mit arno borst die kulturgeschichte des bodenseeraums erwandern

“mönche am bodensee” heisst das bemerkenswerte buch von arno borst, das ich in diesen weihnachtstagen lese. denn bald schon beginnt meine vorlesung an der uni st. gallen, nach der ich mich jeweils mit der lokalen kulturgeschichte der ostschweiz beschäftigen will.

9783905707304arno borst war professor für mittelalterliche geschichte in konstanz, als er mit dem schreiben begann. 1976 hielt er öffentliche vorträge über die christianisierung des bodenseeraumes und stiess damit auf grosses öffentliches interesse. aus der bearbeitung all der fragen, die ihm gestellt wurden, entstand das fast 700seitige buch, das 1978 erstmals erschien, und ihm den Bodensee-Literaturpreis einbrachte. gerade rechtzeitig zu weihnachten 2009 ist es, zwei jahre nach dem tod von borst, im libelle-verlag neu editiert und hübsch bebildert in der vierten auflage erschienen.

borst war nicht irgend ein mediävist. vielmehr gilt er als einer der ganz grossen der mittelalterspezialisten in europa überhaupt. 1986 wurde er mit dem deutschen historikerpreis, 1996 gar mit dem balzan-preis geehrt, dem “nobelpreise” für geisteswissenschaften, geehrt. einer der greifbarsten gründe für seine herausragende stellung ist seine packende erzählkraft. seine bücher lesen sich wie krimis, sind aber nicht erfunden. doch kleben sie nicht wie die vieler anderer historiker an den quellen, sondern berichten vom leben. die erzählungen sind durchaus plastisch, und nur dort von nötig, setzen sie sich kritisch mit der fachdiskussion oder den quellen selber auseinandern. das erleichtert die lektüre ungemein.

das buch zur lokalen kulturgeschichte des bodenseeraum beginnt, wie könnte es anders sein, mit dem wandermönch kolumban. nur ein oder zwei jahre wirkte er am bodensee, doch löste der zeitgenossen von gregor dem grossen und mohammed die entscheidende wende zur missionierung der landbevölkerung aus. wohl 611 kam der akstisch-strenge ire über tuggen und arbon nach bregenz, um sich, wie schon zuvor in den vogesen, der christianisierung der heiden zu widmen. “Als die Einheimischen ihrem Gott Wodan ein Bieropfer bringen wollten, zerschlug ihnen Kolumban den Kessel. Sie reagierten unterschiedlich, die einen bewunderten den kräftigen Alten, die andern schimpften über die Beleidigung der Götter. Die Fronten verhärteten sich rasch”, fasst borst die begnung zusammen, um gleich zu den folgen überzugeben. kolumban verliess den bodenseeraum bald darauf, um nach rom zu gelangen. er kam bis bobbio in der po-ebene, wo er nochmals eine klostergemeinschaft gründete, in der er, ohne den papst je getroffen zu haben, auf seinem wanderweg von bangor nach rom verstarb.

hätte kolumban nicht irgendwann gallus getroffen, der die lokale bevölkerung am bodensee viel besser als der strenge eremit verstand, wäre, so borst, kolumbans anwesenheit am bodensee wohl nur episode geblieben. doch so wurde sie zum startschuss für die grosse kultivierung des urwaldes in der weiteren umgebung und die anhaltende zivilisierung der alemannischen bevölkerung. denn gallus entschied sich, 13 kilometer waldeinwärts, an der steinach, ein klösterliches leben zu führen, das für das mönch- und nonnentum am bodensee stilbildend wirken sollte, und ausdem mit fränkischer föderung das reichskloster st. gallen entstand.

den spannungsbogen von der ankunft kolumbans bis hin zur reformation behandelt das buch von borst in alles ausführlichkeit. dabei schimmert das anfängliche thema immer wieder auf: wie kolumban und gallus verhielten sich die landfremden kartäuser einerseits, die alemannischen bauern andernseits. “Die Heimatlosen wirkten in diesem Raum als radikale Weltverächter, die Einheimischen als engagierte Weltgestalter”. das mönchtum am bodensee, schliesst das buch, hatte wegen vier eigenschaften erfolg: wegen der geregelten grundform des soziallebens, des mönchsgelübdes zur wahrung der religiösen inhalte, dem kloster, das für konstanz in der gesellschaft sorgte, und der pilgerfahrt, die zur grundlage für die konfessionelle identifikation vieler menschen wurde. bis die reformation zu beginn der neuzeit genau dieses weltbild zerbrach. wer es mit beredeten worten nacherleben will, der oder die lese das grandiose buch über adels-, priester-, laien- und bürgerkirchen im bodensseeraum.

im februar 2010, füge ich bei, beginnt mein kurs an der uni st. gallen, auf dessen weg von bern ich das buch von borst jeweils dabei haben werde. denn die mönche und die universitäten, sagt arno borst, sind die zwei institutionen, in denen das mittelalter weiter lebt. auch im bodenseeraum.

stadtwanderer

stadt an der grenze

ich war einen tag lang in konstanz. der stadt ennet der schweizerisch-deutschen trennlinie bei kreuzlingen, um eine neue art urbaner grenzerfahrung zu machen.

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der weihnachtsmarkt in konstanz – symbolisch für eine stadt, die raummässig an ihre grenze stösst

der weihnachstmarkt in der altstadt, der in die unterführung zum bahnhof konstanz reicht, zieht gegenwärtig unendlich viele leute an. die schmale passage zwischen häusern und betonmauern, gefüllt mit ständen, waren, verkäufern und interessierten, vermittelt dem besucher rasch ein gefühl der enge.

das ist auch andern orten der schmucken kleinstadt am bodensee der fall. zwar sind zahlreiche häuser im stadtkern modernisiert worden, doch die gassenbreite ist seit dem mittelalter vielerorts unverändert geblieben. selbst auf der sigismundgasse, benannt nach dem imposanten kaiser, der das konstanzer konzil einberief, um die berühmte papstwahl von 1415 abzuhalten, kann man sich stellenweise kaum kreuzen.

gleiches findet sich in der hussengasse, die ihren namen vom tschechischen kirchenkritier jan hus hat, der auf dem konzil zu erscheinen hatte, um seine kritik zu verteidigen, dafür zum tod verurteilt wurde und sich nicht einmal rechtfertigen durfte, herrscht so emsiges treiben, dass man bisweilen keinen schritt vor den andern stellen kann, ohne jemanden anzurempeln.

die stadt lebt davon, dass nach einer zeit des chaos im spätmittelalterlichen europa man sich hier im konzilium traf, um für ordnung in der katholischen kirche zu sorgen, selbstherrliche machthaber abzusetzen und abweichler mit dem tod zu bestrafen.

in gespräche mit den stadtbehörden und ihrer bürgerInnen erfährt man interessantes über die gegenart der bodenseemetropole: die stadt ist für ihre rund 80’000 einwohnerInnen zu klein geworden. insbesondere in der touristenzeit wird das bunte treiben am attraktivenhafen, in den zahlreichen ausstellungen und auf den strassen der altstadt zu belastung. der prall gefüllte weihnachtsmarkt ist das nur das tüpfchen aufs i in anderen zeiten.

stossen unsere klein- und mittelstädte an ihre grenzen?, diskutieren wir auf dem heimweg im zug nach bern. ja, es könnte sein, dass der raum, seinen infrastruktur und seine verbindungswege im urbanen gebiet mit den menschen, die sich in stadtkernen tummeln, nicht mehr mithalten kann, kommen wir zu schluss. und das uns langsam aber sicher stresst, ohne dass wir es wirklich merken.

ich musste wirklich in die stadt an der schweizer grenze gehen, um mir die frage nach den grenzen der stadt zu stellen.

stadtwanderer

st. galler kulturerbe wird weltweit greifbar

ok, ich bin auf dem ostschweizertrip. ich stehe dazu, selbst wenn man im poschi nach und von bern darüber spricht, dass ich bern mental verlasse. ich weiss, die drei tage in der ostschweiz und im süddeutschen haben mit angeregt.

kostbarkeiten aus der st. galler stiftsbibliothek, neuerdings direkt im web einsehbar

zugegeben, der dialekt in der ostschweiz ist meine sache nicht. und der biedermeierstil der kleinmetropole(n) am südlichen bodensee ist nicht ganz nach meinem geschmack.

die kulturellen leistungen der ostschweiz klöster sind indessen unbestritten. sprache, musik und malerei, die uns heute noch beeindrucken, haben hier entscheidende impuls erhalten, genauso wie die wissenschaft, die sich in st. gallen früh vom glauben emanzipierte und in der hsg weiterentwickelt wird.

massgeblich beteiligt an dieser permanenten erneuerung der menschlichen kultur war die stiftsbibliothek st. gallen. und dieses kulturgut erster güte (“weltkulturerbe”) wartete heute mit einer weiteren überraschung auf: teile der stiftsbibliothek sind jetzt nicht nur den gelehrten insidern an der steinach zugänglich. nein, man kann sie neurdings via internet einsehen.

250 handschriften wurden bisher digitalisiert und ins netz gestellt, sodass sie jedermann/frau jetzt frei zugänglich sind. mehr als das soll in den folgenden jahren folgen.

sogar den seit langem schwelenden kulturgüterstreit zwischen st. gallen und zürich könnte man so lösen. denn 1712 schleppten die zürcher zahlreiche wertvolle handschriften an die limmat ab, was der kanton st. gallen immer wieder bemängelte. zürich wiederum war nur bereit, die beute aus den toggenburgerkriegen, welche die gleichstellung der reformierten mit den katholiken brauchte, als dauerleihgabe zurückzugeben.

bald kümmert die eigentums- und standortfrage niemanden mehr. nämlich dann, wenn man das st. galler erbe auf dem www einsehen und zur eigenen weiterbildung nachschlagen kann. konfessionens-, kantons- und politikgrenzen hin oder her!

stadtwanderer

der kräutergarten für die weltliteratur

seit ihrer menschlichen besiedelung im 8. jahrhundert hat die reichenau keinen wald mehr. bis auf den heutigen tag finden sich aber auffällig viele gärten auf der insel. und auch der urtyp des kräutergartens stammt vom eiland zwischen der schweiz und deutschland ab, das im jahre 2000 ins weltkulturerbe der unesco augenommen wurde.

walahfrid lebte als junger mönch auf der reichenau. er hörte auf den rufnamen strabo, weil er schielte. dennoch war ein begabter beobachter der natur und ein herausragender dichter seiner zeit. der botanischen weltliteratur hinterliess der erst 19jährige benediktiner das erste lerngedicht über kräutergärten.

das hat walahfrid schon zu lebzeiten berühmt gemacht. kaiser ludwig der fromme machte ihn zuerst zum erzieher seiner söhne, dann zum abt des klosters reichenau. er vertraute ihm mehrere diplomatische missionen an, bis sein reich 843 auseinander fiel, und der wandermönche 40jährig fast schon symbolisch 849 in der loire ertrank.

überlebt hat aber die idee des kräutergartens, den die karolingischen klöster pflegen sollten. kaiser karl der grosse hat den auftrag dazu noch zu seinen lebzeiten gegeben. walahfrid hat die idee aus aachen mit dem lerngedicht popularisiert. 24 pflanzen hob er hervor, die sie es wert seien, über alle zeiten hinweg gezüchtet und verbreitet zu werden, weil sie den menschen heilen und nähren.

damit wirkte walahfrid stilbildend: für fast schon vielen bücher über heilkräuter, die bis auf den heutigen tag erscheinen, für die unüberschaubare zahl von gartenbauheftchen, die an den kiosken zu haben sind, über für die vielen schrebergärtnerInnen, die nicht nur auf der reichenau ihrer freude an pflanzen-, gemüse- und kräuterzucht frönen.

ganz besonders wenn die ersten frühlingshaften sonnenstrahlen uns erwärmen, wie mich und die kräuter auf der reichenau.

stadtwanderer

eisbrecher gesucht

wenn es eine stadt grad ennet der schweizer grenze gibt, über die wir fast nichts wissen, dann ist das konstanz. es ist zeit, das eis zwischen den beiden aufzutauen.


was davon ist konstanz, was kreuzlingen? und was gehört zur schweiz und was zu deutschland?

kreuzlingen ist im thurgau. das weiss eigentlich jeder und jede. aber eigentlich nur ein stadtteil von konstanz. das ist schon weniger bekannt. und konstanz selber ist den allermeisten schweizerInnen fremd, obwohl stadt zur schweiz gehören könnte.

im jahre 614 beginnt der aufstieg von konstanz. die stadt wird bischofssitz. mainz, das den ganzen oberrhein kontrollierte, reichte nicht mehr aus, um die alemannen, die sich ausdehnten, zum christentum zu bekehren. ud vindonissa war mit dem untergang der römischen zivilisation im mittelland bedeutungslos geworden. deshalb erhob man den ort zwischen boden- und untersee zum missionszentrum. gallus hätte erster bischof von konstanz werden sollen. doch er lehnte ab, zog ein leben als mönch an der steinach vor, während einer seiner gehilfen bischof wurde.

die alemannen links des rheins sind gegenüber den konstanzer bischof stets skeptisch gewesen. obwohl sein einflussgebiet formell bis an das rechte ufer der aare grenzte. faktisch waren das kloster von st. gallen, säter das castell von zürich oder die gründungsstädte luzern und bern wichtiger, um das land zu erschiessen und zu verwalten.

das hinterland von konstanz war indessen der heutige kanton thurgau. für die versorgung der stadt mit nahrungmitteln waren die ländereien südlich des bodensees essentiell.

1470 eroberten die eidgenossen, die sich immer mehr nach nordosten ausdehnte, den thurgau. militärisch waren sie seit dann entscheidend. juristisch blieb der thurgau jedoch bei konstanz. der konflikkt eskalierte jedoch schon bald. 1495 erklärte könig maximilian, der kaiseraspirant aus den hause habsburg seine grosse reichsreform das neue kaiserreich sollte eine neue ständeordnung erhalten, das reichskammergericht das rechtswesen vereinheitlichen und der reichspfennig die marode haushaltskasse von maximilian aufbessern.

in der eidgenossenschaft, eigentwilliger bestandteil des kaiserreiches brodelte es. die reichssteuer fand keine zustimmung, und die abschaffung des fehdewesens für jedermann brachte die bauern und bürger gegen den reichsadel auf. man rüstete zum krieg, der 1499 vor dem reichskloster müstair im bündnerland ausbrauch und sich im nu zum flächenbrandt bis vor die tore basels entwickelte. der rhein sollte dabei zur mehr oder weniger allgemeingültigen grenzen zwischen habsburg und der eidgenossenschaft werden.

konstanz kam eine entscheidende bedeutung in der möglichen ausdehnung der eidgenossen über den rhein hinaus zu. maximilian legte deshalb sein hand auf die kaiserstadt. er zwang sie, dem schwäbischen bund beizutreten, der kriegspartei gegen die eidgenossen. diese verstanden das signal, und stellten die landgericht der stadt über den thurgau in frage.

es kam zur schlacht. zuerst in ermatingen, das von den konstanzern dem erdboden gleich gemacht wurde. die turgauer unterlagen. danach überraschten die zahlenmässig weit unterlegenen eidgenossen indessen die siegesgewisse armee der konstanzer in schwaderloh vor deren stadttore. besiegt wurde sie von gut 1000 kampfeslustigen eidgenossen.

könig maximilian lenkte nun ein. er liessen den vertrag von basel ausarbeiten, der friede zwischen ihm und den eidgenossen brachte. basel und schaffhausen, entschieden sich, 1501 der eidgenossenschaft beizutreten. schaffhausen löste während der reformation sein umland aus dem hegau heraus und bildete damit die voraussetzung für den stadtstatt. basel gelang es nur das hinterland links des rheins zu halten. die verbindungen nach strassburg, colmar, breisach und freiburg wurden unterbrochen.

konstanz wiederum verlor den thurgau. die stadt versuchte zwar auch, dem bund der eigenossen beizutreten, um das hinterland zurückzugewinnen. doch die macht der bischofs über die stadt schreckte die bürger. der feind von 1499 wurde namentlich von den innerschweizer bauer als mitglied abgelehnt. das landwirtschaftliche hinterland musste das zentrum am bodensee für immer aufgeben. reformation und gegenreformation verstärkten die gegensätze nochmals.

die kulturelle mauer, die entlang des rheins entstand, bildet heute ein basis des landesgrenze. in konstanz ist diese personell so durchlässig wie fast nirgends, im selbstverständnis aber so blockiert wie überhaupt nirgends. konstanz und die schweiz, das erscheint so weit voneinander entfernt, wie nord- und südpol.

es ist zeit, dass das eis wenigstens in dieser hinsicht schmilzt, meint der

stadtwanderer von bern, gegenwärtig in konstanz

die klosterstadt schaffhausen

mittelalterliche städte wie schaffhausen entstehen in der regel an verkehrsknotenpunkten. die traditionelle west/ost-achse, gegeben durch den rhein, und die neu aufkommenden nord/süd-achse gaben den ausschlag, dass schaffhausen im 11. jahrhundert als stadt entstand. ihre gründung hat jedoch nicht nur profane gründe; sie ist teil eines machtvollen aufschwungs der klosterbewegung des hochmittelalters.

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kleine und grosse zusammenhänge der stadtgründung

wer im 11. jahrhundert von basel nach konstanz oder anders gesagt von bischofssitz zu bischofssitz wollte, nahm mit vorteil die rheinroute. sie garantierte ein schnelles fortkommen, – ausser beim grossen und kleinen laufen, den beiden wasserfällen bei den heutigen städten schaffhausen und laufenburg. da musste man das schiff verlassen und die mitgebachten gäste und waren für einige kilometer auf dem landweg transportieren.

der ort der heutigen altstadt schaffhausen war diese umladestelle oberhalb des rheinfalls. im 11. jahrhundert existierte schon eine siedlung mit kleiner kirche genau an der stelle, an der heute die schaffhauser stadtkirche st. johann steht. doch sollte nicht diese die stadtwerdung schaffhausens bestimmen, sondern der überregionale weltliche und kirchliche zusammenhang.

1045 erhielt eberhard, seit 9 jahren graf im südlilch des rheins gelegenen zürichgau das münzrecht für den flecken schaffhausen. das sicherte ihm die herrschaft über den handel an der umladestelle. seinen sitz verlegte der graf nun in die nähe des handelsplatzes, genau genommen auf die nellenburg. hinfort nannte er sich graf eberhard I. von nellenburg.

könig heinrich iii. auf dem weg anch süden, der kaiserkrone entgegen

verliehen erhielt eberhard das münzrecht von könig heinrich iii. in köln. dieser hatte grosses vor: er wollte nichts geringes als, gleich wie sein 1039 verstorbener vater, kaiser des römischen reiches werden. dafür musste er nach rom, um gesalbt und gekrönt zu werden.

1045 ging heinrich daran, auf seine rechte als herzog von schwaben zu verzichten. wer, wie graf eberhard, vom könig privilegiert werden wollte, musste sich jedoch verpflichten, mit dem könig nach rom zu reisen.

die römische kurie befand sich, wieder einmal, in einem desolaten zustand. gleich drei römische adelige beanspruchten, papst zu sein. in der synode von sutri, nahe der stadt rom, die der kaiseraspirant am 20. dezember 1046 einberief, erklärte heinrich innert dreier tage alle drei römischen päpste für abgesetzt: ein einmaliger vorgang in der krichengeschichte. dafür liess er den mitgebrachten bamberger bischof suitger am weihnachstag zum neuen papst clemens ii. inthronisieren, und anderstags erhon dieser heinrich und seine frau agnes zum neuen kaiserpaar.

heinrich, hoch gebildet, tief religiös und von seltener tatkraft, nahm nun grundlegende reformen vor. kardinäle, von überall her kommend, sollten nach seinem willen die christen in rom vertreten und den papst wählen. kirchlicher ämterkauf sollte verboten sein, genauso wie die priesterehe.

der kaiser hat damit jedoch nicht auf anhieb erfolg. clemens ii. wurde als papst gestürzt, und damasus ii., heinrichs neuer favorit, war gerade 24 tage papst, bevor er starb.

papst leo ix. auf dem weg nach norden, den klosterweihungen entgegen

anfangs des jahres 1049 leitete heinrich erneut ein verfahren ein, das in der kirchengeschichte einmalig blieb: bruno, bischof von toul, den er seit langem kannte, sollte neuer papst werden. bestimmt wurde er für dieses amt jedoch nicht im unübersichtlichen rom, sondern in kaisers nähe in worms. doch verlangte bruno, dass er sein kirchenamt im lothringischen nur dann abgeben würde, wenn kurie und volk in rom ihn anerkennen würdem. das schaffte bruno auch, sodass er sich papst leo ix. nannte.

papst leo ix. pflegte eine ganzen neuen stil. dauernd war der germane unterwegs. in rom hielt es sich nur kurz auf. drei ausgedehnte reisen unternahm er in den ersten drei jahren als papst, – alle nördlich der alpen. dabei erwies er sich als herausragender prediger, der volksnah sprechen konnte. er versammelte die kirchenleute in synoden, die überall die grundsätze der kirchenreform des kaisers diskutierten. und er weihte zahlreiche stellen, an denen neue klöster enstehen sollten.

auf seiner ersten reise nördlich der alpen weihte papst leo ix. im jahren 1049 auch den ort schaffhausen. die nellenburger grafen sollten es stiften, bauen und bewachen 1064 wurde es eingeweiht. anfänglich führte dieses kloster den namen des salvatorenklosters, später wurde es allerheiligen genannt, dem namen, unter dem es auch heute noch bekannt ist, selbst wenn es seit der reformation von 1529 nicht mehr als kloster dient.

stadt- und weltpolitische bilanz zu den gründern von stadt und kloster schaffhausen

heinrich war 10 jahre kaiser, leo 5 jahre papst. beide waren damit nicht sonderlich lange im amt. doch hinterliessen sie nicht nur in schaffhausen bleibende spuren; sie sollten auch im kaiserreich unvergesslich bleiben: beide gelten als ganz bewusste förderer des gottesfriedens, der ersten friedensbewegung, die im 10. jahrhundert in der auvergne ihren anfang nahm und sich gegen die vorherrschende germanische selbstjustiz mit racheakte und bauernfehden wandte. 1495 wurde dieser gottesfriede in form des landfriedens geltendes recht des kaiserreiches, dem vorbild für das gewaltmonopol des heutigen staates. beide lancierten aber auch die hochmittelalterliche klosterreform, die 910 im burgundischen cluny ihren anfang nahm und in deutschen sprachraum. mit dieser setzte sich das bewusstsein durch, dass die führenden benediktiner-klöster nicht mehr von adeligen bestimmt, sondern nur noch vom stellvertreter gottes, dem papst, geleitet werden sollten.

mit den beiden erwähnten grössen des kaiserreiches im 11. jahrhundert verbindet man aber auch die definitive trennung der christlichen kirche in eine griechisch-orthodoxe und einer römisch-katholische. denn heinrich und leo verfolgten ursprünglich gemeinsam das ziel, die normanen aus süditalien zu vertreiben, um freien weg zum mittelmeer zu erhalten. doch half der kaiser schliesslich nicht mit, während leo setzte alles auf eine karte setzt – und verlor: die verhandlungen mit dem patriachen von byzanz, gemeinsame sache gegen die normanen zu machen, scheiterten derart gründlich, dass man sich im tiefen streit trennte und bis heute nicht mehr zueinander fand. leo wurde bei seinem krieg gegen die normannen gar verhaftet und verstarb 1054 nur kurz nach seiner freilassung. heinrich wiederum lebte noch bis 1056, ohne einen erwachsenden sohn zu haben, sodass die kleriker, deren selbstbewusstsein dank der kirchen- und klosterreform neu erwacht war, die macht nördlich der alpen übernehmen. als der designierte könig, heinrich iv. diese zurückverlangte, brach der berühmte investiturstreit aus, der papst und kaiser während 50 jahren entzweien sollte. zu den rückwirkungen davon auf schaffhausen später mehr!

(müder) stadtwanderer

bild: aus dem innern des münsters beim schaffhauser kloster allerheiligen (aufnahme: stadtwanderer)

papst nach ermatingen entführt

ich gehe heute ins thurgauische ermatingen – auf den wolfsberg. habe mich schon auf schöne aussichten gefreut. den bodensee vor mir, die herbstsonne über dem schwäbischen meer, das untergehende jahr zu meinen füssen.

doch daraus wird voraussichtlich nicht. es regnet. meine kontakte in die ostschweiz sprechen gar von übergang zu schnee. ich mache mich auf etwas gefasst.

und genau deshalb erzähle ich halt eine vergangene geschichte, die ein wenig erheitern soll, und wenigstes etwas mit ermatingen zu tun hat.


papst johannes XXIII. stürzte auf seinem weg nach konstanz, wo er dann vom heiligen stuhl gestürzt wurde. zuvor wurde er noch in einer spektalären aktion entführt, unter anderem nach ermatingen, wo ich heute sein werde.

das grosse spätmittelalterliche schisma

1415 war die lage der katholischen kirche prekär. bis 1307 residierten die päpste ausschliesslich in rom, waren sie meist römer oder doch italiener, und verfügten sie über den kirchenstaat als teil des heiligen römischen reiches. doch dann wurde papst bonifatius VIII. vom französischen könig gestürzt. seine nachfolger residierten nun in avignon und war ganz im banne des frankenkönigs. 1378 versuchte kaiser karl iv. die unordnung im reich und in der kirche zu bereinigen. er erwirkte die rückkehr des papstes nach rom. doch dann kam es zum eklat. roger, graf von genf, wurde zum neuen papst in avignon. nun hatte man zwei päpste, – eine für das römische kaiserreich und einen für das französische königreich. 1407 versuchte man den zustand zu beheben. die italiener wählten einen weiteren papst, der in pisa residierte. das geschah in der hoffnung, dass die beiden verfeindeten päpst zurücktreten würden. mitnichten!, antworteten sie, und das machte die situation noch schwieriger.

das konzil von konstanz

könig sigismund von ungarn, sohn von karl iv., machte es zu seiner aufgabe, das werk seine vaters, das missglückt war, zu vollenden. 1415 berief er in konstanz ein konzil ein, dass die zentralen fragen behandeln und regeln sollte. zum unrühmlichen teil dieses konzil gehört die verurteilung des prager theologen und priesters jan hus zum ketzer, was ihm das leben kostete. zu den leistungen des konzils wiederum gehört, dass es, ab 1417 wieder nur einen papst gab. oddo colonna, ein adeliger jurist aus italien, wurde zum neuen einheitlichen vertreter der kirche. die nominierung geschah am 11. november, am martinstag, weshalb er den papstnamen martin v. annahm.

vorgängig war es zu einem zähen ringen gekommen, in dessen verlauf die drei bisherigen päpste alle zurücktraten. benedikt XIII. aus avignon, der günstling der franzosen, gregor XII., der vertreter italiens, und johannes XXIII., der favorit der medici.

die entführung von papst johannes XXIII.

anders als die beiden anderen päpst akzeptierte johannes XXIII. die zitierung nach konstanz. doch schon die reise stand unter einem unheilvollen stern. unterwegs kam es zu einem strassenunfall mit seiner kutsche. er landete, fast schon symbolträchtig im strassengraben.

johannes XXIII. wurde, wie die anderen beiden gegenpäpst auch, auf dem konzil gestürzt. als sich das ende der verhandlungen abzeichnet, kam es aber zum eklat. das haus habsburg, das auf johannes gesetzt hatte, versuchte noch zu retten, was zu retten war.

während eines gastspiels am konzil entführten sie papst johannes XIII. – nach ermatingen. dort hielt man ihn vorerst versteckt, dann als die lage unsicher wurde, ging er nach schaffhausen ins kloster, und als auch das nicht mehr verheimlicht werden konnten, entführte man den abgesetzt papst nach freiburg im breisgau, wo er wieder hinter klostermauern versteckt wurde. bei einem unvorsichten ausflug nach breisach am rhein wurde johannes aber gefangen genommen, womit die papstentführung endete. vorerst wurde er eingekerkert, dann begnadigt und schliesslich als kardinal in der kirchenhierarchie weiter beschäftigt.

die folgen für die eidgenosschaft

für die habsburger blieb die entführungsaktion nicht ohne folgen. könig sigismund verhängte über das haus die reichsacht, womit man ihnen alle ländereien abnehmen konnte. die eidgenossen liessen sich nicht lange bitten. allen voran schritt die aufstrebende stadt bern zur tat und eroberte die habsburgischen stammland im aargau, die nun zum berner aargau wurden. luzern und zürich, die vorerst gezögert hatten, schritten reuss- und limmat abwärts, bis man schliesslich in baden zusammentraf und das verbindungsstück zwischen den drei wichtigsten städten der damaligen eidgenossenschaft, das habsburgische wasserschloss in beschlag nahm.

meine reise nach ermatingen

so, jetzt muss ich aber nach ermatingen. durch den aargau, durch den zürichgau, durch den thurgau. im wolfsberg werde ich viele leute aus politik und wirtschaft treffen, ein kleines konzil der schweizerischen bürgergesellschaft findet dort statt. ich werde da in keine kirche der vergangenheit gehen, aber in ein ausbildungszentrum einer weltweit tätigen schweizer bank. und ich werde in der arbeitsgruppe einer jungen badener nationalrätin über die zukunft der schweiz nachdenken.

entführen werde ich aber niemanden! ich versichere es. nur ein wenig spazieren über dem bodensee ist angesagt, wenn mir die sonne scheint …

stadtwanderer

gallus, der weitwanderer

wäre der heilige gallus von luxeuil aus nicht so weit gewandert, müsste ich ihm jetzt nicht so weit nachfolgen …


gallus und columban auf dem bodensee (um 610 nach christus)

gallus, der gefährte columbans

gallus war ein schüler des heiligen columban. mit ihm brach er von luxeuil in den vogesen ins oberste rhein- und limmattal auf. denn sie waren wanderer!

sie sollen in säckingen gewesen sein, in zürich, in tuggen und in arbon gewirkt haben. durch die einfälle der heidnischen alamannen in die gebiete links des rheins war man östlich der zerfallenen stadt vindonissa repaganisiert (noch heute gibt es da geschlechter wie pagani, paganini oder faganini!) worden. dagegen wollte man ankämpfen, – und das nicht mir zimperlichen mitteln.

doch columban blieb nicht in arbon. er wollte nach rom. er wollte seine irische version des christentums dem papst auf dem stuhle petri vortragen. der war gerade dabei, in daraus einen kirchenstaat in mittelitalien zu formen und die misson im frankenreich für sich zu gewinnen.

gallus, der eremit

gallus, erzählt die legende, sei krank gewesen. er habe sei in arbor felix, dem heutigen arbon, geblieben. doch die zeiten waren unruhig. die barbarischen alamannen führten 610 krieg gegen die zivilisierteren burgunder. das aaretal und das rheintal bis ins elsass waren unsicher, denn der fränkische könig hatte alle linksrheinischen gebiete für burgundisch erklärt. doch das wollen sich die alamannischen neusiedler nicht bieten lassen; sie griffen zu den waffen! und siegten!

gallus beschloss 612 der steinach, die in den bodensee mündet, bis an ihre quelle zu folgen. zuunsicher waren ihm die verhältnisse in arbon geworden. die alemannen waren jetzt wer, aber sie waren immer noch wilde heiden!

mit seinem schüler hiltibold wanderte er bis zur mühleggschlucht, wo jedoch ein unüberwindbarer wasserfalls war. dort liess er sich zwangsweise nieder. er baute sich und seiem weggefährten eine klause, die er den burgunderheiligen desiderius und mauritius weihte. deren kulte sollten in alemannien veränderungen bewirken.

gallus verstarb auf ungeklärte art und weise. man nimmt den 16. oktober 640 als todestag an, seit dem man ihm gedenkt.

was bleibt: ein bildungsstätte in alemannien

gunzo, der alemannenherzog, der sich nach dem sieg von 610 über die burgunder im oberen rheintal stark machte, hätte gallus gerne für seinen plan gewonnen, erster bischof von konstanz zu werden. doch der eremit gallus lehnte ab. er blieb in seiner frisch gegründeten klause an der steinach. er übernahm allerdings die aufgabe, von dort aus als lehrer zu wirken. so bildete er johannes, den ersten bischof von konstanz, in theologischer hinsicht aus.

er war es auch, der für einen kulturellen wandel bei den alamannen eintrat: sesshaft sollten sie werden, die provinz im oberen rheintal sollten sie kultivieren, und selber sollten sie zivilisiert werden. seine bemühungen waren nicht direkt erfolgreich. wohl hat er die situation richtig eingeschätzt, dass er als bischof in der stadt konstanz mit seinen mitmenschen mühe bekommen hätte. denn die hätte er von einer religion überzeugen müssen, die sie eigentlich abgelehnt hatten. deshalb blieb er lieber einzelgänger, – wurde er eremit im steinachtal. und lehrer für die neuen führungsschicht im alemannisch-fränkischen gebiet!

seine wirken hat die katholische kirche später geehrt. er wurde heilig gesprochen. dort, wo er gelebt hatte, ist heute nicht gallen, sondern st. gallen!

neue inspiration aus dem burgundischen in st. gallen

und genau dorthin verschlägt es den stadtwanderer aus dem burgundischen bern bald regelmässig, – als lehrbeauftrager an der universität st. gallen – der den politkulturellen wandel in burgund und alemannen der gegenwart lehren soll, die wahlen von demokratischen königen in der heutigen welt erklären muss und über die form der direkten demokratie der germannen unterrichten darf!

wie einfach wäre es gewesen, gallus wäre ins aaretal gekommen, und hätte sich in bümpliz niedergelassen. der regelmässige weg des stadtwanderers wäre klar kürzer geblieben!

stadtwanderer
(von bern)