rom. aus dem zentrum der katholischen welt erbettelten sie eine spende, um eine eigene kirche als ersatz für die verloren gegangene bauen zu können. dieses werk vollendete man in der 400 seelen-gemeinde 1845, just als die radikalen der waadt den kampf der kulturen auf ihre spitze trieben.

für ein wohnhaus neben der kirche reichte das geld indessen nicht. deshalb haust(e) der katholische pfarrer jeweils im reformierten pfarrhaus. als es ihn noch gab. denn heute hat die katholische kirche assens, wie überall, nachwuchsprobleme …

die verbliebene verwalterin, selber katholisch, bewirtete mich bei meinem besuch vorzüglich. nur am ersten tag war sie gegenüber dem fremden aus der deutschschweiz zurückhaltend. danach taute sie auf, und erzählte mir unmengen von geschichten über meine vorfahren …

ganz unbekannt sind wir in unserer neuen heimatgemeinde also nicht.

stadtwanderer

familiengeschichte(n) für den kalten und nassen sonntag

familiengeschichte sind immer unterhaltsam. genau das richtige, um sich an einem so kalten und nassen januartag zu erwärmen. eine rückschau in eigener sache!


weiler malapalud heute (foto: swiss castles)

malapalud: der schlechte sumpf

unser heimatort heisst malapalud. dessen geschichte ist nichts besonders. und seit dem 1. januar 2009 gibt es die gemeide auch nicht mehr. sie gehört jetzt zur nachbarkommune assens.

malapalud ist bis heute eine kleine siedlung ausserhalb von echallens an der strasse nach lausanne.sie besteht aus wenigen bauern- und einfamilienhäuser. es leben keine 100 menschen dort. im weiler hat es ein schulhaus, das indessen nicht mehr gebraucht wird. markant im ortsbild ist die pferdezucht, denn eine eigene kirche hatte man in malapalud nie.

malapalud entstand als selbständige gemeinde 1803 mit der gründung des kantons waadt. die politische gemeinde war bestandteil des districts echallens. davor war man teil der landvogtei echallens. diese wurde 1536 bestandteil der bernischen waadt. die bernisch-freiburgische vogtei echallens-orbe ist noch etwas älter. sie entstand mit den burgunderkriegen, denn 1475 eroberten die berner mit den freiburgern die damals savoyischen und burgundischen gebiete. nach den burgunderkriegen mussten die eroberer die savoyischen ländereien zurückgeben, konnten sie aber die burgundischen behalten. so wurde das ehemals burgundische echallens, das den grafen von chalons an der saone gehört hatte, eidgenössisch und blieb unter bernisch-freiburgischer hoheit.

burgundergründe
weil die beiden orte nach der reformation verschiedene wege gingen, kam die eidgenössische regel aus den kappelen-kriege zur anwendung, dass die bevölkerung selber entscheiden dürfe, welche religion sie angehören wolle. und sie entschied sich, katholisch zu bleiben, was in echallens und umgebung bis heute der fall ist. die sonderstellung im gänzlich reformierten umland blieb nicht ohne konflikte, prägte den geist der leute in echallens. bis 1648 musste die eidgenössische tagsatzung mehrfach zwischen den fronten vermitteln.

vor 1410 hatte echallens den grafen von savoyen, davor den grafen von montbélliard, gehört. gefördert worden war der sehr alte verkehrsknotenpunkt vom lausanner bischof, der im 12. jahrhundert so seine weltliche herrschaft auf dem plateau ausdehnte. ältere schriftliche zeugnisse von echallens und umgebung als aus dieser zeit sind nicht bekannt, selbst wenn der ort nachweislich seit der bronzezeit besiedelt war.

alle adeligen, denen die gegend und die leute im mittelalter gehört hatten, stiegen im 10. und 11. jahrhundert auf und waren, angeführt von den grafen von savoyen und den bischöfen von lausanne, ausgesprochen kaisertreu. sie bildeten die herrschaftsschicht, welche das 1032 untergegangene burgundische königreich verwaltete. der wichtigste unter ihnen ist der berühmte graf pierre II. de savoye, einem burgen- und städtegründer, der es bis zum stadtherrn von bern gebraucht hatte.

das burgundische königreich hochmittelalters hatte seit 888 bestanden. es kannte das kloster st. maurice als geistiges zentrum. geführt wurde es von welfischen adeligen, die sich in den alpenpässen gute auskannten. in seinen besten zeigten reichte es die rhone hinunter bis an mittelmeer und umfasste es über den gr. st. bernhard hinaus auch teile von oberitalien. die bis heute berühmte reine berthe gehörte als eingeheiratete dieser burgundischen königsfamilie an. erstmals begründet worden war das burgundische königreich im jahre 443, als die römer die von ihnen besiegten burgundiones (bourgondes auf französisch, burgunden auf deutsch) zwischen jura, alpen und aare ansiedelten. von 534 bis 888 gehörte es als unselbständiges königreich zum fränkischen könig- und kaiserreich.

longchamp: die langfelder
die herkunft unseres familiennamens ist nicht belegt, sie lässt sich nur erschliessen. malapalud ist lateinisch. “palus” ist der sumpf, “mala” ist schlecht, und so ist malapalud der schlechte der sumpf. der name dürfte im 16. jahrhundert entstanden sein, als die berner die söhne der bauern anhielten, nicht mehr nach italien oder frankreich in solddienste zu treten, sondern neue bauerngüter aufzubauen. sie halfen ihnen bei der entsumpfung der feuchtgebiete auf dem plateau. wer sich daran beteiligte, konnte anschliessend selber land empfangen. der name “longchamp” dürfte sich ähnlich herleiten: gemeint waren damit die langfelder, eben die, die felder im schlechten sumpf bewirtschafteten.

longchamp ist im französischen ein gebräuchlicher orts- und familienname. das berühmtestes “longchamp” ist ausserhalb von paris, im bois de boulogne. jährlich findet auf der longchamp eines der berühmtesten pferderennen der welt statt. entstanden ist die dortige pferdezucht nach der französischen revolution, nachdem das kloster klarissenkloster, das vorher dort stand, zerstört worden war. begründet hatte das kloster isabelle im jahre 1256, die schwester des damaligen französischen königs, die sich weigerte, konrad von hohenstaufen, den erbberechtigten sohn von kaiser friedrich ii. zu heiraten. ihre mitgift vermachte sie der kirche; selber zog sie sich ins kloster der franziskanerinnen zurückzog, das nach dem vorbild der hl. klara, aufgebaut worden war. da man im mittelalter “champ” ohne “s” schrieb, hat sich die form, die sich vom kloster her ableitet, an vielen orten gehalten. heute findet sich der name “longchamp” in vielerlei hinsicht auch als marke für luxuswaren, für automobile und für hotels. davon habe ich nichts, einzig die longchamp-trinkgläser aus dem coop habe ich gekauft …

longchamp gibt es in vielen orten der schweiz und frankreichs. sie müssen nicht miteinander verwandt sein, denn der name entsteht in verbindung mit ortsbezeichnungen. in der schweiz bekannt sind vor allem albert longchamp, strenger jesuitenpater und kritiker des ordens opus dei, der heute in zürich lebt und präsident der medienkommission der schweizerischen bischofskonferenz ist. roland longchamp wiederum wirkte als ingenieur und war professor an der eth lausanne. schliesslich sei erwähnt, dass in genf françois longchamp als fdp-staatsrat amtet. die verwandtschaftsgrade mit mir unserer familie sind nicht genau bekannt; immerhin, auch albert longchamp ist bürger von malapalud.

die verknüpfung von orts- und familiengeschichte
die ursprünge der familie selber sind nicht bekannt. sie lassen sich aber aus der ortsgeschichten rekonstruieren. nach 1803 haben verschiedene zweigen der longchamp die personenfreizügigkeit genutzt und sich an verschiedenen orten niedergelassen. vor 1803 waren die longchamps fast immer bauersleute. in die ferne kamen sie nur als söldern für die die berner, meist nach frankreich an den königshof. herausragende personen aus dieser zeit sind nicht viele bekannt; ausnahme ist françois-nicolas longchamp aus malapalud, schlossherr in bottens, politiker der ersten stunde in der helvetischen republik und zwischen 1805-1809 waadtländer staatsrat. bis heute ist er der einzige katholik, der es in die waadtländer regierung gebracht hat.

teilweise vorhanden sind noch die tauf- und sterbebücher der pfarrherren von echallens und assens, die so manches aus dem wohl nicht ganz einfachen leben der landleute erzählen. bis in 19. jahrhundert wurden eigentlich alle kinder, von denen es reichlich gab, auf die namen joseph und marie getauft, erhielten dann aber rufnamen, und sterben deshals als jean-joseph oder marie-anne. zu den grösseren familienproblemen zählte aber lange, dass man nur katholiken heiraten durfte und die auswahl nicht gross war. gab es blufauffrischung durch einen reformierten, verweigerte die kirche die heirat.

unsere familie hat sogar ein familienwappen. es ist blau-weiss, mit wellen im untergrund, mond und sternen im oberen teil. es ist offensichtlich dem ortswappen nachgeahmt, das nochmals auf den sumpfigen boden anspielt, und nur aus wasserwellen besteht. familienwappen sind übrigens nicht überall verbreitet. in der waadt schon. der bischof von lausanne war im 11. jahrhundert einer der ersten überhaupt, der ein wappen hatte, um mit dem kaiser in den krieg ziehen zu können. die adeligen haben das tradiert, die bürger dann 1798 übernommen, und wir auf unsere familie übertragen.

vor 1536 verlieren sich die spuren der longchamps. sie dürften, wie die anderen auch, keinen familiennamen gehabt haben, untertanen der burgunder oder savoyer gewesen sein, die seit der völkerwanderung in echallens und umgebung gelebt hatten. damit sind wir, wenn auch nicht belegt, letztlich burgundischer abstammung.

die auswanderung von malapalud durch meine vorfahren führte nicht direkt in die hauptstadt fribourg.
mein urgrossvater lebte in ponthaux. 3 söhne,
julien, joseph (mein grossvater) und emile kamen nach fribourg. meine
grosseltern lebten, arbeitbedingt auch einige Jahre in weiler ferpicloz bei
le mouret.

seit dem 1. januar 2009 ist le mouret eine fusionsgemeinde aus verschiedenen orten der region entstanden, die ihren ursprung in der klösterlichen besiedlung der gegend im 12. jahrhundert haben. damals schon gab es auswanderungen ins üechtland, dem landstreifen zwischen aare und saane, der lange menschenleer geblieben war, um die burgundische und alemannische bevölkerung zu überwinden. meine eltern überwanden dies auch symbolisch, ist doch meine mutter klara aus dem aaragauischen freiamt, heiratete sie meinen vater pierre ganz in der nähe des zisterzienserklosters hauterive, und lebte sie anfanglich mit ihm in le mouret. später zogen sie nach freiburg, wo ich geboren wurde. mit meinen eltern wanderte ich nach oberwil bei basel und buchs bei aarau. seit bald 30 jahren lebe ich in bern, und bin da seit 2004 als stadtwanderer unterwegs.

claude longchamp

rückblick auf den 22. juni 1476

(kurzfassung meiner ausführungen an der burgunderausstellung von heute)

ich begrüsse sie. seien sie an diesem wunderschönen und historisch bedeutsamen 22. juni 2008 meine gäste! denn heute vor 532 jahren fand die schlacht von murten statt, während der die eidgenossen die burgunder besiegten. und ich beabsichtige, sie genau heute durch die ausstellung “karl der kühne” in bern zu führen. ganz schön kühn, könnte man das sagen!

legenden und fakten in der schweizer geschichte

die schweizer geschichte, die man in der schule hörte, kennt zwei feinde: rudolf von habsburg und karl den kühnen. könig rudolf von habsburg, lernte man, habe die freiheit der innerschwyzer eingeschränkt und damit 1291 den rütli-bund provoziert. das habe zur gründung der eidgenossenschaft geführt, die fast zweihundert jahre später, 1475/6 vom grössenwahnsinnigen burgunderherzog karl ernsthaft in frage gestellt, von den wehrhaften eidgenossenschaft jedoch heldenhaft verteidigt worden sei. seither seien wir schweizer ein unabhängiges und freies land!

das alles ist legendenbildung!

schwiez1476.JPGdie schweizerischer eidgenossenschaft von heute wurden am 12. september 1848 gegründet. um dem ausgeprägt förderalistischen bundesstaat im zeitalter des aufkommenden nationalismus eine gemeinsame geschichte geben zu können, erfand man zwei generationen später “1291“. fakt ist jedoch, dass damals kein staat schweiz gegründet worden ist, sondern ein lokales bündnis zwischen uri und schwyz entstand, während der grossteil der heutigen schweiz diesem gar nicht angehörte. fakt ist auch, dass das konglomerat eidgenossenschaft, das sich zwischen 1350 und 1500 rasch ausdehnte, bis 1648 teil des heiligen römischen reiches deutscher nation blieb, wenn auch seit 1499 mit einem autonomiestatut.

keine legende ist der militärische sieg der vereinigten eidgenossen vom 22. juni 1476.

ins reich der rechtfertigungen gehört aber, die eigenossen seien von den burgundern angegriffen worden; sie hätten sich nur verteidigt. mitnichten! am 25. oktober 1474 erklärten die eidgenossen unter führung bern dem burgunderherzog karl den krieg. am 14. okobter 1475 erweiterte man diese kriegserklärung an die adresse der herzogin yolanda von savoyen, weil sich diese weigerte, mit den eidgenossen zusammen gegen burgund zu kämpfen. vorgängig hatte man bereits die burgundisch-savoyischen besitzungen in der freigrafschaft und in der waadt zerstört und geplündert.

anfangs 1476 schlug herzog karl zurück.

der herzog marschierte, von der belagerung der lothringischen haupstadt her kommend, durch die freigrafschaft und griff grandson an. den bernischen besatzern versprach er freies geleit, wenn sie sich ergeben würden. doch liess er die 400 mann hinrichten, als sie die schlossfestung verliessen. das hat ihm in bern den bleibend schlechten ruf eingebracht. danach konnte er aber, dem neuenburgesee entlang, nach bern vorstossen, wurde er indessen bei concise von den eidgenossen überrascht. die schlacht war kurz, denn die truppen des herzogs flüchteten vor den unritterlich laut vorpresschenden eidgenossen schnell. in lausanne rüsteten burgund und savoyen zu einem neuen anlauf, der auf bern zielte. die eidgenossen besetzten im gegenzug freiburg und murten, beide mit bern verbündet, aber in savoyischem besitz. herzog karl entschied sich, murten zu belagern, sodass es am 22. juni 1476 vor den toren der stadt zur grossen schlacht kam, in der reichste und mächtigste adelige seiner zeit gegen die vereinigten eidgenossen verlor. mehr als 10’000 menschen starben an diesem tag auf dem feld bei salvanach oder wurden im murtensee ertränkt. nur ein halbes jahr später, kam es erneut zu waffengewalt, nun zwischen dem herzog von lothringen, verstärkt durch 5’000 eidgenossen, und dem burgunder herzog. karl erlag in der schlacht von nancy an den folgen einer verletzung, und mit ihm verstarb der letzte der 4 grossen spätmittelalterlichen herzöge von burgund.

karl der kühne und die valois-herzöge von burgund

karl war nur 10 jahre, von 1467 bis 1477, herzog von burgund. und dennoch beschäftigt sich halb europa noch heute mit ihm. die franzosen und deutschen reagieren eher skeptisch auf ihn. für sie ist er ein grössenwahnsinniger geblieben. den engländern gilt er schon mehr, denn politisch waren die engländer stets auf burgund angewiesen. und für die hollander und belgier ist er so etwas wie der begründer des eigenen selbstbewusstsseins. zwar gelang es karl nicht, die unabhängigkeit der niederländischen handelsstädte vom kaiserreich durchzusetzen; das sollte erst wilhelm von oranjen gut 100 jahre nach karl erreichen. doch legte karl mit seinen lebensplan, zwischen dem heiligen römischen reich, dem kaiserreich, und dem französischen königreich, ein selbständiges königreich burgund zu begründen, das vom ärmelkanal am besten bis an mittelmeer und an die adria reichen sollte, die grundlage hierzu.

karl ist ein früher politikertyp. er dachte in historischen dimensionen, und er handelte aufgrund einer strategie.

402px-karte_haus_burgund_4.png20jährig sieht er, wie byzanz, die christliche kaiserstadt, in die hände des osmanischen sultans fällt, und er plant einen kreuzzug zur befreiung der heiligen stätten im nahen osten, den er aber nicht realisiert. 28 jährig muss er, der angehende herzog, der zu gerne französischer könig geworden wäre, mitereleben, wie sein verwandter, der mit ihm aufgewachsen war, als ludwig xi. den franzosenthron erbt; da beschliesst er, seinen könig hinfort zu bekämpfen. karl ist schliesslich 40, als er, nun schon reicher herzog von burgund, den kaiser friedrich iii. nach trier einlädt, um mit ihm über die erhöhung burgunds zum königreich zu verhandeln, und um mit dem habsburger über die nachfolge als kaiser zu pokern.

karl, der kühne, war der vierte und letzte valois-herzog am burgundischen hof. philipp der gute, sein vater, johann ohnefurcht, sein grossvater, und philipp der kühne, sein urgrossvater, hatten die ambitionierte politik der burgunder begründet. durch heirat, kauf und krieg hatten sie seit 1368 ihre ländereien rund um dijon erheblich erweitert erweitern können. die reichen städte in flandern, brüssel und brügge in brabant, die herzogtümer luxemburg und lothringen kamen wie die freigrafschaft am jura stück für stück zum herzogtum burgund. in mittelalterlichen kategorien gedacht, waren die burgunder vasallen des französischen königs wie des kaisers; in neuzeitlichen konzepten übersetzt, beherrschten sie ein territorium, das problemlos als königreich gelten konnte. kleiner als das königreich von england war das das herzzogtum von karl jedenfalls nicht.

mit diesem königreich versuchten die valois-herzöge an die lange burgundische tradition anzuknüpfen. burgund war schon zu zeiten der völkerwanderung im 5. jahrhundert ein königreich gewesen, das damals das rhone-, saone- und doubstal umfasste. auch beim untergang des fränkischen kaiserreiches im 9. jahrhundert entstand burgund als königreich erneut. dieses kam im 11. jahrhundert zum kaiserreich, ausser dem herzogtum burgund, das sich schon im 9. jahrhundert auf die seite der französischen krone schlug und dort überlebt, während das unselberständige königreich burgund nis 1378 in verschiedenste adels- und stadtherrschaften aufgelöst wurde.

das ende des feudalen mittelalters in frankreich und im kaiserreich

möglich geworden war der spektakuläre aufstieg der herzöge von burgund nur, weil die französischen krone im 100jährigen krieg mit der englischen geschwächt worden war. ausgebrochen war diese fehde, als 1337 der letzte kapetinger auf den französischen thron starb und kein eindeutiger nachfolger bestimmt werden konnte. schliesslich setzten sich die herzöge von valois als französische könige durch, brauchten aber 116 jahre, bis sie die englischen königsanwärter vom festland vertreiben konnten. ihre verwandten bestimmten sie zu herzögen von burgund, mussten aber zur kenntnis nehmen, dass diese im 100jährigen eine konsequent pro-englische und anti-französische politik betrieben. das erlaubte es den herzögen von burgund, stets recht unabhängig von französischen königshaus ihren geschäften und interessen nachzugehen.

bs1burgund.JPGum ihr unübliches herrschaftsgebiet sichern zu können, entwickelten die burgunderherzöge grundsätze der hierarchisch geführten verwaltung, beförderten sie den schriftverkehr in der politik, und vereinheitlichten sie steuern und rechte der städte im adeligen sinne. moderne kunst, im buchwesen, bei den tapisserien und in der malerei sollten von der neuen grösse zeugen, und mit der höfischen kultur und mode sollte sich neue lebensluste entwickeln.

das alles erlaubte es ihnen, auch auf herrschaften im kaiserreich überzugreiffen. das wurde nach 1437 namhaft möglich, als kaiser sigismund aus dem hause luxemburg-böhmen verstarb, ohne einen nachfolger zu hinterlassen. im kernteil des kaiserreiches begann nun der grosse aufstieg der habsburger, die bis 1806 ununterbrochen den kaiser stellen sollten. doch im süden und westen des reiches blieb ihr einfluss vorerst schwach, was anderen neue möglichkeiten eröffnete: den städten am rhein und am po, den burgundischen herzögen in dijon und dem französischen könig in paris.

nach 1450 entwickelt sich ein eigentlicher wettlauf um macht, geld und ehre.

anfänglich schienen die herzöge von burgund die nase vorn zu haben. die wende kam 1473 in der alten kaiserstadt trier, dicht an der grenzen zwischen burgund und kaisereich. da sich karl nur um den preis, seine einzige erbin, maria, mit den habsburgern verheiraten zu müssen, könig und kaiseranwärter werden konnte, winkte er ab. er vertauschte den prunkvoll gedeckten verhandlungstisch mit dem feldherrenstuhl. wie einst caesar, der den gallischen krieg gewann, um in rom alleinherrscher zu werden, aber auch wie karl der grosse, der die sachsen besiegte und zum neuen weströmischen kaiser avancierte, wollte karl herrscher über die rheinischen und am besten auch über die lombardischen städte werden. mit ihnen und ihrem reichtum wollte der das europäische kaisertum neu begründen.

der krieg der eidgenossen mit burgund und savoyen

der burgunderkrieg mit den eidgenossen begann 1474 mit einem erfolgreichen aufstand der breisgauer gegen den burgundischen vogt peter von hagenbach. dieser hatte ganz im sinne der burgunder versucht, eine generelle verwaltungsreform im elsass zu realisieren. basel, bis dahin im konflikt neutral, streckte herzog sigmund von vorderösterreich das nötige kleingeld vor, das man sich bei den burgundern geliehen hatte, sodass der einfluss von karl auf vorderösterreich schwand. burgund geriet in die defensive und sigmund konnte in seinem untertanengebiet eine aufstand gegen den herzog anzetteln.

593px-burgunderkriege.pngnun griff das bürgerliche bern in den jura aus, um sich einen weg durch burgundisches gebiete nach frankreich zu verschaffen. in héricourt besiegten die berner ein burgundisches heer. den französischen könig freute diese entwicklung, und er förderte die pro-französische stimmung in bern und in der eidgenossenschaft durch erhebliche geldzahlungen im dreimonatsrhythmus.

fast schon hätte der kaiser rechts des rheins den burgundischen einfluss rückgängig gemacht und der französische könig sich in der eidgenossenschaft ausgebreitet gehabt, sodass man ohne kampf zur tagesordnung hätte schreiten können. um diese vorzubereiten, vermittelte der französische könig 1474 erfolgreich die ewige richtung der eidgenossen mit habsburg, die sich 150 jahren in den haaren gelegen hatten.

doch wurde damit nicht ruhe geschaffen, sondern der eigentliche krieg vorbereitet. die eidgenossen nutzten nun den friedensvertrag mit dem erzfeind im nordosten in der hand, um im südwesten krieg zu führen. von den den kriegserklärungen an burgund und savoyen resp. vom vernichtungsschlage gegen die romandie war schon einleiteten die rede. doch der tagsatzung missfiel das eigenmächte verhalten der berner unter ihrem pro-französischen schultheissen von diesbach.

auch der bernische senat stellte sich quer, und adrian von bubenberg, im aaretal wie in savoyen begütert, meldete seine opposition an. da wurde er aus der berner politik ausgeschlossen, sodass er sich nach spiez auf seinen freiherrensitz zurückzog. dem siegreichen von diesbach sollte es aber noch schlechter gehen. auf einem feldzug nach pruntrut wurde er in blamont von einem pferd überrannt und erlag kurz darauf den folgen des unfalls.

für herzog karl, der an einem angriff auf die eidgenossenschaft nie besonders interessiert war, bot sich nun die gelegenheit, im führungslosen bern zu intervenieren. er arrangierte sich mit dem französischen könig und griff nun in der freigrafschaft und in der waadt ein. die geschichte kennen wir ja schon. sie muss aber um einen punkt ergänzt werden: nach dem überraschungstreffen in grandson, versuchte karl die habsburger auf seine seite zu ziehen. er willigte an ostern in lausanne in einen heiratsvertrag zwischen seiner tochter und erzherzog maximilian ein, denn er noch 1473 verweigert hatte. doch damit gewann er keinen einfluss, sondern sollte er nach seinem tod definitiv sein erbe verlieren.

die folgen für das europa der neuzeit

die eigentlichen erben der burgundischen erwerbungen unter den valois-herzögen von burgund wurden schliesslich die habsburger. maria, die neue herzogin von burgund, die in den niederlanden anerkennung fand, heiratete maximilian, verstarb aber früh. doch maximilian behielt insbesondere die reichen städte am ärmelkanal. und er heiratete als zweites mal, jetzt bianca sforza, die tochter des herzogen von mailand, und legte so seine hand auch auf die lombardischen städte. damit gelang ihm, was sein verstorbener schwiegervater karl stets wollte, wenn auch mit umgekehrten vorzeichen. maximilian stärkte mit seinen heiraten das reich und wurde auch nachfolger seines vaters friedrich iii. als kaiser, als karl längst tod war. 

der ehe zwischen dem habsburger und der burgunderin  waren mehrere kinder entsprungen, unter anderem auch philipp, später der schöne genannt, der zuerst gouverneur der niederlande war, dann ins spanische königshaus heiratete, dort aber früh verstarb. sein gemeinsamer sohn mit juanita, der spanischen königin, stieg als carlos i. zuerst zum ersten habsburger auf dem spanischen thron, dann unter dem namen karl v. als nachfolger von maxilian auf den kaiserthron auf. er regierte auch das neuentdeckte (mittel)amerika und die philipinen und sagt von sich, in seinem reich gehe die sonne nie unter.

europa_1500.jpgso mächtig habsburg aus dem erbe karls wurde, so enttäuschend blieb es für die kaiserfamilie, dass man das kernland, das eigentlichen herzogtum burgund um dijon, nie erhielt. auf dieses griff könig ludwig xi. erfolgreich zurück, als karl starb. niemehr sollte burgund in der folge von grossen politischer bedeutung mehr sein. einzig die katholische kirche hielt in den klöstern das burgundische erbe aufrecht, bis napoléon auch damit aufräumte, sodass nur noch die weinbauern aus burgund berühmt sind.

habsburg und frankreich einigten sich 1493 im friede von senlis über die teilung des burgundererbes und leiteten so den kampf um italien ein. das stand zwar mit der reanissance kulturell in seiner blüte, politisch war es aber äusserst instabil. vorerst rivalisierten die franzosen und der papst mit venedig, später der papst und der kaiser um die vorherrschaft auf der halbinsel. frieden schloss man erst 1555, und es siegte eigentlich der kaiser karl v., der den franzosenkönig und den papst in die schranken wies, durch die zwischenzeitlich ausgebrochene reformation jedoch geschwächt wurde und als kaiser schliesslich abdankte.

die folgen für die eidgenossenschaft

auch die eidgenossenschaft, 1476 grosser schlachtensieger, struktuierte sich in dieser phase neu. nach 1477 wurde die reisläuferei zur wichtigsten erbsquelle. vorerst interessierte sich der französische könig für die schweizer söldner, wie sie jetzt hiessen, später auch der papst. die hat er heute noch, allerdings nur noch in folkloristisch form, während jener seine schweizer in der französischen revolution verlor. 1478 akzeptierten die eidgenossen die von frankreich und habsburg verlangte versöhnungspolitik mit den nachbarn. die freigrafschaft wurde gegen geldzahlungen an habsburg abgegeben; einzig die burgundischen besitzungen in der waadt gingen an bern und freiburg. die ländereien der savoyer gingen auf französischen drucl an diese zurück, und das bündnissystem zwischen savoyen, bern und freiburg, das vor den burgunderkriegen bestanden hatte, wurde erneuert. 1536 sollte der franzosenkönig den bernern und freiburgern erlauben, die waadt erneut zu besetzen und mit der durchführung der reformationen dem katholischen savoyen definitiv zu entziehen.

seidgenossenschaft_13_ortige_1536_1798.JPGunter sich rangen die eidgenossen lange über ihre neue verfassungsform. entschieden wurde sie 1481. in den bund neu aufgenommen wurden freiburg und solothurn. mülhausen wurde zugewandter ort, während strassburg und konstanz, die sich ebenfalls interessiert hatten, fern bleiben mussten. überhaupt, die angst, die städte würden die aufstrebende eidgenossenschaft nun beherrschen, regierte die verhandlungen. schliesslich setzten sich, unter vermittlung von des obwaldners niklaus von der flüe, die kleinen durch. alle 11, später mit basel und appenzell, alle 13 vollwärtigen orte der eidgenossenschaft sollten bis 1798 gleichberechtigte glieder des bundes sein, egal ob sie gross oder klein waren. dieses bündnis, das im kaiserreich verblieb, setzte 1499 gegen maximilian, der dem reich eine grundlegende reform verordnete, einen autonomiestatus durch, der bis 1648 gültigkeit hatte, und die eidgenossenschaft von der weiterentwicklungen des rechts, der steuern und der verwaltung im reich nun ausnahm. wichtigste wirtschaftliche grundlage wurde nun die reisläuferei, die in italien vorerst zu grossen erfolgen führte, dann aber in der niederlage von marignano mündete und den weg für die reformation als (vorübergehende) anti-söldnerbewegung in der eidgenossenschaft ebnete.

bilanz

karl hat die burgunderkrieg nicht überlebt. niklaus von diesbach, sein grosser gegenspieler, auch nicht. adrian von bubenberg wurde als überlebender held von murten gefeiert. in bern wurde er rehabilitiert, und avancierte er zum dritten mal zum schultheissen der stadt. er war massgeblich an der vermittlung mit savoyen zuständig, verlor aber an einfluss auf die bürger- und söldnerbewegung, die nach dem schnellen geld aus dem reislaufen lechzte. 1479 starb er in bern an der pest. seine familie verarmte und verliess eine generation später alles, was man im aaretal hatte, in richtung savoyen.

“herbst des mittelalters” nennt der niederländische historiker johan huizinga, ein burgunderspezialist, die mit karl dem tollkühnen zu ende gehende epoche. melancholie sei das grundgefühl der zeit gewesen, das sich aus dem wissen ergab, das man die mittelalterlichen traditionen verlassen werde. doch das moderne, das neuzeitliche, sei damals noch bekannt gewesen, und die angst, sie beherrschen zu müssen, sei gerade am burgundischen hof durch prunksucht überspielt worden. die grossen ihrer zeit seien arbeitsame menschen gewesen, die voll von lebenslust waren, und sprunghaft zwischen beidem hin und her schwankten.

so wie ich, in meinen beurteilungen.
stadtwanderer

am sonntag um 10

bald ist es so weit: meine angekündigte führung durch die grossen burgunder-ausstellung in bern findet statt. der tag ist bewusst gewählt. es ist der schlachtentag, an dem die burgunder im menschengetümmel von murten untergingen …

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johannes stumpf: chronik von 1554 über die schlacht von murten

doch will ich hier keine patriotische feier ankündigen, sondern eine museaumsführung durch kultur, politik und krieg in burgund. die sensationelle ausstellung in bern gibt uns anlass dazu!

das ganze erlaubt einen für die schweizerInnen unüblichen perspektivenwechsel: statt aus eidgenössischer sicht wird die geschichte aus burgundischer dargestellt!

hier schon mal das …

programm

kurz vor 10 00 besammlung vor dem historischen museum zu bern, bei schönem wetter warte ich draussen im park, bei schlechtem drinnen in der lobby.

10 00 kleine einführung in die geschichte burgunds und den herbst des mittelalters durch mich

10 15 beginn der führung zu den themen “kultur, politik und krieg der burgunder”

12 00 wir werden uns (hoffentlich pünktlich) am mittag im raum befinden, der die schlacht von murten beschreibt; die begann, auf die stunde genau, 532 jahre zuvor auf dem feld zwischen murten und salvenach.

12 30 ende der führung, für interessierte apéro im hof des museums

der eintritt kostet 24 chf, die führung selber ist frei. es komme, wer mag!jedoch bedenke man: es ist der 10000 rittertag! zieht also die alten rüstungen an, und sattelt euer pferd!

stadtwanderer

meine bisherigen beiträge zur schlacht von murten:

schlachtfeldbegehung anderer art

schlief adrian von bubenberg gut nach der schlacht von murten?

mit adrian von bubenberg duzis gemacht

die rückkehr des ausgeschlossenen bubenbergs

eigentlich wissen wir wenig über adrian von bubenberg. seit johannes von müller, der erste nationalhistoriker der schweiz, ihn am ende des 18. jahrhunderts als standfesten helden in der schlacht von murten verklärt hat, gibt es mehr geschichten, legenden und gerüchte über ihn, als gesicherte historische interpretationen. eine spurensicherung durch den stadtwanderer!

2591933225_db12738be8.jpgdazu passt, dass ein er als einer der wenigen grössen der stadt bern ein denkmal erhalten doch, dieses jedoch von der ersten stunden an umstritten war und selbst der standort im verlaufe der zeit gezügelt wurde. nicht einmal der berühmteste spruch, den man von ihm kennt, ist historisch: “solange eine ader in uns ist, gibt keiner nach”, wäre zwar nach dem desaster, das die kapitulierenden bernischen besatz von grandson erlebt hatten, ein durchaus nachvollziehbarer befehl gewesen, allein, der erste beleg dafür ist gut 300 jahre jünger als das ereignis.

dafür ist der hut echt, den adrian momentan trägt: er ist unfreiwillig zum held der niederländischen fussball-touristen avanciert, die in erklommen und sein haupt bedeckt haben.

die kontroverse zwischen von diesbach und von bubenberg

zu den historisch gut belegten teilen des lebens von adrian von bubenberg gehört dagegen seine rivalität zu niklaus von diesbach, weil sie sich selbst in den ratsprotokoll der bernischen regierung spiegelt. altersmässig waren beide vergleichbar. in die bernische politik stiegen sie gemeinsam ein. beide wurde bei pilgerfahrten in den nahen osten zu rittern geschlagen. beide brachten sie es mehrfach auf den stuhl des schultheissen. und beide spielten als heerführer in den burgunderkriegen eine wichtige rolle.

doch ihr herkunft war anders: die von bubenbergs gehörten zu den traditionsreichen adelsfamilien in bern, derweil bei den von diesbach das “von” nicht echt war. denn er war ein bürgerlicher. einer mit viel geld, das er im tuchhandel gemacht hatte und mit dem er sich in die politik eingekauft hatte, während die von bubenbergs, überall verschuldet, ihre rechnungen meist anschreiben liessen, bis es wirklich nicht mehr ging. der eigentliche gegensatz äusserte sich in ihren aussenpolitischen beziehungen: niklaus von diesbach war dem frankenkönig ergeben, während adrian von bubenberg mit den burgundischen herzögen verhängt war.

zum eigentlichen eklat zwischen beiden kam es, als der königliche stand bern dem benachbarten herzogen von savoyen 1474 den krieg erklärte. schultheiss niklaus von diesbach fühlte sich nun frei, offensiv zu handeln. er wollte seine mission im dienste des französischen königs möglichst ungehindert realisieren. dazu war er zu allem bereit. ganz anders war kleinrat adrian von bubenberg disponiert. er suchte den konflikt auf die savoyischen besitzungen einzugrenzen und eine ausdehnung auf burgund zu verhindern. er wirkte vermittelnd, war zu allerlei kompromissen bereit.

der eklat: von bubenbergs ausschluss

als die tagsatzung das aggressive vorgehen von diesbachs 1475 im jura und in der waadt kritisierte, hätte die stimmung zugunsten von bubenbergs kippen können. doch der mächtige schultheiss von diesbach setzte sich in seiner vaterstadt durch. er inszenierte eine handfeste intrige gegen seinen widersacher, isolierte diesen und scharte den handlungsunfähigen kleinrat um sich.

adrian durfte sich vor seinen regierungskollegen nicht einmal verteidigen. er wurde auf antrag des schultheissen direkt aus der regierung und aus der politik ausgeschlossen.

niklaus von diesbach bezahlte seinen griff nach den sternen kurz danach mit dem leben.

der triumph: von bubenbergs rückkehr

adrian von bubenberg, der ausgestossene, schmollte noch eine zeit in seinem spiezer schloss. als bern im burgunderkrieg ernsthaft in die bedrouille kam, rief man den ausschlossenen, aber wohlverdienten altpolitiker wieder an die aareschlaufe zurück. dem erfahrenen feldherr wurde die ehrenvoll aufgabe übertragen, murten zu besetzen und gegen alle angriffe zu verteidigen.

man weiss es: das gelang adrian von bubenberg, selbst wenn er damit seinen jugendfreund karl den kühnen ins verderben stiess.

adrian von bubenberg wurde danach rehabilitiert, stieg nochmals ins amt des schultheissen auf und unternahm in savoyen und frankreich vermittelnde missionen gegenüber berns nachbarn. er starb später an pest. doch solange eine ader in ihm war, gab er nicht nach!

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niklaus der kühne

wenn es um den 16. oktober 1475 in der murtener geschichte geht, überbieten sich die berichterstatter mit unüblichem: die neuenburger chronik hält fest: ” le discord fut si grand, qu’on ne savoit connoître de quel parti il en avoit le plus.” was war geschehen?

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1473 einigten sich der kaiser friedrich iii., ein habsburger, und der burgundische herzog, karl der kühne, nicht auf die wiedergeburt des burgundisches königreichs, das 1378 untergegangen war. ein solcher titel hätte karls position gegenber dem französischen könig gestärkt, jedoch auch gegenüber dem kaiser. friedrich wusste darum und verlangte als preis, dass karl einzige erbin, seine tochter maria, den sohn des kaisers heiraten müsse.

karl entschied sich, den durchbruch auf den schlachtfeldern zu suchen. um ihn zu schwächen, befriedete das haus habsburg, vermittelt durch den französischen könig, den seit 1315 wiederkehrenden zwist mit den eidgenossen.

schultheiss niklaus von diesbach

zentrale figur der eidgenossen war der berner schultheiss niklaus von diesbach. seine familie war als tuchhändler reich geworden und in die berner politik eingestiegen. dabei nutzte man die alten handelsbeziehungen an die europäischen königshöfe, um jetzt diplomatie zu betreiben. niklaus von diesbach war 1465 erstmals berner schultheiss geworden. keiner war so jung wie er in dieses amt aufgestiegen. und das machte ihn bei den alten eliten, den traditionellen junkern wie adrian von bubenberg, von anfang an verhasst.

1474 ist niklaus von diesbach auf der höhe seiner macht. zuerst bindet er bern mit einem bündnis an den französischen königshof, dessen kammerherr er geworden war. dann überzeugt er den habsburgischen herzog für vorderösterreich, mit den eidgenossen einen dauerhaften frieden, die sog. ewige richtung, abzuschliessen. die niedere vereinigung rund um basel schoss zudem dem habsburger geld vor, um ihn aus der burgundischen umklammerung zulösen. schliesslich erklärt der berner schultheiss der herzogin von savoyen und deren stellvertreter, jakob von savoyen, graf von romont, am 14. oktober 1474 den krieg. das sollte nicht ohne folge bleiben, den savoyen war mit burgund verbündet.

die besetzung murtens durch bern und freiburg

noch bevor die tagsatzung das bündnissystem akzeptierten, liess niklaus von diesbach murten besetzen. nur zwei tage nach der kriegserklärung an den savoyischen hof, verlangten berner und freiburger vom savoyischen städtchen unmissverständlich, dass es seine tore öffnen müsse. das löste die unordnung in der stadt aus. die murtener chronik hält fest:

“Gross war die Gährung der Gemüther; tumultuarisch die Berathungen. Selbst die Weiber nahmen Parthey.”

doch die savoyerpartei unterlag: der schultheiss, humbert de lavignies, flüchtete aus der stadt, und der bürgermeister, richard rossel, starb, wie es heisst “aus verdruss”.

der wilde krieg gegen burgund

niklaus von diesbach erhielt für seine aktion vom französischen könig 20’000 livres, was dem staatsetat berns von einem jahr entsprach. die hälfte floss in die familienkasse, die andere hälfte wurde unter den günstlingen von diesbachs verteilt. ein teil der berner kam so zu viel geld, genau das, was den alten junkern fehlte.

mit seinen getreuen unternahm der berner schultheiss 1475 eigenmächtig einen angriff auf die burgundischen truppen, die in pruntrut berner eingekesselt hatten. gleichzeitig griffen die berner und freiburger in diesem sommer plündernd und mordend die waadt an.

die tagsatzung verurteilte das eigentmächtige und brutale vorgehen, und auch adrian von bubenberg opponierte im berner kleinrat. doch gelang es niklaus von diesbach, sich in bern durchzusetzen. adrian von bubenberg wurde auf treiben von diesbachs hin aus dem kleinrat ausgeschlossen und zog sich auf sein landgut in spiez zurück.

nun wollte niklaus von diesbach definitiv zum grossen gegenspieler von herzog karl werden. das war kühn, ja tollkühn. in blamont, in der nähe von pruntrut wurde er nur wenige tag nach seinem sieg in der politik von einem pferd tödlich verletzt.

doch bern befand sich in einem selbstgewollten krieg, ohne vom kriegstreiber geführt zu werden.

à suivre

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der aufstieg murtens ins zentrum des weltinteresses

wer nach murten geht, vergisst die lauben und die mauern rund um die mittelalterliche stadt nicht. beides erinnert an den aufstieg der stadt unter den herzögen von savoyen, bis es 1475/76 in murten zu weltpolitischen entscheidungen kam.

bildmurten-148.jpgalles beginnt mit der feuersbrunst

murten wurde in der zweiten hälfte des 12. jahrhunderts von den herzögen von zähringen gegründet und gefördert. nach deren aussterben war man vorübergehend reichsstadt, bis 1255 die grafen von savoyen hand auf die stadt legten, und diese bis 1475 dor behielten.

der eigentliche aufstieg der savoyischen provinzstadt beginnt 1414. die bauern im ganzen dreiseengebiet begehren auf. sie wollen die herrschaften in den burgen und städten stürzen. und sie zünden an, was brennt. so auch murten. die holzstadt von damals wird opfer der flammen.

könig sigismund, auf dem zug von avignon nach konstanz, mit dem ziel, die unübersichtlichen verhältnisse im papsttum neu zu ordnen, teilt die ehemals hochburgundischen gebiete, über die sein vater, kaiser karl iv. noch könig gewesen war, auf: die grafen von savoyen werden herzöge mit zentrum in chambery; die stadt bern wird reichsstadt und darf damit über untertanen aus das blutgericht sprechen. schliesslich akzeptiert sigismund, dass die herzöge von burgund in dijon die herren über freigrafschaft am jura bleiben, obwohl die lehensherren des französischen königs damit imperiales territorium beanspruchen.

bild-212.jpgunter den savoyischen herzögen

herzog amadeus viii. besucht das niedergefackelte murten 1416. als wiederaufbaumassnahme befreit er die stadt für 15 jahre von allen abgaben an seinen hof. zudem dürfen die murtemer nun auf dem lokalen wein eine eigene steuer erheben. 1430 ist es soweit: murten hat sich finanziell erholt, und ist dabei, die stadt neu zu bauen.

wer nun auf strohdächer verzichtet, kann subventionierte ziegel beziehen. und wer vor dem haus keinen vorgarten mehr hat, dafür den raum mit lauben überdeckt, erhält von der stadt verbilligten kalk. damit ändert sich das bild rasant: das holz gehört der vergangenheit an, arkaden mit verputzem gemäuer und häuser mit richtigen dächer beginnen die stadt zu prägen.

bild-215.jpgunter europäischer aufsicht

seit 1353 war murten nicht nur savoyisch, sondern auch zugewandete stadt der 8örtigen eidgenossenschaft. diese eidgenossenschaft war seit 1439 im ersten bürgerkrieg untereinander. zürich wollte sich ab und wieder habsburg zuwenden. das tolerierten die übrigen verbündeten nicht, und sie besiegten die stadt zürich. dabei stieg bern zum eigentliche vorort in der eidgenossenschaft auf.

am ende des zürichkrieges veränderte bern auch die verhältnisse im habsburgischen freiburg: der schultheiss wilhelm von avenches wurde gestürzt, und murten nutzte die gelegenheit, offene rechnungen mit dem alten rivalen zu begleichen. zwischen den beiden städte entstand 1448 eine eigentliche fehde mit verwüstungen rund herum, bis die grossen der umgebungen in die unruhen eingriffen:

der könig von frankreich, 1444 sieger über die eidgenossen an der schlacht von st. jakob an der birs, die herzog von burgund, die stadt basel und die eidgenössischen orte erzwangen friedensverhandlungen, die am 16. juli im murtener wirtshaus adler besiegelt wurde. zuerst savoyen, dann aber auch bern und freiburg ratifizierten das schriftstück, ohne dass damit der status von murten zwischen savoyen und eidgenossenschaft genau geregelt worden wäre.

zusehends polarisierte sich die situation: bern, führend über das savoyisch geworden freiburg, beanspruchte nun auch murten zu bestimmen.

bild-239.jpgunter dem einfluss der herzöge von burgund

1469 lag es an amadeus ix., bei seinem besuch in murten, die stadt aufzufordern, mit dem wiederaufbau der stadtmauern aus dem 13. jahrhundert, die bei der feuersbrunst ebenfalls gelitten hatten, zu beginnen. finanziell wollte er sich auch an diesem werk beteiligen. den mauerbau selber erlebte er nicht mehr direkt, litt er doch chronisch an epileptischen anfällen. deshalb über trug er seiner frau yolante die geschäfts des herzogtums. diese wiederum berief 1471 jakob von savoyen, einen verwandten des herzogs, zum grafen von romont und herrscher über die savoyischen gebiete in der waadt. murten huldigte jakob, als die mauern fertig gebaut waren.

doch nicht nur die murtemer bürger interessierten sich nun für den neuen machthaber aus romont. auch der herzog von burgund, karl, wandte sich 1473 an ihn. um seinen plan, könig von burgund, ja kaiser des römischen reiches zu werden, realisieren zu können, suchte er einen sicheren weg vom ärmelkanal nach rom. und der führte idealerweise bei pontarlier über den jougnepass und bei martigny über über den grossen st. bernhard. romont lag da strategisch günstig dazwischen. und so befördert herzog karl den savoyer jakob, graf von romont und herr über das aufstrebende murten, zu seinem grossmarschall und damit zu seinem stellvertreter am burgundischen hof.

bis die städte bern und freiburg dagegen intervenierten … mehr dazu später!

stadtwanderer

fotos: stadtwanderer

bild 1: pitoreskes murten heute

bild 2: laubenimpressionen heute

bild 3: hotel adler heute

bild 4: mauerbau heute

die unüblichste museumsführung aller zeiten

wer kennt das nicht: der geschichtslehrer monologisiert über die heroischen zeiten der eidgenossen, als sie noch schlachten gewannen. und wenn würde es nicht reizen, sich am 532. jahrestag der schlacht von murten sich durch den stadtwanderer durch die grosse burgunder-ausstellung führen zu lassen.

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mein thema: bern im spannungsfeld zwischen karl dem kühnen und adrian von bubenerg

früher war es fast wie jetzt im fussball: wer nicht der eigenen mannschaft hilft, ist ein verräter. und wer in der schule nicht mit den eidgenossen mitfieberte, sei es im morgarten, in laupen, in sempach, in näfels, in grandson, in murten, in dornach, an der calven und in novarra, der galt als schlechter schweizer.

heute ist das alles offener: historische optiken werden hinterfragt, dafür ist der perspektivenwechsel gefragt; ideologische geschichtsschreibung muss de- und rekonstruiert werden; und es gilt fragen zu beanworten, was geschehen wäre, wenn …

und genau zu diesem grossen experiment lade ich die freunde und freundinnen des stadtwanderers nach bern ein: präzise am 22. juni 2008, um 10 uhr, steigt meine grosse führung durch die grosse burgunder-ausstellung im historischen museum zu bern. sie wird zirka 3 stunden dauern, sodass wir zur mittagszeit, auf die minute genau! 532 jahre nach beginn der schlacht von murten, im kleinen saal zum schlachtengeschehen sein werden.

doch das ist gar nicht das eigentliche ziel meiner führung. dieses folgt der ausstellung über karl den kühnen, dem verlierer der schlacht, der wenigstens posthum dieser tage bern nach den regeln der werbung eingenommen hat.

ich möchte sie in die mittelalterliche geschichte burgunds einführen, zeigen, wie die vier berühmten valois-herzöge von burgund, von denen karl der letzte war, in dijon, brügge und weiss ich wo gelebt, hof gehalten und kunstfördernd gewirkt haben, wie sie europäische politik betrieben, und wie sie den krieg als unmittelbare fortsetzung ihrer interessen verstanden.

in diesen krieg für eine neuartiges kaiserreich in europa mischten sich bekanntlich auch die alten eidgenossen ein, – und sie gewannen auf fast schon wunderbare art und weise am grünhag bei murten die entscheidungsschlacht, die in die weltgeschichte eingehen sollte. das blieb nicht ohne folgen: man wurde reich, und die politik war gefordert, eine beuteverteilordnung zu erstellen, aus der unsere bundesverfassung herausgewachsen ist!

wenn sie also interessiert sind, auf meine reise durch die lokal-, nationl- und kontinentalgeschichte mitzukommen, wenn sie eine wertesynthese aus bernburgund und burgunderbern nicht scheuen, dann melden sie sich bei mir an: denn wir wollen mehr sein als in all den fussballstadien der euro ’08

und seien sie am 22. juni 2008 um 10 uhr pünktlich in der fan-meile des berner historischen museums. denn wer zu spät kommende, der wird an der beute nicht beteiligt!

stadtwanderer

wenn bernfans burgunderfans werden

baernfan.gifeigentlich war eine private führung meinerseits durch die grosse burgunder-ausstellung geplant. doch dann wurde der kleine kreis der zuhörerInnen immer grösser, bis …

ich hielt heute morgen punkt 10 uhr im foyer des berner historischen museums die rede, die ich gestern auf dem “stadtwanderer” entwickelt habe. prompt vergrösserte sich mein anhang geladener gäste. das war zwar nicht vorgesehen. unangenehm war es aber auch nicht!

im ersten stock erzählte ich dann spontan über die familie der herzöge von burgund und merkte, wie sich der kreis der interessiert horchenden von saal zu saal vergrösserte. bei den ausführungen zum treffen von herzog karl mit kaiser friedrich war der anhang schon ganz ordentlich, sodass ich lauter sprechen musste. als ich dann im grossen saal mit den prächtigen burgunder-tapisserien die osterfeier von karl in der lausanner kathedrale inszenierte, hatten ich das publikum endgültig auf meiner seite.

schliesslich wurde ich gefragt: “werter herr longchamp, wo kann man sie für solche führungen buchen?” – ich antwortete, das sei eigentlich privat. man gab mir zu verstehen, das habe man an der rezeption auch schon gehört. dennoch möchte man eine ganze führung erhalten.

so sag ich’s auf diesem weg: wenn sie wollen, schreiben sie dem stadtwanderer! wenn ich zeit finde, mach’ ich das noch das eine oder andere mal. zum beispiel während der euro 08, da ziehe ich kulturelle veranstaltungen dem biergelage ohne lernwert vor.

und: es macht mir spass, wenn aus bärnfans nun auch burgunderfans werden!

stadtwanderer

PS:

Die Spezialseite von Radio DRS zur Burgunder-Ausstellung mit vielen O-Tönen

wenn zeitalter sterben

keine hat sich so stark mit dem burgundischen lebensgefühl beschäftigt wie der niederländer johan huizinga. mit dem “herbst des mittelalters” prägte der kulturhistoriker aus leiden unsere vorstellungen einer epoche, genauso wie er das bild ihrer markanten repräsentanten, den herzögen von burgund, zeichnete.

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jan van eyck: die madonna des kanzlers rolin (um 1437, heute im louvre, paris)

“herbst des mittelalters” erschien unmittelbar nach dem ersten weltkrieg, der mit seinem stellungskrieg zwischen deutschen und franzosen schrecklich viele tote in einem grausam geführten krieg gebracht hatte. auch wenn die herzöge von burgund alles andere als zimperlich waren, ihr verständnis von macht und herrschaft war nicht das der generäle über den maschinengewehren des frühen 20. jahrhunderts.

mit den herzögen von burgund verbindet man seit johan huizinga zurecht vor allem das höfische leben. die schöne illusion ist es, was die menschen von damals trieb. dabei mischten sich asketische weltabgewandtheit einerseits mit ein draufgängerischer lebensgier anderseits.

genau diese schöne illusion suchte huizinga in seinem “herbst des mittelalters”, einem standardwerk der kulturgeschichte, mit quellen aus literatur und kunst aufzuzeigen. maler wie jan van eyck wurden dabei neu interpretiert.dessen werke sind nach huizinga nicht mehr nur der frühling vor der neuzeitlichen renaissance. vielmehr sind sie die vollendung des mittelalterlichen herbstes, der dabei verblühte.

melancholie und schwermut in der kunst mischen sich nach johan huizinga mit genuss- und prunksucht im höfischen leben. das ist für den kulturhistoriker typisch, wenn epochen sterben und der horror vacui, die angst vor der kommenden leere, entsteht. mit dieser these im hinterkopf liefert huizinga das portrait der epoche, in der die herzöge von burgund als vollendung der kultur erscheinen.

bis heute gilt herbst des mittelalters in der literatur als preisgekröntes standardwerk. das in zahllose sprachen übersetzt wurde. derweil meckern viele fachhistoriker seit seinem erscheinen unverändert an diesem unkonventionellen geschichtsbuch herum. eine einfühlsamere interpretation des lebensgefühls, mit dem karl, der arbeitsam und kühn zugleich war, gelebt haben könnte, habe ich bei ihnen aber nicht gefunden.

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mehr über johan huizinga

mehr über jan van eyck

meine morgige rede vor der burgunder-ausstellung

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als im 5. jahrhundert unserer zeitrechnung das römische reich nördlich der alpen unterging, liessen sich verschiedenen germanenstäme – zuerst die burgunden, dann die alamannen und schliesslich die langobarden – im gebiet der heutigen schweiz nieder. das erkennt man heute noch an der sprache: die burgunden und die langobarden nahmen die lateinische lebens- und ausdrucksweise an, und ihre nachfahren in der romandie und im tessin sprechen heute französisch und italienisch, während sich die alamannen der latinità verweigerten; sie sprechen heute noch ihre mundart und schreiben leidlich deutsch.

das mittelalterliche königreich burgund

über die drei wandervölker errichteten seit dem 6. jahrhundert die franken, ebenfalls latinisierte germanen, ihr grössen königreich, das im jahre 800 die nachfolge des untergegangenen weströmischen kaiserreiches antrat. doch die karolingische herrschaft zwischen den pyrenäen im südwesten und sachsen im nordosten hielt nicht lange: 843 teile man das kaiserreich unter den enkeln karls, und 888 endete die vorherrschaft der legitimen nachfahren. karls reich zerfiel denn auch fast unwiederruflich in eine westfränkisches resp. ostfränkischen königreich und in ein mittelreich mit achen im norden und rom im süden. doch auch dieses schmale und lange landstück hielt nicht zusammen: es zerfiel in die königreiche lothringen, burgund und lombardei.

burgund, das war nach im 10. jahrhundert das gesamte rhonetal von der mündung ins mittelmeer hinauf, mit den wichtigen zuflüssen saône und doubs jenseits des juras und das aaretal diesseits bis hin zur reuss. so wichtig für die christianisierung nicht nur der eliten, sondern auch der bevölkerung dieses zeit war, so instabil blieb die herrschaft der burgundischen könige, bischöfe und klöster gegenüber dem aufstrebenden adel. 1032 vererbte der letzte burgunderkönig rudolf iii. sein restreich dem römischen kaiser, der seit 962 wieder ostfranken samt lothringen und über italien herrschte.

burgund und das mittelalterliche kaiserreich

drei grosse dyastien hat das kaiserreich im hochmittelalter gesehen: zuerst die römisch geprägten ottonen, dann die teutonisch inspirierten salier und schliesslich die schwäbischen staufer, die zwischen überzeitlich-christlichen universalimus und frühem nationalismus hin und her gerissen waren.

1250 starb der letzte staufer, kaiser friedrich II. mit seinem tod stürzte das kaiserreich in eine grosse krise, die den übergang zum spätmittelalter markierte. das reich zerfiel in unzählige rivalisierende einheiten: mittelgrosse bistümer, kleine grafschaften und städtebündnisse. zuerst gabe es nur auswertige könige, bis sich drei konkorrierende adelshäuser im reich etablierten: die habsburger, natürlich, die luxemburger, verbunden mit dem erbe des hauses böhmen, und die wittelsbacher. sie wechselten sich bis mitte des 15. jahrhunder in der herrschaft über das reich ab, das sich nun heiliges römischen reich nannte, aber nur noch nördlich der alpen anerkenung fand.

vorerst am erfolgreichsten ist das haus luxemburg-böhmen. heinrich vii., karl iv. und sigismund i. waren drei kraftvolle kaisergestalten des spätmittelalters, die bestrebt waren, das zerfallene kaiserreich neu zu ordnen. indem sie es vom ersonenbezogenen feudalwesen der vielen kleinen hin zum territorial und institutionell definierten reich der grossen überleiteten, – ein prozess, indem die frühe eidgenossenschaft ebenfalls vom losen bündnissystem zum räumliche geschlossenen autonomen gebiet im kaiserreich entstand.

einem wesentlichen moment dieses prozesses – dem krieg zwischen den eidgenossen und den herzögen von burgund – nimmt sich die gegenwärtige sonderausstellung im historischen museum zu bern an. sie ist gerade für schweizerische verhältnisse speziell: denn in der traditionellen geschichtsschreibung betonte man liebe gerne den sieg der bäuerlichen eidgenossen über die überheblichen herzöge auf brügge. die jetzige ausstellung kehrt die perspektive um: uns vorgeführt wird die welt der reichen fürsten, die an einer neuordnung europas im geiste des zerfallen karolingischen reiches rangen. und wenigstens für eine sommer sind sie die neuen herren von bern!

der griff der herzöge von burgund nach königs- und kaiserkrone

um zu verstehen, wie es nach griff zur kaiserkrone durch die herzöge von burgund kam, muss man sich in die 1430er jahre versetzen.

im französischen königreich, das seit bald 100 jahren in einem thronfolgekrieg mit england verwickelt war. normalisierte sich die lage. die herzöge von burgund, damals philipp iii. die, obwohl aus dem gleichen hause der valois wie der französische könig stammend, stramm mit den engländern paktiert hatten, wechselten 1435 das lager. sie hielten nun wieder zu eigenen krone, hatten sich aber eine starke stellung am rande des königtum erarbeitet, denn sie waren in den besitz der reichen flandrischen städte gelangt. dieses gebiete nannten sie nun die niederen lande, derweil ihr kerngebiet um dijon die oberen lander wurden. 1437 starb kaiser sigismund ohne leiblichen nachfolger. seine kronen von ungarn, böhmen und jene der deutschen gingen an den habsburger albrecht III. im westen des reichs gelang es aber den burgundischen herzögen, nun auch lehen auf reichtsgebiet zu erlangen.

402px-karte_haus_burgund_4.pngphilipps sohn, karl, reichte das jedoch nicht. als er mit 33 herzog wurde, strebte er nach höherem. neben besitz und macht wollte der ambitiöse herzog auch ehre. er reklamierte vom kaiser die burgundische königskrone, die dieser zwischen 1032 und 1378 getragen hatte. denn ihm schwebte vor, das fränkische mittelreich, das im 9. jahrhundert in den vielen erbteilungen so kläglich zerfallen war, wieder herzustellen. am liebsten hätte er von seinem herzogtum aus bis an die nordsee und bis nach rom und so über die städte in flandern und der lombardei regiert. denn das hätte ihm die aussichten verleihen, der glaich auch neue kaiser zu sein.

mit dem amtierenden kaiser, friedrich III., einem habsburger traff er sich 1473 in der ehemaligen römischen kaiserstadt trier. es wurde verhandelt. es ging um titel – und um frauen. friedrich verlangte maria von burgund, karls tochter, für seinen sohn, erzherzog maximilian, dem möglichen kaisernachfolger. das liess karl zögern, bis die verhandlungen scheitertn. der arme kaiser konnte nicht einmal seine hotelrechnungen bezahlen, als er ging, während der magnat karl mit einem klacks trier verliess. er änderte nicht einmal seinen lebensplan, nur seine strategie.

nun wollte karl, wie damals gaius iulius caesar mit seinem gallischen krieg herr der schlchtfelder werden. sollte ihm das gelingen, würde er seinen anspruch auf die höchste ehre im reich mit der macht der waffen durchsetzen können. wir wissen es: es gelang nicht! es gelang ihm weder ein burgundisches königreich zu etablieren, noch kaiser zu werden.

der krieg mit den eidgenossenschaft

in diesem entscheidungskampf der burgunderherzöge gegen die habsburger kaiser und die französische könige ging es auch um die pässe über die alpen. diese, von den herzögen von savoyen beherrscht, waren von jeher von strategischer bedeutung für die nord-süd verbindung. die allianz der burgunder mit den savoyern bedrohte jedoch die eidgenossschaft im alemannischen mittelland. vor allem deren westlicher teil war auf den freien durchgang nach genf und von da aus ans mittelmeer aus wirtschaftlichen gründen angewiesen.

um die gefahr militärisch abwenden zu können, arrangierten sich die eidgenossen 1475 mit dem erzfeind habsburg im einem ewigen frieden. die berner führten mit zustimmung ihrer kaiserlichen nachbarn dnach einen präventivkrieg gegen die savoyer durch, der schrecklicher nicht geführt werden konnte.

doch anfangs 1476 schlug karl, der bedrohte herzog von burgund, zurück. er besetzt egrandson, die zentrale bastion der verbliebenen berner im savoyischen. damit mobilisierte er aber die versammelten eidgenossen, die bern zur seite standen, und ausserhalb von grandson das heer von karl dem zu kühnen in einer wilden schlacht in die flucht schlugen.

karl regelte nun seine nachfolge. er unterzeichnete den heiratsvertag seiner tochter maria mit dem kaiser. würde er gegen die eidgenossen gewinnen, würden seine trümpfe steigen, kaiser zu werden. würde er jedoch verlieren, wusste er, dass sein erbe an den nun verwandten kaiser gehen würde. und er verlor nach grandson, wo er sein gut liegen liess, in murten seinen mut. in nancy wiederum, verlor er gegen den lothringischen herzogen renatus schliesslich auch sein blut. das bedeutete das ende stolzen herzöge aus dem hause burgund in der manneslinie.

die eidgenossen machen vorerst kaum territoriale gewinne. sie erhielten die herrschaften von grandson, orbe und echallens zugestanden. den rest, den sie erobert hatten, mussten sie savoyen; 1512 erhielten zwar die militärische oberherrschaft über die freigrafschaft, und 1536 akzeptiere frankreich, dass sich die berner in der waadte bis vor die tore genfs zu lasten der savoyer ausbreiten werden. doch zu einem spätmittelalterlichen staat zwischen könig und kaiser stieg man nicht auf.

die bedeutung der burgunderkriege für die werdene eidgenossenschaft

dennoch sind die burgunderkriege ein konstituierender moment für die werdende eidgenossenschaft. durch die burgunderbeute wurden die eidgenossen erstmals sagenhaft reich. viel geld floss in die armen taschen. und die berühmten burgunderteppiche von karl gehören heute noch der eidgenossenschaft. es gab auch kanonen, denn die berühmte artillerie von karl fiel den eidgenossen in grandson die hände. feldschlangen nannten die infanteristen die geschosse, mit denen sie nicht viel anfangen konnten. mehr bedeuten ihnen dagegen die 3000 marketenderinnen von karl, die im mittelland eine willkommene blutauffrischung waren.

um die beuteverteilung, bei der es zu erheblichen unregelmässigkeiten kam, zu regeln, mussten sich die eidgenossen auch neu organisieren. 1481 schlossen sie das stanser verkommnis, das die gleichberechtigung der um freiburg und solothurn erweiterten 8 alteidgenössischen orte im falle von neuen eroberungen festhielt, über die tagsatzung als eigentlicher militärrat fortan wachen sollte. gemeinsam kämpfte man sich im schwabenkrieg die autonomie im reich, die maximilian 1499 anerkannte.

die siegertypen der burgunderkrieg jedoch hatten keine glück. adrian von bubenberg, der die besatzung von murten leitete, verstarb nur 3 jahre nach der schlacht an der pest. als ritter blieb er anerkannt, für seine anerkennung als staatsmann standen ihm seinen sympathien zu karl im weg. schlechter noch ging es hans waldmann, der den entsatz vor murten leitete. als sich der zürcher bürgermeister anschickte, etwas besseres als seine zünfler und bürger zu sein, enthauptete man ihn. seither regiert das mittelmass die eidgenossenschaft.

das burgunder-erbe in der neuzeit

1493 regelten frankreich und habsburg im friedensvertrag von senlis das grose burgundische erbe jedoch unter sich. das herzogtum burgund ging an frankreich und blieb bis heute dort. die niederlande, die von der herzogin maria beherrscht wurden, kamen mit ihrer heirat mit maximilian an das haus habsburg. der frühe tod von maria bei der jagd liess damit auch in diesem gebieten das burgundische erben im kaiserreich aufgehen.

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johan huizinga, der grossen niederländische historiker, der das spätmittelalter der herzöge von burgund porträtierte, nannte sein werk “herbst des mittelalters“. das macht klar, das mit karl, dem letzten ritter, eine epoche ihre reife vollendung erreichte, ohne weiter zu gehen.

immerhin, karls tocher maria hatte mit maximilian gemeinsam kinder, unter ihnen philipp, später wegen seiner attraktion auf junge frauen, der schöne genannt. er lebte im burgundischen flandern, heiratete juanita aus kastilien und wurde für kurze zeit spanischer könig. nach seinem rätselhaftgen tod übernahm carlos, sein sohn, die königskrone und die ländereien in der neuen welt, bevor als karl v. kaiser des reichs wurde und sagen konnte, in seinem reich, dem kaiserreich der frühen neuzeit, gehe die sonne nie unter.

wo und wie im burgundischen diese sonne aufgegangen war, werden wir nun in der ausstellung über die fabulösen valois-herzögen von burgund sehen. kommen sie mit!

stadtwanderer

bild: das historische museum zu bern, am ende des 19. jahrhunderts durch den berner erziehungsdirektor charles-albert gobat gebaut, dem späteren friedensnobelpreisträger für seine vermittlungen zwischen germanen und romanen, wo gegenwärtig die burgunderausstellung “karl der kühne” stattfindet (foto: stadtwanderer).

karten: quelle

literatur: eine knappe übersicht über die komplexe geschichte Burgunds auf deutsch gibt: Hermann Kamp: Burgund. Geschichte und Kultur, München 2007

adelheids historische tat

p5070477.JPGich weiss, niemand ausser mir hat heute an kaiserin adelheid gedacht. und alle ausser mir haben ihre grosse historische leistung, die sich heute jährt, vergessen. doch ich lass nicht locker: ich kämpfe unverändert für die späte, aber berechtigte einkehr der grossen frau aus bümpliz in unser geschichtsbild!

das erbrecht der fränkischen sippen

das weiss man aus dem geschichtsunterricht: als kaiser karl der grosse, der mit dem fränkischen reich im jahre 800 das weströmische kaisertum wieder aufleben liess, dauert edie freude nicht lange. nach karls tod begannen die querelen unter seinen enkeln, die 843 zur grossen teilung des kaiserreiches führten, und 888 im untergang des karolinigische kaisertums endeten.

eine ursache dafür war, dass die franken kein zeitgemässes erbrecht entwickelt hatten. sie gingen wie zu zeiten der völkerwanderung davon aus, dass eine sippe die königsherrschaft inne habe und in der sippe alle legitimen männlichen nachfahren des königs ein anrecht hätten, seine nachfolge anzutreten. wenn es mehr als einen anwärter hatte, teilte man das königreich in unterkönigreiche auf, die sich nicht selten unter einander bekämpften. so endeten die versuche der franken, dauerhaftes zu schaffen, meist schon schnell.

das neue erbrecht der kaiserlichen familie

962 machten sich die sachsen im norden, vertreten durch ihren könig, otto I., und die langobarden im süden, vertreten durch die königswitwe adelheid, die 951 gemeinsam geheiratet hatten, daran, das neue kaiserpaar zu werden. doch die germanischen sachsen hatten ein ähnliches erbrecht wie die germanischen franken, und die gefahr, dass unter den brüdern und nachfahren von otto I. ein eigentliche sippenstreit um die macht im könig- und kaiserreich entstehen würde, sollte otto bei seinem italienfeldzug umkommen, war real.

adelheid, die burgunderin, kannte seit den zeiten ihres grossvaters ein anderes erbrecht, das auch bei den langobarden fuss gefasst hatte. nur einer, der älteste sohn, sollte erbe des königs und damit auch des kaisers werden können. so vertrat sie auch bei den sachsen die auffassung, dass nur der erstgeborene legitime sohn von otto I. ein anrecht habe, könig der sachen und franken und damit nachfolger von otto I. als kaiser zu werden.

so wurde der kleine otto, vor der abreise seiner eltern nach rom zur krönung, der damals gerade mal 6 jährig war, zum neuen könig der sachsen und franken gekrönt. für den fall, dass otto I. sterben sollte, hätte adelheid als erste frau seit römerzeiten die regentschaft für den minderjährigen könig übernommen; für den fall, dass otto II. beim tod von otto I. volljährig sein sollte, wäre er direkt nachfolger seines vaters geworden.

die grosse bewährungprobe

in der tat kam es dicker als erwartet. otto I. verstarb, bevor otto II. volljährig war. und otto II. verstarb ebenfalls, bevor sein sohn otto III. volljährig war. im ersten fall war es adelheid, welche die regentschaft über das ganze kaiserreich übernahm. im zweiten fall war es ihre schwiegertochter, theophanu, die frau von otto II., die gleiches tat. und weil auch sie früh starb, wurde die schon gealterte kaiserin adelheid noch ein zweites mal regentin, um ihrem enkel otto III. die königs- und die kaiserkrone zu sichern.

damit setzte sich das dynastieverständnis im westlichen kaisertum durch, das nicht mehr auf der sippe, sondern auf der familie angelegt war. und es etablierte sich der friedlicher eübergang von einem herrscher zu andern, als dies noch in den wilden zeiten der fränkischen mero- resp. karolinger der fall war. nur dank der doppelten standfestigkeit von kaiserin adelheid.

vater eines destabilisierte resp. mutter eines stabilisierten europas

in den schule lernt man, karl den grossen, als begründer europa, zu verehren. doch ihm gelang es nicht, eine rechtsordnung zu schaffen, die das kaisertum auf dauer sicherte. es war eigentlich adelheid, welche mit ihrer heirat nach sachsen, den römischen gedanken der geregelten nachfolge unter herrschern in die sitten der germanischen franken einbrachte. eigentlich sollte sie als garantin stabiler strukturen in europa geehrt werden.

und anlass dafür wäre heute gewesen. denn den entscheidenden schritt tat die grosse burgunderin am 7. mai 961, als sie die krönung ihres minderjährigen sohnes otto zum einzig legitimen könig von sachsen und franken durchsetzte. nicht schlecht, für meine vorzeige-bümplizerin! aus dank dafür gehe ich grad ins alte schloss bümpliz ein bier kippen, das an der stelle steht, wo früher die burgundischen pfalz war, in der adelheid möglicherweise geboren wurde.

stadtwanderer

serie über die kaiserin adelheid

war sind die longchamps katholisch?

der heimatort der familie longchamp ist malapalud, – ein verträumtes nest, mitten in der waadt. unter bernischer herrschaft (1536 bis1798) gehörte malapalud zu echallens. zwischen 1476 und 1536 war echallens eine bernisch-freiburgische vogtei („gemein(sam)e herrschaft“). 1475 war es durch bernische truppen erobert und im zentrum arg zerstört worden. vor 1475 war man in echallens burgundisch, gehörte den grafen von chalons, die sich ab 1407 über den jura hin ausdehnten. denn man strebte nach oberitalien, und der weg über den jura führt schnurgerade über echallens.

die katholische kirche war damals in einem fürchterlichen zustand. den papst in rom gab es seit 1307 nicht mehr, als bonifatius VIII. nach der ganzen macht in europa gegriffen hatte und einem attentat zum opfer gefallen war. der neue papst wohnte danach in französischer obhut im südburgundischen avignon. die grosse pest von 1347 tat das ihrige, denn die vielen toten liessen den glauben in die schutzmächte aller art schwinden. und als der papst von avignon 1378 wieder nach rom ging, kam es zu eklat: der genfer graf wurde zum gegenpapst und ging seinerseits wieder nach avignon, – und die christenheit war ab jetzt zerrissen zwischen der französischen und der deutschen variante der katholischen kirche. bis 1417 dauerte die spaltung, das grosse abendländische schisma der katholischen kirche, und das kirchenleben zerfiel in dieser Zeit vielerorts. Vollends verwirrlich wurde die situation 1439, als man den damaligen herzog von savoyen, amadeus VIII., ein vater vieler Kinder, in basel zum gegenpapst Felix V. kürte. glücklich wurde dadurch niemand!

eern eroberte 1475 gemeinsam mit freiburg das burgundische echallens. ss ein präventivschlag, wollte man doch dem drohenden karl dem kühnen seine bastion in der waadt wegnehmen. im grossen burgunderkrieg schlugen die vereinten eidgenossen den burgunder herzog in grandson und murten. 1477 starb er in der schlacht von nancy, und burgund kam per erbschaft ans haus habsburg. erzherzog maximilian hatte noch rechtzeitig marie von burgund, die tochter des kühnen, geheiratet. bern und freiburg, welche die ganze Waadt erobert hatten, durften diese jedoch nicht behalten, doch die savoyische herrschaft, die danach entstand, war eher formeller natur. 1536, als bern und freiburg unter oberst jean-françois naegeli mit segen von francois I. in den französisch-habsburgischen krieg eingriffen und die savoyische waadt besetzten, leistete diese kaum mehr widerstand.

doch es machte einen grossen Unterschied, ob man 1475 oder 1536 von bern und freiburg erobert worden war. die waadt wurde reformiert, mit ausnahme der vogteien, die bern und freiburg direkt aus den burgunder-kriegen behalten hatten. in diesen war es 1532, als sich reformierte und katholiken im zürcherischen kappel die köpfe einschlugen und die katholiken die oberhand behielten, folgendes beschlossen worden: die Untertanengebiete, die von mehreren eidgenössischen orten gemeinsam regiert werden, können selber bestimmen, welcher konfession sie angehören wollen. und so entschied man sich in echallens, katholisch zu bleiben, das heisst unvermindert zum (letzten) bischof von lausanne, sébastien de montfalcon, zu gehören. diesen gab es kurz darauf nicht mehr, am 21. März 1536 verliess er seinen sitz st. maire in lausanne, und er kehrte nie mehr dorthin zurück.

so blieben die leute von echallens katholisch. auch die leute von malapalud, die von echallens abhingen. und so auch die longchamps. eigentlich sind wir also unvermindert katholische burgunder! genauso wie adrian von bubenberg, vor meinem büro! habe selber 47 Jahre gebraucht, und zu verstehen, warum meine familie katholisch (geblieben) ist, obwohl wir waadtländer sind.

werde möglicherweise noch 47 brauchen, um zu verstehen, warum ich katholisch (geblieben) bin, obwohl ich in bern lebe. a suivre, à l’an 2053!