die wiedergeburt des löwen in illiswil

wenn es so warm ist wie dieser tage, gibt es nur eins: raus aus der stadt, hinaus auf das land in eine kühle gartenbeiz. ich empfehle den wieder auferstandenen löwen in illiswil.

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achtung, was sie hierzu lesen, ist werbung. einseitig. subjektiv. und treffend!

am wochenende feiern alexandra und martin gerber ihr einjähriges jubiläum als wirtepaar im illiswiler löwen. vormals war er aufstrebender küchenchef in gümligen, und sie arbeitete als tatkräftige leitende dentalassistentin an der berner uni. gemeinsam meldeten sie sich auf ein inserat in der wirtezeitung – und bekamen zum glück den zuschlag!

seither ist wenig zeit verstrichen, aber viel gegangen. über mittag und abends reserviert man besser, wenn man im einzige illiswiler restaurant essen will. denn die stammkundschaft ist zahlreich, und die laufkundschaft ist mächtig im aufschwung. schliesslich ist es nur einige kilometer mit postauto oder fahrrad in den berner vorort, und wer in wohlen mit dem beizangebot hadert, weicht gerne in den nahegelegenen weiler aus.

vor den gerbers sah der “löje”, wie der gasthof im volksmund heisst, einige magere jahre. nicht weniger als drei pächter wechselten im jahresrhythmus oder noch schneller. wegen unvermögen, wegen lauter musik und wegen üblen geschichten. die gäste blieben zusehends aus, sodass ein wirklicher schnitt im gasthof nötig wurde.

beliebt sind heute die flammkuchen für den kleinen hunger oder ein stroganov für den grossen. wer es gerne scharf hat, nimmt das cordon-bleu mit einer paprikawurst. legendär ist der vielseitige löwensalat, und viel gefragt sind die leichten sommerteller. das roastbeef mit sellerie-, karotten- radischenbeilagen ist mein favorit.

der service ist flink und freundlich, und wenn es viel besuch hat, lässt man sich nicht stressen, bestellt man schnell ein cardinal und vertreibt sich die kleine zeit mit den sprüchen auf den bierdeckeln. überhaupt, im 200jährigen ehemaligen bauernhaus, das zum heimeligen gasthaus wurde, kann man die zeit leicht vergessen.

denn im löwen lässt es sich leben, fröhlich sein und geschichten hören. und wer möchte das schon verpassen. keine grossfamilie nicht, kein rentnerpaar nicht und keine frischverliebten nicht!

seit neusten herrscht wieder viel betrieb in den gaststuben. den traditionsgäste gehört die zentrale stube mit der theke. das geht es bei einem kaffee oder einem glas roten schon mal politisch zur sache, und sieht man nicht selten auch jassrunden. essen kann man im säli oder stübli, und im sommer wird auch eine kleine freiluftbar bedient. von da aus kann man die umgebung geniessen, die berge, die landschaft und die tiere. pferde und ponies auf der weide hähren das auge, und die schwalben und sonstigen vögel die ohren gaumen.

es sind viele tolle stunden, die ich hier verbracht habe. den 50. geburtstag habe ich da gefeiert, damals noch beim legendären caesare aus norditalien als wirt, und auch meine stadtwanderung quer durch die romandie für charlotte und jürg begann im gemütlichen illiswiller treffpunkt.

wer im sommer nicht in die ferien geht und wem das klima in der stadt schlicht zu heisst wird, dem oder der empfehle ich wärmstens einen ausflug bis in den löwen vor ort.

stadtwanderer

die herbstsaison des stadtwanderers

wenn die tage heiss und schwül werden, kündigen sich die sommerferien an. zeit, um den herbstfahrplan des stadtwanderers zu erstellen. hier die übersicht.

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20. august: “tatort bern”, stadtwanderung für die generaldirektion der srg

10. september: “die schweiz, die direkte demokratie und das volk”, stadtwanderung für die volkshochschule wynental

23. september: “freitags in bern. eine einführung in bern für prof. markus freitag”, stadtwanderung für das team von markus freitag, neuer politologieprofessor in bern

30. september: “volks-abtimmungen. wie die direkte demokratie eliten und massen verbindet”, stadtwanderung für den cas kurs “politische kommunikation” der fachhochschule winterthur

zudem steht eine überraschungstour im programm. die kundschaft will nicht genannt sein.

im oktober werde ich wegen den wahlen etwas kürzer tretten. für eine weitere gruppe, die sich von mit führen lassen möchte, ist dieses jahr noch platz.

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sieben thesen zur entstehung und situation der schweiz

tina war überschwänglich. die slovenische fernsehfrau empfing mich am treffpunkt im zürcher hb und kam gleich zur sache. sie wolle ein interview von mir, vom sieg der eidgenossen über die habsburger bis hin zum nicht-eu-beitritt der schweiz in der gegenwart.

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die schweiz dem slovenischen fernsehen erklären – das notizbuch der vorbereitung und durchführung.

während die kamera in grossen halle installiert wurde, fragte mich die slovenische journalistin, ob es stimme, dass ich keinen doktor habe und dennoch an der uni unterrichte. ich antwortete ihr, so ungefähr sei das. sie wollte wissen, ob das nicht unmöglich sei. ich nickte, was sie erstaunte: sind sie also unmöglich? – nein, nein, ich bin einfach erfahren antworte ich.

hier die thesen, die ich als hintergrund für das gespräch mit dem slovenischen fernsehen vorbereitet habe:

erstens, das ist zuerst der ausgeprägte regionalismus mit einem dutzend städte und länder, die durch ihre kooperation untereinander im zerfallenden kaiserreich realtiv hohe autonomie erlangten. ursprünglich ging es um die hoheit über transitstrassen und kirchen. später war man vor allem ein militärbündnis. das angebot war attraktiv, weshalb das bündnis namentich zwischen mitte 14. und mitte 16. jahrhundert wuchs.

zweitens, die entwicklung einer übergeordneten staatlichen struktur wurde namentlich durch die reformation verhindert. das wachstum des bündnisses aus dem mittelalter wurde so gestoppt, die aussen- durch die binnenorientierung abgelöst. gespalten wurde auch die einheit von stadt und land, denn vor allem die städter wandten sich der neuen lehre zu, blieben aber lange in der minderheit. geformt wurde dadurch der reformierte stadtstaat in der katholischen umgebung.

drittens, am ende des ancien regimes, also vor der eroberung durch frankreich, kann man von einer staatlichen organisation sprechen, in der republikanische gedanke verwirklicht wurde. dank beteiligung am europäischen handel kam man zu reichtum, die konfessionelle spaltung wurde überwunden, die herrschaft über das militär war gegeben. die entscheidungsprozesse waren jedoch schwerfällig, die vielfalt der voraussetzung in der patrizischen, zünftischen und landsgemeindeorte blieb gross. eine nation war die schweiz im ancien regime eindeutig nicht, ein kleinstaat im werden der europäischen nationalstaaten schon.

viertens, mit der modernisierung des staates unter einfluss frankreichs und österreichsr enstanden die voraussetzungen für die schweizerische eidgenossenschaft: der föderalismus und die direkte demokratie zeigen die grössen wirkungen und sind dauerhaft von bedeutung. geblieben ist auch die republikanischen tradition. hinzu kommt eine verwaltungstradition, welche den bündnischarakter der staats ablöst. patriotische, liberale, radikale, demkratische und soziale bewegungen entwickel(te)n nicht nur die gesellschaft; sie prägen schrittweise das erneuerte schweizerische staatsverständnis, das dadurch bis heute einem patchwork mit einflüssen aus frankreich, den usa, deutschland und italien gleicht.

fünftens, der heutige staat ist ein kompromiss aus wirtschaftlichen erfordernissen der einheit und kulturellen grenzen aus der vielheit. die schweiz ist ein bundesstaat, der auf integration der regionen, konfessionen, sprachen und schichten ausgerichtet ist. die demokratisierung der politik trug mit ihrem mobilisierenden element einiges zur verbreiterung der basis bei, selbst wenn schwächen bei frauen und jungen lange bliebe oder anhalten. die konkordanz entwickelt sich zum vorherrschenden strukturmuster der politischen kultur, die auf verhandlungen zur konfliktlösung setzt. das wirkt sich auf die regierungsbildung aus, gelingt unter wirtschaftlichen guten bedingungen besser.

sechstens, mit dem ende des kalten krieges ende des 20. jahrhunderts verschwindet der zauber des schweizerischen staatswesens. der antikommunismus als einigende klammer fällt weg. die globalisierung von wirtschaft und kommunikation, die internationalen firmen und das internet bringen neue dynamiken ins land, das durch eine scharfe polarisierung der politik, der ökonomie und der gesellschaft erfasst wird. die anhänger einer rückwärts gewandten, traditionellen schweiz, und einer vorwärtsgewandten, modernen schweiz stehen sich schroff gegenüber.

siebtens, politisch sind heute die traditionalisten im vorteil, obwohl sie nur eine minderheit ausmachen, doch ist diese in einer nationalkonservativen partei geeint. derweil streiten die sich die vertreter des bürgerlichen zentrums und der rotgrünen linken darum, wer die vorherrschaft haben so, wie die modernisierung des schweizerischen staates im 21. jahrhundert aussehen soll.

ob die schweiz unter diesen bedingungen der eu-betreten werden, wollte tina am ende wissen. diese antwort konnte ich ihre locker schuldig bleiben …

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ps. das inti erscheint am do im slovenischen fernsehen, werde eine link besorgen.

state building in switzerland

das slowenische fernsehen will mich interviewen. es geht um die staatenbildung am beispiel der schweiz. das land geniesst auf dem balkan viel sympathien. das weiss ich aus der erfahrung, die ich in verschiedenen reise gesammelt habe. jetzt geht es darum, wie man das auf den punkt bringt. ich bitte um mithilfe.

Tilly 1charles tilly. amerikanischer historiker, sozio- loge und politiker, der sich mit dem prozess der staatenbildung eingehend auseinander gesetzt hat.

charles tilly, ein amerikanischer sozialwissenschafter, den ich während meinem studien fleissig konsultiert habe, schreibt dazu: “State building provided for the emergence of specialized personnel, control over consolidated territory, loyalty, and durability, permanent institutions with a centralized and autonomous state that held the monopoly of violence over a given population“. generell gesprochen geht es um den prozess, bei dem sich der staat von der gesellschaft durch institutionen zu unterscheiden beginnen, welche die entscheidungsprozesse formalisieren.

wann und wie ist das in der schweiz geschehen?

mehr oder weniger klare staatsgrenzen haben wir seit 1815.
mehr oder weniger permanente institutionen haben wir seit 1848 und danach.

spuren davon entstanden unter einfluss der französischen revolution, als folge der der reformation und durch gemeinsame bündnisse gegen habsburg. die ältesten vorstaatlichen spuren kann man wohl ins 14. jahrhundert zurückverfolgen.

ausgebildet worden ist vieles erst im 20. jahrhundert: zum beispiel die eigene einheitlich währung. oder die staats- resp. autobahnen.

das konkordanzsystem hat alte ursprünge. seine überhöhung hat es aber erst in der nachkriegszeit erhalten. die direkte demokratie als abstimmungsdemokratie gibt es seit rund 180 jahre. das milizsystem wiederum ist älter, der föderalismus sogar viel älter.

zudem: aus meinen reise auf dem balkan weiss ich, wie schwierig es ist, etwas, das an einem ort funktioniert hat, an einem andern zu realisieren! staatenbildung ist ein prozess der mobilisierung, der nur gelingt, wenn er nicht bloss von oben gesteuert, sondern auch von unte getragen wird!

so bleibt mir nur eines zu fragen, auf das es wohl viele antworten gibt: wie nur soll man das alles in wenigen, knappen, gut verständlichen sätzen (auf englisch) für slowenen formulieren?

hilfe! wer macht mit, bei versuch, das interview vom kommenden dienstag sach- und mundgerecht vorzubereiten, wenn es heisst: how was the process of state bilding in the famouse case of switzerland?

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mehr oder weniger kla

die ego-, öko-, konflikt- und angst-schweiz

gerne hätte ich den bericht auch vorzeitig gehabt. doch eine vorab-publikation im “blick” war der schweizerischen vereinigung für zukunftsforschung wichtiger als auf dem stadtwanderer. so bleiben mir nur der hinweis und der vorläufige kommentar zur studie “schweiz 2030”. übernächste woche, wenn sie ausführlich erscheint, gibt’s dann (hoffentlich) mehr.

georges t. roos ist ein engagierter und vorsichtiger forscher zugleich. wenn er über den wertewandel in der schweiz bis ins jahr 2030 redet, macht er klar, dass er auch nicht weiss, was dann sein und wie die schweiz in 20 jahren aussehen wird. der trendforscher glaubt deshalb auch nicht, dass es nur eine zukunft gibt. vielmehr beobachtet er die entwicklungen der gegenwart und projiziert sie auf verschiedene zukünfte.

nach zahlreichen expertInnengesprächen (zu denen ich geladen war), kommt er zum schluss: es gibt vier plausible entwicklungspfade der schweiz für das stichjahr 2030:

HBNGDO6V_Pxgen_r_179x256die ego-schweiz:
demnach geht es der schweiz auch in zukunft gut. die menschen sind gebildet, reich und sicher. sie sind erfolgreiche individualistInnen. einzig an nestwärme fehlt es der wettbewerbsgesellschaft, weshalb sich das kollektiv, die gemeinschaft und die geschichte bis zur unkenntlichkeit zurückentwickeln. die schweiz wird zur wohlstandsinsel ohne inneren zusammenhalt.

HBVbM3ON_Pxgen_r_278x398die öko-schweiz:
demnach meister die schweiz die grosse herausforderung der zukunft – die vermittlung von ökonomie und ökologie. sie profitiert davon, darin trendsetterin zu werden. nachhaltigkeit der wirtschaft, der gesellschaftlichen und menschlichen entwicklung sind die wichtigsten werte, welche die ökogesellschaft politisch im verbund mit der eu realisiert werden.

HB8XnwQR_Pxgen_r_231x256die konflikt-schweiz:
demnach wird aus der gesellschaftszwiebel mit einer breiten mitte eine sanduhr mit vielen reichen oben und vielen armen unten. die gesellschaftlichen aggressivität steigt. das land droht sich in der spaltung aufzulösen. die frage nach der solidarität wird neu gestellt. erreicht wird sie mit eu-beitritt und harter kontrollgesellschaft, um die inneren konflikte zu mindern.

HBFQB0B0_Pxgen_r_179x256die angst-schweiz:
demnach gibt es zwischen dem eigenen und dem fremden nur noch trennendes. die schweiz isoliert sich von seinen nachbarn. der wirtschaft schadet es, hauptsache man bleibt rein. die eigene kultur wird gepflegt, die anderen kulturen sind verhasst. die unternehmen verlassen das paradies.

sicher, das alles sind nur schemen der zukunft. sie zeigen uns aber, dass verschiedene entwicklungen in der gegenwart angelegt sind. deshalb macht es auch sinn, mit zukunftsszenarien zu arbeiten: um sich zu fragen, wohin das, was ist, in der zukunft zielt. und das ganze macht durchaus sinn: man stelle sich ein viereck vor, indem oben die beiden optimistischen, unten die beiden pessimistischen zukünfte angesiedelt sind. oben-rechts ist die ego-schweiz, unten-rechts die angst-schweiz, unten-links die konflikt-schweiz und oben-links die öko-schweiz. diesen radar kann man sich merken.

“Nicht alles ist machbar, aber auch nicht alles ist Schicksal”, wir der studienleiter ross im sobli von gestern zitiert. ich füge dem bei: traditionelle gesellschaft kennen nur den erfahrungsraum des vergangenen; moderne haben darüber hinaus einen erwartungshorizont, der das kommen im auge hat. diese ist nicht eindimensional, sondern szenarisch. es kommt darauf an. auch welchen zukunftsplan sich eine gesellschaft einlässt.

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es waren staatsbürgerinnen ohne stimmrecht

den langen weg zum frauenstimmrecht hat die berner geschichtsprofessorin beatrix mesmer anhand der politik der frauenverbände im 20. jahrhundert nachgezeichnet. ihr schluss, erst damit, dass frauenrechte als teil der menschenrechte gesehen wurde, kam es zum durchbruch.

978-3-0340-0857-0während des ersten weltkrieges bauten die frauen auf vorleistungen wie die freiwillige nationale frauenspende.
in den ersten kantonalen abstimmungen nach dem krieg, die das frauenstimmrecht vorsahen, honorierten die männer das nicht.

dann setzten die frauen auf die doppelte qualifizierung der mädchen für beruf und haushalt, um den ihnen zu mehr ökonomischen einfluss zu verhelten.
doch das scheiterte angesichts der tiefen wirtschaftskrise der dreissigerjahre.

schliesslich versuchte man es nach dem zweiten weltkrieg über den einsitz in expertenkommissionen, um auf die gesetzgebung einfluss zu nehmen.
das zeigte bescheidene erfolge, wie beispielsweise bei der staatsbürgerschaft verheirateter frauen.

erst die rezeption der menschenrechtsdeklaration verhalf dem frauenstimmrecht zum durchbruch. sämtliche verbände fanden sich einer arbeitsgemeinschaft zusammen, welche in kantonen und auf bundesebene volksabstimmungen verlangten.
dank einer neuen demonstrationskultur wurde der öffentliche druck so gross, dass 1971 die wichtige etappe in der gleichstellung der geschlechter in der schweiz gelang.

am 6.6.1971 stimmten die frauen erstmals wie die männer in einer eidgenössischen sache ab.
aus staatsbürgerinnen ohne stimmrecht waren nach einer langen und beschwerlichen wanderung vollwärtige stimmbürgerInnen geworden.

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die kleine verfassungsrevision von 1866

schon die ersten abstimmungen zu verfassungsänderungen zeigten stärken und schwächen der direkten demokratie: ihre entscheidungen sind durch das volk legitimiert, und sie können im widerspruch stehen zum übergeordneten menschenrecht.

Bundesverfassung_1848_Schweizdie bundes- verfassung von 1848 hielt bis 1874, trotz wichtigen änderungen im jahre 1866

wenn es um schweizerische verfassungsgeschichte geht, spricht man gerne von 1848, 1874 und 1999, den drei daten, an denen die jeweils neuen bundesverfassungen beschlossen wurden. 1848 wurde die liberale bundesverfassung eingeführt, 1874 und 1999 kam es zu zwei erfolgreichen totalrevisionen.

wenig gesprochen wird dagagen vom jahr 1866, als es zur ersten kleinen verfassungsrevision kam. am 14. januar beschlossen die stimmenden alle bürger in bezug auf niederlassung und gesetz gleichzustellen. damit fiel die ausnahmebestimmung für juden, die in der alten eidgenossenschaft tradition hatte und auch in die 1848er verfassung eingang gefunden hatte. weiterreichende gleichstellungen wurden indessen verworfen. sie hätten beispielsweise auch das stimmrecht, die glauben- und kultusfreiheit füür juden gebracht.

zur abstimmung kamen die vorlagen, weil frankreich in der schweiz interventiert hatte. denn die verfassung von 1848 garantierte den juden nicht, was für christen galt. kaiser napoléon III. verlangte, das im sinne der menschenrechte zu ändern. bundesrat und parlament stimmten dem zu und mischten einige entschärfungen von schwächen der 48er verfassung wie die vereinheitlichung von massen und gewichten bei, sodass es zu den ersten neun volksabstimmungen in der schweiz kam.

wirklich vorbereitet war man darauf nicht. das merkt man bis heute, wenn man die unterlagen zu entscheidung studiert. so gab es kein register der stimmberechtigten, das es erlaubt hätte, die stimmbeteiligung zu ermitteln. sie ist bis heute unbekannt. man weiss einzig, dass rund 320’000 personen stimmten. und merkwürdig mutet an, dass die vereinheitlichung der masse und gewichte angenommen wurde, obwohl eine mehrheit der kantone die zentralisierung ablehnte.

das alles hatte damit zu tun, dass die liberalen teilrevisionen ihrer verfassung von 1848 nicht zulassen wollten. zu stark fürchteten sie die opposition aus dem katholisch-konservativen lager, aber auch aus der romandie. deshalb bereitete man verfassungsrevision durch das volk gar nicht vor.

1872, beim ersten versuch, die bundesverfassung geordnet zu revidieren, kam es denn auch zu dieser doppelten opposition, sodass der versuch mit 49 zu 51 prozent zugunsten der ablehnung scheiterte. erst 1874 gelang die erste totalrevision mit einer volkszustimmung.

bei meiner stadtwanderung mit dem international zusammengesetzten beirat zur vox-analyse, die ich am freitag abend durchführte, wurden mir die zusammenhänge so richtig bewusst.

frankreich ist nicht nur geburtsort des europäischen demokratieverständnisses. mit der jakobinischen verfassung von 1793 wurden auch erstmals volksrechte proklamiert. der gedanke wurde in der folge nicht weiter verfolgt; vielmehr entwickelte sich in frankreich der parlamentarismus, mit einem kaiser, könig oder staatspräsidenten an der spitze.

in anlehnung an die landsgemeinden in den landkantonen entwickelte sich die demokratie schrittweise weiter: zuerst von der versammlungs- zur abstimmungsdemokratie. dann von der verfassungsmässig geschützten parlamentarischen demokratie zur direkten demokratie.

eine schwäche blieb: die einbettung in menschenrechte, die universelle gültigkeit beanspruchen war gering und sie ist bis heute eine schwäche geblieben. da brauchte und braucht es bis in die heutige zeit gegendruck von aussen. daran erinnern abstimmungen über “outgroups” von 1866 bis in die heutige zeit.

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vermessene lebensqualität der berner städte

rankings fasizinieren mich immer, auch wenn ich ihnen gelegentlich misstraue. so auch beim städte-ranking der zeitschrift bilanz.

bern-panoramabern hat nicht nur touristisches zu bieten, sagt das neueste städte-ranking der bilanz.

als ich vor einigen jahren nach der veröffentlichung des bilanz-städterankings bei der redaktion nachfragte, wie die reihung zustande komme, herrschte schnell mal aufregung. einen termin für ein gemeinsames treffen wollte man nicht vor sechs monaten haben. dabei zweifelte ich nicht an der richtigkeit der einzelnen bewertungen, doch wurde mir nicht klar, wie diese zum gesamtindex führten, mit dem man lebensqualität messen wollte.

2011 sind die forscher bei wüest&partner selber über die bücher gegangen. sie haben aus den 117 indikatoren 11 neue dimensionen erstellt, und verrechnen diese neuartig miteinander. generell fand eine verlagerung von harten faktoren der lebensqualität (wie dem steuerfuss) zu weichen statt. neu erfasst werden beispielsweise die besonderheiten einer stadt, und der unbrauchbare übernachtungsindex wurde durch die einkaufsinfrastruktur ersetzt.

das ist denn auch der grund, weshalb zahlreiche städte im aktuellen rating ganz anders rangiert sind als noch vor jahresfrist. beschränkt man sich auf die bernischen, lautet die reihenfolge neu:

1. bern: stärken: arbeitsmarkt, soziales, besonderheiten, bildung, kultur/freizeit und einkaufsinfrastruktur, mobilität/verkehr

2. köniz: arbeitsmarkt, soziales, gesundheit/sicherheit, bildung als stärken

3. biel/bienne: bildung, kultur/freizeit

4. thun: arbeitsmarkt, soziales, besonderheiten

5. muri: soziales, arbeitsmarkt

6. ittigen: arbeitsmarkt, bildung

7. burgdorf: bildung, soziales, erholung

8. langenthal: keine (am ehesten bildung)

9. münsingen: soziales

10. ostermundigen, spiez, worb: ohne spezifische angaben

was die berner städte also auszeichnet: das soziale, der arbeitsmarkt, die bildung, kultur/freizeit und ihre besonderheiten. real hat sich einiges verbessert, verändert sind die platzierungen aber wegen der neuen methode.

die hat erhebliche konsequenzen für die rangierung der berner städte. bern zum beispiel verbesserte sich im nationalen spiegel von 19. auf den 4. rang, köniz vom 73. auf den 34., biel/bienne vom 80. auf den 36., thun vom 78. auf den 45. und langenthal vom 111. auf den 45. platz. rückschläge gab es für muri (vom 47. auf den 70. rang), ittigen (vom 59. auf den 75. platz), während sich die andern hielt.

man sieht es, je spezifischer man lebensqualität auf pekuniäres reduziert, desto eher haben städte, die auf steuerpolitik setzen, vorteile. wenn man das konzept jedoch umfassend versteht, haben grösse, differenzierung und vielfalt der entwicklungen eine deutlich höheres gewicht. das bekommt im nationalen rating auch zug zu spüren – die beiden letzten jahre spitzenreiter. neu liegt zürich an erster stelle, vor zug und luzern – und eben bern.

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