das wahlbistro der e.generation

der wahlherbst kündigt sich an: zuerst werden in biel/bienne (28.9.), dann in langenthal (26.10.) und schliesslich auch in bern, burgdorf, muri, ostermundigen und worb (alle am 30.11.) die neuen gemeindebehörden gewählt. zu den innovativen projekten bei den diesjährigen berner lokalwahlen gehört die internetplattform www.wahlbistro.ch.

die alte schule
wenn politische parteien auf dem land aufrufen, im “bären” den kandidatInnen für den gemeinderat den puls zu fühlen, ist das noch einigermassen erfolgreich. wenn die gleichen parteien indessen das gleiche in städtischen zentren machen, versagt der mechanismus meistens. die parteien wissen um diese effekte. sie haben ihre wahlkämpfe für grossrats- oder gemeinderatssitzunge in den urbanen gebieten weitgehend auf die lokalen und regionalen massenmedien ausgerichtet.

bei den kandidierenden führt das nicht selten zu zwei kategorien politischer bewerberInnen: die elite, die einen (guten) zugang zu den lokal- und regionalredaktionen hat, und die rest. genau dieser rest beklage sich nicht selten, nicht aufgenommen zu werden, nur verkürzt vorzukommen, oder sich mittels teuren inseraten gehör verschaffen zu müssen. newcomer haben es schwerer als bisherige, jungparteien werden benachteiligt, und kleinere gruppierungen, die lokale schwerpunkte haben, ohne in kantonalen oder nationalen parteien organisiert zu sein, werden so marginalisiert.

die wählenden wiederum wissen, dass es meist eine schicht privilegierter politikerInnen gibt, deren auftritte medial begleitet werden, deren leserbriefe regelmässig abgedruckt werden, und deren chancen, ein politisches amt zu bekommen oder zu behalten erhöht sind. sie wissen auch, dass den grösseren parteien mehr raum gewährt wird, ihre aussagen prominenter auf die wichtigen seiten kommen, und bilder von ihnen mit erhöhter wahrscheinlichkeit abgedruckt werden. von der masse der vielen kandidatInnen, die sich für das amt eines gemeinderats bewerben, wissen sie indessen häufig wenig. und sie bekommen kaum gelegenheiten, diesen umstand zu ändern.

die neue schule
mark balsiger, medienwissenschafter, journalist und seit jahren selbständiger kommunikationsberater in bern, kennt diese ausgangslage bestens. zusammen mit der politologin monika tschumi hat er im vorfeld der berner lokalwahlen ’08, eine innovation in lokalen wahlkämpfen lanciert. das virtuelle wahlbistro wendet sich zuerst an kandidierende aller parteien, die ungefiltert ihre botschaften platzieren wollen. es richtet sich aber auch an politisch interessierte, die sich mit bewerberinnen verschiedenster politischer herkunft auseinander setzen möchten. kandidatInnen können sich registrieren, um dann für sich zu werben. die wählerInnen wiederum können die standpunkte kommentieren; sie sind eingeladen, mitzudiskutieren und so zur meinungsbildung beizutragen.

die laufende debatte dreht sich um das botellon-event in der stadt bern. stadtpräsident tschäppät hat hierzu eine vorgabe gemacht, die von kandidatInnen der sp, der svp, der fdp, der grünliberalen und anderen diskutiert wird.

selber werde ich hin und da ins wahlbistro gehen, ein virtuelles bier bestellen, ein wenig zuhören, was debattiert wird, und vielleicht auch das eine oder andere mal einen übersehenen standpunkt (aus der sicht der stadtwanderer einbringen). drei eigenschaften des wahlbistros haben mich überzeugt:

erstens, die parteipolitische offenheit der plattform
zweitens, die moderation nach ausdrücklichen regeln, die entgleisungen verhindern soll, und
drittens, die kombination mit smartvote, die von jeder kandidatur, die sich profilieren will, einen unabhängiges themenprofil ausgibt.

es würde mich freuen, wenn ich dabei (ausser titus, der schon aktiv ist) auch einigen meiner leserInnen oder kommentatorInnen zuprosten könnte, um sich mit ihnen darüber zu unterhalten, was berns städte in den nächsten 4 jahren brauchen!

stadtwanderer

den pass abgeben

ich habe meinen schweizer pass abgegeben. den alten wenigstens. und einen neuen bekommen, den amerika-tauglichen biometrischen. allerdings nicht ohne umstände!

kernstück des neuen passes ist die biometrisch geeignete passfoto. wenn sie im erfassungszentrum (in bern) gemacht wird, schaut man in einen spiegel, der kopfhaltung und augenposition vorgibt. denn das garantiert, dass die alles entscheidende iris meiner augen ins richtige licht gerückt wird.

um diese neuartige foto zu erhalten, muss man vorerst eine normale passfoto von sich selber machen lassen. am besten bei der einwohnerkontrolle der wohngemeinde. denn nur diese stellt das passgesuch mit allen formalitäten an das regionale erfassungszentrum aus. dort muss man sich jedoch selbständig melden, wenn man behandelt werden will. und eine kontrolle über sich ergehen lassen, ob man in der wohngemeinde vorkontrolliert worden ist.

in meinem fall ging das schlecht aus, denn meine wohngemeinde hatte mich unter einer falschen nummer registrieren lassen. und so wollte man mich im erfassungszentrum vorerst nicht fotografieren.

warum es zu diesem fehlermeldung kam, weiss ich nicht. dafür ist mir unvergesslich, welcher streit zwischen mir und meiner gemeinde dem ganzen vorausgegangen war. denn die wohngemeinde hatte darauf bestanden, meinen alten pass in wohlen entwerten zu lassen, obwohl man den neuen pass nur in bern beziehen kann. da ich mich schlicht weigerte, abschliessend noch einmal vor der einwohnerkontrolle wohlens zu erscheinen, schlug man mir vor, meinen pass sofort entwerten zu lassen. allerdings entnahm ich dem ausgehändigten formular, das man mir ausgehändigt hatte, dass ich keinen anspruch habe, vor 30 arbeitstagen den neuen pass zu erhalten.

also hätte ich meinen schweizer reisepass effektiv abgegeben!

meinen verweis, dass ich dann eigentlich passloser bürger der schweiz, des kantons bern und der gemeinde wohlen gewesen wäre, der vielerorts gar nicht hätte einreisen können, konnterte man in wohlen mit dem vorschlag, ich könnte, nun wiederum in bern, für diese einen notpass beantragen gehen.

meine grimasse verriet ganz offenbar, dass ich demnächst mit oder ohne pass abheben würde, sodass man sich stillschweigend darauf einigte, per fax ein gesuch von wohlen nach bern, von der gemeinde an den kanton, von der einwohnerkontrolle an die erfassungsstelle zu senden, mit der höflichst-untertänigen bitte, meinen pass, ausnahmeweise!, im berner erfassungszentrum zu entwerten.

was schliesslich auch anstandslos geschah, als man mein falsch gemeldete erfassungsnummer korrigiert hatte, ich in bern erschienen war, mich hatte fötelen und biometrisch registrieren lassen, und 7 tage auf die ausstellung des so heiss begehrten neuen dokumentes gewartet hatte!

so sieht mein alter pass nun wie eine kreuzung aus emmentaler- und edamerkäse aus: aussen rot, innen gelöchert. der rest vergelbt!

ich wiederum sehe im neuen pass so schrecklich wie noch nie in einem pass aus. farblos war man ja schon immer in amtlichen dokumenten. neuerdings bin ich aber auch ganz falsch belichtet abgelegt, und habe ich wegen der verlangten augenpositionen einen ganz steifen blick. im vorauseinlenden gehorsam ist mir dabei das lachen vergangen …

ich habe zwar meine reisefreiheit wieder! ich bin um 260 franken ärmer, aber um eine grenzerfahrung reicher. doch repräsentiere ich ab sofort für alle grenzbeamtInnen jene spezies schweizerInnen, die so lange wie ein tölpel behandelt wurden, bis sie unweigerlich auch so aussehen!

stadtwanderer

der ursprung der geschichte

arena relounch 2008

am 27. august 1993 ging die erste arena-sendung des schweizer fernsehens über die bühne. moderator filippo leutenegger und chefredaktor peter studer freuten sich damals über die gelungene fernsehinnovation, die aus der ewr-streitkultur herausgewachsen war und zum flaggschiff der politsendungen in der (deutschsprachigen) schweiz avancierte. “arena-tauglich” wurde schnell zum eigentlichen qualitätssiegel für politikerInnen, expertInnen und bürgerInnen, die sich bekannt machen und durchsetzen wollten. der am häufigsten geladenen gast war dabei ueli maurer, der erfolgreiche svp-parteipräsident; als quotenträchstigsten duell entpuppte sich die debatte zwischen bundesrätin eveline widmer-schlumpf und ihrem amtsvorgänger bundesrat christoph blocher, als sie über die einbürgerungsinitiative ihrer partei debattierten. die geschichte der arena in der schweiz ist denn auch die geschichte des aufstieg der svp in der politlandschaft.

ruedi äschbacher, früher zürcher schwellen-ruedi, heute evp-nationalrat, war an der gestrigen geburtstagparty überigens der einzige politiker der allerersten arena-sendung, der auch persönlich anwesend war. er feierte im studio 1 nicht nur 15 jahre politshow, denn am morgen des ersten arena-abends heiratete er auch, und so war das gestern gleichzeitig auch hochzeitstag für ihn und seine frau.

den rückblick über 15 jahre massenmediales politainment im landsgemeindering am leutschenbach hielt ingrid deltendre, die fernsehdirektorin, für die die sportlichkeit der olympioniken das vorbild für die politikerInnen der schweiz sein sollte. wettbewerb, leistungswille und respekt waren ausgwählte stichworte, die sie gerne in der politischen arena der gegenwart vermehrt realisiert sehen möchte. ueli haldimann, seines zeichens chefredaktor von sf, zeigte auf, wie die fernseharena der zukunft in diesem umfeld positioniert sein wird. moderation, konzept und erscheinungsbild wurden in diesem sommer durchgängig modernisiert. unabhängiger, kritischer und fairer journalismus zum vorrangigen wochenthema sei unverändert gefragt. dabei sollen alle relevanten standpunkte zugespitzt geäussert werden können, denn das rechtfertige auch inskünftig den luxus, am freitag abend zur besten zeit eine sendung zur schweizer politik zu machen.

anschilessend konnten die 150 geladenen gäste (darunter auch der stadtwanderer, der bei der gepäckaufbewahrung die nummer 1 als quittung erhielt!) das neue arena-studio erstmals besuchen. schon auf den ersten blick wirkt es heller, farbiger und leichter. es ist auch transparenter, flexibler und kleiner als das bisherige, und es soll, von marianne gilgen geführt, reto brennwald die plattform für den politischen hosenlupf der woche bieten. das publikum wird näher am geschehen sitzen, aussenstehende können zugeschaltet werden, und auf der arena-website wird man nach der sendung, die weiterhin 75 minuten dauern wird, das thema weiterdiskutieren und mit eigenen videobotschaften anreichern können.

die ganz grossen streithähe der jüngsten vergangenheit in der schweizer politik fehlten gestern. christoph blocher, vreny spärri, peter bodenmann und franz steinegger kamen nicht zum relaunch der sendung, die ihre populärität gestärkt hatte. dafür wirkt die feier in den abgedunkelten, mit vielen blumen geschmückten studiohallen fast schon familiär. für erheiterung sorgte art furrer, der den journalismus mit dem wein verglich. es sah nur gemeinsamkeiten: ist er gut, findet er automatisch nachfrage. bietet man indessen nur fusel an, braucht man weder das ein noch das andere!

na denn, adieu alte arena, prost neue arena!

stadtwanderer

foto: stadtwanderer

die definitionsmächtigen

nicht ganz zuunrecht fragt fabian schäfer in der heutige berner zeitung nach, wie man eigentlich zur einteilung von metropolitanregionen kommt. nicht ganz überraschend stellt er bei seiner recherche fest, dass es nur weiche kriterien gibt. den fachleute ist das schon länger klar, denn sie wissen um die definitionsmacht von architekten, raumplanern und politikern bei ihren planspielen. eine rekonstruktion der so entstandenen realitätsdefinitionen durch den stadtwanderer.

die verschiedenen modelle der metropolitanregionen

23. september 2005: man trifft sich in biel/bienne. die einladung hat espace mittelland verschickt. zwei sachen werden diskutiert: aus dem kantonsverbund zwischen bern, solothurn, freiburg, waadt und wallis, den elisabeth zölch als regierungsrätin lanciert, aber nie zum funktionieren gebracht hatte, wurde ein einfacher verein interessierte fachleute, interessen- und kantonsvertreter. und genau dieser verein. tatkräftig koordiniert durch christian cappis, lancierte vor drei jahren die debatte über metropolitanregionen.
die diskussion der verschiedenen modellüberlegungen zeigte damals, dass es verschiedene definitionen und indikatoren gibt, die zu unterschiedlichen schlüssen führen. so vertrat der münchner professor alain thierstein eine restriktive definition. er kam zum schluss, dass sich aus europäischer sicht in der schweiz zwei metropolitanregionen herausbilden, die nordostschweiz und den arc lémanique. er verwies darauf, dass der berner espace zwischen beiden zerrieben werde, weil er in verschiedener hinsicht nicht das gleiche potenzial aufweise. die gegenteilige position nahm hansjörg blöchlinger von bak economics ein, der für avenir suisse die föderalismusstudie verfasst hatte. er identifizierte mit anderen mitteln in typisch schweizerischer art und weise gleich sechs metropolitanräume in der schweiz: zürich, basel, bern, genf, lausanne und lugano.
nur schon diese gegenüberstellung zeigt, dass experten, die zum gleichen arbeiten, mit unterschiedlichen hilfsmitteln zu gegenteiligen schlüssen kommen, jedenfalls was die einteilung und zuordnung von lausanne, basel, bern und lugano betrifft.
die vom bundesamt für raumplanung bevorzugte variante, die notabene der gleiche verein espace mittelland anfangs 2008 noch vor ihrem erscheinen diskutierte, gleicht auffällig einer dritten grundlage. der gemeinde/städtebericht, den ein interdisziplinäres forschungsteam, inspiriert von den stararchitekten herzog&demeuron, ablieferte. diese lagen in ihrer diagnose näher bei tierstein als bei blöchlinger, unterschieden aber drei metropolitanräume. basel trennten sie von zürich ab und erhoben es zur eigenen zentralregion.

die ketzerische frage
22.august 2008: die berner öffentlichkeit wird ziemlich genau drei jahre nach den expertendiskussionen im raum bern über den raum bern durch die veröffentlichung von bundesbern überrascht.
ich war es nicht, und stelle deshalb eine ketzerische frage: wenn es keine situations- und personenunabhängigen kriterien gibt, wie man das besagte konzept operationalisieren kann, geht es automatisch um die einflüsse interessengeleiteter deutungen. und da ist auffällig, wie sich die studie der basler stars unter den städte- und gebäudebauer und mit ihr die profilierung basels durchgesetzt hat.
oder anders gesagt: fehlt es in bern an grossartigen vordenkern, die frühzeitig spüren, wenn neue konstruktionen der realitäten entstehen, sie massgeblich prägen und die behördliche willensbildung dann auch prägen können? das muss man den baslern schon mal neidlos zugestehen: die definitionsmächtigen der gegenwart hatten sie in dieser sache klar auf ihrer seite!

rekonstruktion durch dekonstruktion von konstruktionen
das jedenfalls konstatiert der stadtwanderer, der sich gelegentlich zeit nimmt, die sachen zeurst vor ort zu erkunden, dann in den modell der experten nachzuvollziehen, und um über die folgen solche analysen für das leben vor ort informiert zu sein.
rekonstruktion von realitäten durch dekonstruktion von konstruktionen nennt sich diese neue disziplin des stadtwanderns!

stadtwanderer

völker, hört die signale!

die berner stadtregierung trat gestern vor die medien. sie zog bilanz. in eigener sache. kommuniziert wurde mit dem demonstrativ geschlossenen fünfer-auftritt zweierlei: so schlecht, wie gelegentlich kritisiert werde, haben wir die sache nicht gemacht. und wir haben die gemeinsame aufgabe, uns für das wohl der stadt einzusetzen.

erlacherhof, sitz des stadtberner regierung, wo man vom museums-image wegkommen will (foto:stadtwanderer)
erlacherhof, sitz des stadtberner regierung, wo man vom museums-image wegkommen will (foto:stadtwanderer)
zu letzterem gehört die positionierung der stadt und ihrer region in der schweiz. bundesstadtregion ist man allemal. die standortvorteile liegen in der politik. vom stadtbild her gibt es gute gründe, die lebensqualität in bern zum plus zuzählen. ökonomisch waren den letzten 20 jahre indessen ein minus. entsprechend haben sich die innerstädtischen probleme gehäuft. die stadtflucht, die in den 80er eingesetzt hatte, konnte zwar zwischenzeitlich gestoppt werden. die stadt will auch wieder wachsen, kaum aber die administrativen strukturen zur führung der region in frage stellen.

die quittung für diese stopp-and-go-politik vorgehalten erhielt die “agglomeration bern” jüngst vom bundesamt für raumplanung. bern sei keine metropolitanregion mit ausstrahlung, hiess es aus dem bundesbern. man rangiere diesbezüglich hinter zürich, genf und basel.

genau das nahm berns stadtpräsident gestern auf: zürich und bern spielten in einer anderen liga, das sei klar. warum basel eine eigene metropolitanregion sei, bern aber nicht, müsse indessen diskutiert werden. denn das rating der raumplaner entstehe aus einer einseitig ökonomischen betrachtungsweise.

und dann kam es: die stadt bern werde ihr eigene lobbying in bundesbern verbessern müssen, liess der stapi verlauten. gut so, sage ich da! und sie werde sich schnell um ein städtenetzwerk kümmern müssen, das von biel/bienne über solothurn, thun bis fribourg reichen solle, um die vorteile der region klarer zum ausdruck bringen zu können. noch besser, füge ich bei.

endlich erwacht, würde ich das in meinen worten bilanzieren. in tschäppäts worten kännte man die gestrige botschaft auch so zusammenfassen: völker, hört die signale!

stadtwanderer

der bericht

herbstsaison des stadtwanderers

der morgen ist wieder neblig. wirklich heiss wird es tagsüber nicht mehr. dafür dunkelt es abends früher, als einem lieb ist. das alles sind untrügerische zeichen, dass der sommer vorbei geht. für das stadtwandern heisst das: auf zur herbstsaison des stadtwanderers!

impression aus der berner altstadt (foto: stadtwanderer)
impression aus der berner altstadt (foto: stadtwanderer)

am donnerstag setzen meine führungen durch bern wieder ein. der auftakt ist prominent: am 28. august führe ich 30 rektoren und rektorinnen der schweizer universitäten, der fach- und pädagogischen hochschulen durch bern. sie haben ihr jahrestreffen hier und lassen sich im abendprogramm auf einen rundgang durch die stadt ein. in der krone gibt es anschliessend ein stadtwanderer-dinner. organisatorin ist sonja rosenberg, die generalsekretärin der cohep.

am 3. september geht gleich weiter. das ganze zürcher obergericht, von der telefonistin bis zum gerichtspräsidenten, macht sich auf zur pirsch nach bern. hier trennen sich die wege je nach interesse: einer führt direkt zu mir und von da an rund herum durch die city an der aare. den apéro gibt es im schwellenmätteli. initiiert wurde das ganze von christine welti.

der 12. september abend gehört der berner suva. unsere nationalversicherer wagen sich mit mir in die sog. unsicheren gegenden der berner altstadt. ich mache die führung als personalausflug, der sympathischerweise ganz in die nähe führt.

schliesslich gibt es ende monat eine international besetzte führung: im vorbereitungsprogramm zur direkte demokratie-konferenz in aarau kommt am 30. september einen delegation journalistInnen aus aller welt mit mir auf die piste. den chapeau für diese tour trägt bruno kaufmann.

der oktober 2008 ist vom stadtwandern her noch etwas vage. projekte habe ich drei am laufen, doch ist noch keines ganz konkret. interessiert bin ich auf jeden fall an einer stadtwanderung in st. gallen zu ehren meiner lieblingsheiligen wiborada, die im jahre 926 die damalige klosterbibliothek vor der plünderung durch die magyaren bewahrte. man stelle sich vor, in st. gallen und überall hier gäbe es keine bücher mehr …

klar ist auch, dass ich bis dann meinen biometrischen pass haben werde und ende oktober in die usa gehe. wanderungen in los angeles, sacramento, denver und selbsredend vor dem capitol in washington sind angesagt. ich werde live über kampagnen, abstimmungen, wahlen und den neuen präsidenten der vereinigten staaten von amerika berichten! (fast) exklusiv für den …

stadtwanderer

der anruf aus hinterkappelen (ein haarsträubender fall für philip maloney)

ich sass in meinem bürostuhl, als das telefon klingelte. die füsse hatte ich dem pult, während meine lippen am wiskyglas klebten. so ist das, wenn man schon länger ohne arbeit ist.

bibliothek hinterkappelen feierte ihr 20 jähriges bestehen (foto: stadtwanderer)
bibliothek hinterkappelen feierte ihr 20 jähriges bestehen

erwartungsvoll hob ich den hörer und sagte einfach “ja”.
– “ist das maloney?”, fragte eine frauenstimme, die ich gerne kennen gelernt hätte.
– “ja”, erwiderte ich, denn das ganze machte mir sofort den eindruck, sich zu einem lukrativen auftrag entwickeln zu können. deshalb schob ich nach: “philip”.
das wiederum hatte ich in einem kurs der regionalen arbeitsvermittlungsstelle gelernt, zudem man mich verknurrt hatte, als ich die letzte steuerrate, die angesichts der schlechten konjunktur in unserer branche übersetzt hoch ausgefallen war, nicht wirklich bezahlen konnte. da hatte man mir gesagt, ich sei jetzt eine ich-ag, und ich müsste versuchen, bei möglicher kundschaft für meine dienste sofort vertauen zu schaffen.
– “mein name ist stadler, marie-louis stadler”, tönte es weiblich-interessant aus dem apparat. das bewies mir, das man sich näher kam.
– “schön, und was kann ich für sie tun?”, fragte ich nach. das machte schon früher so, als ich noch nicht staatlich ausgebildeter arbeitsloser detektiv war. denn hie und da hatte auch das zu aufträgen geführt.

schauspieler michael schacht leiht philip maloney seine unverwechselbar gewordene stimme (foto: stadtwanderer)
schauspieler michael schacht leiht philip maloney seine unverwechselbar gewordene stimme (foto: stadtwanderer)

– “ich möchte sie engagieren, maloney!”
umgehend war ich überzeugt, dass mein unwiderstehlicher köder in der amtlichen anordnung gewirkt hatte.
– “um was geht es denn?”, versicherte ich mich, um nicht ungesehen in einem unlösbaren fall zu rasseln.
– “ich bin bibliothekarin”, bekam ich fast schon einladend zur antwort. das befügelte meine phantasie sofort: ein fall für mich, sagte meine innere stimme, denn seit meiner jugend habe ich alle kriminalgeschichten mit privatdetektiven gelesen, welche die gesamte weltliteratur bietet. das hatte es mir erlaubt, mich so zu positionieren, wie das seit neuestem auch bei uns heisst, dass mir kein kollege in die quer kommen würde. genau genommen, hatte mich das zwar nicht reich, aber berühmt gemacht. den maloney zu engagieren, ist seither eine geschichte für sich.
– “und wo steht ihre bibliothek?”, erkundigte ich mich. denn ich wollte wissen, mit welchem studienkollegen aus den zwei semester, in denen ich juristerei studiert hatte, ich kontakt aufnehmen sollte. die meisten waren heute bei der presse – nicht unbedingt mein fall – und die musste ich unbedingt für mich beginnen. eine reportage in der lokalzeitung erhöht die aufmerksamkeit und kann das geschäft eines privatdetektiven beleben.
– “in hinterkappelen”, erhielt ich unvermittelt zur antwort.
meine hirnzellen, die den gestrigen abend an der bar überlebt hatten, wurden ohne verzug aktiviert.
– “das ist zwischen bern und wohlen”, konterte ich nach einer kleinen kunstpause. “da kann man gut rudern, auf dem wohlensee jedenfalls”, schob ich nach, um ins gespräch zu kommen. denn in gedanken versuchte ich mir vorzustellen, wie der huber heute aussehen mochte. “örsu”, hatte er sich immer vorgestellt, wenn er zum bier in die studentenkneipe kam. heute ist er, wie ich weiss, chefredaktor bei der bümplizwoche. sollte ich nicht nur ins gespräch, sondern auch ins geschäft kommen mit der frau stadler, würde ich den huber gleich kontaktieren, ihn für meine person interessieren und ihn bitten, meine telefonnummer gleich neben dem foto von mir zu plazieren. zwei oder drei anfragen müssten schon herausschauen, um die horrenden rechnungen für das hotelzimmer bezahlen zu können, das ich mieten würde, um den fall der bibliothekarin zu lösen.
– “und was geht schief in ihrer bibliothek?”, trieb ich das acquisitionsgespräch nun auf die spitze.
– “nichts, gar nichts”, antwortete die dame. ihre stimme, die mir schon so vertraut gewesen war, bekam eine ungewohnt helle färbung.
ich zuckte zusammen, legte das wiskyglas, das ich immer noch in der linken hand hielt, zur seite und hiess meine füsse, wieder am boden platz zu nehmen.
– “was führt sie dann zu mir”, widerholte ich, den grad der verbindlichkeit unserer beziehung, die sich so gut angelassen hatte, mit der tiefe meiner stimme betonend.
– “unsere bibliothek ist sehr erfolgreich. und jetzt soll etwas unerwartetes passieren”, liess mich frau stadler wissen.

schriftsteller roger graf erfand in den letzten 19 jahren an die 300 haarsträubende fälle, die sein maloney zu lösen hatte (foto: stadtwanderer)
schriftsteller roger graf erfand in den letzten 19 jahren an die 300 haarsträubende fälle, die sein maloney zu lösen hatte (foto: stadtwanderer)

– “unerwartetes?”, fragte ich nach, während mein herz schneller klopfte, erste schweissperlen meine stirn schmückten und meine füsse eilends die herumliegenden schuhe suchten, um sich, wie immer etwas gequält, darin aufzumachen.
– “ich kann den intercity von 3 uhr am hauptbahnhof erwischen, wenn ich alles gebe. dann bin ich kurz vor 5 in hinterkappelen. reicht das?”
– “wunderbar, unsere bibliothek wird nämlich heute 20 jahre alt. und das wollen wir feiern. zu gerne hätte ich eine lesung mit roger graf und michael schacht organisiert. man kennt sie in hinterkappelen vom radio. doch ich kann die beiden, die jung und alt jeden sonntag mit ihren kriminalgeschichten erfreuen, nicht ausfindig machen. da habe ich gedacht, das ist ein fall für maloney.”
wirklich widersprechen konnte ich bei der stringente logik meiner neusten mandatin nicht. und so resümierte ich für mich: einen tag in bern, kein fremdes hotelzimmer, nicht schlecht! kontakt zu huber, dem kollegen aus studentenzeiten, ganz gut! und werbung auf der frontseite der bümplizwoche, ohne eine einzigen fall lösen zu müssen, genial!
– “sie können mit mir rechnen”, sagte ich marie-louise stadler. ich werde in meine geheimsten datei nachschauen und sie informieren. notfalls bringe ich das gewünschte gleich selber mit. schauen sie, dass es ein paar leute hat, wenn die jungs in ihre bibliothek kommen, um das haarsträubende missverständnis des philipp maloney zu lösen. so geht das!

stadtwanderer

marie-louise stadler, michael schacht und roger graf haben sich tatsächlich in hinterkappelen getroffen (foto: stadtwanderer)
marie-louise stadler, michael schacht und roger graf haben sich tatsächlich in hinterkappelen getroffen (foto: stadtwanderer)

roger graf und michael schacht treten heute, dem 24. august 2008, um 17 uhr an der 20-jahr-feier der bibliothek in hinterkappelen auf. ihr “philip maloney”, selber erst 19, freut sich, das publikum jeden alters zu beglücken.

bern grollt

die publikation des raumberichtes durch das bundesamt für raumplanung diese woche versetzt bern in schrecken: die schweiz habe drei metropolitanregionen, hiess es da. zürich, basel und genf gehörten dazu, nicht aber bern. das werde konsequenzen bei überregionalen investitionen haben, suggerierte der bericht. und das liess die kantonsregierung nicht kalt; sie interventierte umgehend beim bundesrat.

metropolitanregionen der schweiz, gemäss bundesamt für raumplanung (2008)
metropolitanregionen der schweiz, gemäss bundesamt für raumplanung (2008)

der eiertanz, eine eigene metropolitanregion zu werden
um es gleich klar zu machen: auch ich zweifel ein wenig, ob bern eine metropolitanregion von europäischen zuschnitt ist. dafür fehlt es geografisch gesprochen einfach an einer stark verdichteten grossagglomeration! bern ist für mich eher ein städtenetz, mit der kantonshauptstadt als grossstadt im zentrum, einer reihe vom mittelstädten in der näheren umgebung (biel/bienne, fribourg/freiburg, solothurn und thun), die ihre jeweiligen regionen bestimmen, aber kein übergeordnetes ganzes bilden. die bedeutung der grossregion bern ergibt sich daraus, sitz der hauptstadt und damit das politische zentrum zu sein.

die bisherigen klassifikationsversuche führten für die schweiz zu zwei, drei und fünf metropolitanräumen. je nachdem ist der raum bern dabei oder eben nicht. die offensichtliche schwäche der grossregion ist die internationale vernetzung. bern fehlt es an einem flughafen. das hat für die lebensqualität bisweilen vorteile, für die überregionale wirtschaftsentwicklung ist es aber sicher nachteilig. entsprechend fehlt es in bern an eine wirklichen potenzial für ökonomische innovationen, die von einer produktiven universität mit weltweit hohem renomée getragen würden. einiges davon spricht für einen vorrang zürichs, basels oder genfs.

andere indikatoren, die zur bestimmung von metropolitanregionen beigezogen werden können, sprechen aber eher von bern: die politischen kontrollen, die von der bundesstadt und der hauptstadt des zweitgrössten kantons ausgehen, sind höher, als in genf oder basel, deren regionale territorialbildung historisch gesehen misslang. zudem verfügt bern über zahlreich sportliche und kulturelle zentren, welche die grossregion attraktiv machen. stade de suisse und paul klee museum lassen seit einigen jahren grüssen.

die schweiz: eine metropolitanregion ohne wirkliche metropole

je nach gewichtung solcher definitionsmerkmals fallen die klassifikationen der schweizerischen räume anders aus, als es die raumplaner des bundes tun. sie selber scheinen zu schwanken, führen sie doch nebst den städtenetzen wie jene der ost- oder zentraleschweiz resp. am jurabogen für bern eine eigenen kategorie ein: das städtenetz der hauptstadtregion.

die kritik an solchen typisierungen kann man sogar soweit treiben, die nützlichkeit des konzepts, das von deutschland aus in die schweiz drängt, für unser land ganz zu hinterfragen. wahrscheinlich ist die schweiz eine einzige metropolitanregion, deren besonderheit es ist, keine wirkliche metropole zu haben!

städtenetze der schweiz, gemäss bundesamt für raumplanung (2008)
städtenetze der schweiz, gemäss bundesamt für raumplanung (2008)


die undiskutierte politische implikation

angesichts unklarer eignung und umstrittener einteilungen überrascht die knallharte politische schlussfolgerung des berichts erheblich. sie unterstellt, dass nur noch dem gegeben werden sollen, der schon habe. sicher ist es richtig, die grossregionen der schweiz anzuhalten, ihre hausaufgaben selber zu machen, das heisst für innere dynamik und für wachstum besorgt. doch wirkt der schluss, nur dort zu investieren, wo es genuine prosperität gibt, fast schon unschweizerisch: wären wir ein land, das zehn mal grösser wäre und nur drei zentren hätte, würde der ansatz der raumplaner noch eher nachvollziehbar.

die schweiz hat ihren international hohen standard in der wirtschaftswelt und der wissensgesellschaft nicht dadurch erreicht, auf ein national überragendes zentrum zu setzen. vielmehr hat man historisch betrachtet immer versucht, die kleinheit der verhältnisse zwischen boden- und genfersee auszunutzen, um im verbund der vielheiten stärken zu entwickeln, die einander ergänzen und wegen den geringen distanzen meist auch einfach untereinander ausgetauscht werden können. gerade die vernetzung ist es denn auch, welche die schweizer metropolitanregionen kennzeichnen: der raum lugano ist hochgradig in die metropole mailand integriert, oder basel lebt davon eine der oberrheinischen region mit strassburg in der mitte zu sein.


provokation nicht defensiv abwehren, sondern offensiv verarbeiten

in bern sollte man die provokation der raumplaner produktiv aufnehmen: als zeichen dafür, dass kantonspolitik nicht einfach innerkantonaler interessenausgleich sein darf. dass stadtpolitik nicht einfach im spiegel der umliegenden 30 kilometer beurteilt werden kann. vielmehr gilt es zu fragen, welche potenziale wie die universität und die fachhochschulen fitter gemacht werden müssten, um mehr für die entwicklung der grossregion, ihre positionen im wettbewerb mit andern zu stärken und die internationale ausstrahlung zu erhöhen. es müsste gezeigt werden, was die zusammenarbeit verschiedenartiger städte dies- und jenseits der sprach- und kulturgrenze für integrationsvorteile gerade in einer zeit hat, in der man auf multikultur setzt. und es gilt sich auf stärken wie die politische administration zu besinnen, die durch die anbindung europäischer institutionen in bern aufgewertet werden, und so zum cluster ausgebildet werden könnte, den man nicht einfach mit einem federstrich relegieren kann!

briefe schreiben ist das eine, perspektive aufzeigen und umsetzen das andere. bern rollt statt bern grollt, ist das zukunftsmotto!.

stadtwanderer

leiche im eis

am anfang steht der heisse sommer 2003. es schmilzt das eis in den alpen. zum beispiel auf der lenk zwischen bern und wallis. auf einem feld von 100 mal 100 meter kommen zahlreiche instrumente und kleidungsstücke zum vorschein. sie sind aus holz, bast und leder. spektakulär ist vor allem ein köcher mit pfeilen. nun weiss man, dass es sich dabei um den ältesten seiner art aus dem alpenraum handelt, den man heute noch hat.

fundstelle auf dem schindejoch (foto: archäologischer dienst)
fundstelle auf dem schindejoch (foto: archäologischer dienst)

diese woche trafen sich in bern 120 spezialistInnen aus den bereichen archäologie und prähistorie, um die fundstücke zu diskutieren. sie staunten nicht schlecht, als sie die ergebnisse der neuen altersbestimmung mit der radiokarbonmethode vernahmen. gefertigt wurden die gegenstände, die man auf dem schindejoch vorfand, vor rund 7000 jahren. damit sind utensilien wohl 1500 jahre älter als angenommen; sie übertreffen sogar die zeit, aus der der 1991 gefunde “ötzi” stammt.
da man in der gefundenen lederhös auch spuren von menschen fand, stellt sich jetzt die frage, wo der “schindi” begraben liegt. denn er könnte noch berühmter werden als der ötzi.
eine hütte auf der passhöhe hat man nicht identifiziert, sodass man nicht nach einer leiche im keller suchen wird. aber man hofft, dass beim nächsten heissen sommer die leiche im eis entdeckt wird.
ein solcher passwanderer wäre dann der älteste vorfahre des stadtwanderers aus dem bernbiet …

stadtwanderer

wo warst du am 21. august 1968?

es gibt momente in der zeitgeschichte, die brennen sich in die menschlichen erinnerung ein, ohne dass sie je vergessen gehen. die niederschlagung der tschechoslowakischen reformbewegung innerhalb der kommunistischen partei, die am morgen des 21. august 1968 sichtbar einsetzte, ist so ein moment.


der prager wenzelsplatz, einem zentrum des widerstandes gegen die auffahrenden panzer aus der udssr, den ich kürzlich besucht habe (foto: stadtwanderer)

nicht nur der schlachtrufe im westen für dubcek und svoboda sind mir unvergesslich im ohr geblieben; ich weiss auch noch genau, wo und wie ich von der einfahrt der panzer in prag erfahren habe.
ich war damals 11 und in der vierten primarschulklasse. am diesem tag hatten wir von 11 bis 12 turnen, draussen, auf der wiese des schulhauses in buchs (ag). leichtatheltik war angesagt: 80 m schnellauf, hochsprung und speerwerfen. in der ersten disziplin war ich gut, der rest ist nicht der rede wert.
am schluss mussten wir, zu unserer überraschung, einen 1000 meter lauf absolvieren. ich habe gewonnen. ich war stolz.
der lehrer schickte die durchschwitzten schüler vor dem mittagessen noch rasch unter die dusche. wir rannten gemächlich zur turnhalle. auf der treppe in die garderobe stand ein 5. klässer, der uns zurief: “es ist krieg, es ist krieg. die russen haben die tschechoslowakei besetzt.”
ich rannte sofort nach hause, wollte wissen, was geschehen war. denn ich verstand nicht, was passiert war. einen krieg hatte ich noch nie mitbegenommen.
zuhause wir hörten nachrichten, 1230 radio drs. danach sagte mein vater, das gäbe ein zweites ungarn.
nun verstand ich erst recht bahnhof! die bedeutung von ungarn ’56 kannte ich damals noch nicht. so dachte ich effektiv, es würde jetzt ein zweites ungarn geben.
ich war als 11jährigen passionierter puzzle-spieler. eines meiner lieblings-puzzles war zur schweiz, mit den kantonen. und ein anderes zu europa, mit den ländern. ich weiss noch genau, wie ich erschrak, als mein vater die anspielung auf ungarn machte. ich hatte angst um mein kindliches zusammensetzspiel von europa, dass es nicht mehr gültig sein würde, weil man die länder neu einteilen und einfärben würde.
die veränderung meines kindlichen weltbildes durch den 21. august 1968 habe sofort begriffen. für das, was damit gemeint war, brauchte ich etwas länger.
und was hat du an diesem tag erlebt, das dir in erinnerung geblieben wäre?
stadtwanderer

was nur geht bei einem botellon ab?

wir hatten jüngste eine intensive und hochstehende diskussion über die ausdehnung des privaten in den öffentlichen raum. meine innere enge bot anlass dazu. mischa, titus, tine, und auch bidu und lisa n. haben sich daran beteiligt.

nun haben wir die fortsetzung geschichte serviert bekommen: das öffentliche besäufnis das für den 30. august 2008 auf dem bundesplatz angekündigt worden ist.

stapi tschäppät hat rasch reagiert: gesundheits- und imageschädigend sei das sog. “botéllon”. die stadt und die teilnehmerInnen würden negativ beeinflusst. das ganze sei bewilligungspflichtig und werde wohl abgelehnt. das demo-reglement reiche wohl, und wenn nicht könne man den notfallartikel bemühen, um die räumung durch die polizei zu mobilisieren.

einen vorwurf kann man den berner stadtbehörden nicht machen. sie haben auf die lancierung des ereignisses rasch und deutlich reagiert. dennoch frage ich mich, was hier sache ist:

. was eigentlich ist ein botellon?
. warum entsteht es?
. was sind die ursachen?
. wer sind die teilnehmenden?
. was sind die motivationen?
. welche erfahrungen hat man andernorts damit gemacht?
. welche umgangsformen der behörden haben sich bewährt, welche nicht?

all diese fragen stellen sich, um das phänomen, das jedenfalls für mich neu ist, überhaupt zu begreifen. denn ohne das fällt es mir schwer zu entscheiden, was ich machen würde, wenn ich stapi wär …

ich meine das ernst!

denn ich erinnere mich, dass man auch bei der euro 08, den gästen aus aller welt, nicht zuletzt aus holland den vorwurf gemacht hat, das sein nicht mehr als ein öffentliches besäufnis. denn ich weiss um die diskussionen über die streetparade, die zwischen öffentlicher verblödung und stadtmarketing hin und her oszillierten. und ich habe ja selber darauf aufmerksam gemacht, dass öffentliches essen und trinken in bern immer beliebter, ja, teilweise sogar politisch gefördert wird, wenn es der gastronomie umsätze bringt.

wer also hilft dem stadtwanderer, sein koordinationsystem zu jugendlichen eskapaden neu aufzuspannen und das neue phänomen “botéllon” kulturell, psychologisch, soziologisch und ökonomisch und marketingmässig zu deuten?

stadtwanderer

das haus der kantone

eigentlich ist und bleibt es das albert-einstein haus. denn hier hatte der physiker im obersten stock sein “büro für theoretische physik”, bestehend aus einer einfachen pultschublade. das pult wiederum gehörte dem patentamt, wo albert eine anstellung als eidg. beamter gefunden hatte, die er während einigen jahren in bern versah.

die koordination der kantonsinteressen gegenüber dem bund
nun ist das statliche gebäude am rande der berner altstadt einem neuen zweck zugeführt worden. “haus der kantone” heisst die speichergasse 6 neu. ein kompetenzzentrum im dienste der kantone ist jetzt, und eingeweiht wurde es gestern.
hier werden sie nun tagen, die konferenz der kantonsregierungen sowie zahlreiche konferenzen der fachdirektionen: zum beispiel jene für erziehung, für finanzen, für gesundheit, für polizei und für soziales. später hinzu kommen sollen bau-, planungs-, umwelt direktionen und die vertreter der öffentlichen verkehrs.

wiederbelebte form der kooperation vor dem bundesstaat
die neue institution im bundesbern ist eigentlich ganz typisch für die schweiz, die im frühen 19. jahrhundert entstanden ist: aus den alten souveränen und selbständigen orten entstanden, als abwehr zum französischen staatsverständnis während der helvetischen republik die themenbezogenen konkordate. es arbeiteten jene kantone, die jetzt alle gleichberechtigt waren, in den bereichen zusammen, in denen sie sich mehr vorteile daraus versprachen. entstanden ist so, die andere, föderalistisch schweiz, die das gegenstück zur zentralistischen auf der übergeordneten ebene darstellte.
wiederbelebt worden ist diese ebene seit den 70er jahren des 20. jahrhundert, seit denen der kooperationsbedarf einerseits zugenommen hat, anderseits die kantonen in die vollzugsabhängigkeit des bundes geraten ist. in den letzten 10 jahren haben new aufgabenneuverteilungen, new public management und sanierungsstrategien die herausforderungen für die kantone erhöht. die volksabstimmung über das steuerpaket 2004, bei der die regionalinteressen erwacht sind, war der eigentliche startschuss für die entwicklung, die jetzt zum bundeshaus der kantone geführt hat.
gestern und heute bin ich, wenn ich die kommentare lese erstaunt, wie viele verschiedene föderalismusverständnisse zum ausdruck kommen.

kritik aus der optik des rückwärtsgewandten kantönligeistes
was eigentlich als stärkung der kantone gedacht ist, um institutionell koordiniert sprechen zu können, wird in der heutigen berichterstattung gelegentlich als der verlängerte arme des bundesrates gegenüber den kantonen kritisiert und als entmündigung der kantone dargestellt.
das ist es wohl, was den föderalismus in der schweiz so kompliziert macht: das doppelte verständnis des zusammenschlusses von ehemals selbständigen wesen in einem grösseren, zentral und dezentral strukturierten verbund einerseits, von autonomen, auf sich selber zurückgezogenen staaten anderseits. kantönligeist ist in der schweiz, leider immer auch etwas rückwärts gewandtes und antischweizerisches, und nicht die suche nach der einheit in der vielheit.
wer weiss, vielleicht inspiriert das ehemalige büro für theoretische physik im obersten stock des hauses der kantone den geist der mitarbeitetenden, dass aus der neuerung ein büro für verbesserte praktische politik wird.

stadtwanderer

foto: licht über dem langen schatten – das neue haus der kantone (foto: stadtwanderer)

platz der urbanen geometrie

mein zug aus bern hält in kerzers. ich muss ihn verlassen, denn er geht nach neuchâtel. ich jedoch möchte ins papillorama. das liegt richtung lyss, wobei der zug dorthin aus payerne kommt.

das ist typisch für den bahnhof kerzers: in der kleinen station gibt es nicht nur weichen, nein, es kreuzen sich zwei bahnlinien richtig gehend. man kann vom süden in den norden, aber auch vom westen in den osten. und auch jede andere kombination ist möglich, denn es hat weichen von norden nach westen und von süden nach osten. jede andere kombination, überfordert mich, selbst wenn es sie geben sollte.

das komplexe schienenkreuz von kerzers ist eine bahntechnische rarität in ganz europa. entstanden ist es 1901. genauso wie das stellwerk dazu. es steht stellvertretend für den übergang des seelandes von gemüseanbaugebiet mit dem grossen moos zu den angebundenen aussengemeinden der hauptstädte berns und neuenburgs.

noch heute werden die schienen aus vier himmelsrichtungen, die sich in kerzers begegnen, durch vier läutewerke symbolisiert. sie stehen unmittelbar vor dem stellwerk und sind unauffällig beschriften. früher kannte man in kerzers ihre unverkennbaren tonlagen, die anzeigten, welcher zug von woher einfahren wird.

die vergangenheitsform in meiner situationsbeschreibung ist notwendig. denn das stellwerk wurde 2004 definitive stillgelegt. seither wird es von einem verein unterhalten. genauso wie seine umgebung, die öffentlich zugänglich geworden ist.

“historisches stellwerk” steht deshalb auf der tafel in der unterführung zum bahnhof. von der passerelle aus, die vormals benutzt wurde, um die geleise überirdisch zu queren, war das sicher viel übersichtlicher. denn vier richtungen ohne tageslicht von unten her unterscheiden zu können, ist nicht immer ganz einfach.

man könnte die kreuzungen, schienen, niveauüber- und untergänge auch als lehrpfad der urbanen geometrie bezeichnen. denn die eröffnet sich einem mustergültig, wenn man den blick, den man als umsteiger oder umsteigerin im untergrund von kerzers hat, die betontreppe hochwandern lässt, um ihn ganz oben, bei der letzten treppenstufe, beim stellwerk mit seinen weissgrauen backsteinen und seinem brauen holzaufsatz enden zu lassen.

wahrlich, ein einmalige platz, auf dem das historische stellwerk kerzers steht!

stadtwanderer

der stedtlibrand

in aarberg ist die welt noch in ordnung. eine stadt ist man nicht, nur eine kleinstadt. und städtli nennt man sie nicht, sondern ganz im regionalen dialekt stedtli. und wenn man in aarberg etwas zum feiern hat, ist das ein stedtlifescht. wie jenes von heute zum stedtlibrand vor 150 jahren.


unter hilfsbereiten kameraden (fotos: stadtwanderer)

geschichte und gegenwart

viel prominenz war gekommen, um an die grösste katastrophe in der stedtligeschichte zu erinnern. so der seeländer bundesrat samuel schmid, aber auch die regierungspräsidentin des kantons, barbara egger-jenzer, waren anwesen.

vorgefahren wurden die ehrengäste in einer kutsche – bis auf den stedtliplatz. ihnen folgten spritzwagen aus früheren zeiten, teils von pferden, teils von traktoren gezogen.
im festzelt musste das organisationskomitee vor dem mehrheitlich einheimischen publikum nicht lange rechtfertigen, warum man zu einem unglück eine feier verstalte. weil man sich für die vorbildliche unterstützung danach allseits bedanken wolle, lautete die präsidiale begründung.
da hackte yvonne pfäffli, eine junge historikerin, welche die spenden von damals aufgearbeitet hatte, schon kritischer nach. nicht alle, die damals ein haus verloren hätten, seien gleichmässig entschädigt worden. so habe der schlosser, der keine werkstatt mehr gehabt habe, 400 mal mehr erhalten als die magd, die nach der feuersbrunst ohne bleibe gewesen sei.
barbara egger zog es vor, über die solidarität von heute zu sprechen. wie werde man die solidarität mit den hochwassergeschädigten der letzten jahre beurteilen, sollte man in knapp 150 jahren auch hierzu eine gedenkfeier veranstalten, wollte sie wissen. an ihr solle es jedenfalls nicht liegen, zu einer positiven bilanz zu kommen, erklärte die sozialdemokratische baudirektorin.
und auch samuel schmid beschäftigte sich mit der gegenseitigen hilfe, die unser staatswesen begründe. feuerwehr, polizei, sanität und zivilschutz seien bei unfällen für die schnelle hilfe zuständig. die armee greife dann ein, wenn das ausmass der schäden gross oder der hilfsbedarf anhaltend sei. der auftrag der armee sei im übrigen entgegen allen kritiken durch zeitgenossen klar, fügte der bdp-bundesrat an. er gelte auch in zukunft, falls man ihr die nötigen mittel hierfür zur verfügung stelle, schob er rasch nach, denn er wusste: im seeland muss er nicht deutlicher werden, da versteht man seine botschaft parteiübergreifend.

das erfolgserlebnis von sämi schmid

richtig stimmung im festzelt kam jedoch erst auf, als sämi, “üse sämi”, wie die meisten in aarberg bundesrat schmid nennen, das manuskript zur seite legte, sich umdrehte, und zu den drei katastrophenhunden samt ihren betreuern sprach, die im hintergrund spalier standen. seine sechs “kameraden”, erläuterte der verteidigungsminister hätten, soeben an der armeeweltmeistschaft die goldmedaille in einzel- wie im teamwettkampf der katastrophenhunde gewonnen. dafür spendiere er schon mal cervelats, wenigstens für die hunde. die überraschend herbei geschafften nationalwürste fütterte der bundesrat den braven armeeangehörigen zur gaudi des publikums gleich selber. sichtlich entspannt genoss der magistrat unter vielseitigem druck die unterstützung, die er in seinem heimspiel erfuhr. nach dem strengen sommer, mit teilweise dünner luft, mochte man ihm die verschnaufpause fast schon gönnen!

unterstützungswelle auch für die bdp?

politisiert wurde am stedtlifescht nicht wirklich. getuschelt wurde aber schon: denn “üse sämi” wurden den ganzen tag “vo siner noie chefin” im stedtli begleitet. beatrice simon, gemeindepräsidentin im benachbarten seedorf und seit kurzem erst kantonalpräsidentin der bügerlich-demokratischen partei, fuhr schon mal keck auf einem der alten spritzwagen sitzend in aarberg ein, fast so, als wolle sie sagen: jetzt bin ich der feuerwehrkommandant, der unterstützung weitherum braucht. 2010, bei den nächsten grossratswahlen, wird man sehen, ob es einen stedtlieffekt im ganzen kanton gibt.

stadtwanderer

weitere informationen hier.

das handwerk des theologen jean-marie

die berner dreifaltigkeitskirche war heute zu recht voll, ohne es wirklich verdient zu haben. symbolträchtig hat die gemeinde den verstorbenen zum abschied symbolisch auf rosen bettet, nicht die institution.


vom missionar zum betenden

eine grosse zahl von menschen verschiedenster herkunft nahm heute abschied von jean-marie vermot. in der todesanzeige stand “theologe und handwerker”. denn das war sein lebenlang seine berufung.
im jura geboren, ist jean-marie im burgundischen aufgewachsen, hat er sich in lyon zum katholischen priester ausbilden lassen, und ist er so gerüstet nach afrika gegangen. im togo war er missionar, wurde generalvikar und damit erster stellvertreter des bischofs.
dann lernte er ruth-gaby mangold, eine ethnologin aus dem solothurnischen kennen. ihre liebe blieb nicht lange geheim. für die katholische kirche war das ein skandal, der jean-marie seinen weg als priester abschnitt.
das paar bekam bald schon ihre erste tochter rebecca, später mit noemi die zweite. es lebte in basel und schlug sich in altersheimen durch, bis die grosse herausforderung kam: die schulstelle dritte welt aufzubauen, um die erfahrungen aus der mission, der entwicklungsarbeit und der kulturbegegnung in die schweizer schulen einzubringen.
jean-marie half auch, das handwerkerkollektiv manus mitzubegründen, um den menschen mit seinen händen helfen zu können. schliesslich entschiedet er sich, wieder nach afrika zu gehen, diesmal in di ebürgerkriegsregion casamanca im senegal, um in der stadt ziguinchor arbeitslose jugendliche zu handwerkern auszubilden und abhängigen coiffeusen schritte in die eigenständigkeit zu ermöglichen. und wieder mit ihnen zu beten. “ich brauche niemanden mehr zu bekehren. ich bin frei, bete jetzt zu allah, meinem gott”, wird er sagen.
im sommer lebte jean-marie jeweils in der schweiz, entwarf projekte, für die er geld brauchte, traf freunde, mit denen er gregorianische choräle sang. bis er erkrankte und kurz darauf 75jährig in bern verstarb, ohne wieder nach afrika gehen zu können.

afrikanische seele

“haleluja, jean-marie” schrieb er als letztes mit schwacher hand und fester überzeugung auf einen zettel, der verlesen wurde und die versammelte gemeinde berührte. vorher hatte silvia jost der trauernden witwe ihre stimme geliehen und den brief zu ihrem gemeinsamen leben gelesen. heinz däpp hatte mit einer geschichte an den gemeinsamen fischfang mit jean-marie erinnert und so den geist des verstorbenen noch einmal aufleben lassen.
“chaque jour une richesse” war jean-maries lebensmotto gewesen. seine liebe zu den menschen war sein ganzes leben. doch brachte ihm seine liebe zu gaby viele probleme im leben. im konflikt mit der katholischen kirche musste der generalvikar den togo verlassen. handwerker im eigentlichen sinne musste er werden, um als engagierter mitmensch in sein geliebtes afrika zurückkehren zu können.

glaubwürdiges engagement und unglaubwürdige institution

die anteilnahme während der heutigen totenmesse war riesig. ihre anwesenheit seiner mitstreiterInnen war eine stützte. in die tiefe trauer mischte sich auch freude über jean-marie afrikanische seele. sie hat seine freunde und freundinnen inspiriert. sie hat schüler und schülerinnen in der schweiz die augen für das leben in der dritten welt geöffnet, und sie den menschen vor ort nicht nur den katholischen glauben, sondern greifbare verbesserungen im alltag gebracht.
das hat jean-marie zum vorbild gemacht, zum glaubwürdigen theologen, der sein handwerk verstand. ganz anders als die katholische kirche, die aus letztlich nicht begründbaren motiven ihre priester daran zu hindern suchte, bis sie ihn ganz verlor.

stadtwanderer

vom blog zum buch?

ein gespenst geht um auf dem stadtwanderer. es hat mir vorgeschlagen, bald einmal “stadtwanderer-buch” zu machen.

drei dutzend gute kurzgeschichten sollten es sein. alles in allem 100 bis 120 schmucke seiten. über berner stadtgefühle müsste ich erzählen. von meinen lieblingsorten sollte die rede sein, und warum burgund in der schweiz liegt, hätte ich zu erklären. selbstredend müsste ich politik und kultur behandeln, das stadtwandern als solches portraitieren, und einiges von mir preis geben.

findet hier die fortsetzung des stadtwanderns statt?
findet hier die fortsetzung des stadtwanderns statt?

ein wichtiges anliegen hat mir der gute verleger auf den weg gegeben: ich muss mehr für eine breiteres publikum schreiben, ohne mich zu verleugnen! wie auch immer man das macht.

selbstverständlich wären die artikel auf dem stadtwanderer die ausgangslage für das stadtwanderer-buch. vor allem jene, die gut angekommen sind, eine diskussion ausgelöst haben, und aufmerksamkeit auf unbekanntes und vergessenes lenken. ein paar originalbeiträge, die es sonst nirgends gibt, sollten auch dabei sein.

ich werde mir demnächst gedanken machen, wie man so ein projekt bewältigen kann. eine spontane auswahl in der heutige kaffeepause hat folgende auswahl ergeben.

hier meine spontanauswahl

mein bern

. endlich hauptstadt
. urs paul engeler kandidiert als berner stadtpräsident
. auch aristoteles wäre für den berner baldachin gewesen
. statt augen

. innere enge

berühmtheiten in und aus bern

. starkermann, gottesmann, kriegermann
. mit adrian von bubenberg duzis gemacht

. albert einsteins berner jahre
. laura bush’s berner wurzeln

burgundergeschichten

. die burgunder- und alemannenthese für die geschichte meines lebensraums
. das leben der kaiserin adelheid
. rodolphe le troubadour oder rudolf der trubadur
. rückblick auf den 22. juni 1476

meine lieblingsorte in der burgundischen schweiz

. römische kirche (romainmotier)
. auf der suche nach dem paradies (hauterive)
. liteeratur!
. donna muratum (murten)

politik

. die merkwürdige geschichte der schweizer nationalhymne
. körpersprache des bundesrates
. mein erstes gummischrot
. 12. dezember 2007: bern bundesplatz
. der scheinauftrag
. lob der wildsau

kultur

. ode ans kopfsteinpflaster
. wörter werden (linguistik für stadtwanderer)
. die mythen der realität
. die überraschende geschichte der farbe orange
. madonna!

stadtwandern

. die 10 goldenen regeln des stadtwanderns
. radiowandern wird wieder in!
. räume sehen und lesen lernen
. die minuskeln des stadtwanderers

über mich

. apropos “longchamp”
. laika. hündin. weltraumfahrerin. weltenveränderin
. mein 1968
. als ich ein schwarzes schaf war

. alter ego

was meint ihr dazu? welche beiträge könnte man weglassen, welche müsste man hinzufügen?
und was machen mit den bilder, links und all euren kommentaren?

kommentare selbstverständlich erwünscht!

stadtwanderer

quelle: flickr-album von dreamer7112

hartes pflaster

nein, heute will ich nicht lästern …

… über kulturelle angebote, die es schwer haben, in bern auf einen fruchtbaren boden zu fallen;

… über politische forderungen, die an einer hergebrachten beamtenmentalität in der scheitern;

… über neue dienstleistungen, die es angesichts der traditionsbewussten konsumentinnen in der bundesstadt keine nachfrage finden.

denn das alles vermutet man, dass es auf bern zutrifft. ob stimmt oder nicht, ist eine andere frage.

vielmehr will ich die aufmerksamkeit auf einen andern schwachpunkt legen: bern ist wörtlich genommen ein hartes pflaster!

ist das die lösung, wie sie mischa empfiehlt? (foto: stadtwanderer)
ist das die lösung, wie sie mischa empfiehlt?

die nordischen schotterstrasse mögen meine füsse auch nicht; sie sind zu uneben. die waldwege aber wirken wie wunderbare finnenbahnen; sie sind weich und federn immern etwas mit. teerstrassen kommen in schweden nur auf grossen überlandstrassen vor; und da geht man am besten wegen den gefahren und distanzen nicht zu fuss.

doch hier mache ich fast alles per pedes. mit guten schuhen. am letzten samstag war ich erstmals richtig in der stadt unterwegs, in der altstadt bei den buskers, beim historischen museum, um die ritterspiele zu fotografieren, und in der oberstadt, um fotos von der inneren enge zu machen.

und seither schmerzen meine beine, wegen denen ich ja auch schon im rollstuhl war. die wadli sind ganz verspannt, und die gelenke sind entzündet.

für den stadtwanderer ist das natürlich schlimm. ausgerechnet er, der das berner kopfsteinpflaster liebt. er, der so gerne im zentrum berns spazieren geht.

was also soll er tun? einfach warten, bis es bessert? in eine andere stadt ziehen? nur noch virtuell stadtwandern? oder seine aktivitäten in die aare verlegen und von dort aus berichten?

irgendwie will das alles nicht überzeugen. ich werde also daran arbeiten müssen, das den boden vor ort zu beackern, selbst wenn es eine harte aufgabenstellung!

stadtwanderer

foto: stadtwanderer

tag des genusses

jack lang ist ein geniesser. der politologe war professor in nancy und paris, bevor er in die französische politik einstieg. er schloss sich dem parti socialiste an und bekleidete mehrfach das amt des ministers für bildung und kultur in linken regierungen. als solcher schaffte er 1984 in frankreich die “Journées Portes ouvertes monuments historiques”, – eine idee, die 1991 der europarat, das kulturgewissen europas, aufgriff, um die “European Heritage Days” in leben zu rufen. seither gibt des “tage des denkmals” rundherum. 2003 nahmen erstmals alle 48 mitgliedstaaten des europarates an an der neuen kulturbewegung teil.

bern_schwellenmaetteli.JPG

das berner schwellenmätteli, symbol für die architektur des genusses, ist bestandteil des denkmaltages 2008 (foto: d. uldry)

der idee zündete auch in der schweiz. bald schon wird man langs lebensmotto geradezu wörtlich nehmen: einen “tag des geniessens” ruft die national informationsstelle für kulturgüter-erhaltung für das wochenende vom 13. und 14. september 2008 aus. die stätten des genusses und ihre sinnliche seite sollen am diesjährigen denkmaltag im mittelpunkt steht.

in hautrive am neuenburgersee geht es um die küche in der bronzezeit, die heute archäologisch rekonstruiert wird. im bären von münsigen kann man die gastronomie besichtigen, welche die reformation schuf. in fribourg wird man ins refectorium des augustinerklosters gelassen, wo man das himmlische deckengewölbe sehen kann, das die möchne vom essen beflügelte. auf dem brienzersee wiederum kann man den raddampfer “lötschberg” geniessen, der als luxusschiff unmittelbar vor dem ersten weltkrieg in see ging. schliesslich geht es im berner restaurant schwellenmätteli um die architektur des 21. jahrhunderts und ihre einflüsse auf das wohlbefinden der gäste.

in bern findet am abend des 13. septembers auch eine sonderveranstaltung zum 25jährigen bestehen des unesco-weltkulturerbes statt. versprochen wird, dass man einen blick hinter 25 portale der altstadt werfen kann, die sonst für die öffentlichkeit verschlossen sind.

selbstverständlich wird der stadtwanderer dann unterwegs sein. eines will er sicher nicht vergessen: ganz im sinne von jack lang kultur bewusst zu geniessen!

doch was das heisst, um sich zwischen den landesweit rund 100 möglichen angeboten  zu entscheiden, weiss er noch nicht.

weiss ihm jemand rat?

stadtwanderer

 

karls kühner sieg in bern

noch hallen die fanfarenstösse zum lied “l’homme armé” in meinen ohren. sie halten die erinnerungen an das grosse ritterturnier im august 2008 in bern wach. wofür dieses aber stand, ist vielen wohl unbekannt.

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ritterkampf als stimmungsvoller höhepunkte (foto: stadtwanderer)

der pas d’arme – die weiterentwicklung des ritterturniers
un pas d’arme” ist, wie armand bäriswyl, mittelalterspezialist beim bernischen archäologischen dienst, erklärt, eine spätmittelalterliche weiterentwicklung des höfischen ritterturniers. nicht mehr die vernichtung des gegners ist das ziel. vielmehr geht es um ein sportliches kräftemessen, das in eine theatralische handlung eingebunden ist.

der vermeintliche held der aufführungen – eine mischung aus schauspiel und echtkampf – ist jacques de romont, sohn des herzogs von savoyen und graf der waadt. er will in den burgundischen orden zum goldenen vlies aufgenommen werden. um die grosse ehre zu erlangen, muss er sich gegen drei erfahrene turnierritter aus demselben orden durchsetzen.

das geschichtliche grossereignis auf dem berner helvetiaplatz
das berner historische museum und die company-of-saint-george haben keine mühe gescheut, auf dem berner helvetia-platz das grösste ritterturnier seit dem 16. jahrhundert zu realisieren. authentizität wird angestrebt, vor allem in der kleidung, aber auch im verhalten.

aus england sind die besten turnierreiter der gegenwart angereist, um sich 11 tage lang während 21 vorstellungen zu messen. sie alle leben im burghof hinter dem museum. ein strohsack dient ihnen für die übernachtung.

zahlreiche handwerker sind ihnen wie damals gefolgt. sie backen brot, kreieren schmuck und schneidern kleider, oder faulenzen ganz einfach unter der sonne. vor dem museum ist der eigentliche kinderpark. da rammen schon mal vier knirpse mit dem rambock eine burgtüre ein, strampeln sich ihre geschwister unter anrufen der eltern in der trettmühle ab, oder hauen die geschicktesten unter ihnen den stein, bis aus ihm, digital dokumentiert, ein gothischer bogen entsteht.

richtig stimmung kommt auf, wenn sich die ritter unter dem klang der schalmeien in ihren burgunderzelten zu kleiden beginnen. zuerst das schwere kettenhemd, dann der plattenpanzer aus dem 15. jahrhundert. 30 kilo wiegt der stahl, der stück für stück montiert werden muss, um die kämpfer im schwert- oder lanzenkampf zu schützen.

bevor es zum kampf kommt, führen kinder in der arena griechisches theater auf. die argonauten – seefahren, die viele prüfungen bestehen müssen – schweben über wellende blaue tücher. jason ist ihr held; denn er will das fell des widders, das goldene vlies, erobern. dafür verbindet er sich mit medea, der tochter des widderbesitzers, und bekommt, was er begehrt.

der junge jacques de romont strebt im eigentlichen kampf vor malerischer kulisse zu fuss und zu pferd nach dem glänzenden fell eines widders, das vor den augen von karl dem kühnen und zweier burgfräuleins bereit gestellt wird. er muss gegen kämpfer gewinnen, deren pferde stiere und deren reiter unsterbliche kämpfer symbolisieren.

eine mischung aus närrischem treiben und tierischem ernst
der kampf wirkt bisweilen spielerisch, um dann hart zur sache zu kommen. die pferde setzen nur mit zügeln und einer hand geführt zum schnellen ritt gegeneinander an, die lanzen senken sich nur wenige meter vor dem augen des publikums, und der arm, die brust oder der kopf des gegners werden zum wirklichen ziel. immerhin, die lanzen sind bewusst zerbrechlich, denn es zählt der treffen, nicht die verletzung.

die punkte nach jeder der runden verteilt der kampfrichter, während die herolde das publikum auf ihrer arena seite für ihren herrn zu gewinnen suchen, und der narr seinen kommentar abgibt. wenn sie zu böse sind, ermahnt ihn der platzspeaker, dass alles fair zu und her gehen müsse.

tatsächlich schafft es jacques, in den meisten der dramatischen kämpfen zu siegen, am ritterlichsten zu kämpfen und das herz der dame von cluny für sich zu gewinnen. zur überraschung aller erhält er dafür den lieblingsfalken der adeligen dame, der in schnellem flug milimeter genau über dem publikum einfliegt. das übertrifft sogar die ehrung des ritters durch herzog karl und ihn, wie in der vergangenheit tatsächlich geschehen, in seinen elitären orden aufnimmt. bis zum feldmarschall am herzöglichen hof und stellvertreter von karl stieg er damals auf.

die sieger: bern, das mittelalter und natürlich karl der kühne
35’000 zuschauern, viele eltern mit kindern, aber auch touristen aus deutschland, frankreich und spanien, mittelalterliebhaber und ihr bekannten sind nach bern gekommen, um sich wie der stadtwanderer auch das einmalige spektakel anzusehen, um zu klatschen und zu kreischen und um mittelalterlich gassenfeger zu singen.

alle hatten sie ihr mittelalter-erlebnis der besonderen art. und in bern freut man sich ein wenig, dass herzog karl der kühne, der es seinerzeit nicht bis in die stadt gebracht hatte, zum publikumsmagneten geworden ist.

in der tat: wenn sich karl unter fanfarenstössen von der kampfbahn verabschiedet, ist er der eigentliche turniersieger. wir alle haben an seinem hochzeit teilgenommen, ohne es bemerkt zu haben. denn seine heirat vom margarete von york 1468 ist hier nachgestellt worden. ein kühner streich, dessen melodien in den ohren der menschen, die sich im 21. jahrhundert vom leben am burgundischen hof begeistern liessen, nachklingen!

stadtwanderer

mehr über jacques de romont im zusammenhang mit der schlacht von murten hier

mehr bilder zum turnier hier

warum noch postkarten schreiben?

ja, die frage stellt sich regelmässig während und nach den ferien. während sogar noch weniger, danach dafür umso mehr. drum mache ich es einfach: habe, wie schon länger, kaum kartengrüsse verschickt aus schweden. habe dafür, wie seit neuestem, die besten fotos aus schweden auf meinem flickr-album zusammengestellt.

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foto: stadtwanderer

wer also der ansicht ist, er oder sie hätte eine postkarte von mir kriegen müssen, den verweise ich einfach auf mein ferienalbum. und wen es sonst noch interessiert, wie es war, in schweden, wenn ich nicht gebloggt habe, der oder die schaue doch auch gleich hier nach.

es einfach wunderbar!

stadtwanderer